Es gibt keinen Zweifel daran, dass dieser Klassiker nicht den Zweiflern anheim fallen wird, und den Weg in eine ungewisse Zukunft anzutreten hat. Wenn hier und da Klassiker, die jeden Jugendlichen schlussendlich zum Lesen antreibt, verteufelt werden, wird „Radetzkymarsch“ immer noch im kollektiven Gedankengut der Leserschar verwurzelt sein.
Das liegt zum Einen an der ungeheuren Wortvielfalt und ihrer eingängigen Anwendung. Zum Anderen eignet sich der Stoff immer noch dazu, um darzulegen, dass Ruhm und Ehre (und Zweifel und falsches Heldentum und und und) wie jede medaille zwei Seiten haben.
Joseph Roth gibt der Familie Trotta den ihr zustehenden Raum. Im Krieg fällt einem Trotta die Ehre zu ein Auge zu verlieren. Und da man sich im Habsburgerreich des 19. Jahrhunderts um seine Versehrten kümmert, darf er als Parkwächter das Schloss Laxenburg betreuen. Sein Sohn Joseph rückt im Ansehen noch einen Schritt höher als er dem Kaiser das Leben rettet. Aufstieg inklusive. Hauptmann Joseph Trott von Sipolje. Doch das Leben hat anderes mit der Familie vor.
Denn sein Sohn, der Sohn des Helden, wird – und da ist sich sein Vater sicher – immer der Sohn des Helden bleiben. Back to the roots – würde man den heroischen Schritt des Vaters heutzutage nennen. Denn er verlässt das Militär, wird wie seien Vorfahren wieder Bauer. Franz Freiherr von Trotta und Sipolje, sein Sohn, durfte nach dem Willen des Vaters (Joseph) nicht zum Militär, steigt aber zum Bezirkshauptmann auf. Da hatte der Kaiser seine Finger im Spiel.
Die Monarchie geht den Bach runter. Und auch das Leben der Trottas – mittlerweile mit Adelstitel – kennt nur eine Richtung. Und die ist nicht gen Himmel gerichtet. Denn die letzte Generation, der Enkel des Helden, muss zum Militär. Er will aber nicht. Das zarte Herz des Enkels des Helden von Sipolje ertrinkt im Alkohol und hört im Kugelhagel des Weltkrieges – da wusste noch niemand, dass es bald schon einen Folgekrieg geben wird – auf zu schlagen. Fast zeitgleich mit der Monarchie des einstig ruhmreichen Österreichs…
Eigentlich doch genug Stoff, um Zweiflern, Lautschreiern und Ewiggestrigen ein Signal zu geben „Radetzkymarsch“ den Marsch zu blasen und in die ewigen Jagdgründe zu schicken.
ABER: Der Autor heißt Joseph Roth. Den verteufelt man nicht einfach mal so im Vorbeigehen! Feingefühl, Wortgewalt und analytisches Schreiben kennzeichnen dieses Buch, das seit neunzig Jahren nicht lange in den Regalen der Buchhändler steht. Wer sich in der verklärten Vergangenheit des ruhmreichen Kaiserreiches des Habsburger tummeln will, kommt hier genauso auf seine Kosten wie diejenigen, denen zweifelhafte Heldenverehrung ein Dorn im Auge ist. Die Familiensaga des Trottas kommt niemals aus der Mode, weil die Strukturen, die Aufstieg und Fall einer Familie bis heute existieren – Parallelen zu aktuellen Emporkömmlingen sind offen sichtbar. Allein der Wille zur Macht ist berechenbar. Genauso wie das Ende einer Dynastie.