Nostalgie und organisiertes Verbrechen passt nur in Filmen wie „Der Pate“ so richtig zusammen. Da steht jeder für den Anderen ein. Doch wehe, wenn einer mal querschießt! Dann gibt’s was auf die Mütze!
Regina Stürickow kennt sich mit der Berliner Unterwelt vergangener Zeiten bestens aus. Ihre Bücher über Täter und Jäger sind ein Füllhorn an Anekdoten und Fakten. Was bisher in ihren Büchern nur anklang, wird in „Pistolen-Franz und Muskel-Adolf“ genauer unter die Lupe genommen: Die Ringvereine. Ursprünglich und vor allem nach außen waren sie gemeinnützige Vereine, die es entlassenen Strafgefangenen erlaubten die erste Zeit nach dem Knast zu überstehen. Doch im Inneren waren sie straff organisierte Verbrecherorganisationen. Sogar mit Satzung, Strafenkatalog und eigener Gerichtsbarkeit. Sie sorgten in ihrem Kiez für Ordnung. Wer also meinte sich illegal in deren Umgebung eine goldene Nase verdienen zu können, endete oft mit einer blutigen Nase auf dem harten Pflaster der Hauptstadt. Zehn Ringvereine bildeten den Großen Berliner Ring. Zu ihnen gehörten so klangvolle Namen wie „Immertreu“, „Vergnügungsverein Glaube, Liebe, Hoffnung“ oder der „Spar- und Geselligkeitsverein Libelle“. Letzterer trat besonders durch Einbrüche hervor. Die Beute wurde dann gewinnbringend zum Schleuderpreis weiterverkauft. Wodurch die Kasse des Vereins prall gefüllt wurde.
Und wenn die Kasse mal leer war, wurden Sammelrunden veranstaltet. Wie 1930. Der Geselligkeitsverein Friedrichstraße wollte nach Tirol in die Ferien fahren. Schatzmeister Goldzahn-Bruno (das waren noch Spitznamen!) besorgte die Tickets und … verschwand mit der restlichen Kohle. Dreizehntausend Mark. Mehr als nur eine Stange Geld. Er war sich seiner Sache so sicher, dass er damit durchkommen würde, dass er es nicht für nötig hielt die Stadt zu verlassen. Und es kam wie s kommen musste. Man fand ihn, verfolgte ihn, schnappte ihn und führte ihn seiner „gerechten Strafe“ zu.
Die Nazis schoben den Ringvereinen einen Riegel vor. Viele Ringvereinsmitglieder, Ringer war kaum einer von ihnen, wurden in Konzentrationslager gesteckt. Erst nach dem Krieg sollten ihre Geschäfte kurzzeitig wieder aufblühen.
Es war ein deutsches Phänomen, dass sich Gangster und Ganoven so strukturiert organisierten. Berlin, Dresden, Hamburg – überall gab es diese Vereine. Doch Berlin war die Hochburg. Wurde ein Verein verboten oder verschwand aus welchen Gründen auch immer von der Bildfläche, war schon für Nachrücker gesorgt. „Pistolen-Franz und Muskel-Adolf“ erzählt nicht von der guten, alten Zeit. Es ist ein Archiv dessen, was unter der Oberfläche gärte und gedieh. Regina Stürickow gebührt das Lob sich unbeirrbar Archive zu durchforsten und diesen Wirrwarr an Verflechtungen ans Tageslicht zu holen. Angereichert mit allerlei Geschichtchen ist so ein Buch entstanden, das als Reiseband in eine vergangene Zeit in eine immer noch (oder wieder) spannende Stadt angesehen werden kann. Denn die angegebenen Adressen wurden von der Autorin aktualisiert (nicht jede Straße Berlins hat die Wandlungen ohne Namensänderung überstanden). Die zahlreichen abgebildeten Belege und die heutzutage fast schon zum Schmunzeln anregenden Vereinsbilder runden das Bild des kompletten Kriminalbandes ab.