Wie sich die Zeiten ändern. Wer heute eine Reise plant, sucht sich bei Instagram Hotspots, die er dann besucht und ins rechte Licht rückt. Manch einer greift zum Reisebuch, um sich ereignisreiche Touren zusammenzustellen. Das war vor einhundert Jahren schon so. Also, das mit dem Reisebuch. „Der Baedeker“ war ein geflügeltes Wort. Doch schon damals gab es findige Schreiber, die dem Baedeker Konkurrenz machten. Denn selbst in der Bibel der Reiselustigen konnte bei Weitem nicht alles aufgeführt werden, was die Stadt zu bieten hatte.
Peter Scher und Hermann Sinsheimer machten es sich zur Aufgabe dem Besucher die Seele Stadt anzudienen. Das beginnt beim Franziskaner und hört bei der Weißwurst noch lange nicht auf. Ringelnatz und Valentin gehören ebenso dazu wie Thomas Mann. Dabei vermeiden sie es geschickt den Leser mit Gewalt darauf zu stoßen, wo man die Größen der Stadt antreffen kann. Soweit wollte man dann doch nicht gehen. Man stelle sich vor, dass sie detailliert beschrieben hätten, wann und wo man der Prominenz auflauern kann. Das wäre schon damals – vor fast hundert Jahren – ein Skandal gewesen. Nein, es geht ihnen darum zu zeigen, dass München ohne ihre Charaktere eben nur eine durchaus vorzeigbare Stadt mit mittlerem Charakter ist. Dass dem nicht so ist, davon kann man sich auf den 150 Seiten dieses Büchleins selbst überzeugen.
Ganz wichtig: Wie verhält es sich und man selbst mit dem Eingeborenen? Allein schon die Fragestellung deutet darauf hin, dass es bei diesem Buch keineswegs um einen bierernsten Reiseführer handelt, in dem man die wichtigsten Plätze und Sehenswürdigkeiten abarbeitet wie eine Matheprüfung. Zwischen den Zeilen lesen. Sich nicht zwangsläufig als unbedarfter Neuling zu erkennen geben. Im Strom mitschwimmen können. Darum geht es den beiden Autoren. Doch Vorsicht, München ist eine Stadt im Aufbruch. Vielerlei ungute Gesellen tummeln sich des Nachts in den Bierkellern und auf den Straßen. Ein paar Jahre zuvor, zettelte ein Postkartenmaler aus dem benachbarten Österreich einen Aufstand an, bei dem Tote gab. Dass ausgerechnet der einmal Weltgeschichte schreiben soll, konnte man 1928 noch nicht ahnen. Das allerdings hätte millionenfaches Leid verhindert.
Natürlich ist dieses Buch kein Reiseband, den man an der roten Fußgängerampel schnell mal rausholt, um sich des Weges zum nächsten Stop zu versichern. Es ist ein vergnüglicher Ausflug in die bayrische Landeshauptstadt, die immer noch einen Besuch wert ist. Und vielleicht entdeckt man sogar noch Parallelen von Damals und Heute. Wer genau liest, wird sie finden…