Marrakesch

Schon mal einem Besessenen gegenüber gesessen? Keine Angst, dieser hier beißt nicht. Er pflanzt nur eine Sehnsucht in Ihre Gedanken. Und das ist ausschließlich positiv gemeint. Jalid Sehouli, wobei das J in Jalid wie ein CH gesprochen wird – warum wird im Anhang so wunderbar erklärt – ist in Berlin geboren, hat durch seine Eltern die marokkanischen Wurzeln nie verleugnet.

Und jetzt lässt er sie sprießen. Marrakesch trägt die Sehnsucht irgendwie schon im Namen. Ein mystischer Ort? Nicht unbedingt. Ein sagenumwobener Ort? Schon eher, aber das trifft es auch nicht exakt. Ein bunter Ort? Oh ja! Und wie!

Djemaa el Fna ist der zentrale Platz in der roten Stadt, wie Marrakesch auch genannt wird. Der Platz der Gehängten, was nicht ganz korrekt übersetzt ist, denn eigentlich ist es der Ort der Rechtsprechung oder die Versammlung der Toten. Lässt man alle Vorurteile mal beiseite, kommt man der wahren Bedeutung schon auf die Spur. Oder man fährt selbst nach Marrakesch, was der einzige Ausweg ist, dieses Buch vollends zu verstehen.

Die zahlreichen Geschichten, die Jalid Sehouli, heute Ordinarius der Charité in Berlin, sind ein Füllhorn an Emotionen, Träumen und Sehnsüchten, die in ihrer Buntheit, Unterschiedlichkeit und Bandbreite so eindrucksvoll von der tausendjährigen Stadt erzählt werden. Ihnen entkommt man nicht!

Wie ein roter Faden – da ist es wieder das Rot Marrakeschs – zieht sich auch die Sehnsucht nach Pastilla. Dem Leibgericht des Autors. Wie man es zubereitet, das ist die Belohnung für seitenlanges Lesen und Gedulden. Denn am Ende des Buches lüftet er ein paar Zubereitungsgeheimnisse dieses Gerichtes. Viele waren selbst ihm zuvor noch nicht bekannt. Doch wie „im richtigen Leben“ beginnt eine Reise schon mit dem Gedanken an selbige.

Jalid Sehouli zu folgen ist eine wortgewaltige Freude. Jeder Absatz kündet von einem Abenteuer, das man gern mit dem Autor zusammen erleben möchte. Er ist kein Reiseführer, er ist ein ReiseVERführer. Man stelle sich vor, dass man wie zuvor schon beispielsweise Truman Capote, die rote Stadt besucht. Man atmet den Duft der Gewürze ein, stöhnt über die bis tief in die Abendstunden hinein wirkende Hitze, folgt den Staubwolken des Alltags und hat dieses Buch zur Hand. Eine Befriedung der schlechten Gedanken, eine Bestätigung dessen, was vor Reiseantritt alles getan wurde. Marrakesch ohne Jalid Sehoulis Buch, ist wie ein Schnitzel im Dschungel. Möglich, aber unvorstellbar.