Kreuzberger Nächte sind lang. Sankt Petersburger Nächte sind weiß, zumindest eine gewisse Zeit lang. Und in New York schläft man des Nachts nicht. Und in Prag? Klaus Hanisch lebt seit Jahren in Prag. Er arbeitet dort. Ein Jahr lang sogar nur nachts. Also von 22 Uhr bis früh morgens um sechs. Keine einfache Arbeitszeit. Vor allem, wenn man das Nachtleben studieren will.
Denn die Versuchungen sind vielfältig. Zum Einen das leckere Bier. In Tschechien sagt man nicht umsonst, dass man da Bier nicht zum Essen trinkt, sondern das Essen zum Bier einnimmt.
Zum Anderen ist es die Aussicht auf einmalige Geschichten. Und die hört Klaus Hanisch zuhauf. Er trifft ehemalige Fußballhelden, die in der großen Zeit des tschechoslowakischen das runde Leder bearbeiteten. Jetzt sind sie nicht mehr als eine Schatten ihrer selbst. Petr Janecka spielte in Prag, bei der Fußball-WM in Spanien und in Belgien. Heute lebt er von seinen Erinnerungen.
Und er trifft Nachtclubbesitzer, die fair ihr Geschäft betreiben. Tänzerinnen, die ganz genau wissen, was sie wollen (und wie sie es bekommen). Und er trifft Kunden selbiger, die um die halbe Welt reisen, nur um in Prag eine unverwechselbare Woche zu verbringen.
Sol Gabetta ist sicherlich das Highlight der nächtlichen Interviews. Die Cellistin verrät ihm, dass sie sich immer gern ein paar Tage zusätzlich nimmt, um ihre Auftrittsorte näher kennenzulernen. Prag gehört dabei zu ihren Favoriten.
Die verrauchte Atmosphäre der Prager Klubs, Kneipen und Spelunken durchschneidet der Journalist messerscharf mit neugierigen Fragen. Distanziert und energisch bohrt er im Leben seiner Gegenüber. Die erzählen ihm freimütig aus ihrem Leben. Klára D. ist so eine Lebenskünstlerin. Ihre Lebensgeschichte reicht aus, um mehrere Bände zu füllen. Wie ein Stalker hechelt Hanisch durch die Prager Nächte, um mehr zu erfahren. Sie scheint verschwunden. Von der Nacht verschluckt. Bis er sie wieder trifft und ihm ihr unglaubliches Leben beichtet.
Kurze Stakkato-Abrisse zeichnen ein klares Bild von Prags Nachtleben. „prag@night“ nennt Klaus Hanisch die fünf Ausflüge in die moderne Journaille. Kurze Sätze wie man sie sonst nur in sozialen Netzwerken benutzt.
Wer Prag kennt, weiß vom Reiz und Charme Prags Metropole zu berichten. Von Neppereien in Gaststätten weiß auch Klaus Hanisch zu berichten. Seine Geschichten sind jedoch mehr als bloße Touri-Erinnerungen. Sie sind das EKG einer pulsierenden Metropole, mit all ihren Begleiterscheinungen.