Das erste Buch? Ein Bilderbuch. Erinnerungsstück. Und nun? Wieder ein Bilderbuch, ein weiteres Bilderbuch. Neudeutsch graphic novel. Julia Hoße lässt ihre Erinnerungen wieder aufleben. Mehrfach, vielfältig, eindrücklich und nachhaltig.
Erinnerungen spielen uns oft gern mal einen Streich. Sie verblassen im Laufer Zeit oder versteifen sich zu einem Zerrbild. Ganz anders hingegen Julia Hoßes Illustrationen in diesem Buch. Stilistisch so abwechslungsreich wie das Wetter im April. So farbenprächtig wie der knalligste Indian Summer.
Mal möchte man die Seiten aus dem Buch reißen, um sie sich an die Wand zu hängen. Mal möchte man Handschuhe anziehen, um auf jeden Fall keine noch so kleinen Schmutzpartikel zurückzulassen. Knallbunt bis schwarz weiß. Satte Striche und grazile Linienführung. Verlaufende Farben und klare Konturen. Die Klaviatur der Zeichenkunst spielt Julia Hoße virtuos.
Ihr Streichorchester spielt ihr keine Streiche. Mit jeder Seite, die man in dieses Buch eintaucht, fügen sich die Farbnoten zu einer Sinfonie des Augenblicks zusammen. Düster und schwer die Erinnerungen ihrer Oma, die aus Königsberg fliehen musste. Kindheitserinnerungen von sorglosen Tagen am Strand erstrahlen in sonnengelber Leuchtkraft, die den Betrachter blendet.
Wer mit graphic novels bisher nicht viel anfangen konnte, wird mit „In meiner Erinnerung war mehr Streichorchester“ die liebevollste Einladung in ein neues Genre ausgesprochen. Bilder sind die ersten Erinnerungen, die uns prägen und lange erhalten bleiben. Ihre Wirkung wird nicht angerührt. Die Interpretation schon. Eigene Erfahrungen im Laufe eines Lebens verändern die Sicht auf die Dinge, die einst wichtig waren. Äußere Einflüsse schieben einzelne Aspekte „von damals“ an den Rand und holen andere dafür hervor.
Dieses Buch ist ein Erinnerungsstück, das den Betrachter beeindruckt. Interessant wie es in der Zukunft auf uns wirken wird…