Da sitzt er nun: Paul Zakowski. Wieder mal Entlassungstag. Er ist zu abgebrüht, um zu behaupten, dass es das letzte Mal sei. Entscheidend ist für ihn nur, dass er raus kommt. Raus ans Licht, in die Freiheit. Während er wartet – die Bürokratie fordert zäh ihren Tribut – erinnert er sich an das, was war, wie er wurde was er ist. Kriegskind, zu früh, zu schnell zum Mann geworden. Mit Raubzügen – mehr oder weniger abgesegnet vom Kölner Bischof Frings, weshalb man das Klauen in dieser Zeit auch „fringsen“ nannte – hielt er sich über Wasser.
Eine Kriminellenkarriere wie sie im Buche steht. Paul kann die Finger nicht vom süßen Leben lassen. Einbrüche bestimmen sein Leben. Und der Knast. Als Jugendlicher mit der ihm eigenen Gelassenheit nimmt Paul auch diese Zeit hin. Kaum sechzehn Jahre alt, wandert er zum ersten Mal ein. Da Fluchtgefahr besteht, wird er besonders unter die Lupe genommen. Fluchtgefahr deswegen, weil er sich nach Frankreich „absetzen“ wollte. Eigentlich wollte er „nur Brigitte Bardot kennenlernen“…
Die Anekdoten aus dem Knast sind eine Freude für die Augen. Mit Hingabe malt Peter Zingler ein reales Bild der Zeit nach dem Krieg. Fast schon romantisierend. Fast. Denn Paul Zakowski ist Peter Zingler. Er weiß, was es heißt im Knast zu sitzen. Er kennt die Kriminellen und ihre Art den Alltag zu bewältigen.
Immer wieder stürzt sich Paul / Peter mit Elan ins kriminelle Getümmel. Die Erträge variieren. Mal sind die Brüche einfach, mal entkommen er und seine Leute der Polizei, mal nicht. Und Paul / Peter arbeitet international. In der Schweiz ist der Knast am einfachsten. Wenn der Fußball mal über die Mauer fliegt, schließt der Wärter auf damit ein Gefangener den Ball wiederholen kann. Lakonisch schreibt Zingler, dass sie den auch wiedergebracht haben.
Bei aller Knastromanze sehnt sich Paul / Peter doch nach einem geregelten Leben. Finanzielle Sicherheit steht an erster Stelle. Doch wie soll das gehen? Ohne Ausbildung.
Peter Zingler weiß, wie man sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf herausziehen kann. Denn Peter Zingler ist mittlerweile in zweiter Instanz Drehbuchautor und Regisseur, preisgekrönt. Die kriminelle Vergangenheit ist nichts weniger als das. Die Erfahrungen seines ersten Lebens machen seine Drehbücher so authentisch. Erste Erfahrungen als Schriftsteller sammelte er als Schreiber von Kurzgeschichten, die unter anderem im Playboy veröffentlicht wurden. 1985 war Schluss mit lustig, der Ernst des Lebens begann. Als Journalist und Drehbuchautor übertrug er teils seine Erfahrungen ins seriöse Fach. Er schrieb Drehbücher für „Tatort“, „Schimanski“ und „Ein Fall für Zwei“. 1995 heimste er ganz legal den Grimme-Preis für sein Tatort-Drehbuch „Kinderspiel“ ein.
„Im Tunnel“ ist mehr als eine Abrechnung mit dem Leben vor dem Leben. Es ist ein ergreifender Befreiungsschlag, der bald eine Fortsetzung erfährt…