Eine geradlinige Biographie sieht anders aus: Am Ende des 19. Jahrhunderts in eine österreichische Adelsfamilie (allerdings ohne Pomp und Glanz) an der adriatischen Küste geboren. Royalist. Jurist. Künstler. Journalist. Wissenschaftler. Propagandaleiter für die Vaterländische Front. Einer der Ersten, die ins KZ deportiert wurden, nachdem die Nazis Österreich annektierten. Wieder in Freiheit beharrlicher Kampf gegen die Besatzer. Diplomatendienst in Südamerika. Ermordung. In Vergessenheit geraten.
Wer das nächste Mal Wien besucht, schaut am Stephansdom mal ganz genau hin. Neben dem Eingangsportal sieht man noch das O5 in einen der Steine geritzt. Wenn man es nicht sucht, findet man es auch nicht. Die 5 in O5 steht für den fünften Buchstaben im Alphabet, das E. Zusammen OE, ein Symbol für die Befreiung Österreichs vom braunen Terror. Im Gegensatz zum Rest der Welt, der unter dem Hassregime litt, erinnert aber nichts mehr an Hans Becker, der eine Woche vor Heiligabend im Jahr 1948 durch die Waffe in der Hand eines ukrainischstämmigen Querulanten ums Leben kam.
Der Journalist Erhard Stackl macht sich in seinem Buch auf Spurensuche. Diese Suche führte ihn nicht nur in Archive und zur Familie Beckers, sondern bis ans gegenüberliegende Ende der Welt. Seine Recherchen zur Person Hans Beckers sind von einer langen Suche und ausführlichen Ergebnissen geprägt. Sie führen den Leser in eine Zeit über die schon viel geschrieben wurde. Die Leben vieler führender Köpfe sind wie ein offenes Buch. Dieses Buch ist eine wahre Fundgrube an Neuentdeckungen.
Die Widerstandgruppe O5 war ein Sammelbecken für den Widerstand gegen Hitler. Hier engagierten sich Konservative, Linke, Künstler, Intellektuelle beseelt vom Kampf für ein freies Österreich. Ihr wichtigster Kopf – Hans Becker – ereilte das Schicksal, das so manch einer teilen musste: Er geriet in Vergessenheit.
Doch das ist nun Vergangenheit. Dank der vierhundert Seiten starken Biographie fällt das Licht der Erinnerung nun auf den Mann, der im Untergrund, teils im Hintergrund, Strippen zog, Aktionen plante, niemals aufgab. Die Jahre im Konzentrationslager konnten ihn nicht brechen. Im Gegenteil: Hier knüpfte er Kontakte und fand die Kraft, die ihm in der Zeit in relativer Freiheit die Hoffnung niemals verlieren ließ.
Immer wieder stößt man in den Kapiteln auf Menschen, denen bis heute ihrer Strahlkraft nicht entrissen wurde. Doch es sind diejenigen, die im Schatten kämpften, die dieses Sachbuch zu einem Abenteuerbuch machen, das man erst beiseite legt, wenn die letzte Seite gelesen ist.