Es gibt Bücher, die ziehen einen in ihren Bann und man weiß gar nicht warum das so ist. Ein Krimi spielt an einem Ort, den man kennt und die Geschichte ist so tiefgründig, dass man sich ihr nicht entziehen kann. Oder man hat eine persönliche Beziehung zu dem Thema, das das Buch behandelt. Oftmals ist es aber die Sprache, die in ihrer Klarheit, Reinheit und Bestimmtheit einen fesselt.
Egal, ob man nun selbst Erfahrungen mit Psychiatrie hat, tiefgründig und reine Sprache sind die Grundfeste der „Gespensterfische“. Über einen Zeitraum von einhundert Jahren entwickelt Svealena Kutschke einen Spannungsbogen, der den Beteiligten im Roman allerlei Anspannung verleiht und ihnen keine andere Wahl lässt als sich mit sich auseinanderzusetzen. Und genau da liegt die Krux! Sie setzen sich bereits mit sich auseinander. Manche sind wegen dieser Obsession genau hier gelandet. Andere – und deren Schicksal liegt in der Vergangenheit – sind hier und werden gedemütigt, erniedrigt, „geheilt“ – alle im Namen der Wissenschaft und unter dem Dach des hippokratischen Eides.
Die relativ kurzen Kapitel sind zeitlich nicht exakt einzuordnen. 80er, 90, 30er Jahre. Und die Gegenwart. In der ist beispielsweise Laura zu Hause. Sie „bewohnt“ ihre vier Wände mit Noll. „Die Wirklichkeit ist nur eine Vereinbarung“ – was ein Satz! Der beschäftigt Laura tagein, tagaus. Jedes Wort, das sie sagt nimmt sie auf. Echte Kommunikation ist ihr kaum möglich. Ihre Leidensgenossin ist das genaue Gegenteil von ihr. Sie verschließt sich komplett ihrer Außenwelt, trägt Ohrstöpsel.
Ein wenig weiter zurück – 30er Jahre – sieht die Welt der Anstalt ganz anders aus. Pfleger und Ärzte sind mindestens Dreiviertelgötter in Uniform. Ihre Patienten sind unwillens oder unfähig sich ihren Problemen zu stellen. Martialische Therapien, die Erfolg versprechen, treiben alle nur weiter in den Abgrund.
Davon erzählt Svealena Kutschke. So ernst und dabei an einigen Stellen auch tiefgründig humorvoll schließt sie den Leser in ihre Arme. Darin fühlt man sich sicher und ist froh, dass die Schicksale der Protagonisten ganz weit weg, in der Phantasie, sind. Doch sind sie es wirklich? Wie weit darf man sich in den geschlossenen Kosmos der Psychiatrie wagen? Sehr weit. Denn die Rettung naht in Gestalt der letzten Seite. Puh, ein intensiver Ausritt in die Tiefen der menschlichen Unmöglichkeiten und möglicher Unmenschlichkeit.