„Das Weltall ist so groß, und Satelliten sind klein“, wow, welch Erkenntnis. Von Elon Musk. Passend in jeder TV-Morningshow. Und bis zum Köpfen des Frühstückseis wieder vergessen. Was das Jahr 2023 an überraschenden Erkenntnissen für uns parathält, kann keiner voraussagen. Aber was es vor Jahren, Jahrzehnten zu sagen gab, was im poetischen Gewand die Gemüter erhitzte, erwärmte, erregte – das kann man bis heute getrost an die Wand hängen. Und dann auch noch in Schönschrift!
Kurzum: Auch 2023 wird ein poetisches Jahr. Wenn man sich diesen Kalender als Wandschmuck, als Ideengeber, als Wochenlosungsanschlag (bitte nicht als Attentat verstehen) gönnt. Als Belohnung winkt ein guter Start in den Tag. Ein Jahr lang der Titel als Bonmot-Verkünder. Oder einfach nur die Erkenntnis, dass „damals“ noch Werte galten, die heute vielleicht in den Hintergrund gerückt sind.
Und das beginnt schon beim Titelblatt – am besten den Kalender gleich an Heiligabend, nach der Bescherung aufhängen! Kurt Tucholsky bringt die Glücksformel auf den Punkt: Es gibt niemanden, der alles hat. Das beruhigt oder kann als Ansporn angesehen werden. Doch Vorsicht! Tucholsky wusste zwar um diesen Zustand, es half ihm wenig. Kurz vor Weihnachten des Jahres 1935 nahm er sich im schwedischen Exil das Leben. Das, was er wirklich hatte, nutzte er, um sich davon zu machen…
Fröhlicher kommt das erste Aprilgedicht von Theodor Storm daher. Ihm verheißt der kommende Sonnenrausch Aufschwung, Wiederbelebung und Lebenskraft.
Und wenn im August die Sonne erbarmungslos auf uns hernieder scheint, ist es mit Heine gesprochen, nur der ewige Kreislauf von Sonnenauf- und untergang, der uns erheitert. Alles halb so schlimm, weil man es einfach nur hinnehmen kann.
Mit Feingefühl wurden die Gedichte den einzelnen Monaten und Jahreszeiten zugeordnet. Von Mörike über Fontane bis zu Rilke, um nur drei der bekannteren Namen zu nennen. Das Beeindruckendste ist wohl aber – vor allem für diejenigen, die nur ihrer Handschrift nach das Zeug zum Arzt gehabt hätten – der wahrhaft gelungene Schreibstil. Herausgeber Hubert Klöpfer kann man dazu nur gratulieren und sich bei ihm bedanken, dass dieser Kunst immer noch ein würdiger Rahmen eingeräumt wird. Dass man so ganz nebenbei auch noch den Tag ablesen kann, ist mehr als nur eine Randnotiz. Es ist halt ein Kalender. Aber einer, der auch ohne viel Farbenkleckserei die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird.