Die Zahl Acht hat im Koreanischen eine positive Bedeutung. Auch weil sie in ihrer Aussprache dem Wort für Reichtum und Glück doch sehr ähnlich ist.
Die Erzählerin in diesem Buch arbeitet in einem Seniorenheim. Sie möchte in Zukunft mit den Bewohnern schon zu Lebzeiten deren Nachrufe schreiben. Drei Worte sollten als Basis vollkommen ausreichend sein. Ihre Chefin stimmt nach einigem Zögern der Idee zu. Als jedoch Mook Miran an der Reihe ist, stößt die Erzählerin an die Grenzen ihres Vorhabens. Denn Frau Mook macht ihr unmissverständlich klar, dass drei Worte keineswegs ausreichend sind ihr Leben in einem Nachruf zusammenzufassen. Nicht mal dann, wenn es nur um eine erste Fassung geht. Acht Worte sind der Kompromiss ihres Gedankenaustauschs. Ein Zufall oder kontrolliertes Kalkül?
Sklavin – Fluchtkünstlerin – Mörderin – Terroristin – Spionin – Geliebte – Mutter – das sind doch nur sieben. Sieben Leben sind es! Doch die Mörderin lässt die Erzählerin nicht los. Frau Mook dachte, dass die Geliebte oder die Mutter interessanter seien. Um es vorweg zu nehmen. Alle Leben der Frau Mook – egal, ob es nun sieben oder acht oder vielleicht doch nur drei gewesen sind – sprühen nur so vor Spannung.
Wir sind im Korea der Gegenwart. Frau Mook ist mittlerweile eine alte Frau. Mit ein bisschen Geschichtskenntnissen kommt der Leser dem reichhaltigen, ereignisreichen Leben der Frau Mook schnell auf die Spur. Frau Mook wurde als Japanerin geboren. Zu einer Zeit als Japan Korea fest im Würgegriff hielt. Der scheinbar rasche und unspektakuläre Wechsel von Nord- nach Südkorea verwundert jedoch, auch die Nachruf-Schreiberin. Kaum kann sie ihre Neugier und Unrast im Zaum halten. Doch Frau Mook weiß sie zu besänftigen.
Im Buch spricht Frau Mook nicht in zeitlicher Abfolge von ihren acht Leben – es sind acht, nicht nur sieben oder drei. Und mit jedem Leben füllt sich das Puzzlebild zu einem Gesamtkunstwerk, das an Spektakel, Leid, Hoffnung, Verzweiflung und Wendungen derart überfrachtet ist, dass es locker für mehrere Leben reichen könnte. Die Leichtigkeit der Geschichten ist eine Wohltat in diesem prall gefüllten Band. Hier wird nicht ewig herumpolemisiert. Hier wird nicht andauernd über Leid geklagt. Hier spricht eine Frau, die gelebt hat. Nicht einmal, nicht zweimal, sondern mehrfach. Und hier berichtet eine Frau, die jedes ihrer Leben in vollen Zügen gelebt hat. Genießen konnte sie selten. Beobachten und lernen – das war ihr Lebenselixier. Wie sonst hätte sie die Prügelattacken ihres prügelnden Vaters sonst überstehen können? Oder die Zeit als … ach nein, das muss man sich selbst erlesen. Mirinae Lee ist nihct einfach nur eine Erzählerin mit einer genialen Idee für ein Buch. Sie Geschichtsreferentin, Geschichtentante im besten Sinne des Wortes und gewiefte Verführerin in Einem.
