Abseits

Ein Pfiff. Jubelschreie. Verunsicherung. Abseits. Doch war es wirklich Abseits? Nein, darum geht es in Ulrich Rüdenauers Roman nicht. Auch wenn stellen weise das Wunder von Bern eine Rolle spielt.

Der Krieg ist Jahre her, aber noch lange nicht vergessen. Man spricht nicht darüber, nur über die, die in den eigenen (stets verschlossenen) Augen Schuld hatten. Rechtfertigungen sind ebenso präsent wie Verwandte abwesend sind. So wie die Eltern des kleinen Richard. Er wächst in den 50ern irgendwo im Süden Deutschland bei seinem Onkel, seiner Tante und deren Sohn auf. Ein hartes Leben mitten auf dem Land, Arbeit geht vor Bildung. So wird Richard schon mal für den Unterricht entschuldigt, weil er mit anpacken muss. So entgeht er wenigstens der Prügel. Dafür bekommt er emotionale Kälte vom Onkel zu spüren. Einen echten Ausweg scheint es für ihn nicht zu geben.

Wenn Richard einkaufen gehen soll, hat er meist einen Zettel dabei. So vergisst er nicht, was er holen soll. Bei Herrn Adler im Laden und Adam, seinem Angestellten, darf er ab und zu sogar mal mitarbeiten. Nägel und Schrauben abfüllen – kleine Arbeiten. Die ihm allerdings Lob und Anerkennung, zumindest eine Art von Zuneigung einbringen. Das ist für ihn mehr wert als jede Art von Lohn.

Richard spürt, dass er niemals dazugehören wird. Er ist der, der dem Onkel aufgezwungen wurde. Harte Zeiten, in denen man zusammenstehen muss. Muss, nicht will! Das Herumstromern im Wald mit dem Cousin ist in den Sommerferien einen schwacher Sonnenstrahl. Denn am Abend geht es zurück in die familiäre Kälte. Selbst als der Onkel einen Unfall erleidet – er war schlicht und ergreifend unvorsichtig als er das Pferd zu zügeln versuchte – ist Richards emotionales Loch nicht zu füllen. Der Onkel ist körperlich derangiert, Richard ist entsetzt als er ihn erblickt, als er mit in Krankenhaus muss – muss. Doch sein Solitärdasein wird dadurch nicht gemildert.

Ulrich Rüdenauer gelingt mit stringenter Wortwahl der lähmenden Stille der Nachkriegszeit eine eindringliche Stimme zu geben. Er klagt nicht an, Richard ist noch lange nicht so weit sich erheben zu können.

„Abseits“ sollte man sich ins Regal stellen und links und rechts noch Platz lassen für die hoffentlich kommenden Bücher des Autors. Ein Erstling, der derart ohne Getöse unter die Haut geht, ist selten.