Archiv der Kategorie: Links und rechts der Adria

Kärnten

Wer in Kärnten von Grenzerfahrungen spricht, hat sich einiges vorgenommen. Die Nähe zu Italien und Slowenien prägen schon immer diesen Landstrich, dieses Bundesland. Die größte und Hauptstadt ist Klagenfurth. Celovec, so der Name auf Slowenisch, begegnet einem allerorten. Hier wächst man zweisprachig auf. Viele sogar dreisprachig, weil das Italienische ebenso nicht wegzudenken ist. Und jedes Jahr im Frühsommer wird’s dann wieder deutscher, wenn die Tage der deutschsprachigen Literatur stattfinden. Das Literaturfestival für den deutschsprachigen Raum.

Bleiben wir noch ein wenig in Klagenfurth / Celovec, am Wörthersee und den unglaublichen Ausblicken in die Karawanken. Wer hier urlaubt, der sucht nicht zwingend die Action mit Gebrüll, der will tief einatmen, Natur erleben – und ab und an darf auch das Blut in Wallung geraten. Von fast jedem Punkt in Klagenfurth hat man grandiose Aussichten. Nach Oben und in der Horizontalen. Und wenn einem etwas die Sicht versperrt, dann ist auch das ein Augenschmaus.

Für ambitionierte Wanderer und Kletterer ist der Nationalpark Hohe Tauern das Traumziel schlechthin. Alles überragend der Großglockner. Aus dreitausend Meter Höhe ins Tal, in die Täler schauen ist hier nicht die ewig zu suchende Attraktion – hier ist das der Normzustand.

Sabine Becht und Sven Talaron machen nicht nur mit zahlreichen Bildern von Jausen und idyllischen Ausblicken Appetit auf diese Gegend, es sind die unzählbaren Tipps, die diesen Reiseband so nützlich machen. Wer also seinen Urlaub in Kärnten verbringen will, aber keine Ahnung hat, was ihn erwarten kann, der wird sich schon ein paar Tage mit diesem Buch beschäftigen können. Und dann hat er die Qual der Wahl. Fest steht jedoch, dass er bestens vorbereitet in den Westen Österreichs reisen wird.

Detailreiche Karten, unterhaltsame und informative Kästen, in denen man hinter die Kulissen schaut und klar gegliederte Kapitel sind das Pfund, mit dem dieses Buch wuchern kann, und alle anderen Reisebände verblassen lässt. Überall lauern in diesem Buch Tipps, kleine Infokästen, Wegweiser, Ortkennungen, deren Klang vertraut ist. Doch, dass das alles hier in Kärnten liegt, ist vielleicht nicht immer jedem bekannt. Es ist immer alles nur einen Katzensprung voneinander entfernt. Das erleichtert die Planung erheblich. Doch wo sind die besten Routen? Wo die eindrucksvollsten Aussichtspunkt? Und wo die besten Ratsplätze? Lesen hilft dabei enorm, sich Kärnten nachhaltig im Kopf zu behalten.

Albanien

Vier Jahre lagen zwischen der ersten und der zweiten Auflage dieses Reisebandes. Da hat sich einiges getan. Nicht nur im Land selbst, sondern und vor allem deswegen im Reiseband. Man stelle sich vor: Man ist mit einer Billig-Airline auf dem Rückflug von Süditalien nach Deutschland. Zwischenstopp in Tirana. Sieben Stunden. Was machen? Es gibt sicher einige, die erst mal im Oberstübchen kramen müssen, wo Tirana liegt (oder noch schlimmer: Was das überhaupt ist!). Tirana ist die Hauptstadt des kleinen Landes auf dem Balkan. Und beim Kramen im Oberstübchen fällt einem nicht viel ein, wie man denn nun die sieben Stunden Aufenthalt in diesem weitgehend unbekannten Land gestalten könnte. Die Seiten 25 bis 48 sind da ein guter Appetitanreger. Schnell stellt man fest, dass es hier vor Abenteuern nur so wimmelt. Da ist zum Ersten sicher die Küche. Nix mit Schnitzel und Kartoffeln. Hier wird’s feurig, würzig, deftig. Zum Angucken gibt’s natürlich auch jede Menge – aber das erliest man sich am besten selbst, ganz nach gusto. Und schon merkt man, dass sieben Stunden Aufenthalt gar nicht so viel sind wie man eigentlich braucht, um allein nur die Hauptstadt zu erkunden. Die Schlussfolge: Der nächste Trip geht – zusammen mit diesem Reiseband – nach Albanien. Inklusive Abstecher nach Kosovo, Montenegro und Nordmazedonien. Alles in einem Buch, klar gegliedert, übersichtlich und jederzeit sofort abrufbar.

Wie wäre es zum Beispiel mit Berat. Nie gehört? Alles halb so wild, hier wird geholfen. Die Stadt der tausend Fenster. Museumsstadt und seit fast zwanzig Jahren UNESCO-Weltkulturerbe. Autor Ralph-Raymond Braun greift auf bewährte Mittel zur Erkundung zurück, Reiseberichte von Ersterkundschaftern und Autoren. Die haben immer noch einiges zu erzählen, was noch unverändert an Ort und Stelle steht. Albanien war durch das Regime von Enver Hoxha jahrzehntelang von jeglichem Fortschritt hermetisch abgeriegelt. So blieb einiges erhalten, was sonst vielleicht sozialistischem Baudrang zum Opfer gefallen wäre.

Albanien ist eines der wenigen europäischen  Länder, das noch viel Ursprüngliches zu bieten und zu erkunden hat. Da ist es mehr als hilfreich einen fundierten Ansprechpartner bzw. Reiseband zur Hand zu haben. Ob Auf und Ab auf Schusters Rappen oder der geeignete Strandabschnitt am Ohridsee an der Grenze zu Nordmazedonien, Tipps, wo man sich beruhigt niederlassen kann und wo man auf örtliche Gepflogenheiten zu achten hat. Reich an Schätzen ist Albanien ohne Zweifel. Man muss sie suchen. Man wird sie finden. Einfacher wird das mit diesem Buch!

Millionärsurlaub auf einer kommunistischen Insel

Was sind wohl die prägendsten und ältesten Erinnerungen, die ein Mensch haben kann? Es sind wohl die an die Oma und den Urlaub. Und erst die Erinnerungen an den Urlaub bei oder mit der Oma. Nur noch zu toppen, wenn man im Urlaub mit Mama, Papa, Geschwistern, Großeltern bei den Urgroßeltern ist. Maura Lonzari hat das Nonplusultra an Erinnerungen in diesem kleinen, so fröhlichen Büchlein festgehalten.

Anfang der Fünfziger ging es für die Dreijährige zum ersten Mal nach Lussinpiccolo, Mali Losinj, einer jugoslawischen Insel in der Adria. Das Heim in Triest glich schon Wochen zuvor einem Arsenal an Dringlichkeiten und erfüllten Wunschzetteln. Die Wartezeit, ob das Visum genehmigt wird – der Eiserne Vorhang war hier vielleicht durchlässiger als anderswo, dennoch nicht minder starr und widerstandsfähig – wurde mit Vorfreude, Organisationsexpressionismus und logistischer Präzisionsarbeit ausgefüllt. Und dann endlich. Ankunft in Lussinpiccolo. Streng wurde darauf geachtet, dass Neugierige und Ankömmlinge sich nicht sofort vermischten. Die kleine Maura wollte auch nicht mehr warten und umgehend mit der ihr noch unbekannten Uroma Ballspielen. Was die Oma mit Engelsgeduld und der ihr eigenen Überzeugungskraft zu verhindern wusste.

Zuhause in Triest war die Familie eine von vielen. Hier waren sie die Attraktion. Voll gepackt mit tausend Sachen, die das Leben schöner machen, und der Neugier auf das Leben der Anderen, die so nahe wohnen, dass man ihnen vom Küchenfenster fast zuwinken könnte, gepaart mit der Anspannung, was der zeitlich begrenzte Systemwechsel (eigentlich nur ein Hereinschnuppern) so alles mit sich bringt.

Die Jahre vergehen. Die Urlaube in Lussinpiccolo sind Routine geworden. Maura Lonzari wächst zu einer jungen Frau heran, die ihre Freiheiten auslebt. Mit Folgen. Und dann auch noch im Ausland. In einem Ausland, das Familie bedeutet, aber auch Abgrenzung ob der sichtbaren, unverrückbaren Unterschiede. Die Sommer, in denen sie unbeschwert sie selbst sein kann, sind ein lieb gewonnenes Ritual. Geplante Familienzusammenführung aus Zeit mit der Leichtigkeit der Jugend.

Dieses kleine Büchlein ist die ideale Urlaubslektüre. Nicht nur für die Adria. Die Hingabe, mit der die Autorin ihre Erinnerungen sich selbst noch einmal vor Augen führt, berührt ab der ersten Seite. Schnörkellos und absolut ehrlich vollführt sie einen Freudentanz, dem man sich nur anschließen kann.

1000 places to see before You die

Im Leben gibt es unzählige Listen, die man erstellt. An die meisten hält man sich, wie den Einkaufszettel. Andere hingegen dienen – so meint man – der eigenen Beruhigung etwas zumindest in Planung zu haben. Meist gehen diese Listen irgendwann den Weg in den Abfall. Und dann wiederum gibt es Listen, die sind so dick, weil gehaltvoll, die werden niemals ihre Anziehungskraft verlieren. Bucketlist nennt man das.

Und so eine liegt in diesem Fall einmal mehr vor. Tausend Orte, die man besuchen muss bevor man es nicht mehr kann. Unmöglich? Schon möglich. Aber genauso möglich ist es tausend Orte zu bereisen. Doch wo anfangen? Hier kommt dieses Monster an Ideen, Ratgebern, Tipps, Tritten in den Allerwertesten ins Spiel. Von nun an gibt es keine Ausreden mehr! Der Anfang ist gemacht. Und der erste Schritt ist bekanntlich der erste von vielen, die noch folgen werden. Und wenn man schon mal angefangen hat…

… dann auf zum Lac d’Annecy oder nach Riga. Am besten mit einem Abstecher zu den Stränden Goas in Indien oder Sanibel und Captiva vor Florida. Oder der größten Sandinsel der Welt, Fraser Island in Australien. Zu ruhig? Dann hilft eine Shopping- oder Sightseeingtour über die quirligen Märkte von Saigon.

Man muss das Buch nur in die Hand nehmen und ein wenig darin blättern. Und schon hat man Reisefieber. Und eine Reisefibel auf dem Schoß. Klar gegliedert nach Kontinenten und Ländern. Ganz Mutige nehmen diesen Schmöker als festen Reiseplan – viel Spaß beim Urlaubsantrag ausfüllen: „Chef ich bin dann mal weg. Wenn ich das Buch abgearbeitet habe, komme ich wieder. Bis in … Jahren!“. Die Vorstellung ist doch schon sehr verlockend.

Ein Sinnes-Overkill ist garantiert. Berge, Täler, Strände, Stadtzentren, Architektur, Naturwunder, über und unter Wasser, Aussichtspunkte, Absteige wie Kletterpartien – wer hier nicht fündig wird, der hat entweder schon alles gesehen (was fast unmöglich scheint) oder will einfach nicht. Man kann dieses – nein, man sollte – dieses Buch als niemals versiegende Inspirationsquelle sich regelmäßig aus dem Regal nehmen. Reisen bildet. Lesen macht Appetit. Bei 1220 Seiten kann man sich niemals satt sehen und inspirieren lassen. Es gibt immer wieder Neues zu entdecken. Heute hier, morgen da. Der Sehnsucht einfach mal Futter geben. Sich selbst austesten, was alles möglich sein kann. Schon allein dafür lohnt sich ein Blick in diesen Schmöker.

La fenice

Da steht man nun vor diesem Bild. „Die Venus von Urbino“, gemalt von Tizian, Mitte des 16. Jahrhunderts. Alles so rein, so frisch, ein bisschen anstößig. Wenn man an die zeit denkt, in der es gemalt wurde. Und schon springt das Räderwerk im Kopf an. Wer ist das? Wer sind die Personen im Hintergrund? Alles nur Phantasiegeschöpfe oder reale Personen?

Venedig zur Zeit Tizians. Schon früh bemerkt Angela, dass es klüger ist den Mund zu halten als sich gleich zu beschweren. Ihr Vater ermöglicht ihr eine Schulbildung. Doch ihr Lehrer ist mehr an ihren Brüsten und dem Körper interessiert als dem jungen Ding die Lektionen zu erteilen, für die er bezahlt wird. Angela erduldet es. Die Stimme der Mutter, die ihr rät still zu bleiben stets im Hinterkopf. Jahre später kommt ihr diese harte Schule zugute. Als Kurtisane – auch so ein Wort, das man heute kaum noch verwendet, mit Sicherheit wer sie heute Influencerin – hat sie sich einen respektablen Ruf erarbeitet.

Es ist ein Venedig, das vom Handel lebt. Und so ziemlich alles ist eine Ware. Informationen sind die haltbarsten Güter. Der Poet Aretino ist das Lästermaul der feineren Gesellschaft. Er weiß Dinge zu berichten … und tut es auch. Immer, wirklich immer, mit der Maßgabe selbst einen Vorteil für sich selbst herausziehen zu können. Die Wuchermieten der Serenissima zahlt er nicht! So einer hat natürlich Feinde, und die wenigen Freunde, die er hat, sich wohlweislich ausgesucht.

Dann ist da noch Fedele. Einst eine blühende Schönheit. Heute verschrobene Alte, der man lieber aus dem Weg geht, wenn man sie nicht kennt und ihr mit ihren Bücherpaketen begegnet. Doch Fedele ist gerissen. Sie hat vorgesorgt. Ihr Wissen ist fast so viel wert  wie das von Aretino.

Nun hat sich Angela, La Zaffetta, kein rühmlicher Spitzname, den sie von ihrem Vater übernehmen musste, in den Kopf gesetzt ihr Leben zu ändern. Einen ihrer Stammkunden lehnt sie unverhohlen ab. Sie kann sich das erlauben, meint sie. Doch eben dieser Lorenzo Venier ist ein enger Freund von Aretino. Und den hat man lieber nicht zum Feind. Ein kurzes No und die Welt von La Zaffetta wird nie wieder dieselbe sein…

Lea Singer gibt in ihrem historischen Roman „La fenice“ der Geschichte eine gehörige Portion Geschichte hinzu. La Zaffetta, Aretino und Venier – die gab es alle tatsächlich. Sie prägten Venedig Mitte des 16. Jahrhunderts. Und Angela aka La Zaffetta wurde sogar von Tizian verewigt. Beim Lesen kommt niemals die Frage auf, ob denn nun wirklich alles sich genauso zugetragen hat. Das ist auch nicht wichtig. Die Sprachwucht, die keinerlei Zweifel aufkommen lässt, zieht den Leser lautstark in die Kanäle der Stadt, in die Paläste, deren Mauern niemals schweigen werden und in die feine Gesellschaft der Renaissance. Und hier stinkt es mancherorts gewaltig.

Norddalmatien

Schon das Titelbild lädt zum Verlieben ein. Eine herzförmige Insel – Insel Galešnjak – lächelt dem Leser entgegen und macht Lust auf noch mehr Entdeckungen. Wie wäre es mit einer Klettertour in der Velika-Peklenica-Schlucht? Oder einfach nur die Seele baumeln lassen auf einer der zahlreichen Inseln in der Adria? Oder mal unter der Erde verschwinden wie einst Matthias Sandorf in dem gleichnamigen Roman von Jules Verne? Ist alles möglich in Norddalmatien.

Lore Marr-Bieger schient wirklich jede noch so kleine Insel zu kennen. Inselhopping bekommt in diesem Buch eine völlig neue Bedeutung. Selbst Einheimische scheinen hier noch etwas Neues entdecken zu können. Und für alle, die Angst haben mal einen Namen nicht ordnungsgemäß aussprechen zu können – die Konsonantendichte im Kroatischen ist teilweise zungenbrechend – für den sind die Inseln Pag, Olib oder Silba angstfreie Zone…

Die Region ist schon seit Ewigkeiten besiedelt. Umso erstaunlicher ist es wie gut erhalten so manches Kleinod noch ist. Zečevo ist so ein Kleinod. Eine klitzekleine Insel – aber mit großer Geschichte. Hier steht die kleinste Kathedrale der Christenheit. Und im Mai und im August, jeweils am Fünften, gibt es hier ein besonderes Schauspiel zu beobachten. Welches, das steht in einem der zahlreichen farbigen Infokästen, die jeden Ausflug zu einem besonderen Erlebnis machen.

Große, von Menschenmassen überlaufene Städte sucht man hier vergebens. Wer sich für Norddalmatien entscheidet, sucht (und bekommt) das komplette Erholungspaket. Und für alle, die dann doch ein wenig Action brauchen, wird ebenso gesorgt.

Es gibt keinen anderen Reiseband, der so umfänglich und detailliert die Region Norddalmatien abbildet und dem Leser/Gast ein derartiges Programm anbieten kann. Von versunkenen Schätzen bis hin zu versteckten Burganlagen in romantischen Bergen wie beispielsweise Ključica bleibt kein Wunsch nach Erholung und Abenteuer ungenannt. Immer wieder stößt man beim bloßen Durchblättern auf das eine oder andere „Das muss ich unbedingt auch machen“. Und selbst wer einfach nur sein Wohnmobil abstellen und das klare Wasser der Adria genießen will, bekommt hier die Tipps für die besten Badestellen.

Schaurig-schönes Europa

Wenn der Urlaub etwas ganz Besonderes werden soll, dann sind außergewöhnliche Orte das Salz in der Traumsuppe dieser Erinnerungen. Die Bilder, die man sich selbst in diese Erinnerungen pflanzt, müssen einem ganz bestimmten emotionalen Bild entsprechen. Auch wenn sie nur für den Bruchteil einer Sekunde vor dem Auge erscheinen oder für die Dauer eines Spazierganges existieren. Mit allen Sinnen wird dieser Moment für Ewigkeit festgehalten.

So wird man beispielsweise in Craco in der Basilikata im Süden Italiens, nahe der Felsenstadt Matera, auf einen Ort treffen, aus dem das Leben schon vor einem halben Jahrhundert geflohen ist. Oder besser gesagt, es wurde aufgegeben als Mitte der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts nach einem Erdrutsch es als zu gefährlich angesehen wurde hier weiterhin zu leben. Zuvor lebten hier mehr als tausend Jahre Menschen. Heute erinnern nicht einmal mehr Glasscheiben an eine Zivilisation. Dass hier ein Leben möglich war, ist dennoch nicht wegzudiskutieren. Straßen und Gassen existieren noch. Auch die Raumaufteilung der Häuser ist noch klar erkennbar. Umgestürzte Möbel verweisen auf ihre ehemaligen Bewohner. Und dennoch herrscht hier eine gespenstische Ruhe. Ein verlassener Ort, der einem den Schauer über den Rücken jagen kann.

Brodelnd und voller Leben – dennoch nicht minder lost place – ist der Rio Tinto in Andalusien. So ein Rot in einem Fluss hat man noch nie gesehen. Baden ist nicht ratsam. Der Sauerstoffgehalt ist zu gering, der Säuregehalt hingegen um ein Vielfaches zu hoch. Optisch ist der Fluss ein Augenschmaus und trägt sicher dazu bei sich auch noch Jahre später genau an das meiste zu erinnern.

Über glasklares Wasser schwebt man förmlich im Höhlensee von Tapolca, nördlich des Balatons. Auch hier fühlt man sich wie in einer fremden Welt. Prächtige Farbenspiele, gespenstische Ruhe und alles unter der Erde. Das Höhlensystem ist vulkanischen Ursprungs und kann heute recht gemütlich bereist werden.

„Schaurig-schönes Europa“ ist ein Reiseband, der bei jedem Umblättern das Reisefieber steigen lässt. Stimmungsvoll in Szene gesetzt und mit verheißungsvollen Texten gespickt, macht dieses Buch Appetit auf echte Abenteuer.

Hier und anderswo

Man spürt es ab der ersten Seite, ach was, aber der ersten Zeile: Thomas Michael Glaw reist gern. Und oft. Und er kann viel erzählen. Nicht über das, was man sehen muss, was jedem früher oder später vor die Augen kommt, sondern über das, was man suchen muss und finden kann. Und vor allem über das, was zu beachten ist. Reiseimpressionen mit Lerneffekt. Doch so statisch sollte man dieses kleine Büchlein nicht angehen. Es ist eine Art Hilfestellung für Reisenovizen wie alte Hasen, die über diejenigen lachen, die Catania in Spanien oder Griechenland verorten (die gibt es wirklich! Und das nicht zu knapp!).

Hier sind sie also die gesammelten Impressionen (Auszüge davon) eines Reiselebens. Von München nach Wien im Flieger? Niemals. Im Zug reist man entspannter, und auch nicht viel länger, wenn man die Eincheckzeiten und die Fahrten zum und vom Flughafen einberechnet. Und mit der ÖBB sogar pünktlich, freundlicher … einfach entspannter. Reisen als Sinnesrausch im positiven Sinn. Denn auch eine Zugverspätung kann eine Reise in einen Rausch verwandeln – Stichwort Blutrausch.

Wiens erster Bezirk hat für ihn den Rausch der Vergangenheit gegen die Tristesse des Übers eingetauscht. Übervolle Straßen, übermäßig viele Verkäufer, die überteuerte Tickets verkaufen, überall nur Touristen, die überhaupt kein echtes Wien mehr ans Tageslicht kommen lassen. Dennoch sind Wien und seine Cafés immer noch berauschend. Es sind halt nur andere Cafés, wo man sich zur morgendlichen Stunde Gazetten und Braunen einverleiben mögen möchte.

Südspanien im Winter ist ein feuchtes Vergnügen. Manchmal auch ein feuchtfröhliches, wenn man der Sprache nicht mächtig ist und aus Versehen etwas bestellt, was einen übermäßig beansprucht.

Roma als Amor zu verstehen, fällt leicht, wenn man die Ewige Stadt einmal besucht hat. Oder mehrmals. Die Stadt für sich allein hat man niemals. Es sei denn, man besucht einen Friedhof. Doch auch da ist Achtsamkeit angeraten. Furbo und Pignolo können einem manchmal ordentlich auf die Nerven gehen oder gar die letzten Reste davon rauben. Der Eine mogelt sich durch (und kommt damit auch immer durch), der Andere ist ein Pedant, den man so in Italien gar nicht vermutet. Eine köstliche Charakterstudie des Autors.

„Hier und anderswo“ ist ein kurzweiliges Lesevergnügen für alle, die Bestätigung suchen und/oder vor der Entscheidung stehen in alle Himmelsrichtungen zu flüchten. Knigge-Fallen lauern überall (da ist es wieder, dieses „über“), nicht hineinzutappen, ist die Kunst. In diesem Büchlein die Fallen zu erkennen, sie umschiffen zu können, ist keine Kunst, es ist fast schon eine Pflicht.

Istrien, Kvarner Bucht

Istrien verströmt nicht erst seit dem Ende des Eisernen Vorhangs einen Hauch von Süden, Abenteuer und ehrlicher Erholung. Schon vor Jahrzehnten, vielleicht sogar Jahrhunderten wusste man, dass hier Urlaub urig, nachhallend und eindrucksvoll sein kann. Eingerahmt vom Golf von Triest und dem Golf von Venedig – das allein sind schon wohlklingende Namen – und östlich der Kvarner Bucht liegt ein Fleckchen Frieden, der immer noch Geheimnis in sich birgt. Und sie sich gern individuell entreißen lässt. Istrien ist nichts – das interlinguale Wortspiel muss sein – ist eine Fehlinterpretation des Namens. Istout würde es eher treffen… Aber lassen wir die sprachlichen Übergriffigkeiten.

Liegt der Fokus für die nächste Reise erst einmal in der nördlichen Adria, kann die Antwort auf die Frage nach dem Wohin nur mit Istrien beantwortet werden. Wenn man die geballte Ladung Urlaub haben möchte. Baden? Ein dickeres Ja kann es kaum geben. Wandern, Klettern, per pedes die Welt erkunden? Der dicke Zwilling vom Bade-Ja macht sich mit einem fetten Grinsen vor dem fragenden Gesicht des Fragenstellers breit. Leckeres Essen? Die Mutter der beiden genannten Jas baut sich drohend vor einem auf und fragt, ob das wirklich ernst gemeint sei. Zuhause beim Kroaten sich den Bauch voll schlagen und dann nicht wissen, dass es hier das reichhaltigste Essen links und rechts der Adria gibt?! Was braucht man noch im Urlaub? Ruhe. Auch wenn man manchmal ein bisschen laufen/fahren muss, auch die findet man ohne Umschweife in Istrien.

Nur vier Fragen, die allesamt mit Ja beantwortet werden. Jetzt muss man nur noch wissen, wo genau, was genau, wann genau zu erkunden ist. Und hier kommt der Reisebuchautor Matthias Jacob ins Spiel.

Sein Reiseband ist das Faustpfand der Erinnerungen. Der Detailreichtum seiner Ausführungen ist immens. Wie der Abschnitt über Grožnjan. Ein kleines Städtchen, das komplett befreit ist vom Autolärm und –gestank. Seit fast einem Jahrtausend kennt man den Ort. Demzufolge urig ist das Ambiente. Und modern zugleich, wenn man durch die zahlreichen Galerien schlendert. Fast schon verschwenderisch mutet es an, wenn man liest, dass es hier 42 Galerien gibt … bei ca. 200 Einwohnern! Da bekommt der Begriff familienfreundlich eine ganz andere Bedeutung. Doch auch für Badenixen und Klippenspringer hat Matthais Jacob ein Füllhorn der Austobemöglichkeiten im petto. Alle geheimen Badestellen hier aufzuzählen wäre eine Metusalemaufgabe.

Was vor allem auffällt an diesem Buch, ist die durchdachet Struktur des Reisebandes. Kurze, knackige Absätze, alles, was wichtig ist, wird farbig hervorgehoben. Vor- und Zurückblättern wird hier zum dauerhaften Aha-Erlebnis. Die zahlreichen Abbildungen und Kartenausschnitte machen die Entscheidung für den einen oder anderen Ausflug nehmen einem sicher nicht die Entscheidung ab, aber sie vereinfachen die Durchführung. Istrien wird mit diesem Band zu einem astreinen Urlaubserlebnis!

Denk an mich, auch in guten Zeiten

Welke Blicke, ausstillen, zwiebulieren, eine Falle, die eigentlich ein Knäuel sein soll – man kommt sich ein bisschen wie bei Hercule Poirot vor, wenn er den neugiereigen Fragen der Anwesenden aus dem Weg gehen will, in dem er ihnen Faktenbrocken zum Fraß vorwirft. Doch die kraftvollen Wortschöpfungen sind Grundlage und Salz ein- und derselben Suppe. Die Beziehung einer Frau zu ihrem Vater. Den sie kaum kannte. Und als sie sich darauf einlassen konnte, sich ihm zu nähern, sich ihm zu stellen, machte er sich ein für allemal davon. Trauern? Ja, aber wie?

Nebensächlichkeiten halten sie nicht ab dem Fortgang der Geschichte, ihrer Geschichte, zu folgen. Als Leser sind das die Momente, in denen er hoffnungslos in darin versinkt. Die Stimmung, die Umgebung werden so nahbar, dass man sich nicht mehr entziehen kann.

Maja Gal Štromars Buch „Denk an mich, auch in guten Zeiten“ lässt viel Raum für Interpretationen. Und gleichermaßen ist dafür kein Raum mehr. Denn die Sprachgewalt der Autorin bedarf keines Eingriffs von Außen. Immer wieder versinkt sie in Melancholie, bricht entschlossen auf zu neuen Ufern, verzweifelt, richtet sich auf. Und mittendrin der Leser, der sich nach und nach bewusst wird, dass hier nicht mit einem schnellen Ende zu rechnen ist. Geduldig muss man die Seiten an sich vorbeiziehen lassen, um schlussendlich festzustellen, dass klassischer Aufbau und Leseerlebnis nicht das einzige Paar sind, das zum Ziel führt.

Der Wow-Effekt von „Denk an mich, auch in guten Zeiten“ liegt nicht in der Geschichte selbst. Wie Maja Gal Štromar zugibt ist die Geschichte gar keine Geschichte, im klassischen Sinne, mit Anfang und Ende etc. Es sind die Bruchstücke, Versatzstücke, Puzzleteile, die sich wie selbstverständlich ineinanderfügen und einen Raum schaffen, den man so noch nie betreten hat. Gänzlich uneitel entblößt sich hier eine Frau, ohne Scheu vor den Konsequenzen. Poetisch kraftvoll wie es nur selten vorkommt.