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Wien Schmäh Hauptstadt capitol

Wien, Wien, nur Du allein …

Über kaum eine andere Stadt werden jedes Jahr derart viele Bücher veröffentlicht wie über Wien. Kaffeehäuser, Künstler, geheime Ecken – alles wird unter die Lupe genommen, weil die Archive überquellen vor Dokumenten. Es scheint ein Einfaches zu sein über Wien zu schreiben und zu berichten. Aus dem Berg an Information und neu Ausgegrabenem ragen jedoch immer wider Bücher hervor, die der Thematik mehr als nur eine Berechtigung bescheinigen. So wie „Wien, Wien, nur du allein…“. Volksbelustigung in einer der schönsten Städte der Welt.

Gabriele Hasmann nimmt das Vergnügen an dem Vergnügen vergnüglich auf den Grund zu gehen. Nicht nur der Tod is a Wiener, der Schelm auch. Und der Vergnügungssüchtige. Und der Voyeur. Und der Pionier. Und und und. Ein Sammelsurium der Kuriositäten und der kuriosen Seltsamkeiten, in einem Buch. Ein Buch, das Wienkenner in Verstaunen versetzt. Und Wien-Neulinge an den Rand der exzessiven Sehnsucht treibt.

Wien und Vergnügungen das sind zwei Dinge, die untrennbar miteinander verbunden sind. Einfach nur flanieren, das ging damals (wann auch immer damals beginnt und wann auch immer es aufhört) genau so gut wie heute. Doch irgendwann ist auch mal Schluss mit dem Müßiggang. Dann braucht man Äcktschn!

Viel ist voll mit Museen, die jeden Wienbesuch zu etwas Besonderem machen. Ob groß oder klein, jeder muss mindestens ein Museum in Wien besuchen. Doch wie war das vor ein-, zweihundert Jahren? Immer nur ins Museum? Nö! Der Prater war die Hauptattraktion der Stadt. Die Fahrgeschäfte sind bis heute Magnet für Tausende.

Freaks nannte man die Hauptattraktionen über den großen Teich. Sensationsschauen in Deutschland. Hier traten Menschen auf, die heute so niemals mehr dargestellt würden. Dass unter dem Siegel der political correctness auch die Berichterstattung darüber ins Abseits geschoben wird, ist zweifelhaft und hat nichts mehr mit Menschenwürde zu tun.

Damenkappellen (das war mal ’ne Sensation!), morbide Peep-Shows, Feuerwerk – die Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Wien war the place to be. London und Paris waren zweifelsohne größer. Aber in der Donaumetropole bekam man auf der Straße und um die Ecke das geboten, was andernorts nur in Theatern zu besichtigen war.

Auffällig und vor allem nachvollziehbar sind die exakten Adressangaben der Autorin. Bis heute kann man so manchen „Zirkus“ noch exakt verorten. Auch wenn es dort heute anders aussieht. Wohnraum und Einkaufstempel machten so mancher Attraktion den Platz streitig, ihre Geschichte konnte sie nicht in den Boden der Vergessenheit stampfen. Dieses Buch ist ein Erinnerungsort, der dem Vergnügen der Städter ein weiteres Denkmal setzt. Der nächste Wienbesuch wird so manchen Abstecher in vergnügliche Zeiten parat halten und für so manchen Schmunzler sorgen. Denn nur der Leser dieses Buches weiß, was früher hinter diesen (neuen) Mauern vor sich ging…

Leben verboten!

Manchmal weiß man schon vorher, dass der Tag nicht so verlaufen wird wie es sein sollte. Die Zeichen sollte man nicht ignorieren. Ernst von Ufermann muss nach Frankfurt fliegen, um mit den erhofften Krediten die Firma zu retten. Ihm geht’s soweit gut. Haus, Frau, Kind, Hausmädchen, Chauffeur – für das Jahr 1931 ein angesehener Mann. Doch die Aufregung vor dem Flug lässt ihn des Nachts nicht zur Ruhe kommen. Anzeichen Eins. In Windeseile lässt er sich zum Flugplatz Tempelhof chauffieren, gibt seinem Chauffeur noch ein paar Anweisungen mit auf den Weg. Und stürzt sich ins Getümmel am Flughafen. Er wird angerempelt. Ist ja normal, bei so vielen Menschen. Und plötzlich bemerkt er, dass Geld, Papiere, Ticket verschwunden sind. Das war kein Zufall, dass Ernst von Ufermann angerempelt wurde. Anzeichen Zwei. Was soll er nun machen? Frühstück, Zeitung lesen. Auf Anzeichen Drei warten? Und da ist es schon. Das Flugzeug, in dem er sitzen sollte, stürzt ab. Alle Passagiere kommen ums Leben. Auch er, der vermeintlich prominente Fluggast. Anzeichen Drei entpuppt sich plötzlich als einzigartige Chance. Was, wenn er weiterhin für tot geglaubt werden würde? Seine Frau bekommt die Lebensversicherung ausgezahlt, eine enorme Summe. Die Firma ist gerettet. Das Leben der Familie gesichert. Doch was ist mit ihm, Ernst von Ufermann.

Wien ist sein erster Anlaufpunkt. Hier wird er zu Edwin von Schmitz, das „von“ muss bleiben… Eine Prostituierte hat ihm die Flucht bzw. den Fluchtpunkt ermöglicht. Für einen Gefallen, den er ihr und ihren Kumpanen tun soll. In Wien ist alles anders. Die Tochter der Familie, bei der er unterkommt, verliebt sich in ihn, nachdem sie ihn lange misstrauisch beäugt. Er vertraut ihr und gibt sich als Ernst von Ufermann zu erkennen.

Es wird Zeit zurückzukehren, nach Berlin. Doch die Zeiten haben sich geändert. Niemand erkennt ihn, will ihn wieder erkennen. Und plötzlich tritt auch die Polizei in Erscheinung. Dann kommt, nach langer Zeit, Anzeichen Nummer Vier. Nach langer Zeit der Ruhe, einem neuen Leben, der Sehnsucht nach dem alten Leben, wird es rasant im Leben von Ufermann/Schmitz. Das letzte Anzeichen bewahrheitet sich vollends. Dieser Tag wird nicht so verlaufen wie er sollte…

Maria Lazar verließ ihr Wien rechtzeitig vor dem Terror des braunen Mobs. Ihre Romane wurden viel gelesen, meist waren sie unter Pseudonymen veröffentlicht. Sie floh nach Dänemark, wo sie auch Bertolt Brecht und seien Frau Helene Weigel einen Unterschlupf organisieren konnte. Doch nach dem krieg war sie vollends in Vergessenheit geraten. Eine langwierige Krankheit die schwindende Aussicht auf Heilung ließen sie ihrem Leben selbst ein Ende setzen. Es dauerte mehrere Jahrzehnte bis ihre Romane wiederentdeckt wurden. Sie sind immer noch frische, vor Spannung platzende Zeugnisse einer Zeit, die die Autorin zerfleischte, ihre Leserschaft aber bis heute fasziniert.

Musik in Wien

Wien, Neustiftgasse Ecke Kellermanngasse. Ein Hauch von Melodik macht sich breit. Die Ersten zögern, bleiben stehen. Dann bricht es aus ihnen heraus: „Oh Du lieber Augustin, Augustin…“. Was ist geschehen? Sie haben das Denkmal vom lieben Augustin entdeckt. Er hat die Nacht in einer Pestgrube überlebt. Schlawiner oder Glückspilz? Das Lied ist bekannt, auch über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus. Den Grundstein für die Allianz von Musik und Wien hat es bestimmt nicht gelegt, ist aber mindestens genauso eng damit verbunden wie Hietzings bekannteste Mieter: Liszt, Strauss, Beethoven. Apropos Beethoven. Will man Wien zu Fuß auf seinen Stationen folgen, muss man sich gut rüsten. Der gute Mann ist andauernd umgezogen. Mal „nur schräg gegenüber“, mal „gleich ans andere Ende der Stadt“. Ein echter Marathon, der wie so viele Stadtrundgänge auf den Spuren großer Namen (meistens sind es dann doch Musiker, zumindest Künstler) auf dem Zentralen enden.

Peter Rupperts „Musik in Wien“ ist der ultimative Reiseband für alle Musikfreunde, die in Wien schon so manche Ecke erkundet haben und die man nur schwer noch beeindrucken kann. Das geballte Musikwissen der Stadt in einem Buch – Freud und Leid, Hoffnung und Verzweiflung, triumphale Erfolge und nicht minder bittere Niederlagen und Tumulte. Es sind die kleinen Anekdoten, die dieses Buch so besonders machen.

Und wer weiß schon, dass auch Alma Mahler-Werfel selbst komponierte? Ihre Werke sind leider größtenteils verschollen. Dachbodenfunde zu bestimmten Jubiläen sind also nicht ausgeschlossen.

Auch begnügt sich Peter Ruppert nicht damit nur all die großen Namen aufzuzählen und ihnen auf der Spur zu bleiben. Sie alle hatten Schüler und Verehrer, die ihnen nachreisten oder schon da waren. Haydn lehrte Beethoven. Es passt nicht, geht sich nicht aus. Beethoven grübelt, wettert gegen den Alten. Sucht Rat bei Johann Georg Albrechtsberger. Doch auch der ist mit dem ungestümen Rheinländer überfordert. Später wird Albrechtsberger auf Anraten von Mozart Domkapellmeister zu St. Stephan. Im Wiener Stadtteil Meidling, im Zwölften, ist eine Gasse nach ihm benannt.

Augen auf beim Wienbummel. Immer wieder, fast schon an jeder Ecke, trifft man auf Namen, die der Stadt ein gewisses Flair gaben. Doch das hörte nicht einfach mit dem Ende des Walzerzeitalters oder des Kaiserreiches oder gar mit dem Ende der klassischen Musik auf. Moderne Komponisten wie Arnold Schönberg oder Alban Berg übernahmen den Ruhm ihrer Vorgänger nahtlos. Der Zeitungsausschnitt im Buchklappentext über ein Konzert mit moderner Musik lässt die „ausgelöste Stimmung“ bis heute erahnen – das als Watschenkonzert in die Geschichte eingegangene Ereignis gehört zu Wien wie Falcos „Vienna Calling“ oder Wolfgang Ambros’  „Es lebe der Zentralfriedhof“. Ihnen allen widmet sich dieses Buch und wird für jeden, der mit einem Liedchen auf den Lippen, mit der unstillbaren Neugier eines Wientouristen, ohne Bedenken sich der Stadt hingeben will, zu einem dienlichen Begleiter.

1000 places to see before You die

Im Leben gibt es unzählige Listen, die man erstellt. An die meisten hält man sich, wie den Einkaufszettel. Andere hingegen dienen – so meint man – der eigenen Beruhigung etwas zumindest in Planung zu haben. Meist gehen diese Listen irgendwann den Weg in den Abfall. Und dann wiederum gibt es Listen, die sind so dick, weil gehaltvoll, die werden niemals ihre Anziehungskraft verlieren. Bucketlist nennt man das.

Und so eine liegt in diesem Fall einmal mehr vor. Tausend Orte, die man besuchen muss bevor man es nicht mehr kann. Unmöglich? Schon möglich. Aber genauso möglich ist es tausend Orte zu bereisen. Doch wo anfangen? Hier kommt dieses Monster an Ideen, Ratgebern, Tipps, Tritten in den Allerwertesten ins Spiel. Von nun an gibt es keine Ausreden mehr! Der Anfang ist gemacht. Und der erste Schritt ist bekanntlich der erste von vielen, die noch folgen werden. Und wenn man schon mal angefangen hat…

… dann auf zum Lac d’Annecy oder nach Riga. Am besten mit einem Abstecher zu den Stränden Goas in Indien oder Sanibel und Captiva vor Florida. Oder der größten Sandinsel der Welt, Fraser Island in Australien. Zu ruhig? Dann hilft eine Shopping- oder Sightseeingtour über die quirligen Märkte von Saigon.

Man muss das Buch nur in die Hand nehmen und ein wenig darin blättern. Und schon hat man Reisefieber. Und eine Reisefibel auf dem Schoß. Klar gegliedert nach Kontinenten und Ländern. Ganz Mutige nehmen diesen Schmöker als festen Reiseplan – viel Spaß beim Urlaubsantrag ausfüllen: „Chef ich bin dann mal weg. Wenn ich das Buch abgearbeitet habe, komme ich wieder. Bis in … Jahren!“. Die Vorstellung ist doch schon sehr verlockend.

Ein Sinnes-Overkill ist garantiert. Berge, Täler, Strände, Stadtzentren, Architektur, Naturwunder, über und unter Wasser, Aussichtspunkte, Absteige wie Kletterpartien – wer hier nicht fündig wird, der hat entweder schon alles gesehen (was fast unmöglich scheint) oder will einfach nicht. Man kann dieses – nein, man sollte – dieses Buch als niemals versiegende Inspirationsquelle sich regelmäßig aus dem Regal nehmen. Reisen bildet. Lesen macht Appetit. Bei 1220 Seiten kann man sich niemals satt sehen und inspirieren lassen. Es gibt immer wieder Neues zu entdecken. Heute hier, morgen da. Der Sehnsucht einfach mal Futter geben. Sich selbst austesten, was alles möglich sein kann. Schon allein dafür lohnt sich ein Blick in diesen Schmöker.

Wien und der Tod

Die lebenswerteste Stadt der Welt und der Tod – wie geht das zusammen? Bedingt das Eine das Andere? So hoch sollte man den Zusammenhang nun doch nicht hängen. Ja, Wien darf sich seit Jahren als die Stadt mit der höchsten Lebensqualität bezeichnen. Das liegt an dem offensichtlichen, stets verfügbaren kulturellen Angebot. Und dazu gehört nun mal in der Donaumetropole auch der Tod. Spätestens, wenn man nach Simmering fährt: Zum Zentralfriedhof. Letzte Ruhestätte für so manchen Promi, für die Lebenden ist der (uneingeschränkte) Zugang verboten. Ein Paradies zum Schlendern. Das haben wir es wieder: Das Jenseits gehört dann doch irgendwie zur Stadt dazu.

Peter Ahorner nimmt dem leidigen Thema Tod die Schwere in seinem kleinen schwarzen Büchlein. Anekdoten pflastern des Lesers Weg in die ewige Sehnsucht nach … Wien. Kein Angst, hier wird niemand vorzeitig „vom Banernen“ geholt. „A eckn muss ma a net mochn“. Und schon gar nicht !“a bankl reißen“. Diese Synonyme voller Poesie sind nur ein kleiner Spiegel des Umgangs der Wiener mit dem Tod.

Und heimtückisch ist dieses Büchlein auch nicht. Man weiß worum es geht, wird trotzdem überrascht, was man alles über den Tod in Wien herausfinden kann. Die Habsburger ließen sich gern mehrmals beerdigen. Nicht, um den Hinterbliebenen endlose Feierlichkeiten zu bescheren. Nein, ihre Körperteile wurden an verschiedenen Orten begraben, ausgestellt, verwahrt. Echter Besitzanspruch.

Wer Wien tiefergehend kennenlernen will, muss öfter mal Treppen hinabsteigen. Von der Kapuzinergruft bis hin zum Zentralen zu ebener Erde, breitet sich der Weg in die Ewigkeit vor dem Interessierten aus. So mancher lässt beim Kontemplativrundgang im Ohr Wolfgang Ambros erklingen („Es lebe der Zentralfriedhof“) – wer Lokalkolorit braucht, blättert in diesem Büchlein. Doch Vorsicht! An mancher Stelle kann man sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen.

Klein – schwarz – morbide – unterhaltsam: Die heilige Vierfaltigkeit des Todes in Wien trägt schwarz und hat ein Lesebändchen. Passt in jedes Reisegepäck und sorgt für vergnügliche wie informative Augenblicke. Kurz und knapp – so soll es sein. Das letzte Kapitel zum Thema ist mit diesem Buch geschrieben.

Das kann immer noch in Wien passieren

Als Wien-Tourist kann man es nur schwer vorstellen, dass hier so etwas wie Alltag einkehrt. Alle paar Meter gibt es etwas zu entdecken, dass es so eben nur hier gibt. Mit großen Augen marschiert man an beeindruckender Architektur vorbei, schaut hier und da mal rein, überblickt von so manchem Hügel die Metropole, berauscht sich in einem der zahlreichen Museen und lässt es sich im Café gutgehen.

Der alltägliche Schmäh ist da nur ein Beiwerk, das man erst bei genauerem Hinhören zu verstehen weiß. Es sind jedoch die Alltagsgeschichten wie in diesem Buch, die den Wien-Touristen vom Wienexperten unterscheidet. Wer also dem Schlangestehen am Café Central oder (noch schlimmer, weil länger) am Sacher nichts mehr abgewinnen kann, wem das Belvedere schon näher ist als die heimische Umgebung, der wird den Wienern mit Genuss aufs Maul schauen. Und wenn’s nicht allzu wianerisch wird, versteht man es … zumindest akustisch. Inhaltlich wird’s da schon ein wenig verzwickter. Doch es gibt Abhilfe.

„Das kann immer noch in Wien passieren“ ist die Allzweckwaffe im Wunderschönfinden des Alltagssingsangs in der Donaumetropole! Denn nicht alles, was so melodisch ans Ohr geflogen kommt, ist mit Liebreiz und Wohlwollen behaftet. Es sind schon deftige Abreibungen, die man allerorten vernehmen kann. Das beginnt bei der familiären Aufarbeitung der eigenen Geschichte derjenigen, die nicht fliehen mussten. Was den Autor dieser Anekdote dazu veranlasst zu bemerken, dass sein Gegenüber zumindest dafür verantwortlich ist, dass seine Familie fliehen musste, wenn sie denn konnte. Starker Tobak, wenn so ein Dialog „zwischen Tür und Angel“ stattfindet.

Diese Alltagsgeschichten sind gespickt mit Perfidität, laissez-faire und einer ordentlichen Portion Schärfe und Wortwitz. Oberflächlich eine schonungslose Abrechnung mit der hauptstädterischen Arroganz gegenüber allen von außerhalb. Doch in der Tiefe liegt der wahre Schatz dieses Buches vergraben.

Nicht alles, was scharfkantig ist, verletzt. Als Trostpflaster kann man dieses Buch ebenso verstehen. Denn wird vorbereitet ist, entgeht so manchen Verbalscharmützel. Zartbesaitete können in Wien schnell unter die Räder kommen, wenn sie sich nicht bewusst sind, dass nicht alles so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Und in Wien kocht man sehr heiß – also verbal. Als Zusatzlektüre für den einen oder anderen Reiseband ist dieses kleine Büchlein, das sich mit Macht gegen übertriebene Korrektheit wehrt, unverzichtbar. Und mit diesem Buch in der Hand, am richtigen Ort kommt man garantiert mit echten Wianern ganz schnell ins Gespräch.

Wie man die lebenswerteste Stadt der Welt überlebt

Eigentlich kann man es kaum noch hören: Wien ist die lebenswerteste Stadt der Welt! Und dann ist man da und sagt: „Ja, stimmt!“. In fast jeder Hinsicht. Ein geballtes Inferno an Museen, prächtige Straßen, eine funktionierende Infrastruktur. Ein lebenswerter Ort, ein Ort, an dem man nur die Ohren offenhalten muss, um dem Schmäh die Schärfe zu nehmen. So wie Andreas Rainer, ein Alltagspoet – der Alltagspoet. Er schnappt an der Tramhaltestelle, an der Ampel, im Café (wo sonst?!) was auf und verarbeitet es ruck zuck zu einem poetischen Pamphlet, das Kopfnicken und „Echt jetzt?“ zugleich hervorruft.

Diese kleinen Sticheleien gegen das lupenreine Image der Stadt sind mehr als nur eine kleine Brise Würze. Sie erzählen von dem, was dem Touristen verborgen bleibt. Es sei denn man kommt tatsächlich mit einem Herrn Ober ins „Gespräch“… Ihn heranwinken bringt nichts.

Andreas Rainer findet seine Geschichten auf der Straße. Da streiten sich Bauarbeiter und Polizei wer hier Vorrecht genießt. Oder es hagelt Beschwerden über die Arbeit – woanders ist auch nicht schlechter.

Dieses kleine Büchlein nimmt ein wenig die Schwere vom Titel „Liebenswerteste Stadt der Welt“. Hier leben auch nur Menschen, die allerdings mit einer ordentlichen Portion Schmäh dem Alltag die Stirn bieten. Derber Humor und Eleganz schließen sich also doch nicht komplett aus.

Und es gibt echte (Über-) Lebenshilfe für Wien. Wenn man einem Lehrer glauben darf, dann sollte man es tunlichst vermeiden psychisch Labile in der U-Bahn anzustarren. Das ist nicht nur Schulklassen zu empfehlen. Denn der Wiener steht über allen anderen Österreichern – was sicher nicht zu verallgemeinern ist, aber warum soll man sich als Gscherter zu erkennen geben (und den Unmut der Wianer sich zuziehen) – und das lässt er ganz gern auch mal sein Gegenüber spüren (schön mal verdutzt aus der Wäsche geschaut, wenn einem „a Sackerl“ angeboten wurde?).

Es gibt auch andere Städte, die für ihren Humor bekannt sind. Berlin zum Beispiel. Doch während man an der Spree mit der Dampframme zurechtgestutzt wird, wird man an der Donau sanft mit dem Hammer gestreichelt. Wien-Liebe to go steht wie ein Label auf dem Cover. Und so sollte man dieses Büchlein auch annehmen. Nicht zwingend am Graben sich auf einer Bank das Buch laut vorlesen. Auch nicht auf den Stufen der Albertina sich lauthals über (letztendlich sich selbst) lachen. Jedoch auf einer Bank leise vor sich hinschmunzeln während man darin blättert, sollte erlaubt sein. Und vielleicht trifft man auf diesem Weg genau den einen Wiener, der mit einem über diese „G’schichten“ bei einer Tschick lachen kann. Einen Versuch ist es allemal wert!

Wiener Zuckerl

Es gibt schlimmere Orte in Wien als den Naschmarkt, um als Inspector nach dem rechten zu sehen. Im Alten Wien zumindest. Inspector Nechyba sieht das Elend auf den Straßen, weiß um die kleinen Scherereien – mit dem Stankowski zum Beispiel – und er weiß ganz genau wie er hier jeden zu nehmen hat. Und die Anderen kennen ihren übergewichtigen Bullen ebenso aus dem ff. Geben und Nehmen – leben und leben lassen. Nicht ganz. Herr im ring ist immer und unanfechtbar Nechyba. Man kennt ihn aus zahlreichen Krimis. Doch dieses Mal hat Autor Gerhard Loibelsberger die kleinen – manchmal fiesen – Geschichten in den Fokus seines Buches gestellt.

Zuckersüß und bitterböse. Und wie immer mit viel Wiener Schmäh. Keiner geht ungestraft päulisieren – ein wunderbares Wort, wenn es nicht tagtäglich hört und nur als gast in der lebenswertesten Stadt der Welt ist. Da nimmt man auch mal ein Beidl als Schimpfwort in Kauf. Doch Vorsicht vor den Schastrommeln!

Im weiteren Verlauf der heiter morbiden Geschichten rückt die Gegenwart immer mehr in den Fokus des Lesers. Nechyba ist hier schon längst passé. Doch das Verbrechen noch lange nicht. Echt oder ausgedacht spielt hier schon lange keine rolle mehr. Man ist fest im Würgegriff der Wiener spannungsgeladenen G’schichten. Die Kiberei ist nicht weit, wenn wieder einmal einer über die Stränge geschlagen hat. Fast ist man geneigt ob des charmanten Wiener Slangs dem Einen oder Anderen sein Ansinnen und Tun zu verzeihen. Aber nur fast. Denn Verbrecher bleibt nun mal Verbrecher.

Wer der den Wienern nicht nur angedichteten Todessehnsucht etwas abgewinnen kann und True Crime gepaart mit phantasievoller Vielfalt mit offenen Armen entgegenläuft, der wird diese „Wiener Zuckerl“ im Nu zerbeißen und gar nicht erst warten bis sie langsam auf der Zunge zergehen. Bissfester und zartschmelzender Humor mit einer Brise handfester Reibereien und ganz mieser Typen, denen man bei Einbruch (hihi) der Dunkelheit nicht begegnen möchte.

Das Zuckerlglas auf dem Cover ist vielleicht irreführend, aber je öfter man die Seiten umblättert umso mehr versteht man den hintersinnigen Humor. Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen? Und wenn noch nicht, wollen Sie das wirklich? Na klar doch! Denn mit diesem Buch ist man auf wirklich alles vorbereitet im Wien der dunklen Gassen und Gestalten …

Sonst wäre Wien nicht Wien

Der Titel fällt einem sofort ins Auge: „Sonst wäre Wien nicht Wien“. Wie viele Großstädte hat Wien seinen unvergleichbaren Glanz Mäzenen, Visionären und Machthabern zu verdanken. Deren Vorstellungen sind bis heute sichtbar. Was wäre Wien ohne Kunst- und Naturhistorisches Museum? Oder ohne die Hofburg? Das sind die offensichtlichen Hinterlassenschaften der Habsburger. Doch es sind die scheinbar kleinen Dinge, die Wien letztendlich immer wieder zu einer der lebenswertesten Städte der Welt machen.

Scheinbar klein ist im Falle Wiens immer mit überall sichtbar gleichzusetzen. Es sind beispielsweise die Parkanlagen, die den Besucher – aber auch und vor allem die Wiener selbst – zum Durchatmen, zum Verweilen, zum sich Entfalten, einladen. Gerade Sichtachsen, klare Linien – hier hat Kaiser Joseph II. seine Finger im Spiel gehabt. Dem lag das gesundheitliche Wohl der Bevölkerung am Herzen. Auch wenn die Spitäler der Stadt heute andere Namen tragen, so waren sie einmal ihm gewidmet, weil er sich in Auftrag gab. Architektonische Perlen, die von Außen innehalten lassen. Und von Innen … na ja, den Heilungsprozess beschleunigen werden sie nicht.

Autor Norbert Philipp schlendert nicht durch Wien, er durchforstet die österreichische Metropole mit der Lupe und seziert ihre Wurzeln bis in die kleinste Faser. Dort, wo der Name bis heute Programm ist, ist nicht immer das drin, was draußen drauf steht. Die Aussichtswarte im Türkenschanzpark trägt den Namen Metternich, was nun eindeutig auf den Fürsten hinweist … ha, denkste! Die Dame (!) hinter Gebäude und Namen war zwar eine Metternich, doch sie – die „Gschaftlhuberin“ – selbst wollte lieber im Hintergrund wirken und Lobbyarbeit betreiben, sprich Geld sammeln für geplante Bauvorhaben.

Es ist ein Fest mit diesem Buch durch Wien zu flanieren. Einem selbst bekannte Orte bekommen eine neue Bedeutung, wenn man die Geschichte dahinter versteht. Wasserläufe, ist doch wohl klar, dass die Wien niemals so durch die Stadt geflossen ist – das sieht man ja schon an der Uferbefestigung. Auch hier steht man nun auf der Brücke, sitzt auf einer Bank und schaut dem Flüsschen zu wie es sich zahm durch die Stadt windet. Beim Bummeln durch die Bezirke wird man immer wieder auf Namen und Gebäude treffen, die die Stadt prägten – die Geschichte(n) dahinter wird man mit diesem Buch wie selbstverständlich begreifen. Der lockere Schreibstil ist die einzig wahre Methode diese Geschichte einem wissensdurstigen Publikum nahezubringen. Ob nun der erste Besuch in Wien oder der zwanzigste – mit diesem Buch im Reisegepäck wird jeder Schritt zu einem besonderen Erlebnis.

Hier und anderswo

Man spürt es ab der ersten Seite, ach was, aber der ersten Zeile: Thomas Michael Glaw reist gern. Und oft. Und er kann viel erzählen. Nicht über das, was man sehen muss, was jedem früher oder später vor die Augen kommt, sondern über das, was man suchen muss und finden kann. Und vor allem über das, was zu beachten ist. Reiseimpressionen mit Lerneffekt. Doch so statisch sollte man dieses kleine Büchlein nicht angehen. Es ist eine Art Hilfestellung für Reisenovizen wie alte Hasen, die über diejenigen lachen, die Catania in Spanien oder Griechenland verorten (die gibt es wirklich! Und das nicht zu knapp!).

Hier sind sie also die gesammelten Impressionen (Auszüge davon) eines Reiselebens. Von München nach Wien im Flieger? Niemals. Im Zug reist man entspannter, und auch nicht viel länger, wenn man die Eincheckzeiten und die Fahrten zum und vom Flughafen einberechnet. Und mit der ÖBB sogar pünktlich, freundlicher … einfach entspannter. Reisen als Sinnesrausch im positiven Sinn. Denn auch eine Zugverspätung kann eine Reise in einen Rausch verwandeln – Stichwort Blutrausch.

Wiens erster Bezirk hat für ihn den Rausch der Vergangenheit gegen die Tristesse des Übers eingetauscht. Übervolle Straßen, übermäßig viele Verkäufer, die überteuerte Tickets verkaufen, überall nur Touristen, die überhaupt kein echtes Wien mehr ans Tageslicht kommen lassen. Dennoch sind Wien und seine Cafés immer noch berauschend. Es sind halt nur andere Cafés, wo man sich zur morgendlichen Stunde Gazetten und Braunen einverleiben mögen möchte.

Südspanien im Winter ist ein feuchtes Vergnügen. Manchmal auch ein feuchtfröhliches, wenn man der Sprache nicht mächtig ist und aus Versehen etwas bestellt, was einen übermäßig beansprucht.

Roma als Amor zu verstehen, fällt leicht, wenn man die Ewige Stadt einmal besucht hat. Oder mehrmals. Die Stadt für sich allein hat man niemals. Es sei denn, man besucht einen Friedhof. Doch auch da ist Achtsamkeit angeraten. Furbo und Pignolo können einem manchmal ordentlich auf die Nerven gehen oder gar die letzten Reste davon rauben. Der Eine mogelt sich durch (und kommt damit auch immer durch), der Andere ist ein Pedant, den man so in Italien gar nicht vermutet. Eine köstliche Charakterstudie des Autors.

„Hier und anderswo“ ist ein kurzweiliges Lesevergnügen für alle, die Bestätigung suchen und/oder vor der Entscheidung stehen in alle Himmelsrichtungen zu flüchten. Knigge-Fallen lauern überall (da ist es wieder, dieses „über“), nicht hineinzutappen, ist die Kunst. In diesem Büchlein die Fallen zu erkennen, sie umschiffen zu können, ist keine Kunst, es ist fast schon eine Pflicht.