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Sehnsucht nach dem Alten Wien

Sehnsucht nach dem alten Wien

Sehnsucht kann man nach Vielem haben. Nach den Kochkünsten der Oma, nach Geborgenheit, nach fernen Ländern. Oder auch vergangenen Zeiten. Den Orten, die man als Kind auskundschaftete. Orten, die man nie gesehen hat, und so wohl auch nie mehr erleben kann. Den Wienern sagt man einen ausgeprägten Hang zur Sehnsucht nach. Todessehnsucht – dieses Wort wird häufig benutzt. Aber eben auch nach dem alten Wien. Sehnsucht nach k. und k., nach Geschichte und Geschichten. Helga Maria Wolf gießt mit ihrem Buch noch Öl ins Feuer der Leidenschaften. Denn Wien ist und bleibt eine Stadt, die man gesehen haben muss. Sie beeindruckt durch ihre Präsenz, die weit in der Weltgeschichte zurückreicht. Kaum auszumalen, wie sich die Stadt präsentieren würde, könnte man sie wie vor hundert oder zweihundert Jahren erkunden.

Mit jedem (Fort-)Schritt wurde die Sehnsucht nach dem Alten, den Traditionen größer – das liegt wohl in der Natur des Menschen. Im ersten Teil führt die Autorin den Leser wohlformuliert in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Barocke Pracht und Perspektiven nennt sie eines der ersten Kapitel – da ist jedem klar, dass Wien von jeher Sehnsucht verhieß und sich dem Fortschritt nicht verschloss. Wie eine gefräßige Raupe arbeitet sich der Leser durch die Lektüre. Historische Abbildungen zeigen ein exaktes Bild der Donaumetropole.

Nach dem ersten Viertel werden die ganz großen Geschütze aufgefahren: Eindrucksvolle Bilder mit knappen Texten zeichnen die Entwicklung der mondänen Siedlung am Fluss zu einer modernen Metropole nach. Daumenkino für die ganz großen Momente. Immer wieder weiß Helga Maria Wolf Anekdoten zu erzählen. So Geschichte kann schon mal langweilig werden. Nicht in diesem Buch!

Im Gegenteil: Das Buch beiseitelegen, fällt schwer. Denn mit jeder Seite wächst die Sehnsucht sich zu einer ausgewachsenen Sehsucht aus. Sehsucht nach dem aktuellen Wien. Und sicherlich wächst dann auch die Sehnsucht nach dem alten Wien…

blick.dicht – Kuriositäten aus den sechs österreichischen Nationalparks

blick.dicht

Naturschutz und gut gemachte PR gehen nur selten Hand in Hand. Und wenigen Beispiele, bei denen die Steigerung des Bekanntheitsgrades (eines Produktes) und der Naturschutz verdienen es, dass man darüber redet.

Oder schreibt. So wie in diesem Buch. Nein, das Wort Buch wird dem Wert nicht einmal annähernd gerecht. So wie in diesem Prachtband! Das Ministerium für ein lebenswertes Österreich, der Umweltdachverband und die Nationalparkverwaltungen Österreichs wollten die sechs Nationalparks der Alpenrepublik bekannter machen. Besucher sollten angelockt und für den Naturschutz und die Schönheiten der Berge, der Wiesen, der Wälder, der Fauna sensibilisiert werden. Inwiefern dies geglückt ist, wird die Zukunft zeigen.

Geglückt hingegen ist dieses Buch, pardon, dieser Prachtband! Chloé Thomas ist durch die Höhen der Nationalparks Gesäuse, Donau-Auen, Hohe Tauern, Kalkalpen, Thayatal und Neusiedler See – Seewinkel gewandert. Auf ihren Streifzügen hat sie allerlei Beeindruckendes gefunden und mit der Kamera festgehalten. Doch sie die gemachten Panoramen und Detailaufnahmen nicht einfach nur in einem Buch zusammengefasst. Sie hat eine Sinfonie der Sinne geschaffen. Beiliegende Karten geben einen geografischen Überblick. Ausklappbare Fotos zeigen die Natur in ihrer ganzen Pracht und beeindrucken durch Motivwahl, Bildausschnitt, und sie strahle die Eleganz aus, die die Naturparks auszeichnet. Solche Bilder schießt man mal nicht eben so im Vorbeigehen! Zahlreiche Bild-in-Bild-Kompostionen zeigen Lebensort und Bewohner der Parks. Zitate und Gedichte von Begeisterten Wanderern und Autoren geben in Worten wider, was so offensichtlich scheint, und doch Vielen verborgen bleibt.

Es sind Bücher wie diese, die es Naturschützern leicht machen auf die Probleme der Gegenwart hinzuweisen und die Notwendigkeit eines nachhaltigen Naturschutzes zu unterstreichen. Großformatige Aufnahmen lassen das Auge ruhen. Bloß nicht weiterblättern! Genießen. Eintauchen. Jedes Mal entdeckt man Neues.

Wer „blick.dicht“ liest, betrachtet, bestaunt, wird schnell vom Reisefieber gepackt. So was muss man sich auch mal aus der Nähe anschauen. Aber nur anschauen! Nichts anfassen oder niedertrampeln! So macht Naturschutz Spaß! Nachhaltig!

Wien

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Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen? Sicherlich ein Hingucker. Aber erst bei Tag! Annette Krus-Bonazza beweist auf 276 Seiten, dass Wien bei Nacht sehr reizvoll ist, bei Tagesanbruch sich in eine florierende Metropole im Herzen Europas verwandelt und im Laufe des Tages mit einer geballten Ladung Historie, Kunst, Kultur und unzähligen Wows aufwarten kann, um bei untergehender Sonne nichts davon verschwinden lässt.

Neun Touren hat sie durch die Stadt erstellt und keine davon sollte man auslassen. Klingt anstrengend. Ja, aber anstrengend schön. Und das Buch würde nicht beim Michael-Müller-Verlag erscheinen, hätte die Autorin nicht ausreichend Tipps für Leib und Magen im Buch verewigt.

Die Standards wie Stephansdom, Prater und Josefstadt werden auf eine andere Art erkundet. Sie stehen nicht im Mittelpunkt der Touren, sie sind vielmehr gleichberechtigter Bestandteil der gesamten Tour. Das erlaubt dem Besucher sich schon von vornherein als kleiner Wienkenner zu erkennen zu geben. Man stolpert nicht mit weit aufgerissenen Augen durch die Stadt, man ist erfahrener Kenner, der ohne Zögern die Schönheiten der Stadt realisiert und einzuordnen vermag.

Der Menschenschlag in der österreichischen Hauptstadt ist bekannt als ein bisschen besonders. Todessehnsüchtig sollen sie sein die Wiener. Ihr Schmäh ist weltbekannt. Die erstklassig erhaltenen Bauten vermitteln weltläufiges Flair. Prachtbauten, die vom einstigen Ruhm der Monarchie künden. Und das alles sieht man in Wien. Doch vieles übersieht man auch im Taumel der Gefühle.

Gut, wenn man einen erfahrenen Reisebegleiter hat. An dieser Stelle auf jede einzelne Tour einzugehen, würde den Rahmen sprengen. Und ein bisschen Spannung sollte man sich für das Lesen und die Stadtspaziergänge aufheben.

Annette Krus-Bonazza treibt den Leser an Wien zu erobern. Sie hält den Leser zurück, wenn er auszubüchsen versucht. Ihre Touren sind abwechslungsreich in jeder Hinsicht. Museen und Cafébesuche bilden genauso eine Einheit wie Nackenstarre (vom vielen Nach-Oben-Schauen) und erholsame Stunden auf einer Parkbank. Ihre Passion für die Donaumetropole ist auf jeder Seite spürbar. Das macht diesen Reiseband zu etwas ganz Besonderem.

Mona Lisas dunkles Lächeln

Mona Lisas dunkles Lächeln

Dieser verdammte Krieg dauert noch fünfzig Tage. Wenn Emmerich Pöchmüller, der Direktor der Saline in Altaussee, das wüsste, würde sein Leben sicher anders verlaufen. Doch so bekommt er den Befehl von Gauleiter Eigruber die Saline zu sprengen. Warum nur? Diesen Befehl zu verweigern, wäre sein Ende. Und das seiner Leute. Die mögen ihren Chef, weil er für sie immer ein offenes Ohr hat.

Die Saline ist aber nicht irgendeine Saline. Hier lagert die wohl größte Ansammlung wertvoller Kunstschätze. Die Nazis gaben Unmengen aus, um die gigantischste Kunstsammlung der Welt zusammenstellen zu können. Der Größenwahn machte auch vor der Kunst nicht halt. Und jetzt soll alles mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln vernichtet werden. Werke von da Vinci, Rubens, Rembrandt – alles weg? Alles soll vernichtet werden?

Die Russen haben Wien schon fast eingenommen. Amerikaner, Franzosen und Briten knabbern dem tausendjährigen Reich immer mehr Tage ab und Wochen ab. So manch einer nimmt die Beine in die Hand, andere wollen nur noch verbannte Erde hinterlassen.

Emmerich Pöchmüller versucht Gauleiter Eigruber von seiner wahnwitzigen Idee abbringen die Saline zu sprengen. Schließlich wird hier auch Salz für die Wehrmacht abgebaut. Solche Argumente ziehen immer. Fast immer. Doch der bleibt stur.

Anna Ahlrich hat den beschwerlichen Weg von Dresden ins Salzkammergut auf sich genommen, um die Kunstschätze in der Saline, hunderte Meter unter der Erde zu katalogisieren. Eine Todesliste für Kunstschätze. Dabei fällt ihr eine Kiste auf. „Vorsicht Marmor – nicht stürzen!“ Wie ein Mantra brennen sich die warnenden Worte in ihr fest, denn beim ersten Rundgang fiel auch der Name der wohl berühmtesten gemalten Frau: Mona Lisa! Ist etwa auch dieses Gemälde hier im Berg versteckt?

Die Geschichte ist wahr – die Handelnden frei erfunden. Bergwerke waren und sind beliebte Unterbringungen für Kunstgegenstände. Eine konstante Temperatur und beständige Luftfeuchtigkeit sorgen dafür, das Gemälde nicht durch Klimaschwankungen beschädigt werden. Als die Alliierten die Saline nach dem Krieg übernahmen, fanden sie tausende (!) Kunstgegenstände vor. Zweiundzwanzigtausend sollen es gewesen sein. Ob die Mona Lisa wirklich darunter war, bleibt wohl für immer ein Geheimnis. Fakt ist, dass es mutige Menschen gab, denen die Kunst oft über ihr eigenes Leben ging. Sie waren Helden, allerdings ohne Pathos. Ihnen ist dieses Buch gewidmet.

Auf den Spuren des Dritten Mannes in Wien

Auf den Spuren des Dritten Mannes in Wien

Wenn es wieder einmal eine neue Liste mit den besten Filmen aller Zeiten gibt, taucht immer wieder ein Film ganz oben auf: „Der Dritte Mann“. Im Wien der Nachkriegszeit sucht ein erfolgloser Autor seinen Freund Harry Lime, der ihn nach Wien eingeladen hat. Doch aus dem Treffen wird nichts. Harry Lime ist tot, bestattet, unter der Erde. Nach und nach fügt sich ein Bild ins Andere – Harry lebt. Und das nicht schlecht. Aber er ist ein verwegener, skrupelloser Nachkriegsgewinnler geworden. Der Schmuggel mit Penizillin ist in dieser Zeit ein lohnenswertes Geschäft. Gerade wenn man es streckt. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Der Star des Films ist nicht Orson Welles. Es ist auch nicht die Riege später hochgefeierter Schauspieler. Der Star ist die Stadt, in der der Film spielt: Wien. Aufgeteilt unter den Siegermächten, vergilbt der Glanz einstiger Zeiten. Im Hotel Sacher standen damals (in echt!) die Pferde der russischen Besatzer.

Wer heute durch Wien schlendert, muss schon ganz genau hinsehen, wenn er Drehorte erkennen will. Das „Dritte Mann Museum“ in der Preßgasse sollte für Cineasten erster Anlaufpunkt sein. Dieses Buch ersetzt zwar keine Führung „Auf den Spuren des Dritten Mannes“ aber es zeigt eindrücklich wie sehr der Film in der Donaumetropole noch präsent ist, wenn man die Augen nicht verschließt. Besonders verheißungsvoll sind die Führungen unter Wiens, in der Kanalisation. Vor Drehbeginn waren die Macher dermaßen von dem unterirdischen Kanalsystem beeindruckt, dass sie gleich Drehorte vermerkten.

Das Buch ist eine Hommage an eine geschichtsträchtige Stadt, einen hervorragenden Film, an erstklassige Schauspieler. Denn nicht nur die Dreh- und Handlungsorte sind in diesem Buch aufgeführt, die Schauspieler, Autor, Produzent, Regisseur werden ins rechte Licht gerückt. Besonders bemerkenswert ist die Liste der Filmfehler, mit Zeitangabe. „Der Dritte Mann“ wird von nun an mit ganz anderen Augen gesehen. Und noch ein Star wird in diesem Buch gewürdigt. Anton Karas und seine weltberühmte Zithermelodie. Noch heute glauben viele, dass diese Melodie ein altes Volkslied ist. Dabei wurde es eigens für diesen Film komponiert. Anton Karas wurde ein berühmter Mann, sah viel von der Welt, konnte seinen Erfolg jedoch nicht dauerhaft nutzen.

Wer Wien schon kennt, der wird in diesem Buch neue Erkundungstouren entdecken. Wer Wien noch nicht kennt, wird sich auf Anhieb (nicht nur wegen dieses Buches, aber auch deswegen) in Wien verlieben. Schaurig schönes Wien – vom Zelluloid aufs Papier.

Das Beste aus der Knödelküche

Das Beste aus der Knödelküche

Was so ein Knödel alles kann? Alles sein kann? War er einst ein sättigendes Muss auf dem Tisch, ist ein Knödel heutzutage oftmals schon ein kleines Kunstwerk. Ingrid Pernkopf und Christoph Wagner beweisen mit „Das Beste aus der Knödelküche“, dass ein Superlativ auch mal angebracht ist. Denn in diesem Buch steht wirklich nur das Beste, was man aus einem Knödelteig herausholen kann.

Ingrid Pernkopf weiß wovon sie spricht, denn in ihrem Gasthaus „Grünberg am See“ in Gmunden im Salzkammergut serviert sie ihren Gästen auch gerne mal eine neue Kreation. Wenn man die Seiten gedankenverloren durch die Finger gleiten lässt, merkt man schnell: Noch nie ist eine Kreation bei den Gästen durchgefallen. So lecker liest sich dieses Buch. Ob süß oder herzhaft, ob Kletzenfülle oder Bärlauchtopfenknödel. Topfen ist der österreichische Begriff für Quark.

Hier im Land der Knödel – oh je die Thüringer werden jetzt auf die Barrikaden gehen, okay im Land der Knödelvielfalt – gedeihen die wildesten Ideen.

Oft verbindet man mit einem Knödel schwere Kost, die satt macht. Dass soll der Knödel im Einzelnen und eine Essen im Allgemeinen ja auch. Doch wer hat schon mal einen Gulaschknödel genossen? Oder Spinatknödel? Schon beim Lesen meldet sich der knurrende Magen und fordert seinen Energiezoll.

„Das Beste aus der Knödelküche“ gehört einfach in jeden Kochbuchschrank. Danach braucht man nie wieder ein Knödelkochbuch, es sei denn Ingrid Pernkopf schreibt eine Fortsetzung. Noch ein paar Appetitanreger gefällig? Sterzknödel, Rehknödel Diana (mmmmh mit Reh oder Wildfleisch), Speckgrießknödel. Den Knödel auch gern mal als Vorspeise servieren. Den Gästen werden die Augen rausfallen. Zumindest übergehen. Oder den Knödel veredeln, mit leckeren Saucen, Krokant oder Bröseln. Wer die Einleitung zur Geschichte des Knödels und zu den „Spielarten“ der leckeren Speisebällchen ohne Magengrummeln überstanden hat, bekommt auf den folgenden fast zweihundert Seiten die geballte Ladung Knödelwissen verpasst. Achtung wird wird scharf geschossen!

Vom Hinterhof in den Himmel

Vom Hinterhof in den Himmel. 15 Spaziergänge durch das unbekannte Wien

Eine Stadt wie Wien, die besucht man nicht einmal so im Vorübergehen. Dafür ist die Fülle an Attraktionen einfach zu groß. Was aber, wenn man nur ein paar Tage Zeit hat die Donaumetropole zu erkunden? Dann braucht man schon einen erfahrenen Experten, um Wien zu erfahren.

Christina Rademacher ist so eine Expertin. Sie zeigt in ihrem Buch Wege durch Wien, zu berühmten Persönlichkeiten und weist auf die oft versteckten Höhepunkte der Stadt hin. Und das alles zu Fuß. Kein langes Warten auf Tram und Bus. Kein Taxigeld-Kalkulieren. Alles ganz entspannt und frei einteilbar.

Wer Wien schon kennt, oder meint es zu kennen, wird überrascht sein, wie viel man noch nicht gesehen hat und vor allem wie viel es noch zu entdecken gibt. Alle Spaziergänge sind so konzipiert, dass man durchaus einen kompletten Tag für einen Spaziergang einplanen kann. Für ganz Neugierige, die aber wirklich gut zu Fuß sein müssen, ist der letzte der 15 vorgestellten Spaziergänge eine echte Herausforderung: Sage und schreibe 20 Kilometer durch alle Bezirke Wiens. Aber auch ein genüsslicher Abschluss, mit Schnitzel.

Christina Rademacher ist immer dabei, wenn man durch die Häuserschluchten der Stadt streift. Hektik kommt hier niemals auf. Gelassen berichtet sie von den kleinen Histörchen am Rande des Spaziergangs. Fast kommt man sich wie der tick-belastete Privatdetektiv Monk aus der gleichnamigen TV-Serie vor: Er muss alles anfassen, der Spaziergänger muss alles sehen. Ruheoasen laden zur Rast ein. Selbst Restauranttipps gibt die Autorin. Die sind aber kein Muss, nur liebevolle Stubser, um bei allem Reiz der Stadt nicht den knurrenden Magen zu übersehen.

Jeder Trip steht unter einem bestimmten Motto – so kann sich jeder nach seinem Gusto sein Wien erlaufen. Ob „Kommunisten im Villenviertel“ (Untertitel: Von Brigittenau über Japan nach Persien) oder „Siedler im Westen“ (Hermeswiese, Friedensstadt und Werkbundsiedlung), alle Spaziergänge ergreifen den Besucher ab dem Zeitpunkt, an dem man die Füße vor die Tür setzt. Am Ende eines jeden Kapitels wird noch einmal zusammengefasst, da kann man noch einmal kontrollieren, ob man nicht doch was übersehen hat. Denn wer schaut bei einer so prunkvollen Stadt wie Wien permanent ins Buch. Für Wien braucht man Zeit, das beweist Christina Rademacher mit jeder einzelnen Zeile. Alle Spaziergänge bei einem Besuch „abzuarbeiten“ – bitte schön. Aber da Wien immer eine Reise wert ist, kann man sich Zeit lassen. Das unbekannte Wien zu erschließen, dauert. Um genau zu sein dauert es zweihundert Seiten. Sofern es nicht einen zweiten Band geben wird …

Da draußen im Wald

Da draußen im Wald

Still liegt das Waldviertel, eingebettet zwischen den Höhen der Berge. Hier liegt auch das Nonnenloch. Gefährlich ist es hier. Ein falsche Schritt, und man liegt mehrere Meter tiefer, die Haut aufgeschürft im Tal. Und genau dort liegt auch der Oberförster, der Sepp. Doch er ist nicht unachtsam gestürzt und hat sich dabei das Genick gebrochen. Er wurde erschossen! Über den Boden geschleift. Und dann die Felsspalte hinuntergeworfen.

Seine Frau hingegen wartet ungeduldig zuhause auf seine Rückkehr. Schon komisch, dass er ausgerechnet am Sonntag eine Holzverladung überwachen will. Aber naja. Das Wochenende war so harmonisch. Nach langer Zeit mal wieder.

Damals als Susanne den Sepp kennenlernte, war sie vom Fleck weg in ihn verknallt. Im Dorf wurde sie schon schief angesehen, weil sie mit fast dreißig Jahren noch immer keinen (Mann) abbekommen hat. Doch auch die anderen Damen des Dorfes schielten nach dem Prachtburschen. So wurden Sepp und Susi zwar ein paar, doch die Missgunst und die Tuscheleien blieben. Die Jahre vergingen, genauso wie die Leidenschaft. Man hatte sich arrangiert. Von den 18 Jahren Ehe, waren nur die ersten fünf gut. Der Rest war Routine.

Und nun kommt Sepp nicht nach Hause. Flinte und Hunde hat er nicht mitgenommen. Susi entschließt sich die Polizei einzuschalten. Eine gute Idee, denn kurze Zeit später ist der Leichnam des Oberförsters, des Ehemannes, des … dazu kommen wir später … gefunden. Der Körper von Schrotkugeln durchsiebt. Und dann den Abhang hinuntergeworfen. Kein schöner Anblick.

Die ersten Ermittlungen bringen zwei Tatverdächtige hervor: Einen Christbaumdieb und einen Wilddieb. Beide nicht die angenehmsten Zeitgenossen, doch leider – für die Ermittlungen – mit hieb- und stichfesten Alibis. Bei ihren Recherchen ist den beiden Polizisten Raffl und Ebert die frische Witwe keine echte Hilfe. Sie verschweigt sogar das eine oder andere Detail.

Ernest Zederbauer lässt die beiden Ermittler lange im Dunkeln tappen. Dabei verliert der Waldviertel-Krimi zu keiner Zeit an Rasanz. Beharrliches Nachfragen bringt die beiden Schnüffelnasen schnell auf die richtige Spur. Der Oberförster war selbst kein Kind von Traurigkeit…

„Das draußen im Wald“ ist ein waschechter Krimi fernab jeglicher Alpenromantik. Lokalkolorit und die gerissen konstruierte Geschichte eines Mordes lassen den Leser nicht mehr los.

Sacher – Das Kochbuch

Sacher - das Kochbuch

Wien besuchen, ohne auch nur einmal im Sacher gewesen zu sein – das ist wie Paris zu erkunden ohne den Eiffelturm zu erklimmen. Oder den Italienurlaub ohne leckeres Gelato zu genießen. Oder in Amsterdam … naja lassen wir das! Nun ist es so, dass das Sacher als Touristenattraktion auch gern mal überfüllt ist, und man einfach keinen Platz ergattern kann. Und in absehbarer Zeit muss die Rückreise angetreten werden oder man hat noch ein hartes Erkundungsprogramm vor sich. Wien bietet ja so viel!

So muss man sich das Sacher eben nach Hause holen. Aber wie? In den Koffer stecken, geht nicht! Da bietet sich dieses – so lapidar als Kochbuch angepriesene – Buch an. „Die feine österreichische Küche“. Das klingt nach mehr. Mehr lecker, mehr Genuss am Gaumen.

Auf vierhundert Seiten hat Herausgeberin Alexandra Winkler das Beste aus dem schier unendlichen Küchenfundus des Hotels Sacher in der Philharmonikerstraße 4 in 1010 Wien zusammengetragen. Und warum? Weil sie es kann! Denn sie ist seit 2004 die Geschäftsführerin des Hotels. Und wie sie es kann. Sie hat wohl den schönsten Job in der Donau-Metropole. Denn sie darf, wann immer sie will in die Töpfe schauen, kosten und genießen. Sie muss sich maximal ankündigen. Dem Leser erlaubt sie mit diesem Buch einen fast so gehaltvollen Blick hinter die Kulissen des Betriebes. Der einzige Unterschied besteht darin, dass der Leser nun selber kochen … muss, nein darf!

Zum Beispiel eine gelbe Paprikaschaumsuppe. Mit einer gehörigen Portion Schlagobers. Oder Stürzerdäpfel. Kartoffeln kochen und über Nacht stehen lassen. Dann reiben und in Schmalz oder Öl braten. Zum Martinigansl passen am besten Maroni, Quittenrotkraut und Erdäpfelknödeln. Schon diese kleine Auswahl aus diesem Prachtband verrät, was da auf den passionierten Koch und Leser zukommt: Eine geballte Ladung Lebenslust und Kochkunst, die man aber zu Hause leicht nachvollziehen kann. Über die Desserts legen wir am besten den Mantel des Schweigens, sonst sabbert man noch auf das so liebevoll gestaltete Buch. Denn Germgugelhupf, Kaiserschmarren und Holunderblütenparfait sind nicht dazu geeignet, dass man einfach nur die Rezepte liest. Die muss man sofort nachkochen bzw. nachbacken. Und dann verpasst man vielleicht ein weiteres Rezept. Und dann noch eines und noch eines. Wer zu Weihnachten gern ein Kochbuch an einen geliebten Menschen verschenkt, der dieses Geschenk auch zu schätzen weiß, wird sich mit diesem Buch im Herzen des Beschenkten für immer einen Platz reservieren.

Der Tod des Landeshauptmanns

Der Tod des Landeshauptmanns

Was in Deutschland der Ministerpräsident, ist in Österreich der Landeshauptmann. Und es gab einen Landeshauptmann, dessen Bekanntheit weit über die Grenzen seines Bundeslandes Kärnten hinaus ging: Jörg Haider. Er regierte exakt 26 Monate in den 80er und 90er Jahren und noch einmal vom Frühjahr 1999 bis zu seinem bis heute zu wilden Spekulationen Anlass gebenden Tod im Herbst 2008. Und genau um diesen – für viele mysteriösen – Tod geht es im Buch des ORF-Journalisten Eugen Freund. Auch wenn dieser Roman nach eigenem Bekunden einzig allein der Phantasie des Autors entsprungen ist, weiß jeder um wen es darin geht. Denn der Begriff Landeshauptmann fand in Deutschland erst durch Jörg Haider wieder Einzug ins den Sprachgebrauch und wird noch immer mit ihm in Verbindung gebracht.

Jasmin Köpperl ist Journalistin. Ihr Freund Stefan Stragger ist … tot. Der Ermittler beim Heeresnachrichtendienstes schrieb gerade an einem echten Thriller, dessen Fortschritte er seiner Freundin regelmäßig als Mail zu lesen gab. Besteht etwa ein Zusammenhang zwischen Themenrecherche und seinem Ableben?

Die Trauer überwunden macht sich Jasmin Köpperl auf die Suche nach dem Mörder. Nach und nach kommt sie einem Geheimnis auf die Spur. Der Tote, den ihr die Polizei präsentiert, ist nicht Stefan, sondern sein wenige Wochen zuvor verstorbener Bruder. Je länger sie in den Kapiteln von Stefans Buch stöbert, umso mehr keimt in ihr der Verdacht, dass die darin beschriebenen – fiktionalen – Zusammenhänge gar nicht so weit von der – realen – Wahrheit entfernt sein könnten. In dem Buch geht es um den Tod des Landeshauptmanns Haider, Verstrickungen seiner Familie während der Nazi-Okkupation, Beziehungen zum kroatischen Regierungsapparat und der Mossad. Die gemeinsamen Urlaube mit dem mittlerweile verschwundenen Stefan waren Recherchen für sein Buch. Oder gar mehr? Jasmin erkennt so vieles wieder und stochert doch so sehr im Trüben.

Eugen Freunds Wissen um die Brennpunkte der Weltpolitik und ihrer Hintermänner verschmelzen in diesem Roman zu einer vollkommenen Einheit von Fiktion und Fakten. Es besteht mancherorts die Gefahr beides miteinander zu verwechseln. Und das sollte man als Lob anerkennen.

Es ist ein Privileg von erfolgreichen, machtbesessenen Alpha-Tieren, dass sie meinen unbesiegbar zu sein, sich alles herausnehmen zu können. Jörg Haider war so ein Machtmensch. Die Herzen und Wählerstimmen flogen ihm zu, seine politischen Ansichten waren grenzwertig, um es milde auszudrücken. Der Tod des Landeshauptmanns löste verschiedene Reaktionen aus. Die Einen waren erleichtert, weil es nun einen geistigen Brandstifter weniger gab. Die Anderen waren entsetzt ob der tragischen Umstände seines Todes. Einen politischen Feind bekämpft man lieber mit Argumenten als durch eine Tragödie. Und die war es schlussendlich. Jörg Haider hinterließ eine Frau und zwei Töchter.

Eugen Freund hinterlässt dem Leser einen erstklassigen Thriller.