Archiv der Kategorie: schwarz – black – noir

Morgen werde ich zwanzig

Morgen werde ich zwanzig

Als Zehnjähriger hat man es nicht leicht. Überall auf der Welt, zu jeder Zeit. Michel ist zehn, es sind die Siebziger, und er hat es nicht leicht. Seine Freundin Caroline, die zwei Jahre älter ist und – wie Mama Pauline sagt „entwickelt“ – will ihn heiraten. Tonton Rene, Mama Paulines Bruder, ist ein waschechter moderner Kommunist. Marx und Engels verbindet er mit den Annehmlichkeiten der kapitalistischen Welt. Außerdem hat er es auf das Erbe der Mutter abgesehen. Und sitzt deswegen Mama Pauline ständig im Nacken. Papa Roger pendelt immer zwischen Mama Pauline und Mama Marine Hin und Her. Michel hat es echt nicht leicht.

Michels Welt dreht sich um Caroline, die plötzlich mit ihm Schluss macht, weil er ihr keine Gedichte schreibt (was „ihr Neuer“ natürlich macht). Sie dreht sich um Idi Amin Dada, den Menschenfresser aus Uganda. Und sie dreht sich um den gestürzten Schah von Persien. Das alles erfährt er von Papa Roger und dem neuen Radio, mit Rekorder. Papa Roger regt sich ungeheuerlich über das Weltgeschehen auf. Doch viel spannender sind letztendlich der Rekorder und die Kassette von dem Mann mit dem Schnurbart, der pausenlos von einem Baum singt. Michel findet das lustig. Doch der Rekorder muss geheim bleiben, niemand aus der Nachbarschaft darf davon erfahren. Denn Michel gehört jetzt zu den Kapitalisten.

Im Schlafzimmer findet er Bücher. Unter anderem von Arthur Rimbaud. Sie faszinieren ihn. Wenn immer möglich zieht er Vergleiche mit dem großen Dichter. Rimbaud, die geschassten Oberhäupter Irans, Ugandas oder Zentralafrikas schwirren im Hirn des kleinen Michel herum. Trotzdem ist er in der Schule nur Durchschnitt. Doch die Gedankengänge lassen ihn und Caroline wieder enger zusammenrücken.

Alain Mabanckou erzählt mit der Leichtigkeit eines Kindes aus dem Leben eines Jungen, der der Zeit das Beste abzuringen versucht. Materiell geht es ihm gut, doch deswegen versteht er noch lange nicht die Welt der Erwachsenen, zu der ja auch eines Tages gehören wird.

Doch eigentlich ist er schon mittendrin. Tagtäglich hört er die Nachrichten. Sie sind Bestandteil seines Lebens. Er fragt sich, warum immer nur Schlechtes in der Welt passiert. Michel ist viel früher erwachsen als ihm lieb sein kann. Er nimmt es mit der Unbekümmertheit eines Kindes hin.

„Morgen werde ich zwanzig“ ist aus der Sicht eines Jungen geschrieben, der dem Leser Afrika zeigt wie kaum jemand zuvor. Alain Mabanckou trifft mit jeder Silbe die Seele Afrikas.

Der gute Deutsche – Die Ermordung Manga Bells in Kamerun 1914

Der gute Deutsche

Die deutschen Kolonien waren überschaubar und über den gesamten Erdball verteilt. Kamerun war wohl die Kolonie, die bis heute mit der deutschen Herrschaft im Lande verbunden ist. Wie in allen Kolonien hat sich auch die deutsche Regierung und Wirtschaft dort nicht so verhalten wie man es erwartet, versprochen und erhofft hat. Der viel beschworenen Ehre war da wenig bis gar nichts zu sehen.

Manga Bell war der Enkel des Königs, King Bell. Eine respektierte Person. Und ein entscheidender Handelspartner für die deutschen Konsortien. So manch einer seiner Untertanen konnte von seinen Erfahrungen, die er machen durfte nur träumen. Bis auf eine … der Titel des Buches verrät es: Die Sache geht nicht gut aus für Manga Bell. Manga Bell studierte in Deutschland. Eine Sensation. Nicht nur für die Dualas, sondern auch für die Deutsche. Sie hatten noch nie einen gesehen, der eine so dunkle Haut hatte. Zumindest nicht in Heidelberg, wo er studierte. In einigen Städten war damals schon die menschenverachtende Schau der Hagenbecks unterwegs.

Manga Bell ist beeindruckt von Deutschland. Er saugt das Leben in der Ferne in sich auf, beschäftigt sich mit der Kultur und auch mit der Rechtsprechung. Dem Kolonialtreiben kann er kein Ende bereiten, das weiß er. Die Handelsbeziehungen dienen beiden Seiten, den Duala und den Deutschen. Doch die Nichteinhaltung von Verträgen, Folterungen und Vergewaltigungen stellt er sich entgegen und klagt an. In Deutschland. Den weißen Herren vor Ort das Handwerk legen ist sein Ansinnen. Und den Kaiser wähnt er auf seiner Seite.

Christian Bommarius beschränkt sich nicht allein auf den Werdegang des Manga Bells. Vielmehr zeichnet er detailgenau ein Bild der kolonialen Situation in Afrika. Belgiens König beispielsweise betrachtet den Kongo als sein Privateigentum, in dem er schalten und walten lässt wie er will. Völkermord und totale Ausbeutung der Bodenschätze stehen über dem Recht. Die handelnden Personen stehen offiziell unter dem Recht der Kolonialmacht. Vor Ort treten sie ihr eigenes recht mit Füßen.

Im Nachgang zu den zahlreichen Büchern, die rechtzeitig zum hundertsten Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges erschienen, ist dieses Buch eine wohltuende Alternative. Denn der Beginn des vergangenen Jahrhunderts war nicht nur von Umbrüchen in Europa gekennzeichnet. Afrika als Nährquelle der zivilisierten Welt wird auch heute noch als unterentwickelter Kontinent gesehen. Die Kolonialzeit ist zwar offiziell beendet, doch Konzerne üben „auf dem schwarzen Kontinent“ immer noch die Macht aus. Dieses Buch ist eine Aufforderung sich mit Geschichte zu befassen. Auch der außerhalb der eigenen Grenzen.

Über tausend Hügel wandere ich mit Dir

Über tausend Hügel wandere ich mit dir

Der April 1994 war ein finsterer Monat in Ruanda. Denn damals gingen die Hutu und die Tutsi auf einander los. Sie schlugen sich die Köpfe ab, verstümmelten, massakrierten, vergewaltigten und mordeten. Erstaunlich wie viele Worte man für diese Scheußlichkeiten aufzählen kann. Eine Million Opfer in einhundert Tagen – so unvorstellbar, dass sich das Grauen nur mathematisch darstellen lässt, ohne dass es einem den Magen umdreht.

In diesem Frühjahr 1994 ist Jeanne – zu welcher Volksgruppe sie gehört ist unerheblich, da das Morden auf beiden Seiten stattgefunden hat – fast acht Jahre alt. Mit ihren Geschwistern liebt sie es Am Tage im wahrsten Sinne des Wortes Staub aufzuwirbeln. Am Abend hingegen mag sie es gar nicht, wenn er wieder abgewaschen werden soll. Wiederum liebt sie es der Großmutter Nyogokurus Geschichten zu lauschen. Die alte Frau versteht es mit Pausen die Spannung zu erhöhen. Jeannes Welt ist in Ordnung.

Dann beginnt der rücksichtslose Genozid. Jeanne kann fliehen. Ohne Mama. Ohne Papa. Ohne die Geschwister, Tanten, Onkel. Ohne Nyogokuru. Was so stimmungsvoll, so authentisch begann, findet nun eine Fortsetzung in der Beschreibung eines steinigen, entbehrungsreichen Weges ins Glück. In eine Zukunft, die … nein, in eine Zukunft. Das ist das Wichtigste für Jeanne: Eine Zukunft zu haben.

Ihre Flucht durch ihre so geliebte Heimat wird zum Spießrutenlaufen. Kaum die eine Straßensperre mit mehr oder weniger Hürden gemeistert, lauert nur wenige Minuten weiter die nächste Sperre. Und mit ihr eine neue Gefahr. Denn wer Feind, und wer Freund ist, lässt sich nur schwerlich im Vorfeld sagen. Sie bekommt unverhofft etwas zu essen geschenkt, von Einem, der ihr früher Angst einjagte. Hutu und Tutsi – zwei Völker in einem Land. Für ein Kind von acht Jahren ist das nicht von Belang. Für Erwachsene – und Jeanne muss schnell lernen, was das bedeutet – spielt es in Ruanda des Jahres 1994 eine lebenswichtige Rolle.

Ebenso von Bedeutung sind die Wiedersehen mit verlorengegangenen Freunden. Die Freude über das erneute Aufeinandertreffen mildert die Flucht aus der heimatlichen Geborgenheit.

Hanna Jansen schreibt mit Würde und Bedacht über ein Schicksal, das ihr vertrauter ist als vielen anderen. Als Bindeglied zwischen den einzelnen Kapiteln / Schickalsschlägen dienen kurze Anekdoten aus der Gegenwart Jeannes. Die findet in Deutschland statt. Bei ihrer Adoptivfamilie. Hanna Jansen hat selbst eine Großfamilie. Ein Großteil davon adoptierte Kinder aus Kriegsgebieten … Ja, Jeanne gibt es wirklich. Sie lebt in Deutschland. Bei Hanna Jansen. Und ihr hat sie ihre Geschichte erzählt. Beeindruckend und so lebensbejahend!

Afrikanische Märchen für große und kleine Leute

Afrikansiche Märchen für große und kleine Leute

Man stelle sich eine Welt ohne elektronische Kommunikationsmittel vor. Hören Sie’s? Nichts, gar nichts! Kein Piep, kein düdelüd, kein Brummen. Kein Geschrei aus der Glotze. Keine belanglose Dudelmusik aus den Lautsprechern. Nichts, gar nichts.

Man sitzt um das Wichtigste im Leben herum: Das Lagerfeuer. Alle – wirklich alle – hocken um das knisternde Flammenspiel und lauschen den Geschichten.

Sie lauschen den Geschichten aus dem Land Echo-Echo, was gleichen neben Auf-Auf liegt. Sie lauschen der Geschichte eines cleveren Jungen, der die Schuld beim König eintreiben will, und unterwegs allerlei nützliche Helfer kennenlernt. Und von einem Richter, einem Pavian, der weise spricht, doch dabei den Ankläger ganz außer Acht lässt.

Diese Geschichten stammen aus Afrika, dem mythischen Kontinent, dem das Mythische nur allzu oft durch die Nachrichten genommen wird. Die Parallelen zu „unseren Geschichten“ sind offensichtlich. Eine Moral hebt die simplen Geschichten, die allesamt auf Erfahrungen basieren, auf eine höhere Ebene. Sie verleiten das eigene Denken und Tun zu hinterfragen. Oder sie unterhalten ganz einfach.

Und wenn man dann so am Lagerfeuer sitzt – oder auf der Kinderbettkante – wird die Stille nur durch spitze Schreie der Verzückung durchschnitten. Und das liegt einzig allein an der Phantasie der Erzähler.

Dieses kleine Büchlein führt seine Leser und Zuhörer in eine andere Welt. Das haben Märchen nun einmal so an sich. Sie nehmen die Furcht vor großen Tieren. Denn bauen meist ihren Respekt auf ihrer Größe auf. Doch nur wer Großes tut, ist groß.

Das Testament des Herrn Napumoceno

Das Testament des Herrn Napumoneco

Da liegt er nun, Senhor Napumoceno da Silva Araújo. Hat sein Leben gelebt. Bedächtig schreiten die hoffnungsvollen Erben den Raum, in dem der Notar nun das Testament verlesen wird. Sie sind nicht gierig, sie sind erwartungsvoll. Eigentlich weiß jeder, was er bekommt. Zumindest, dass man etwas erhält aus dem langen ereignisreichen Leben des Senhor Napumoceno.

Doch die Testamentseröffnung gerät zur Lebensbeichte. Ein ganzer Roman liegt vor dem Notar, der durchaus gedruckt werde kann. Germano Almeida lässt das Testament, die Lebensbeichte in seinen Roman einfließen. Immer wieder wechselt er die Sichtweise. Mal ist er der Erzähler, mal der Senhor.

Senhor Napumoceno ist, nein, war ein erfolgreicher Geschäftsmann auf den Kapverdischen Inseln. Hier wurde er geboren, verbrachte seine Jugend und baute ein Geschäftsimperium auf. Jeder auf der Insel, der etwas kaufte, kaufte es meist von ihm. Doch der Senhor war nicht der übliche harte Hund, der seine Angestellten an der kurzen Leine hielt. Er war ein ganz normaler Geschäftsmann, der öfter mal Glück gehabt hat. Seinen Reichtum stellte er nur selten zur Schau. Doch war er der Erste, der ein Auto besaß. Einen Ford Modell T. Als das Auto geliefert wurde, stellte er fest, dass er gar nicht fahren kann. Doch er war sich nicht zu schade dies zuzugeben und Fahrstunden zu nehmen. Die dann aber bitte abgeschottet von der Öffentlichkeit.

Seine Gutgläubigkeit hat ihn fast einmal ein riesiges Geschäft vermiest. Bestellt hatte er Sonnenschirme. Bei der geographischen Lage der Kapverden – mitten im Atlantik, weit vor der Küste Afrikas – eine sichere Sache. Doch der Verkäufer lieferte Regenschirme. Bei der aktuellen Wetterlage hätten seine Vorräte mehrere Jahrzehnte gereicht. Doch Senhor Napumoceno ist ein Glückspilz. Es kommt wie es kommen muss, wenn ein erfolgreicher Geschäftsmann sein will: Es regnet.

Auch privat hat der Verstorbene nichts anbrennen lassen. So zeugte er mit einer Angestellten eine Tochter. Und die soll nun das gesamte Vermögen erben. Und nicht Carlos, sein Neffe, der schon seit Jahren in der Firma seinem Mann steht.

„Das Testament des Herrn Napumoceno“ ist eine herrlich satirische Geschichte von den Kapverden und erinnert in großen Zügen an Geschichten von Carson McCullers, Truman Capote und Harper Lee. Detailversessen wird jeder Sachverhalt bis ins Kleinste ausgehöhlt ohne dabei auch nur den Funken von Langeweile zu verströmen. Germano Almeida schafft es in seinem Buch, das übrigens auch schon verfilmt und preisgekrönt wurde, das Leben eines bislang unscheinbaren Geschäftsmannes vor sonniger Kulisse auf eine neue, zum Teil allzu menschliche Eben zu heben. Herrlicher Urlaubsschmöker!

Das Geständnis der Löwin

Das Geständnis der Löwin

Mia Couto ist nicht irgendein Schreiber aus Afrika – er ist die Stimme Mosambiks. Wer’s nicht glaubt, wird sich von diesem Buch knapp dreihundert Seiten lang überzeugen lassen. Ein Dorf im Norden Mosambiks wird von Löwenangriffen erschüttert. So nah sind die Könige der Savanne noch nie gekommen. Immer wieder werden die Bewohner attackiert und gefressen. Eine normale Prozedur. Nicht so bei Mia Couto. Hier verschmelzen Jahrhunderte alte Überlieferungen mit den „Errungenschaften der Gegenwart“.

Ein Jäger wird bestellt. Der Letzte seiner Art. Er ist glücklich über das Angebot, denn er kennt den Ort und die Bewohner. Eine hatte es ihm schon einmal angetan, besonders ihre Honigaugen. Honigaugen! Benutzt in Europa noch jemand diesen Begriff? Man kann sich die farbenfrohen Weltenbetrachter förmlich vorstellen.

Die Jagd auf die Löwenmeute steht gar nicht so sehr im Vordergrund. Da taucht kein schwer bewaffneter Krieger aus dem Dickicht auf und meuchelt die Fleischfresser dahin. Vielmehr geht der Autor dem Grund für die plötzlichen Übergriffe auf den Grund. Und Gründe gibt es mehr als genug. Ein Verstoß gegen die Regeln des Anstands ist noch das geringste Übel. Nach und Nach verschmelzen Realität und Mythen. Gerade, wenn man sich wieder in der sprachgewaltigen Welt des schwarzen Kontinents wähnt, reißt einen ein neuerlicher Überfall wieder aus den Leseträumen.

Das Leben in Mosambik ist nur in wenigen Teilen mit unserem befriedeten Alltag zu vergleichen. Religion, der tägliche Kampf um den gefüllten Mittagstisch und bewährte Traditionen sind symptomatisch in dem südostafrikanischen Land. Hier werden den nachfolgenden Generationen hier längst vergessen Werte mit auf den Weg gegeben. Ehrlichkeit hat einen Stellenwert, irgendwo zwischen ganz oben und nicht ganz so weit oben. Und auch hier wird die Wahrheit ausgeschmückt. Mit Metaphern wie sie nur unter der sengenden Sonne Afrikas gedeihen können.

„Das Geständnis der Löwin“ ist das gefühlvollste Buch des Sommers. Selten zuvor wurde Afrika so echt und unverkitscht dargestellt. Modern und traditionell. Der nächste Preis ist Mia Couto sicher. Und es wird ein Leserpreis sein.

Sieben Tage

Sieben Tage

Bennie Griessel ist zurück. Ohne Alkohol, ohne Ehefrau, aber mit Elan und einem kniffligen Fall. Gerade als er mit seiner neuen Eroberung Alexa Barnard auf einer Party ist, wird er ins Polizeirevier gerufen. Ein Heckenschütze hat seine Androhung wahr gemacht und einen Polizisten das Knie zerschossen. Sieben Tage bleiben Zeit, um den Mord an Hanneke Sloet noch einmal aufzurollen und den Mörder anzuklagen. Sieben Tage, und an jedem Tag soll auf einen Polizisten geschossen werden.

Hanneke Sloet war Anwältin. Kurz nach Neujahr war sie in ihre neue Wohnung gezogen. Die Kisten waren noch nicht einmal komplett ausgepackt, da wurde sie erstochen. Mit einem riesigen Messer. Tag Eins vergeht, ohne auch nur den Ansatz einer Spur. Privat muss sich Griessel auch um Alexa kümmern. Die hatte einen schweren Alkoholrückfall. Bennie Griessel kennt. Denn auch er ist trockener Alkoholiker, seit neun Monaten trocken. Alexa war es vier Monate.

Als Wirtschaftsanwältin war Hanneke Sloet für Firmenfusionen zuständig. Sie hatte sich hochgearbeitet, war Teilhaberin der Kanzlei, in der sie nach ihrem Studium anfing zu arbeiten. Bennie Griessel inspiziert der jungen Anwältin, einen Tag zuvor hatte er sich die Akten angesehen. Und die Mails des Heckenschützen. Keine Zeit, um zu verschnaufen. Der Absender droht mit weiteren Opfern, deutet Korruption innerhalb der Behörden an und schimpft auf Kommunisten. Auch der zweite Tag geht ergebnislos vorüber. Außer, dass wieder ein Polizist angeschossen wird…

Immer wieder diese Zeilen: „Ihr wisst, wer der Mörder ist“. Bennie Griessel gehen diese Anspielungen nicht aus dem Kopf. Ein Irrer? Oder ist was Wahres an dem dran, was in den Mails steht. Nach und nach kommen Griessel und sein Team einem Komplott auf die Spur…

Für dieses Buch benötigt man keine sieben Tage – man verschlingt es auf einmal. Deon Meyer hat sich bei seinen Recherchen zu diesem Fall von der südafrikanischen Polizei schulen lassen, so dass er selbst als Ermittler am Kap arbeiten könnte. Sein Detailwissen verblüfft. Den Spannungsbogen, den er zieht, fesselt den Leser.

Visionäre Afrikas

Visionäre Afrikas

Die Sehnsucht nach Afrika brennt in jedem von uns. Hier ist die Wiege der Menschheit. Afrika ist aber auch Sinnbild für die systematische und bestialische Ausbeutung des Menschen. Von jeher mussten sich die Menschen Afrikas gegen die Knute der Unterdrückung widersetzen. Einigen der hervorstechendsten Führer dieses Kampfes wird in diesem Buch ein Denkmal errichtet. Denkmal im wahrsten Wortsinne. Denn wer kennt schon noch Angeline S. Kamba, Sarraounia oder John Baloyi? Wohl kaum jemand, der sich nicht tagtäglich mit ihnen auseinandersetzt.

Die berühmtesten Namen in diesem Buch sind wohl Steve Bantu Biko, der durch den Film „Biko“ (und den einprägsamen Titelsong von Peter Gabriel) berühmt wurde.

Oder Ken Saro-Wiwa, den nigerianischen Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten, der in der Lindenstraße über mehrere Monate durch die Figur Mary in den Fokus der Nachrichten rückte.

Patrice Lumumba ist nicht der Erfinder des gleichnamigen Longdrinks. Er ist eng mit der kongolesischen Tragödie verbunden.

Die in diesem Buch versammelten Autoren schreiben von Menschen mit enormem Mut. Sie kämpften mit dem Herzen und dem Verstand gegen Unterdrückung durch Machthaber, Kolonialisten und Industriegiganten. Nicht vielen war ein gütiges Ende beschert. Viele ließen ihr Leben im Kampf für Gerechtigkeit und ein Mindestmaß an Menschenwürde. Peter Gabriel brachte es in seinem Lied „Biko“ auf den Punkt: „Man kann zwar eine Kerze ausblasen, aber niemals das Feuer“.

So ist auch dieses Buch ein Feuer. Einzelne Kapitel liest man und ist schockiert wogegen gekämpft wurde. Dass so was heute noch möglich ist, denkt man. Dass ein Kampf gegen diese Missstände noch geführt werden muss. Es ist sicherlich keine Anleitung zum Kampf, zur Auflehnung gegen bestehende Verhältnisse. Aber dieses Buch hält die Erinnerung an ungewöhnliche Menschen wach. Und es schärft die Sinne für unsere Umwelt.

Die Krinoline bleibt in Kairo

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Mary Shelley tat es. Lady Stanhope tat es. Frances Calderón de la Barca tat es. Sie reisten. An und für sich nichts Ungewöhnliches. Doch im 17., 18.  und 19. Jahrhundert und dazu noch allein – naja, also ohne männliches Leittier trifft es wohl besser – eine Sensation. Sie taten es, weil sie Lust darauf hatten. Sie sind die Heldinnen dieses Buches. Barbara Hodgson zeichnet ihre Wege nach, legte die Besonderheiten ihrer Reisen dar und würdigt ihr mutiges Tun.

Sie gliedert ihr Buch nicht nach den ReisendInnen. Die Biografien stehen nicht im Zentrum der Ausführungen. Vielmehr sind die Reisen und die Bericht darüber Bestandteil des Buches. So kann man heute kaum noch reisen. Auf einem Kamel quer durch die Wüste. Bei Ankunft wildes Geschrei. Erhabenes Staunen als eine Frau als Reiseanführerin zu erkennen ist. Heute ist das normal. So haben die Frauen in diesem Buch echte Pionierarbeit geleistet. Sie ließen sich nicht verbiegen. Sie setzten oft gegen viele Widerstände ihren Kopf durch.

Zurückgeblieben sind ihre Erinnerungen. Niedergeschrieben in Magazinen wie Quarterly Review. Wieder entdeckt von Barbara Hodgson. Stilsicher, mit Anekdoten verziert, durch zahlreiche Abbildungen beeindruckend – dieses Buch bestätigt, dass Fernweh eine heilbare Krankheit ist.

Der Titel „Die Krinoline bleibt in Kairo“ bezieht sich – nicht wie man vermuten mag auf eine Frau namens Krinoline, die sich gefälligst in der Obhut ihrer Familie aufhalten sollte, sondern – auf den in dieser Zeit verbreiteten Reifrock. Ein äußerst unpraktisches Utensil, das beim Reiten störte, in dem sich der Wüstensand verfing, und überhaupt so gar nicht ins Bild der reisenden Frau von Damals passte.

Alle in diesem Buch erwähnten Frauen verdienen Respekt, weil sie sich Konventionen widersetzten. Denn in ihren Heimatländern, und auch denen der Länder, die sie erkundeten. Viele Männer hatten zuvor noch nie eine unverhüllte Frau in der Öffentlichkeit gesehen. Und wieder die Parallelen zur Gegenwart. Es hat sich Vieles verändert seit Lady Elizabeth Craven reiste. Doch bei Weitem nicht alles.

Frauen hatten es nie leicht sich in so genannten Männerdomänen durchzusetzen. Das ist auch heute noch oft so. Wer es aber einmal schafft, der kann sich der Anerkennung aller sicher sein.

Woanders

Woanders

Eine Weltreise – das wär’s. Edith Werner schafft Fakten. Kein Konjunktiv mehr. Jetzt wird gereist. Doch einfach so. Nicht einfach mal All-inclusive drei Wochen Türkische Riviera. Dann zwei Wochen City-Trip Tokio. Und als Abschluss Safari in der Serengeti. Edith Werners Reisen sind immer mit langen Aufenthalten verbunden. Wenn schon, denn schon.

Ihr Reisefieber treibt sie nach Singapur, Südafrika, Argentinien, Uruguay, Ägypten, Guatemala, Mayotte, Peru, Abu Dhabi, Kolumbien, um nur wenige Länder zu erwähnen.

Auch die einzelnen Abenteuer und Geschichten hier aufzuzählen käme einem Frevel gleich. Denn man müsste immer das eine oder andere Detail weglassen. Das wäre unfair. Edith Werner reist für ihr Leben gern. Arbeiten, wo andere Urlaub machen – das ist ihr Elixier, das jungbleiben lässt. Sehnsuchtsvolle Orte wie etwas Sansibar lässt sie in einem riesigen Gewürzbasar anwachsen.

Alphabetisch hat sie ihre Reisen in diesem Buch geordnet. Selbst für das Q hat sie eine Reise gemacht. Fast scheint es, dass ihre Reisen nur für dieses Buch gemacht wurden. So liebevolle und detailliert schildert sie ihre Erfahrungen und macht dem Leser Appetit auf mehr. Mehr Abenteuer. Mehr Fremde. Mehr Reisefiber. Anfangs ist man noch neidisch auf die gemachten Reisen. So viel Zeit und so viel zu entdecken. So viel Zeit haben nicht viele.

Edith Werner ruht sich nicht auf dem Luxus Zeit aus. Ein paar Tage bei Freunden in Montevideo – gern. Doch dann geht es schon wieder weiter. Kaffee-Kultur in Buenos Aires. Chinesisch lernen. Den Sambesi bezwingen.

Schon vom Lesen schwirrt einem der Kopf. Doch die Autorin prahlt nicht mit dem Erlebten. Sie lässt den Leser teilhaben. Und zwar so eindringlich, dass man sich gern von ihr an die Hand nehmen lässt. Das grüne Feuer in Bogotá kommt von den Smaragden. Es leuchtet auch ohne einen der Edelsteine in der Hand zu halten. Selbst kleiner Missgeschicke wie ein gebrochener Knöchel in Burma / Myanmar verarbeitet die wissbegierige Weltenbummlerin zu einer herzhaften Geschichte. International wird es am Amazonas, wenn sie auf Fitzcarraldos Spuren wandelt. Hier drehte Anfang der 80er Jahre Werner Herzog mit Klaus Kinski sein wohl bildstärkstes Werk. Sagenumrankt schuf er Unglaubliches. Edith Werner tut es ihm nicht nach, dennoch wandelt sie eindrucksvoll auf seinen Spuren.

Wer die Welt bereisen will, sollte vorbereitet sein. Keine Scheu zeigen. Sprachen lernen. Und „Woanders“ von Edith Werner lesen.