Archiv der Kategorie: Bildgewaltig

Die Alhambra

Die Alhambra

So was wird ja heutzutage überhaupt nicht mehr gebaut! Richtig! Und das ist auch gut so. Denn Exklusivität hebt das Ansehen. Die Alhambra hat dies allerdings nicht nötig. Eine Burganlage, die fast tausend Jahre auf den Mauern hat und seitdem immer wieder erweitert, verändert und verschönert wurde. Das, was wir heute als Alhambra millionenfach besuchen können, ist knapp achthundert Jahre alt. Der Zahn der Zeit nagt zwar an dem einen oder anderen Bereich, doch vom satten Teller-Bei-Seite-Schieben-Und-Zufrieden ist dieses UNESCO-Weltkulturerbe weit entfernt.

Schatten spendende Alleen, erhabene Säulengänge, wuchtige Türme, gigantische Höfe, filigrane Muster, ach die Liste der Sehenswürdigkeiten ließe sich endlos fortsetzen. Sie in Worte zu fassen, ihr gebührend Respekt zu erweisen, ist schwer.

Sabine Lata wählt einen einfachen und sehr beeindruckenden Weg die Alhambra greifbar zu machen. Auge und Mund sind ihre Werkzeuge. Sie fixiert einen Punkt im Raum, richtet ihre Kamera aus und, klick, ist der Moment als Foto festgehalten. Doch dabei belässt sie es nicht. Kenntnis- und detailreich schildert sie die Besonderheiten der Alhambra. Die, oft doppelseitigen, Bilder vermitteln eine unverhoffte Nähe. Man steht umgeben von grazilen Säulen, vor von Löwen umrankten Wasserbecken, unter im höchsten Maße kunstvoll gearbeiteten Bögen oder in verzauberten Gärten. Von draußen drängt kraftvoll das Sonnenlicht durch Fensteröffnungen, offene Dächer und durch geheimnisvolle Ornamente.

Die Nasriden hatten sich hier niedergelassen und wurden erst vor reichlich fünfhundert Jahren wieder vertrieben. Eine Trutzburg sollte hier entstehen. Ist es auch. Bei so viel Glanz und Gloria mag man als Besucher sich nicht die sicherlich oft blutigen Schlachten vorstellen. Denkt man sich die Touristenströme weg – auf den Bildern im Buch klappt das einwandfrei, es ist keine einzige weiße Tennissocke in Sandalen zu sehen – ist hier ein Ort der Ruhe. Und dieses Buch liefert den gedruckten Soundtrack zum Staunen. Wer noch nie die Alhambra besucht hat, könnte fast an seiner Urlaubsplanung zweifeln. Ist ja alles im Buch! Muss man nicht mehr sehen! Stimmt nur zur Hälfte. Denn das Buch liefert Unmengen an Eindrücken, erspart aber nicht die steigende Reisefieberkurve, vielmehr wird das Fernweh noch verstärkt.

City impressions Lissabon

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„Lissabon? Lissabon? Muss irgendwie ein Vorort von Bonn sein!“ Was vor dreißig, vierzig Jahren noch als Nonplusultra des deutschen (bzw. deutschsprachigen) Humors galt, ist längst überholt. Lissabon ist modern, lebhaft und dunkel und geheimnisvoll zugleich. Das kann man nun glauben oder nicht. Es stimmt jedenfalls. Da hat man jetzt zwei Möglichkeiten: Zum Einen – man fährt in die portugiesische Hauptstadt und macht sich ein Bild davon oder, zum Zweiten, man lässt jemanden da hin fahren und einhundertdreiundachtzig Farbfotos schießen. Hübsch verpackt in einem mehrere Pfund schweren Prachtband. Schon der Einband lässt es erahnen, dass hier kreatives Köpfe am Werk sind. Denn ein typsicher Schnappschuss lugt vorwitzig durch ein – auf den ersten Blick willkürlich – gestanztes Loch. Bei genauerer Betrachtung ist dieses „Loch“ der Umriss der Stadt, um die es auf den folgenden dreihundert Seiten geht: Lissabon. Weit weg von Bonn und gähnend langweiligen Jahrzehnte alten Fernsehwitzen.

Bernd Rücker ist der Reiseleiter für alle neugierigen Gäste der Stadt, die mit Perspektivwahl, Kameraeinstellung, Motivkomposition und Lichtsetzung sich in Stimmung bringen wollen. Seiner Reisegruppe / Leserschaft rät er „Augen auf“, er selbst schließt die Augen und wartet geduldig auf den Moment die Kamera exakt in der Sekunde in Bereitschaft zu halten, wenn alles stimmt.

Aus dem Dunkel heraus taucht sich das Straßenleben in sattes braungelb, im Hintergrund LEDs gleich die endlosen Lichterketten der Ponte 25 de abril. Sich auftürmende Wolken sind die Leinwand, die er wie bestellt zur Hand hat, wenn der Tag erwacht. Lange Schatten werfen die Abenteuer des Tages an die Häuserfassaden und künden von Stunden voller Erlebnisse.

Marcos ist einer, der an diesem besonderen Tag Besonderes erleben wird. Er ist immer vorn dabei, wenn es darum geht Lissabon zu erobern. Denn Marcos führt eine der zahlreichen Straßenbahnen der Linie 28E vom Bairro Alto über die Baixa und die Alfama bis nach Graça. Er ist der wichtigste Mann für viele Touristen, denn er führt sie durch verwinkelte Gassen, über steile Anstiege, enge Passagen, die jeden Besucher den Mund offen stehen und die Kameras zücken lassen. Nüchtern betrachtet ein langweiliger Job: Jeden Tag die gleiche Route auf exakt den gleichen Wegen. Kein links oder rechts Entkommen. Immer nur stur geradeaus, Richtungswechsel sind nicht willkürlich, sondern erforderlich und vorhersehbar. Er tut seinen Dienst, ruhig und stoisch. Auch Julia ist hier unterwegs. Sie darf links und rechts der Route schauen, sie muss es sogar. Denn sie gehört zur „Kundschaft“ von Marcos, ist Touristin, neugieriger Gast, lebendiger Besucher. Sie sieht das, was Marcos schon längst abhanden gekommen ist: Die Schönheit der Stadt.

Das ist nur eine von fünf Geschichten, die zwischen den Bildabschnitten den Leser innehalten lassen. Prachtvolle Bilder und bildhafte Anekdoten sind die Maulsperren des Betrachters. Erst, wenn die Sonnenstrahlen einmalige Einblicke in die Stadt freigeben, drückt Bernd Rücker ab. So entstehen Eindrücke, die viel Besucher niemals erleben werden.

Wie die gesamte Reihe City impressions (über Rom, Marrakesch, Venedig, Paris, Barcelona und Istanbul) ist auch dieser Bildband in zwei Varianten zu erstehen, deutsch/englisch und französisch/spanisch. Jeder Bildband taugt ohne Zweifel als persönliches Fotoalbum, um Plätze und Straßen, einmalige Erlebnisse und faszinierende Aussichten noch einmal Revue passieren zu lassen. Und als exquisites Geschenk stiehlt man jedem die Show…

Mit dem Zeppelin nach New York

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Ein beliebtes Spiel ist Entfernungen oder Volumen zu schätzen. Klar, einen Liter kann jeder anzeigen. Eine Milchtüte bzw. Tetra-Pack kennt schließlich jeder. Aber wie sieht es mit 200.000 Kubikmetern aus? Schwer anzuzeigen und noch schwerer sich vorzustellen. Das ist das Volumen, das der Zeppelin Hindenburg als Gasreservoir mit sich führte. Zweihundertfünfzig Meter lang und Durchmesser von einundvierzig Komma zwei Meter. Das sind Dimensionen, die man Kilometer entfernt schon wahrnimmt.

So in etwa ergeht es auch dem 14jährigen Werner Franz als er als Schiffsjunge auf dem Riesenflieger 1936 anheuert. Nach Rio soll es gehen. Und die Überfahrt dauert fast zwei Wochen. Aktuell werden deutsche Olympioniken mit dem Flugzeug nur ca. einen halben Tag unterwegs sein. Soviel zum Abschätzen.

Mit großen Augen erkundet er die fliegende Zigarre. Brücke, Kombüse, Aufenthaltsräume – Rauchsalon, so was gibt’s heute auch nicht mehr – erforscht er mit kindlicher Neugier. Höhepunkt der Reise ist die Vorüberfahrt der Graf Zeppelin, einem weiteren Luftschiff, das in entgegengesetzter Richtung unterwegs ist. Das Treffen über dem offenen Meer erfolgt so nah, dass sich die Gäste zuwinken können. Dann kommt der Mai 1937. Deutschland ächzt unter dem Joch der Nazis. Die Hindenburg macht sich bereit für die große Überfahrt nach New York. Schneller als ein Schiff zu sein gilt es. Alles muss reibungslos ablaufen. Nur so wird das Unternehmen wasserstoffgefüllte Luftschiffe auch in Zukunft erfolgreich sein. Auf der anderen Seite des Atlantiks erwartet man gespannt die Ankunft des Zeppelins. Unter anderem ist Reporter Herbert Morrison dabei, der mit seiner flehenden Stimme bis heute, knapp achtzig Jahre später, immer noch Gänsehaut hervorruft. Werner kann sich in letzter Sekunde retten.

Sein Urenkel findet eines Tages die Mütze des Uropas auf dem Speicher des Großvaters und fragt ihn aus. Der hatte die Mütze schon längst vergessen, nicht jedoch die Geschichte seines eigenen Vaters.

Die verheerende Katastrophe vom 6. Mai 1937 in Lakehurst beendete mit einem zweiunddreißigsekündigen Feuerball die Ära der Zeppeline. Ein echtes Abenteuer, das man so heute nicht mehr erleben kann. Dieses Buch ist in Zusammenarbeit mit dem Zeppelin Museum Friedrichshafen entstanden, wo die Geschichte der Luftschiffe immer noch lebendig gehalten wird. Dieses Buch ist der richtige Appetitmacher auf solch einen Ausflug. Technische Details werden in kleine Infokästen erläutert, Skizzen und Zeichnungen zeigen die unglaublichen Ausmaße der Zeppeline deutlich auf. Das Buch ist vor allem für Kinder und Jugendliche gedacht, doch auch so mancher Erwachsener wird fasziniert sein. Entweder, weil er die Zeppeline noch nie live gesehen hat oder weil er zu den Wenigen gehört, die sie noch fliegen sahen.

Manet – Sehen

Manet sehen

Bild – Skandal – Revolution … wie geht’s weiter? Manet! Edouard Manets Bilder waren zeitlebens ein Aufreger. Doch man konnte sich der Anziehungskraft der Werke nicht entziehen. Kritiker und (einstige) Freunde gerieten sich regelmäßig in die Haare, wenn Manet ausstellte.

Schon Mitte der 60er Jahre des vorletzten Jahrhunderts fanden in Paris regelmäßig Salons statt. In denen stellten die Künstler ihre Exponate aus. Tausende Exponate. Wer auffallen wollte – und Manet wollte auffallen – musste sich schon was Besonderes einfallen lassen. Edouard Manet traf den Nerv der Zeit. Und vor allem den der Betrachter. Ein wohl gesonnener Kritiker traf den Nagel auf den Kopf, als er meinte, dass es immer ein Bild im Salon gibt, das heraussticht. Und das sei immer ein Bild von Manet.

Noch bis zum 4. September 2016 kann man dies in der wieder eröffneten Kunsthalle Hamburg überprüfen. Denn hier sind alle herausstechenden Bilder versammelt. Der begleitende Bildband / Katalog ist ein Füllhorn an Wissen zum Wegbereiter der Moderne. Kann der Besucher dem Blick der Exponate standhalten? Wenn ja, hat man den Titel der Ausstellung „Manet – sehen“ schon verinnerlicht und nach der Lektüre vollständig verstanden.

Wie bedeutend Manet ist, lässt sich nicht allein schon an der Liste der Leihgeber erahnen: Die Bilder stammen aus Paris, Sao Paolo, Boston, Zürich Stockholm, Chicago, Essen und vielen anderen Städten der Erde. Das Buch ist kein Leichtgewicht! Weder wortwörtlich noch sinnbildlich.

Wem Manet bisher nicht viel (außer dem Namen nach etwas) sagte, wird schon auf den ersten Seiten ein Déjà-vu erleben. Viele Bilder sind dermaßen im kollektiven Gedächtnis eingebrannt, dass man sie als kulturelles Welterbe ansehen kann. Nur der Produzent ist einigen unbekannt. Eine Nackte im Park mit zwei Männern, die sie betrachten, mit ihren Reden. Sie schaut lieber auf die, die nicht im Bild zu sehen sind, sondern davor stehen. „Picknick im Freien“ – würde auch heute noch Regungen beim Betrachter hervorrufen, wenn man Model und Maler im Park sehen würde. Nur, dass eben heute tausende von Handy-Fotos gemacht werden würden und in Klatschmagazinen darüber berichtet werden würde…

Die Autoren des Bildbandes sezieren das künstlerische Schaffen Edouard Manets ohne ihn dabei zu verletzen. Mit chirurgischer Präzision tragen sie Schicht für Schicht ab, um den Besuchern das Werk unzensiert nahezubringen. Eindrucksvoll berichten sie von den Schwierigkeiten, denen Manet, der Künstler mit dem ausgeprägten Ego, sich gegenüber sah. Es waren die Blicke, die Manets Werke so aufrührerisch erscheinen ließen. Künstler – Modell, Modell – Modell, Modell – Betrachter. Portaits im Maßstab Eins zu Eins lassen das gängige Verhältnis von Groß und Klein verschwimmen. Man geht an ihnen vorbei, achtlos. Um im gleichen Moment wieder umzukehren, und noch einen zweiten, dritten, vierten Blick zu riskieren. Das Risiko lohnt sich!

Wenn die Ausstellung Anfang September endet, ist der Nachklang immer noch spürbar. Manet ist immer eine Reise, einen Besuch wert. Dieser Bildband wird zukünftigen Besuchern nicht die Neugier auf kommende Ausstellungen nehmen, sondern vielmehr Appetit machen Edouard Manet in seiner Komplexität aufzusaugen.

Fußball in Berlin

Fußball in BerlinIch bin ein Fan von Hertha! Is erstmal ‘n Statement. Aber welche Hertha? Literatur-Nobelpreisträgerin Hertha Müller? Politik-Dauer-Nörglerin Hertha Däubler-Gmelin? Oder doch Hertha Suurbier, die mit der eigenen Fahne…

Dann doch lieber Hertha BSC. Als Fußballfan eines Hauptstadtvereins hat man in England die Qual der Wahl – Chelsea, Arsenal, Tottenham ganz oben mit dabei, West Ham, Crystal Palace, Fulham eher Kellerkinder. In Frankreich ist es der Hauptstadtclub PSG, der seit einiger Zeit den Ton angibt – und wie! Italiens römische Vereine sticheln gern und oft, aber Meister kommen dann doch von „weiter oben“. Und in Deutschland? Von den 54 Vereinen, die jemals in der Bundesliga gespielt haben – ja, auch vorher wurde schon Fußball gespielt, aber … – hat sich der Hauptstadtclub auf Platz Zwölf der ewigen Bundesligatabelle eingerichtet. Nicht schlecht! Aber ohne Titel eben. Die letzte Meisterfeier stammt aus den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Im Ostteil der einst geteilten Stadt wurde dagegen regelmäßig der Meistertitel gefeiert. Allerdings hatten da höhere Mächtige ihre Hände im Spiel, echte Menschenfreunde wie sie meinten…

Noch einmal zur Ewigen Tabelle. Ein Berliner Verein führt diese an – allerdings nur, wenn man sie auf den Kopf stellt: Der SC Tasmania 1900 Berlin. Acht kümmerliche Punkte nach der Dreipunktregel. Zur aktiven Zeit  der Verein ist mittlerweile Pleite – waren es sogar nur sechs Punkte. Zwei Siege, zwei Unentschieden. Und sagenhafte einhundertacht Gegentore. Das ist Fußball in Berlin! Nicht ganz. Meint zumindest Henry Werner, Autor des Buches „Fußball in Berlin“. Und er hat recht!

In Berlin wurde 1897 der erste Fußballverband gegründet, im „Dustren Keller“ in der Bergmannstraße 107, unweit des Flughafens Tempelhof. Das Buch ist mehr als ein Almanach der Punkteverteilung. Historische Plakate wie dem von den Internationalen Fußball-Wettspielen, fotografischen Zeugnissen u.a. von Viktoria Berlin und den Gründungsvätern des BFV oder auch athletischen Momentaufnahmen des Weltsports Fußball. Die Texte strotzen nur so von Fachwissen.

Über einhundert Jahre Fußballgeschichte aus und in einer der bedeutendsten Städte der Welt, deren Veränderungen Jahrzehnte, gar Jahrhunderte bewegten und immer noch bewegen. Auch wer kein Fußballfan eines Berliner Vereins ist – und Vereine gibt es hier mehr als Baustellen – wird sich an diesem Buch erfreuen können. Immer wieder streut der Autor kleine Anekdoten ein, die man einfach nicht kennen kann, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Wie die der „Spartaner“. Ernst Fuhry gründete diese sektenartige Mannschaft in der dunkelsten Zeit Deutschlands. Nationalsozialistische Ideologien paarten sich mit kruden Idealen, die den Spielern wirklich jeden Spaß am Leben verdarben. Doch ihr Spielstil war einzigartig: Fair, ritterlich, aufopferungsvoll und ohne Fouls und Tacklings. Das war selbst den Machthabern suspekt. Fuhry selbst wurde denunziert, verfolgte aber – ganz Sportsmann – stur seine Linie. Die Spartaner wurden dem Post-SV untergeordnet, das war das Ende der Spartaner. Dennoch wurden sie in der Saison 1937/38 ungeschlagen Berliner Meister. In 27 Spielen kassierten sie lediglich 17 Gegentore.

Bildband oder Nachschlagewerk? Das ist hier nicht die Frage! Fußballfieber zwischen zwei Buchdeckeln trifft es eher. Das Großformat trägt der Bedeutung der Stadt als Fußball-Dauerbrenner Rechnung. Wer Berlin besucht, kommt irgendwann auch am Olympiastadion vorbei – auf der letzten Umschlagseite mit der „Berliner Fußball-Karte“ übrigens als Standort „3:10“ gekennzeichnet. Spätestens hier wird auch der neutrale Beobachter vom Fußballfieber gepackt. Für echte Fans müssen nicht immer die Alte Försterei oder der Jahnsportpark sein…

Paris City Trip 2017 Kalender

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Wie wird Sehnsucht geweckt? Man sieht etwas, immer wieder, hört davon, härt andere davon schwärmen. So nach und nach baut sich eine innere Unruhe auf. Es fehlt plötzlich was im Leben. Da ist ein Loch, das gefüllt werden muss. So wird das Jahr 2017 mit dem Kalender „Paris City Trip“. Zwölf Monatsblätter, die alle 28 bis 31 Tage ein neues Verlangen kreieren werden. Garantiert!

Eine typische Boulangerie, Holztäfelung an der Außenfassade, Jugendstilelemente an den Glasscheiben, stimmungsvolle Lichtakzente – gleich der Januar lässt die kalten Tage vor den heimischen Fenstern vergessen machen. Actionreicher wird es im Folgemonat. Die ehrwürdige Kathedrale Notre Dame im farbenprächtige Wintersonne, im Vordergrund ein Straßenkünstler bei der Arbeit. Und – wie unfair – ein lupenreiner blauer Himmel! Romantischer als der April in Paris ist der launische Monat nirgends. Die Seine plätschert vor sich hin und die Bäume beginnen ihre bunten Gewänder wieder zu tragen. Wer unter Romantik im Lexikon nachschlägt, wird dieses Bild entdecken.

Doch auch der Mai wird Paris gerecht. Anders! Ganz anders. Modern, kitschig koloriert schon fast. Moderne Architektur, klare Formensprache, aufwühlende grelle Farben. Ganz im Gegensatz zum Juli. Hier wird das savoir-vivre gefeiert. Entspannte Atmosphäre, leere Stühle in einem Café. Das, was man tagsüber nie zu sehen bekommt, wird zum Symbol der Nacht. Und trotzdem geschäftiges Treiben drumherum.

Ein Kurzurlaub in der Stadt der Liebe ist immer ein Erlebnis. Wer noch nie Paris en direct gesehen hat, es aber immer vorhatte, kommt nun nicht mehr daran vorbei die ersten Reisevorbereitungen zu treffen. Zwölf Monate hat man nun Zeit sich Paris noch einmal zweidimensional anzusehen. Dann wird es Zeit einen Schritt, eine Dimension, weiter zu gehen. Dieser Kalender lässt niemanden kalt, der sich für Ästhetik, Farbenspiele, Architektur, Lebenslust und die Magie der Bilder begeistern kann.

Das gemalte Ich

Das gemalte Ich

Seit der Oscarverleihung 2014 gibt es den Begriff der Selfies als Moderatorin Ellen Degeneres sich ins Publikum warf und mit Blockbuster-Garanten sich selbst einem Millionenpublikum näherte. Alle warfen sich wie tollwütig auf den neuen Trend. So was gab’s ja noch nie!

Haha. Hätten man da mal jemanden gefragt, der sich damit auskennt. James Hall zum Beispiel. Er ist Kunsthistoriker und hat unter anderem für den „Guardian“ als Kritiker gearbeitet. Als Mann der Künste hat er sich sicher nicht von der Show der Eitelkeiten verleiten lassen dieses Buch zu schreiben, doch eine gewisse Nähe zum Ausgangspunkt des Hypes ist nicht abzustreiten.

Künstler haben es seit jeher genossen sich selbst abzubilden. Spiegel und Leinwand aufgestellt, Farben gemischt und sich ins rechte Licht gerückt, damit sich nachfolgende Generationen ein Bild des Künstlers machen können. Das Titelbild zieht den Betrachter schon magisch an. Wilde Farbenspiele, exzentrische Pinselführung, tote, nichtssagende Augen – Vincent van Gogh. Es ist ein Ausschnitt eines – seines – Portraits aus den letzten Jahren des Künstlers. Er hat sich gern und oft gemalt. Wer sich die Bilder in der Reihenfolge ihrer Entstehung anschaut, kann ein wenig in der Biographie des Künstlers lesen. Ein junger frischer Mann mit wachem Blick, der die Welt aus den Angeln hebeln wird. Zum Ende ein gebrochener Künstler, der an seinem Talent und seinem Misserfolg, an persönlichen Schicksalsschlägen zugrunde ging. Das Gesicht als Spiegelbild der Seele. So manch einer fühlt sich in seiner emotionalen Welt zur Wahrheit verpflichtet und trägt sein Inneres nach außen. Bei van Gogh ist es nun einmal so, dass er heute einer der gefeiertsten Künstler ist, dessen Bilder regelmäßig Höchstpreise erzielen. Für ihn zu spät, für die meisten heute unbezahlbar. Aber in Museen immer noch ein Höhepunkt des Besuches.

James Halls Ausführungen beginnen aber nicht beim verzweifelten Genie van Gogh. Bereits im Altertum taten Künstler sich gütlich sich selbst abzubilden. Bis eine eigene Kunstgattung daraus erwuchs. Bücher über Kunstgeschichte lesen sich oft ein bisschen zäh, weil man dem enormen Wissen der Autoren glauben muss. Bei den Selbstportraits kann man auch als Laie ein bisschen mitreden. Denn so ziemlich jeder hat sich schon mal sein Smartphone geschnappt und mehr oder weniger heimlich den Arm ausgestreckt und in die Kamera gelächelt, das Gesicht verzogen und dann das „Meisterwerk“ in die virtuelle Welt hinaus gesandt. Nur ein verschwindend geringer Prozentsatz wird sich wohl Gedanken darum gemacht haben, welch Tradition da wieder belebt wurde. Dank James Hall wird so manches Duckface nun in einem anderen Licht dargestellt – und hoffentlich bald auch wieder verschwinden.

Wer in Zukunft Museen auf der ganzen Welt besucht, wird etwas intensiver in den Gesichtern der Modelle schauen, nach Geheimnissen graben und vielleicht auch so manche Geschichte entdecken. Ganz sicher jedoch wird man sich an das eine oder andere Kapitel aus diesem antiken Buch der Selfies erinnern. Die zahlreichen Abbildungen sind sorgsam ausgewählt und vermitteln eine Kompletteindruck der Physiognomie des menschlichen Antlitzes.

So leicht so schwer

So leicht so schwer

Man kann nie früh genug beginnen: Zu lernen, zu lesen, sich zu freuen. Am besten fängt man mit Tieren und Physik an. Das kennt jeder, jeder begegnet ihnen tagtäglich. Ein Elefant steht auf einer Wippe. Allein. Dong! Er ist schwer, und deshalb steht er mehr oder weniger auf dem Boden. Wippen ist das noch lange nicht. Ein Pinguin als Ausgleichsgewicht? Haut nicht hin! Noch ein Affe und ein Strauß? Immer noch nichts! Erst als eine Giraffe und ein Nilpferd sich dazugesellen, könnte es klappen. Bis … ja bis … nö, wird nicht verraten!

Natürlich ist „So leicht so schwer“ kein Physikbuch oder gar ein Lehrbuch. Es ist – und so soll es auch sein – ein hingebungsvoll gestaltetes Kinderbuch für den (Lern-) Nachwuchs ab zwei Jahren. Die Farben sind beruhigend, die Konturen der Tiere klar zu erkennen. Und natürlich ist es auch lustig. Wer schon mal auf dem Spielplatz war, wird von nun an die Wippe noch mehr lieben! Genauso wie dieses Buch!

Schicksalsorte der Deutschen

Schicksalsorte der Deutschen

Beim Lesen des Titels hat jeder seine eigene Meinung und eigenen Vorstellungen. Auf Anhieb kann man sicher ein oder zwei Hände voll Orte nennen, die in der Geschichte Deutschlands, der Deutschen eine entscheidende Rolle spielten. Aber fünfundfünfzig? Da braucht man schon ein paar Stunden zum Nachdenken. Und genau so lange dauert es auch das Buch zu lesen. Vorteil Buch: Hier wird auch gleich noch das entsprechende Basis- und Hintergrundwissen vermittelt.

Bei oberflächlicher Betrachtung des Umschlages kann manches erahnt werden: Ein kräftiger Kerl mit Flügeln an der Kopfbedeckung auf ‘nem Pferd, in schwarz-weiß, ist wohl schon etwas älter. Schlachtengetümmel, in Farbe. Eine Kirche, in die die Massen geordnet einziehen, sehr feierlich. Ein Haus mit beleuchteten Balkons. Und – das erkennt jeder sofort – das Brandenburger Tor. Von oben, links hinten fotografiert, sieht man auch nicht allzu oft. Jetzt geht das Rätselraten los. Es bleibt einem nichts anderes übrig: Man muss das Buch aufschlagen. Und schon ist es passiert! Man blättert, liest ein paar Zeilen und kommt nicht mehr los.

Zuerst sucht man natürlich nach der Auflösung der Titelrätsel. Brandenburger Tor ist klar: Mauerfall. Die Balkons gehören zum Bauhaus in Dessau. Die Kirche ist die Paulskirche in Frankfurt, wo 1848 erstmals ein deutsches Parlament tagte. Das Schlachtengetümmel gehört zur Tannenberg-Schlacht, in dem im Sommer 1410 der Deutsche Orden eine vernichtende Niederlage hinnehmen musste. Und der wohlgenährte Herr mit den Flügeln am Helm ist Arminius, wie man sich ihn im 19. Jahrhundert vorgestellt hat. Rätsel gelöst, aber noch immer warten fünfzig Schicksale auf ihre Entdeckung.

Schon allein die kleine Auswahl des Bilderrätsels vom Cover zeigt, dass es in diesem Buch nicht nur um Schlachten und Kriege geht. Friedliche Revolutionen auf politischer Seite stehen kulturellen Neuerungen wie dem Bauhaus gegenüber. Die Völkerschlacht bei Leipzig der ersten deutschen Eisenbahnfahrt zwischen Nürnberg und Fürth. Oder die Schlacht von Verdun dem Wunder von Bern.

Jedem Ort, an dem deutsche Geschichte geschrieben wurde oder Deutsche Geschichte schrieben, und diese bis heute nachhallt, geben die Macher des Buches den passenden Rahmen und füllen die vorhandenen Wissenslücken. „Schicksalsorte der Deutschen“ ist ein Lese- und Bilderbuch, das man gern immer wieder zur Hand nimmt. Stück für Stück nähert man sich der Geschichte und sieht die Gegenwart mit anderen, wissenden, Augen. Ansprechend gestaltet und informativ – das beste Argument, um dem staubtrockenen Geschichtsunterricht Lernfreude entgegenzusetzen.

Albpanorama

Albpanorama

Die Schwäbische Alb sieht von oben aus wie ein Keil, der sich zwischen Bodensee und Rhein gedrängt hat. Als ob sie im Spiel der Augenweiden auf sich aufmerksam machen will, e sich ihren Platz in der Geographie des Ländles gesucht, und gefunden. Vielen ist die Schwäbische Alb als Heimstatt der Hohenzollern mit ihrer gleichnamigen Burg ein Begriff.

Hartmut Schenker macht seinem Namen alle Ehre und beschenkt den Leser mit einem breitformatigen Bildband, der diesem 200 km langen Mittelgebirge ein bildstarkes Denkmal setzt. Nebelschwaden am Morgen, während der Tag langsam die ersten Sonnenstrahlen empfängt. In zarte Gelbtöne getauchtes Land rund um Reutlingen, das die Erhebungen kontrastreich aus der Ferne direkt vor das Auge des Betrachters führt. Vor Kraft strotzende Landschaften, die nur einen Schluss zulassen, nämlich den, dass man nun wirklich alles gesehen hat, was Mutter Natur zu bieten hat.

Dem Begriff Mittelgebirge schwingt immer die negative Wortdeutung „mittel“ bei: Mittelmaß, nicht so sehr vornweg, auch nicht hinterher hinkend, dennoch nie an der Spitze. Wer das glaubt, wird durch die doppelseitigen Panoramaabbildungen schnell eines Besseren belehrt. Feuriges Rot, in sanftes Morgenblau getauchte Winterlandschaften, saftiges Grün über den sonnenbedeckten Hügeln der Alb. Eine echte Liebeserklärung an das südwestlichste deutsche Mittelgebirge!

Geduld beweist Hartmut Schenker auch, wenn er auf den richtigen Moment wartet abzudrücken. Nämlich genau dann, wenn der Himmel sein Wolkenspiel der Wildheit der Natur angleicht. Bizarre Wolkenformationen und manchmal sogar eine Sternenschnuppe über schattigen Erhebungen. Er spielt nicht mit den Naturschauspielen, er lässt sie posieren. Streng und lebensfroh zugleich zeigen sich Berge und Täler gleichermaßen verlockend und einladend. Klare Linien und verschwommene Konturen lassen das Reisefieber steigen bis zu dem Punkt, an dem das Buch sich leider dem Ende neigt. Mensch und Natur scheinen hier noch im Einklang zu leben. Die roten ziegelgedeckten Dächer der Ortschaften fügen sich harmonisch ins Gesamtbild zwischen Heidenheim und Tuttlingen, zwischen Göppingen und Ulm ein. Nur so manches Gebäude, wie das Ulmer Münster, will der Umgebung Paroli bieten. Aussichtslos!

Wer von nun an Albträume hat, wacht nicht mehr schweißgebadet am Morgen auf, sondern träumte von einzigartigen Aussichten, kolossalen Naturschauspielen und königlichen Landschaften.