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Metropolen des Ostens

Zuerst die schlechte Nachricht: Das ist kein Reiseband! Und jetzt nur noch gute Nachrichten. Denn dieser Biographienband über Städte, die man zwar vom Namen her kennt, die man jedoch sonst als weiße Flecken auf der Landkarte wahrnimmt, ist ein farbenfrohes Spektakel, das seinesgleichen sucht.

Vilnius gehört sicher zu den weißen Flecken auf der Landkarte der meisten, die sich die meisten Farbspritzer erarbeitet hat. Zusammen mit Riga und Tallinn bildet es das Triumvirat des Ostseestädtetourismus. Da tut ein weitreichenderer Blick auf die Geschichte gut und Not.

Minsk kennen die meisten nur als Zentrum der Hölle eines absolutistisch regierten Landes, dessen Oberhaupt nur allzu gern mit der Davidskeule dem Goliath den Schädel einschlagen möchte.

Kasan, Lemberg, Tblissi, Astana sind Städte, teils Hauptstädte!, die Fußballfans aus den Ansetzungslisten der ersten Runde in der European Conference League zumindest namentlich ein Begriff sind. Mehr aber auch nicht. Wobei Astana mittlerweile in Nur-Sultan (nach dem Machthaber Kasachstans) umbenannt wurde.

Odessa – da werden die Ästheten hellwach. Das Paris am Schwarzen Meer, wo die Kulturen aufeinandertreffen, wo ikonische Filmszenen entstanden, wo die Sonne angenehmer schient als an so mancher Mittlerperle.

Und Warschau ist einfach nur der Punkt auf der Landkarte in den Nachrichten, der die Mitte Polens markiert.

Baku … war da nicht mal der ESC? Fast so unbekannt wie Czernowitz. Dazu fällt den wenigsten noch etwas ein.

Es wird also Zeit diesen Städten, diesen Perlen des Ostens, diesen Metropolen, wo die Sonne schon schient, wenn hier der Bäcker seine Stube aufschließt, eine Stimme zu geben.

Und ein Gesicht. Schon beim ersten, losen durch die Daumen gleitend, findet man die offensichtlichen Höhepunkte, die das Reiseherz höher schlagen lassen. Der Bajterek-Turm in Nur-Sultan / Astana oder der Tempel der Arbeiterklasse in Minsk (würde die Bildunterschrift fehlen, könnte man auch meinen ein wirklich sehr gut erhaltener römischer Tempel wäre hier zu sehen) oder die Mariä-Verkündigung-Kathedrale in Kasan stechen einem sofort ins Auge. Also doch ein Reiseband? Nein, immer noch nicht. Es sind die zehn Essays von Autoren der jeweiligen Städte, die dieses Buch zu einem unverzichtbaren Reiseutensil machen, wenn man sich auf die Suche nach Farbe in diesen weißen Flecken macht. Die Autoren haben die gesamte Farbpalette bereits entdeckt. Sie gehen weit zurück in die Vergangenheit, zeichnen Entwicklungen nach und scheuen sich nicht ihre Werke nun der breiten Öffentlichkeit zu zeigen. Und so mancher Betrachter dreht sich beschämt beiseite und ärgert sich nicht schon früher den Blick gen Osten gerichtet zu haben.

Geistreich und Wandel

Schon der Titel lässt einen rätseln. Ein Adjektiv und ein Substantiv. Oder ist es das Reich des Geistes? Rike Springer führt den Leser oft an den Rand seines Horizonts. Da ist eine Frau, die Frau. Sie hat keinen Namen, der würde wahrscheinlich eh nur ablenken. Diese Frau ist einfach nicht greifbar. Für sie, die Frau, ist die Welt nicht greifbar. Unverständnis, Rückzugsgedanken, Abgrenzung – das ist es, was ihr immer wieder in den Sinn kommt. Wie verkommen die Welt doch sein kann?! Wie oberflächlich. Und doch gibt die Frau nicht auf. Es wäre für sie ein Leichtes einfach aus dieser Welt zu scheiden. Ohne, dass es jemand bemerken würde…

Die Frau ist aber niemand, der aufgibt. Sie ist aufgeschlossener als man es auf den ersten, oberflächlichen Blick erwartet. Auf einer Party nimmt sie Reißaus. Das sinnentleerte Gebrabbel von Verantwortung, die sich hinter political correctness ein emotionsbefreites Heim errichtete verstört sie. Warum kann niemand mehr offen aussprechen, was er wirklich denkt?! Oder selbst einmal anpacken, um wirklich etwas zu verändern?

In Gedanken durchforstet sie ihr Leben. Da war der Flötenspieler, der mit ihr ein Stück weit mitfuhr. Ein Freigeist, dem der Antrieb verloren ging. Oder der Holländer – der zog sein Ding durch.

Die Frau ist eine trainierte Beobachterin. Sie durchschaut die dicksten Fassaden, hinter denen sich Menschen verstecken können. Doch diese Gabe – und das ist überhaupt nicht mystisch gemeint – ist Fluch und Segen zugleich. Denn sie sucht die Nähe von Menschen. Deren blabla ist ihr egal. Sie will tief ins Innere der Menschen schauen. Es ist aber keine bewusste Suche. Vom Helfersyndrom ist sie meilenweit entfernt. Sie sucht … ja, sucht sie überhaupt?

Rike Springer lässt dem Leser genug Raum für Interpretation, wenn sie den Kern ihrer Protagonistin verstehen wollen. Der überstrapazierte Begriff des Gutmenschen tritt hier in einer Person zutage wie es ihn nur selten gibt. Die Frau lässt sich nicht vereinnahmen. Sie geht ihren eigenen Weg, ohne dies plakativ herauszuschreien. Eine stille Wanderin durch das Leben. Daran muss man sich erstmal gewöhnen. Aber es lohnt sich.

Der Tod ist eine Liebkosung

Für ihn sind sie unausweichlich: Die Frau und die Katastrophe. Sie geht offensiv zur Sache. Mit jedem noch so kleinen Problemchen ihres Wagens (einmal hilft sie kräftig nach) behelligt sie den Mechaniker in der Werkstatt, in der ihre Familie schon immer ihre Wagen reparieren und auf Vordermann bringen lässt. Er hat keine Chance! Schon zappelt er in ihrem Netz aus Verführung und Begehren. Dass er und sie in einer Beziehung – sie ist verheiratet – sind, ist doch den beiden anfangs egal. Als es ernst wird, denkt sie daran einen Rückzieher zu machen. Mit dem Angelhaken im Fleisch überzeugt er sie, dass sie das Richtige tun … werden … sollen.

Kaum der Ehe entronnen – in ihrem Fall – kaum der Beziehung entkommen – in seinem Fall – beginnt der Beziehungsalltag. Alte Freunde sind zufällige Erscheinungen. Der Job wird zur Nebensache. Doch die anfänglichen Schmetterlinge sind satt gewordene Brummer geworden. Sie will den Rausch des Anfangs ewig fortführen. Er will Normalität.

Leider werden Streit und Misstrauen zur Normalität. Und Gewalt. Erst wird es nur lauter. Nach knallt die Faust auf den Tisch. Es wird körperlicher. Aber anders als zuvor. Angsterfüllte Blicke. Die Beziehung im Würgegriff im Lauf der Dinge. Bis zum Äußersten.

Nun sitzt er hinter schwedischen Gardinen. Sinniert über sein Tun. Und kommt zu dem Entschluss, dass er gar nicht anders hätte handeln können. Das ewige Hin und Her zwischen Aktion und Reaktion ist ihm bewusst. Die Schuld sieht er auch, aber nicht bei sich. Das hat er zu oft schon getan. Hat alles nichts gebracht. Wer Schuld hat, bekommt die Chance es wieder gut zu machen. Er hat das Bewusstsein falsch gehandelt zu haben und in Zukunft rechtens zu handeln. Doch er…

Über siebzig Jahre ist „Der Tod ist eine Liebkosung“ alt. Ein Hit schon bei Erscheinen. Verfilmt. Zum Klassiker erkoren. Und noch immer fesselt er in seiner Stringenz und Klarheit den Leser. Weglegen, und sei es auch nur für Sekunden wird mit Schuldbewusstsein bestraft. Schon beim Cover ist einem klar, dass hier Opfer und Täter von jedem Leser anders bewertet werden. Eine offene Tür. Aus dem Dunkel ins Helle schauend – Luc Besson hat das Spiel von Gut und Böse ebenso eindrucksvoll in „Leon der Profi“ angewandt – und mittendrin die femme fatale. Ihr aber allein die Schuld zu geben, ist ebenso falsch wie billig. Und Billig hat in der suspense-Reihe vom Septime-Verlag nichts zu suchen. Schwarz und Weiß sind eben nur Kontraste und kein Bestandteil der Farbpalette. Sie richtig anzuwenden ist eine Kunst. Ein Kunst, die der norwegische Journalist und Autor Arve Moen exzellent anzuwenden versteht. Auch wenn dieser Roman als One-Hit-Wonder eingestuft wird, so wirkt er auf ewig nach bei denen, die Qualität und pure menschliche Reaktionen in Einklang bringen können.

Babas Vermächtnis

Oh, hier muss man aufpassen, dass man nicht in die Vorurteilsrolle verfällt. Swetlana lebt in Hamburg. Sie ist die Nichte des russischen Präsidenten. Ihr Vater wollte auch in die Politik, das passte dem kleinen Bruder nicht. Vater, Mutter und Swetlana gingen nach Hamburg. In Russland fühlte sich Swetlana nur geborgen als ihre Oma noch lebte, ihre Baba. Sie bracht dem Kind alles bei, was sie heute ausmacht. Die Liebe zur Poesie, eine gesunde Einstellung zur Kultur, den eigenen Kopf zu benutzen – nur die Schönheit hat sich Swetlana selbst erhalten. Und die pflegt sie mit allerlei Markenprodukten. Wobei ihr die eigentlich gar nichts bedeuten.

Swetlana besucht eine Eliteschule, in der ihre Mitschüler allesamt aus finanziell gut ausgestatteten Häusern stammen. Was einige aber nicht davon abhält sich wie die letzten Proleten aufzuführen. Hass, Schmach und unverhohlener Neid sind an der Tagesordnung.

Swetlana sehnt sich nach ihrer Baba. Sie gab ihr immer halt. Bot ihr Einhalt. Hielt sie niemals davon ab eigene Wege zu beschreiten. Vielleicht ändert sich Swetlanas Leben mit einer Reise nach Sankt Petersburg? Dort, wo sie aufwuchs, wo sie mit Baba glücklich war.

Der Trip gerät zur Farce. Alle Träume scheinen sich je mehr sie sich von der verkaterten Mutter entfernt, je näher sie der Ostseemetropole kommt, in Luft aufzulösen. Der Mann an ihrer Seite ist ein Depp. Die Gedanken an die Kindheit, an Baba verblassen in der gleichen Geschwindigkeit in der sie dem Glück verheißenden Ziel näher kommt. Alles geschieht wie selbstverständlich. So vorhersehbar. Wie das Ableben des Freundes ihrer Mutter. Doch dann tritt etwas Unvorhergesehenes ein: Swetlana wird auf einmal gejagt…

Michael Hetzner zieht alle Register einer Geschichte um ein russisch stämmiges Mädchen, deren Familie zum erlauchten Kreis der Oligarchen zählt. Zuerst ein bisschen Klischeebedienung mit allerlei Markenhype und der ewigen Frage, ob Prada und Gucci vielleicht besser harmonieren als Hermes und Cavalli. Im gleichen Gegenzug lässt er Swetlana in einem guten Licht dastehen, wenn es um ihre Bildung geht. Sie ist ein schlaues Mädchen. Beeinflusst von ihrer Baba. Schönheit, russische Präsenz und Intelligenz bewahren sie aber nicht vor den Gefahren, die aus dem Dickicht wie ein Peitschenschlag herausdrängen.

Das flüchtige Licht

Sie sind eine verschworene Gemeinschaft: Elio, Gianni, Aurelio und Spucino. Irgendwo, in einem Vorort Roms. Dort, wo die Hoffnung als trübes Licht am unerreichbaren Horizont nur ein verschwommenes Abbild seiner selbst verspricht. Die Vier kennen sich seitdem sie denken können. Als Enzo zu ihnen stößt, ist er nicht mehr als das fünfte Rad am Wagen. Er ist schmächtig. Passt überhaupt nicht zu ihnen. Was sie ihn auch spüren lassen. Doch der Kleine lässt sich nicht abschütteln. Denn irgendwie gehört er doch zu ihnen.

Enzo ist es schließlich, der der Tristesse der Kleinstadt entkommen kann. Er stromert herum und läuft unversehens … vor die Linse des Monsignore. Der sitzt fest verwurzelt in seinem Stuhl. Lässt sich darin herumtragen. Ein Fingerzweig von ihm, und alle spuren. Armbewegungen wie ein Sturm. Sein Wort hat Gewicht. Er ist Regisseur. Nun sollte man meinen, dass er einen Tobsuchtsanfall bekommt, weil ihm so ein räudiger Straßenköter wie Enzo ins Bild läuft und alles noch einmal neu positioniert werden. Alles und alle noch einmal auf Position muss. Doch der Monsignore ist gnädig, fast schon unterwürfig. Enzo hat ihn verzaubert. Für einen Menschen wie den Monsignore sind Bilder wichtiger als alles andere auf der Welt.

Florian L. Arnold schreibt über die Macht der Bilder. Irgendwann trennen sich die Wege der Fünf. Es zieht sie fort von diesem tristen Ort, der als Synonym für Ausweglosigkeit steht. Nach und nach sehen sie sich. Das, was sie nun verbindet, ist Enzo. Er trat vor die Kamera, mehr als einmal und mehr als unerwartet, ungewollt. Denn der Monsignore sah in ihm etwas, was sonst niemand sah. Was selbst er noch ne gesehen hat. Doch das Licht, das einst auf ihn fiel, ist flüchtig…

Roma, Cinecitta, Lazio – Sehnsuchtsorte nicht nur für Erholungssüchtige. Hier entstehen Träume. Hier zerplatzen Träume. Für einen Augenblick sind sie real. Und im nächsten sind sie nicht mehr als Erinnerungen. Die Leichtigkeit mit der diese Träume entstehen und auch zerplatzen, ist das große Plus dieses Romans. Wie im Rausch liest man sich in eine Welt, die man so noch nie erlesen hat. Man kann nicht aufhören, muss immer weiter lesen. Dabei weiß man doch, dass die Lichter bald ausgehen werden, ja, ausgehen müssen. Und doch hofft man immer wieder, dass sich alles zum Guten wendet. Vielleicht tut es das ja auch, ohne, dass man es spürt…

Im Nebel

Unter ihm Wasser, nichts als Wasser. Vor ihm nur Nebel, hinter ihm nur Nebel, über ihm nur Nebel, ebenso links und rechts von ihm. Hanok watet durch das, was nach der Katastrophe übrig geblieben ist. Allein, ganz allein. Und er weiß, sobald er auf Menschen trifft, kann’s eng werden. Misstrauisch lauscht er jedem Geräusch. Ein Knacken, ein Winseln, ein Jaulen – überall kann die Gefahr wie ein wildes Tier aus dem Dickicht springen und ihm übel mitspielen. Dann doch lieber allein mit seinen Gedanken für den Nebel schreiten.

Die Szenerie kommt ihm vertraut vor. Und auch wieder nicht. Das Schilf bietet ihm Unterschlupf und Deckung. Doch vorankommen kann er nicht. Wie aus heiterem Himmel trifft ihn der Schlag! Er hatte es nicht kommen sehen, konnte nicht bemerken wie sich jemand (oder etwas?) heranschlich. Wieder bei Sinnen erblickt er Nairoc. So stellt er sich jedenfalls vor. Auch er ist misstrauisch. Traut keiner Menschenseele, ist aber im Gegenzug selbst ein Seele von Mensch. Hanok hat so etwas wie einen Freund, zumindest einen Begleiter – wenn auch auf Zeit – gefunden. Nairoc bietet ihm ein abscheuliches Gesöff an – Männerrunde mitten in den Ausläufern der Katastrophe. Niemand weiß, was wirklich passiert ist. Niemand kennt die Wahrheit. Und schon gar nicht das ganze Ausmaß. Das interessiert auch niemanden. Hier geht es ums nackte Überleben. Kurze zeit später ist Hanok allein auf dem Wasser. Auf einem Floß. Mit einem Hund. Ohne Nairoc…

Tobias Schwartz vermeidet es den Leser komplett im Nebel stehen zu lassen. Hanok ist auch nicht der Archetyp des gewissenlosen Rächers á la Mad Max. Er ist ein Suchender. Was er sucht? Ist es die Frauengestalt, die ihn im Kopf herumschwirrt? Ist es Linderung? Antworten – worauf? Hanok wird noch auf Menschen treffen. Und diese Begegnung wird so anders verlaufen als man sich es vorstellen kann. Darin liegt die große Besonderheit dieser Geschichte. Der postapokalyptische Name, dem man eher einem Krieger zuschreibt als einem Getriebenen, einem Verzweifelten, reißt den Leser ein ums andere Mal aus der Lethargie der vernebelten Einöde. Schon bald gibt man es auf nach der Ursache zu suchen, die Hanok in diese Situation gebracht hat. Es ist unerheblich. Hanoks Reise gilt die ganze Aufmerksamkeit. Auch wenn nach wenigen Seiten schon Schluss ist, wirkt diese Reise noch lange nach…

Rom erleben

Für eine Stadt wie Rom braucht man einen kundigen Guide. Die Überzahl an Attraktionen erschlägt jeden, der nicht vorbereitet ist. Und die Enttäuschung danach etwas übersehen zu haben oder einfach mal den Weg – wegen Nichtwissens – nach rechts oder Links nicht eingeschlagen zu haben, überwiegt dann vielleicht doch das Erlebte.

„Rom erleben“ ist für ein jüngeres Publikum gedacht. Die Interessen der „Zielgruppe“ sind eben anders gelagert. Nichts desto trotz gibt es Orte in Rom, die man einfach gesehen haben muss. Und wenn man dann von einer Warteschlange überrascht (also von deren Dimension) oder wegen nicht vorhandener Vorreservierung abgewiesen wird, kann der Tag schon mal so richtig verdorben werden. Hier kommt dieser Reiseband ins Spiel.

Allein schon die Handhabung ist durchdacht. Einmal im Uhrzeigersinn gedreht, macht sich die Ringbindung schon bezahlt. Wie ein überdimensionales Notebook erschließt sich dem Leser/Besucher Roms eine neue Welt. Skizzen, Karten, Wegstrecken sind anschaulich dargestellt, dass digitale Hilfsmittel überflüssig werden. Die Erläuterungen beispielsweise zum Pantheon oder zum Forum romanum sind zeitlos. Wer sich vom empfohlenen Alter des Reisebuches ob des ausgewiesenen Alters nicht abschrecken lässt, wird hier auch als „Altersgruppenüberschreiter“ einen kundigen Ratgeber finden. Zahlreiche Abbildungen sowie unzählige Ausflugstipps, denn auch außerhalb der alten Stadtgrenzen gibt es mehr als nur ein must see. Erwähnenswert sind auch die Tipps zu Orten, die man zwar besuchen kann, die man aber nicht vermisst, wenn man sie nicht besucht. Das kann bei der begrenzten Zeit in Rom viel wert sein.

Kurz und knapp, umfassend, sehr gut handhabbar. Das sind die Hashtags, die dieses Reisebuch treffend beschreiben. Egal, ob man sich erholen oder den Körper an die Grenzen führen will, hier wird alles geboten. Bis hin zur typisch römischen Küche. Selbst wer Rom schon kennt, wird hier Orte entdecken, die er so noch nie gesehen hat. Andiamo a roma! Enttäuschungen wird es garantiert nicht geben!

nackt!

Über die griechischen Götter wurden sicher schon mehr Bücher geschrieben als so mancher Fußballstar Follower hat. Und doch gibt es immer wieder Bücher, die den geneigten Leser verblüffen. So unverhohlen, so unverblümt, so lustig und dabei informativ wie Anna Derndorfer hat noch niemand die Olympioniken, die Bewohner des Olymps beschrieben.

Zeus, der alte Schwerenöter, der seiner Frau so oft fremdgegangen ist, dass selbst Pornolegende Ron Jeremy verlegen den Schwanz einziehen muss, war nicht der einzige Übeltäter im Himmel. Auf Athene, Hera und … ach wie sie alle heißen, waren (und sind!) keine Vorbilder.

Wie wäre denn ihr heutiger Status! In einer Zeit, in der mehr Regeln das Freisein bestimmen als noch vor einigen Jahrzehnten, würden die Helden in Roben tagein tagaus vor den Pranger gestellt werden. Selbst Sisyphos, das fleißige Arbeitsbienchen – wer weiß schon, dass seine Bewerbung bei Ramstein sicher von Erfolg gekrönt sein würde, denn er war eigentlich Sprengmeister – bekommt sein Fett weg.

Es ist köstlich zu lesen wie sich die Titanen und Götter immer wieder selbst ein Bein stellten. Ihr Vorteil: Sie machen die Regeln selbst und eine (ger-) echte Justiz gibt es nicht. Fast wie auf Erden, möchte man meinen. Denkt man an einige Regierungen, die gar nicht mal so weit entfernt liegen… Da halten sich Staatsoberhäupter auch für gottähnlich.

Es ist immer ein Fest kann man sich in einem Gespräch auf die Geschichte beziehen, Anekdoten zum Besten geben. Wer „nackt!“ (gern auch angezogen) gelesen hat, kann mitreden. Und so manche Schweinerei mit schmissigem Wortlaut in die Runde werfen. Ja, das Buch ist mythisch, nicht mystisch. Und ja, das Buch ist mit mehr als einem Augenzwinkern zu verstehen. Wer aber hat schon die Zeit alle Biographien der antiken Götter zu lesen? Und dann auch noch jede Verbindung sich zu merken?! Allein Zeus’ Affären würde schon an der Aufzählung der Zahl Pi auf die zigste Stelle nach dem Komma gleichkommen. Nee, nee. Anna Derndorfers Buch ist die Quintessenz dessen, was als Grundlage aller Göttergeschichten gilt. Hier wird man vortrefflich bedient und es bleibt sogar was hängen. Welchen Beruf hatte Sisyphos doch gleich bevor er Stein-Den-Berg-Hoch-Roller wurde? Und alle, denen immer wieder vorgeworfen wird, dass sie vorher zuviel nachdenken, sei der Verweis auf Prometheus ans Herz gelegt. Sein Bruder Epimetheus, der der hinterher nachdenkt, ist das griechische Sinnbild für das in den Brunnen gefallene Kind. Da hätte zwar Prometheus, der der vorher nachdenkt, ihm auch mal sagen können, aber die Bürde des Vorausschauens kann eben schon mal zu Erinnerungslücken führen…

Vom Reisen. Ein Fotojournal

Wenn man selbst zurückblickt und schaut wie man noch vor gar nicht allzu langer Zeit Urlaube geplant und gebucht hat, ist man verblüfft. Schleppte man sich noch vor rund zwei Jahrzehnten über Reisemessen, und danach die Kataloge die Treppen hoch in die eigenen vier Wände, klickt man sich jetzt durch die unendlichen Welten der Angebotsseiten im Netz. Und dennoch – auch wenn die Diaabende der Vergangenheit angehören – sind immer noch die Urlaubsbilder die Gedächtnisgrundlage für so manches Erlebnis. In jedweder Form verzieren diese Erinnerungen die Wände, oder die Fotoalben füllen meterweise die Regale. Reisen war, ist und bleibt die Erinnerung, die immer bestehen wird.

Ein bisschen Nostalgie schwimmt immer mit, wenn man zurückdenkt und an Unvorhergesehenes, Eindrucksvolles, Nachhaltiges erinnert wird. Dieses Fotojournal verbindet Vergangenheit und Gegenwart auf so wunderbare Weise. Zum Einen in Schwarz-Weiß gefangener Gedächtnistresor (Tresor im doppelten Sinn: Schatz und Aufbewahrung), zum Anderen viel Platz, um das soeben Erlebte schriftlich festzuhalten.

Eine echte Innovation. Während die meisten ihre Erlebnisse umgehend per social media der Welt ungefragt zur Verfügungen stellen, hat man mit diesem Fotojournal eine ganz persönliche Möglichkeit eine Erinnerung „für später“ zu schaffen.

Dieses „Weißt Du noch…?!“, dass unweigerlich zutage tritt, wenn man die Fotos erblickt in Verbindung mit den eigenen Niederschriften – Platz ist wirklich genug in diesem Fotojournal – ist unbezahlbar. Ja, die Fotos sind schon drin, im Buch der Erinnerungen. Sie sind aber Ideengeber, Ratgeber, Erinnerungsstützen. Den freien Platz daneben kann, darf, muss man selbst füllen. Doch vor die Worte hat der Reisegott die Erlebnisse gesetzt. Mit lockerer Feder füllt man in Windeseile den freien Platz im Journal.

Wer beispielsweise eine mehrwöchige Kreuzfahrt gemacht hat, sieht Bilder von anno dazumal von Menschenmassen am Anleger, die den Giganten der Meere zujubeln mit anderen Augen als Reisende, die jeden Schritt ihrer Reise selbst organisiert haben. Die wiederum vergleichen die die Fotos im Fotojournal mit ihren eigenen Empfindungen – früher war alles entspannter, weitläufiger, nicht so überlaufen.

Wer Reisen nicht nur als Sammelalbum für die Anzahl der Länder sieht, wo man seinen Fuß draufgesetzt hat, und diese Erinnerungen für sich und Nachfolgende festhalten will, hat beim Kauf dieses Fotojournals eine richtige Entscheidung getroffen.

Das kann immer noch in Wien passieren

Als Wien-Tourist kann man es nur schwer vorstellen, dass hier so etwas wie Alltag einkehrt. Alle paar Meter gibt es etwas zu entdecken, dass es so eben nur hier gibt. Mit großen Augen marschiert man an beeindruckender Architektur vorbei, schaut hier und da mal rein, überblickt von so manchem Hügel die Metropole, berauscht sich in einem der zahlreichen Museen und lässt es sich im Café gutgehen.

Der alltägliche Schmäh ist da nur ein Beiwerk, das man erst bei genauerem Hinhören zu verstehen weiß. Es sind jedoch die Alltagsgeschichten wie in diesem Buch, die den Wien-Touristen vom Wienexperten unterscheidet. Wer also dem Schlangestehen am Café Central oder (noch schlimmer, weil länger) am Sacher nichts mehr abgewinnen kann, wem das Belvedere schon näher ist als die heimische Umgebung, der wird den Wienern mit Genuss aufs Maul schauen. Und wenn’s nicht allzu wianerisch wird, versteht man es … zumindest akustisch. Inhaltlich wird’s da schon ein wenig verzwickter. Doch es gibt Abhilfe.

„Das kann immer noch in Wien passieren“ ist die Allzweckwaffe im Wunderschönfinden des Alltagssingsangs in der Donaumetropole! Denn nicht alles, was so melodisch ans Ohr geflogen kommt, ist mit Liebreiz und Wohlwollen behaftet. Es sind schon deftige Abreibungen, die man allerorten vernehmen kann. Das beginnt bei der familiären Aufarbeitung der eigenen Geschichte derjenigen, die nicht fliehen mussten. Was den Autor dieser Anekdote dazu veranlasst zu bemerken, dass sein Gegenüber zumindest dafür verantwortlich ist, dass seine Familie fliehen musste, wenn sie denn konnte. Starker Tobak, wenn so ein Dialog „zwischen Tür und Angel“ stattfindet.

Diese Alltagsgeschichten sind gespickt mit Perfidität, laissez-faire und einer ordentlichen Portion Schärfe und Wortwitz. Oberflächlich eine schonungslose Abrechnung mit der hauptstädterischen Arroganz gegenüber allen von außerhalb. Doch in der Tiefe liegt der wahre Schatz dieses Buches vergraben.

Nicht alles, was scharfkantig ist, verletzt. Als Trostpflaster kann man dieses Buch ebenso verstehen. Denn wird vorbereitet ist, entgeht so manchen Verbalscharmützel. Zartbesaitete können in Wien schnell unter die Räder kommen, wenn sie sich nicht bewusst sind, dass nicht alles so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Und in Wien kocht man sehr heiß – also verbal. Als Zusatzlektüre für den einen oder anderen Reiseband ist dieses kleine Büchlein, das sich mit Macht gegen übertriebene Korrektheit wehrt, unverzichtbar. Und mit diesem Buch in der Hand, am richtigen Ort kommt man garantiert mit echten Wianern ganz schnell ins Gespräch.