Archiv der Kategorie: aus-erlesen kompakt

Kos

Kos ist eine der zwölf Hauptinseln des Dodekanes vor der türkischen Küste. Es gibt sicherlich viele griechische Inseln, die man zuvor besucht hat, bevor man Kos für sich entdeckt. Aber, wer noch nie auf einer griechischen Insel war, diesen Reiseband in den Händen hält, wird hier auf Anhieb sein nächstes Reiseziel finden. Idyllisch, klein, teils abgeschieden, ruhig und aufregend zugleich. Wer sich die Stadtpläne ansieht, ist erstaunt, dass hier sogar manchmal Platz ist einen Supermarkt einzuzeichnen.

Die Insel ist übersichtlich. Aber nicht weniger Attraktiv für neugierige Touristen, die auf eigene Faust ihrem Eroberungsdrang nachgeben wollen. Zwölf Wanderungen – wie soll es auch anders sein: Wir sind im Dodekanes (Zwölf Inseln) – führen über die Insel, die maximal 50 mal 13 Kilometer misst. 120 Kilometer Küstenlinie deuten schon darauf hin, dass Sonnenanbeter und Badehungrige hier mit einem Dauergrinsen im Gesicht ihre schönste Zeit des Jahres verbringen.

Hauptanlaufpunkt ist die Hauptstadt der Insel, und die heißt auch Kos. Südlich davon das Dikeos-Gebirge, wo man die neuen Wanderschuhe mehr als nur einem ersten Test unterziehen kann. Und man muss hier auch nicht Extrembergsteiger sein, um von ganz Oben nach ganz Unten blicken zu können.

Die klare Gliederung des Buches macht die Planung für den Tag zur Minutensache. Kein ewiges Hin- und Herblättern, wo man abbiegen muss, und wo man es getrost auch lassen kann. Die beiden Autoren Yvonne Greiner und Frank Naundorf kennen die Insel seit Jahren. Sie wissen wovon sie schreiben. Und wenn sie behaupten, dass die Busse dann rollen, wenn sie rollen sollen, dann rollen sie auch.

Wer Kos nun für sich entdecken möchte, ist mit diesem Buch bestens ausgestattet. Zweihundertvierzig Seiten reichen aus, um von Ost nach West, von Nord nach Süd oder umgekehrt oder kreuz und quer die Insel für sich einzunehmen. Wo und wann es sich lohnt etwas zu sich zu nehmen – und vor allem was man sich einverleibt, in jeglicher Hinsicht – entscheidet man selbst. Auf alle Fälle bekommt man im Buch mehr als die notwendigen Informationen, um nicht zu verhungern, keinen Aussichtsplatz zu verpassen, die schönsten Strände empfohlen zu bekommen und und und.

Dorf im Himmel

Große Leinwand, das Licht geht aus, der Vorhang lichtet sich. Aus der Erde erheben sich die Toten, schieben mit dem Nacken die Erde nach hinten – Charles Ferdinand Ramuz versteht es meisterhaft aber ersten Zeile (!) den Leser für sich zu gewinnen.

Nun sind wir aber nicht im Kino, sondern halten ein Buch in der Hand, das großes Kino ist. So viel darf schon mal verraten werden. Wer „Sturz in die Sonne“ gelesen hat, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er hier eine Fortsetzung in den Händen hält. Catherine kann ihre Enkelin Jeanne wieder in den Arm nehmen. Pierre Chemin, der Schreiner ist quasi arbeitslos. Zuvor, bevor er unter der Erde lag, schreinerte er Särge. Bé kann sehen, was er vorher nicht konnte. Und Chermignon hat wieder zwei Beine. Alles wie im Paradies. Man geht arbeiten, weil man es will – ist ja wie im Kommunismus, und das vor traumhafter Kulisse in der Westschweiz.

Das Paradies gedeiht. Alle lächeln. Es gibt ja auch keinen Grund Trübsal zu blasen. Denn das Drumherum ist wie früher. Die Seele ist nun aber frei. Die Sonne scheint, brennt alle Sorgen hinweg. Erste Risse kommen im „Dorf im Himmel“ auf als Thérèse mit einer Ziege weniger ins Dorf zurückkehrt als sie es am Morgen verlassen hat. Das muss Schicksal sein. Denn so viel Glück hat niemand verdient. Egal, was er im vorherigen Leben getan hat. Karma ist eine ruhelose Seele.

  1. F. Ramuz war ebenso eine ruhelose Seele. Er wollte vom Schreiben leben, weswegen sein geistiger Ausstoß enorm war. Oft schrieb er an mehreren Werken gleichzeitig. Entwürfe wurden überarbeitet. Titel geändert. Nur, um dann doch wieder in der ursprünglichen Fassung vollendet zu werden. „Dorf im Himmel“ ist so ein Buch. Vier Versionen gibt es. Und diese hier nun hat ihm wohl am besten gefallen. Was nachvollziehbar ist.

Wo andere Autoren sich dutzende von Seiten ellenlange Einleitungen ausdenken, kommt Ramuz gleich auf den Punkt. Schon vor dem ersten Umblättern kennt man die Lokalität in- und auswendig. Bei so viel beschriebener Freude muss man einfach mitlächeln mit den Auferstandenen. Und wenn sich der Himmel über den Bewohnern verdunkelt, fühlt man die Verzweiflung der Protagonisten bis in die Fingerspitzen. Ein Paradies in Buchform, das man nicht nach physikalischer Größe beurteilt.

Die Nixen von Estland

Ja, es gibt sie. In allen Erscheinungsformen. Sie haben unterschiedliche Fähigkeiten. Nixen. Besonders in Estland. Es muss sie einfach geben. Denn sonst wäre dieses außergewöhnliche Buch in dieser faszinierenden Aufmachung einfach nur ein Witz. Enn Vetemaa hat das erste Bestimmungsbuch für Nixen in Estland geschrieben. Und es wird auch das letzte Buch zu diesem Thema sein. Mehr geht nicht!

Die Najadologie ist ein eigenständiges Wissenschaftsfeld. Nixen gibt es wirklich. Selbst in Kanistern haben sie es sich gemütlich gemacht. In Sträuchern leben sie oft unerkannt. Frühsommer ist eine der Jahreszeiten, in denen man sie am häufigsten erspähen kann. Dafür braucht man nicht einmal eine spezielle – oder gar außergewöhnliche – Ausrüstung.

Und es gibt so wundervoll poetische Unterteilungen. Es gibt Schönhaarige, Waschversessene, Nackttitten (zweimal Doppel-T – wenn das nichts ist?!), Kopfkratzerinnen und Lauthalsige. Wer nun meint, dass er es hier mit einem durchaus fragwürdigen, eventuell frauenfeindlichen Buch zu tun hat, wird ob des wissenschaftlichen Duktus und der überaus expliziten und umfassenden Darstellungen der Objekte eines Besseren belehrt. Nudimamillaris gigantea klingt auf den ersten Blick nicht sonderlich anmutend. Wer hingegen von Nackttittigen Wuchtbrummen liest, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in jeder Phantasie ein Fünkchen Wahrheit steckt. Stecken muss.

Es ist so: Ein bisschen Glaube schadet nicht. So wie bei schwarzen Katzen die den Weg kreuzen. Laufen sie nach links, ist alles in Ordnung. In der Gegenrichtung wird man schon gern einmal dazu verleitet am Abend den Tag Revue passieren zu lassen und zu überprüfen, ob selbiger wirklich gut verlaufen ist seitdem die Mieze von Links nach Rechts gelaufen ist. „Die Nixen von Estland“ als pure Folklore ohne echten Anspruch auf Richtigkeit abzutun, wäre fatal. Denn wer weiß, taucht beim nächsten Strandspaziergang eine Nixe auf. Und dann? Darf man das Wort Nixe benutzen? Oder verschwindet sie dann gleich wieder in den Fluten? Sind sie hilfereiche Begleiterinnen in schwierigen Lebenslagen? Muss man Argwohn hegen? Wie erkennt man sie? Dringt man unaufgefordert in ihren Lebensraum ein – was passiert?

Die Gestaltung dieser Ausgabe durch Kat Menschik wischt jeden noch so schwachen Zweifel von der Existenz der Nixen mit zielgerichteten Strichen vom Tisch! Mit mehr als einem Augenzwinkern gestaltet sie Räume ohne Wände. Dem Leser sind Text und Bild Wegweiser in eine faszinierende Welt voller Mythen, Hingabe und Frieden. Anders als so mancher Wühltischautor sich aus einem Mix aus Stammtischweisheiten und Vorabendserien seine eigenen Phantasien bierseelig zusammenreimt, ist „Die Nixen von Estland“ ein ernstzunehmendes, vor allem aber sinnlich anregendes Buch, das die Schönheit der Welt in den Vordergrund stellt. Eine Garantie Nixen auch wirklich zu treffen, kann auch dieses Buch nicht geben.

Millionärsurlaub auf einer kommunistischen Insel

Was sind wohl die prägendsten und ältesten Erinnerungen, die ein Mensch haben kann? Es sind wohl die an die Oma und den Urlaub. Und erst die Erinnerungen an den Urlaub bei oder mit der Oma. Nur noch zu toppen, wenn man im Urlaub mit Mama, Papa, Geschwistern, Großeltern bei den Urgroßeltern ist. Maura Lonzari hat das Nonplusultra an Erinnerungen in diesem kleinen, so fröhlichen Büchlein festgehalten.

Anfang der Fünfziger ging es für die Dreijährige zum ersten Mal nach Lussinpiccolo, Mali Losinj, einer jugoslawischen Insel in der Adria. Das Heim in Triest glich schon Wochen zuvor einem Arsenal an Dringlichkeiten und erfüllten Wunschzetteln. Die Wartezeit, ob das Visum genehmigt wird – der Eiserne Vorhang war hier vielleicht durchlässiger als anderswo, dennoch nicht minder starr und widerstandsfähig – wurde mit Vorfreude, Organisationsexpressionismus und logistischer Präzisionsarbeit ausgefüllt. Und dann endlich. Ankunft in Lussinpiccolo. Streng wurde darauf geachtet, dass Neugierige und Ankömmlinge sich nicht sofort vermischten. Die kleine Maura wollte auch nicht mehr warten und umgehend mit der ihr noch unbekannten Uroma Ballspielen. Was die Oma mit Engelsgeduld und der ihr eigenen Überzeugungskraft zu verhindern wusste.

Zuhause in Triest war die Familie eine von vielen. Hier waren sie die Attraktion. Voll gepackt mit tausend Sachen, die das Leben schöner machen, und der Neugier auf das Leben der Anderen, die so nahe wohnen, dass man ihnen vom Küchenfenster fast zuwinken könnte, gepaart mit der Anspannung, was der zeitlich begrenzte Systemwechsel (eigentlich nur ein Hereinschnuppern) so alles mit sich bringt.

Die Jahre vergehen. Die Urlaube in Lussinpiccolo sind Routine geworden. Maura Lonzari wächst zu einer jungen Frau heran, die ihre Freiheiten auslebt. Mit Folgen. Und dann auch noch im Ausland. In einem Ausland, das Familie bedeutet, aber auch Abgrenzung ob der sichtbaren, unverrückbaren Unterschiede. Die Sommer, in denen sie unbeschwert sie selbst sein kann, sind ein lieb gewonnenes Ritual. Geplante Familienzusammenführung aus Zeit mit der Leichtigkeit der Jugend.

Dieses kleine Büchlein ist die ideale Urlaubslektüre. Nicht nur für die Adria. Die Hingabe, mit der die Autorin ihre Erinnerungen sich selbst noch einmal vor Augen führt, berührt ab der ersten Seite. Schnörkellos und absolut ehrlich vollführt sie einen Freudentanz, dem man sich nur anschließen kann.

Die geheime Reise

Der Titel lässt so viel Freiraum zur Interpretation, dass man sich in seinem Phantasieuniversum verirren könnte. Ein junger Mann geht – irgendwann in den 40ern des vergangenen Jahrhunderts von Frankreich aus – auf Deutschlandreise. Nicht einfach so, es alles gut durch organisiert. Seine Mitreisenden sind nicht nur Mitstreiter, sie sind auch – vor allem aber verborgen – Objekte der Begierde. Und hier beginnt es sofort schwierig zu werden. 40er Jahre. Deutschland. Franzosen. Homosexualität. Organisierte Reise. Puh, klingt doch sehr phantastisch! Ist es aber nicht. Denn der geheimen Reise liegt eine echte Reise zugrunde.

Marcel Jouhandeau, der Autor und eindeutig der Held des Romans, wurde im Herbst 1941 eingeladen Deutschland zu besuchen. Goebbels war daran beteiligt, die Reisegruppe traf ihn. Natürlich waren die Autoren und Journalisten Auserwählte von Teufels Gnaden. Die eigentlichen Reisenotizen wurden nie veröffentlicht – bis heute. Was auch daran lag, dass die Mitreisenden nach 1945 kein gesteigertes Interesse an einer nachträglichen Veröffentlichung hatten. Kollaboration mit dem Feind wurde in Frankreich gründlich und nachhaltig betrieben. Die handschriftlichen Seiten von Marcel Jouhandeau sind in Archiven zugänglich.

Marcel Jouhandeau fiel zuvor des Öfteren durch antisemitische Schriften auf. Als die Einladung zur Deutschlandreise, Propagandafahrt in Feindesland – Paris, Frankreich war von den Deutschen besetzt – kam, sagte er zu. Und ihm fiel sofort einer der Organisatoren auf. Die Aufmerksamkeit lag auf beiden Seiten. Das sind die Fakten.

Die poetische, sinnliche, fast schon verklärende, jedoch stets intellektuelle Verarbeitung dieser Eindrücke bricht wie ein Wirbelsturm auf den Leser herein. Andeutungen (werden komplett im Anhang und zuvor schon im originalen carnet des Autors aufgelöst), Abkürzungen (nicht jeder soll sofort identifizierbar sein) und Verführungen (offensichtliche wie gut versteckte) spielen zusammen wie ein gut eingespieltes Orchester.

Verführungen im Zwischenmenschlichen kribbeln an Stellen, an den man sie erwartet, sogar einfordert. Wenn es aber kribbelt und man die Stellen nicht erreichen kann, um sich zu kratzen, sind sie nachhaltig und wirksamer als man sich selbst eingestehen kann und will. Marcel Jouhandeau ist sicherlich ein streitbarer Autor. Dass er zu dieser Reise eingeladen wurde, ist mehr als verdächtig. Dass er später von Schuld freigesprochen wurde, nimmt man als Außenstehender hin – der Zweifel bleibt. Ebenso die Wucht der Worte, die jeden in ihren Bann ziehen. Zwischen den Zeilen lesen macht hier Sinn. Poesie kann man sich nicht entziehen, der Realität muss man hier mit Stirnrunzeln selbige bieten.

Die Zeit so still

Wie war das damals noch gleich?! Kontaktverbot, Hysterie, Unsicherheit, blinder Aktionismus, unbedachter Argumentationswahn. Der Name wird nicht genannt, doch er ist immer noch in aller Munde. Der Beginn des dritten Jahrzehnts des dritten Jahrtausends war von Kontrollen, Regularien, und Panik erfüllt.

In dieser Nacht ist alles wie immer. Der Atem blärrt wie eh und je durch die Nacht. Schritte knirschen unter den Füßen, dass selbst Rockkonzerte wie besinnliche Kammermusikabende erscheinen. Der Atem schreibt wilde Phantasien in den klaren Wind. Nicht viel los. Ein Buch, eine Seite, noch eine Seite – die Straßenbahnendstelle ist das Sinnbild der Zeit.

Ein Reisender – bleiben wir bei dieser ach so überzogenen, fast schon poetischen Einordnung des Fahrgastes – durchbricht die Agonie der Aktualität. Auch er trägt den Kopf voller Gedanken. Soll er, soll er nicht? Was kommt? Was bleibt? Die Nacht ist der ideale Rahmen für die wirklich wichtigen Fragen des Lebens. Des Lebens? Wie kann man … Ach iwooo. Die Zeit steht niemals still, auch wenn man es sich manchmal wünscht.

Und ist die „Die Zeit so still“. Ein kleines Buch, das – in der richtigen Umgebung, zur richtigen Zeit – Erinnerungen noch einmal hervorbringt, Gesagtes in ein anderes Licht rückt, Getanes wieder in den Vordergrund rückt. Pathetisch, klar, nachdenklich, irrlichternd – Florian L. Arnold holt mit sanften Worten eine Zeit zurück, die die meisten gern vergessen möchten. Und sie vielleicht auch schon vergessen haben. Weil, und gerade deswegen, die meisten wider Erwarten sie gut überstanden haben. Oder das Schlimmste, das ihnen je passieren konnte, beiseite gewischt haben.

Dieses kleine Buch hat die Kraft leise Erinnerungen hervorzurufen, sie anzupacken, sie durchzuschütteln und dann mit reinem Gewissen lebensfroh nach vorn zu schauen. Sprache – richtig angewandt – kann Wände durchbrechen, Grenzen überwinden, Herzen durchbohren. Einsamkeit kann verbinden. Dieses Buch kann all das. Ganz bestimmt wird es als Geschenk dem Beschenkten zum Nachdenken anregen.

Der kleine Dichter und der Duft

Kennen Sie auch solche Menschen, die in ihren Statusmeldungen die schönsten Orte besuchen und das dann alles mit einem „Herrlich!“ abtun? Die haben sich einen kleinen oder großen Traum erfüllt, wollen ihn mit der Welt teilen und dann kommt nur ein belangloses Adjektiv daher, das die Emotionen nicht einmal annähernd einfangen kann. Bei einem Dichter nennt man das dann Schreibblockade – das doppelte B darin versinnbildlicht dieses Gedankenstottern wohl am bbbbesten.

Der kleine Dichter in diesem Buch wird wahrlich von der Muse geküsst. Auch er will unbedingt ein Gedicht schreiben. Da kommt ihm eine kleine Wolke gerade recht. Sie steigt ihm in die Nase und … siehe da … die Gedanken schießen ihm direkt in die Schreibfeder. Gerüche, Erinnerungen oder gang rational ausgedrückt sinnliche Reize ergießen sich im Schwall auf das Papier. Der Geruch eines nassen Hundes, die duftenden Haare eines Mädchens, der überreizende Krawall der Stadt mit all seinen Nebenerscheinungen und und und.

Ja, das ist ein Kinderbuch über die Plagen eines Dichters. Wundervolle Zeichnungen und die präzisen Zeilen machen es aber auch zu einem wundervollen Lesebuch für Erwachsene. Bereits auf den Umschlagseiten nimmt die Reizüberflutung ihren Lauf. Erdbeeren, ein Koffer, noch mehr Erdbeeren, Stiefel, und wieder Erdbeeren stehen wild durcheinander gewürfelt Spalier, um der Phantasie auf die Sprünge zu helfen.

Und wenn man nach dem Genuss dieses Buches das Leserlebnis mit der Welt teilen will: „Herrlich“ kann dann nur noch der Beginn einer poetischen Beziehung zu Büchern bedeuten…

Korsika

Napoleon hat die Insel verlassen, weil … er Größeres vorhatte. Was kann es Größeres geben als diese Insel mit all ihren Facetten kennenzulernen?! Näher an Italien, Frankreich zugehörig (was jeder echte Korse natürlich ablehnt) und von der Sonne verwöhnt. Bastia, Ajaccio und vielleicht noch Calvi sind die bekanntesten Orte. Und sonst? Wer war noch nicht dort, weiß aber noch ein bisschen mehr?

Marcus X. Schmid war dort. Er kennt sich aus. Und ist der beste Reiseführer über die Insel. Mitten im Inselleben bis hin zu verwunschenen Orten – er kennt sie alle, die geheimen Orte, die besten Aussichten, die ruhigsten Plätze zum Verweilen.

Wer Korsika besuchen will, weil er schon immer dorthin wollte, dem fällt es schwer sich zu entscheiden. Ein klar gegliederter Reiseband ist nun wichtiger als man es sich selbst eingestehen will. Denn nichts ist nerviger als im Urlaub permanent in seinem Reisebuch hin- und herzublättern, um genau das zu finden, was man eben noch gelesen hatte. Jedes Kapitel beginnt mit einem Spoileralarm: Was, Wo, Wann … das Warum? erschließt sich von ganz allein.

Warum soll man also im Hinterland von Sagone in den Ort Muna reisen? Da wohnt kaum noch jemand! Und alle reden vom Dorf der Banditen. Genau deswegen! Langsam kommt wieder Leben ins Dorf, das 1960 noch hundert Einwohner zählte. Heute sind die Nachfahren wieder vor Ort, um es für den geneigten Touristen wieder herzurichten. Es ist ja alles da. Exzellente Bausubstanz und sogar eine Kirche mich funktionierendem „Glöcklein“ wie Marcus X. Schmid so liebevoll in einem der zahlreichen gelb unterlegten Kästen anpreist. Mehr Abenteuer geht nicht.

Wilde Bergformationen, idyllische Strände, lebendige Städte – Korsika muss sich nicht neu erfinden. Hier war schon immer alles so. Geschichte allerorten – kaum ein Reiseband enthält so viele Anekdoten wie dieser hier. Immer wieder wird man zum Innehalten eingeladen. Was gibt es Schöneres als von einem erhabenen Punkt in die Unendlichkeit schauen zu können. Hier gibt es keinen Grund sich klein zu fühlen. Glück – das empfindet man hier. Wenn man die richtigen Orte kennt, die eben dieses versprechen.

Die Abbildungen im Buch sind der farbenprächtige Beweis, dass die Entscheidung Korsika auf die Urlaubsliste zu setzen die richtige Wahl war. Ein erstes grobes Durchblättern lässt die Vorfreude steigen. Und wenn man sich erst einmal ins Buch vertieft hat, ist jede Minute bis zum Abflug eine Qual. Das Warten lohnt sich aber zu mehr als 100%.

Madeira und Porto Santo

Madeira kann getrost als Traumziel erachtete werden. Die Insel ist auch der Einstieg ins Weltreisen. Weit weg von zuhause – Flugzeiten von fast fünf bis acht Stunden) – und doch nicht allzu fremd. Aber selbst bei längerem Nachdenken fallen Einem nicht viele Fakten zu Madeira ein. Der Name Madeira ist Vielen bekannt, und doch weiß man so wenig.

Ray Hartung versucht auf über 250 Seiten mit geballtem Wissen entgegenzuwirken, und schafft es scheinbar spielerisch. Die Insel auf eigene Faust zu erkunden, gehört zum Reisen wie das Salz in der Suppe. Und Madeira bietet sich förmlich an es selbst einmal zu versuchen individuell zu reisen: Berge und das Meer direkt davor, eine kulinarische Hochburg vor den Küsten Afrikas, Florareichtum, der hierzulande nur mit Eintrittsgeld zu erkunden ist und das Besondere leben hier in erwartungsvollem Einklang.

Vor über zweihundert Jahren entdeckten die Engländer die Insel als Zufluchtspunkt für die schönsten Tage im Jahr. Seither reisen jedes Jahr mehr Besucher auf die Insel des ewigen Frühlings. Nichts für All-Inclusivler! Hier ist der Reisende selbst gefordert. Und mit diesem Buch im Reisegepäck ist er auf alle Fälle auf der sicheren Seite, wenn es darum geht nichts zu verpassen.

Erster Anlaufpunkt für die meisten ist Funchal, die Hauptstadt Madeiras. Hier pulsiert das Leben, hier stellt sich Madeira vor. Modern und traditionsbewusst zugleich kommt der Gast in die richtige Stimmung, probiert Espetada de carne oder Espada com banana. So frisch gestärkt (mit Ochsenfleisch und schwarzem Degenfisch) kann man nun die Insel erforschen. Die beiliegende Karte und die abgedruckten Pläne oder die gratis zum Download GPS-Daten machen es einem einfach sich zurechtzufinden: Bis auf die höchsten Gipfel, vorbei an den beeindruckendsten Tälern, mit den schönsten Aussichtspunkten der Insel und mit unvergesslichen Ausblicken auf den unendlichen Ozean. Apropos Meerblick: Seit ein paar Jahren kann man vom Cabo Girão von einem so genannten Skywalk über die fast sechshundert Meter hohe Klippe in den bedrohlichen und faszinierenden Abgrund schauen.

Auch die kleine Schwesterinsel Porto Santo hat ihre Reize. Hier geht es im Allgemeinen etwas gemächlicher zu. Man ist hier unter sich. Die Insel ist bedeutend kleiner als Madeira, doch nicht weniger attraktiv. Tagesausflüglern werden die Rundfahrten empfohlen, wer länger bleibt kann sich mit Bergtouren und Tauchgängen und allem, was dazwischen liegt die Zeit mehr als gehaltvoll vertreiben.

Madeira ist eine feststehende Größe im Reiseplan eines jeden Reisenden. Und mit diesem Reisebuch ist man bestens ausgestattet. Die klare Gliederung, die ausgeklügelten Ausflugs- und Einkehrtipps, die detaillierten Erkundungstouren, die zahlreichen Karten und der kleine Sprachführer am Ende des Buches lassen den Madeira-Aufenthalt noch lange in Erinnerung behalten.

Für mich soll’s rote Rosen regnen

Wenn man sich durch die TV-Landschaft zappt und den Promis beim gezwungenen Zum-Deppen-Machen zuschaut, beschleicht einem ein beklommenes Gefühl, wenn später von Stars die Rede ist. Das sind keine Stars!, die sich da gegenseitig ihre nicht vorhandenen Deutschkenntnisse und Umgangsformen an den Kopf knallen. Würde Hildegard Knef sich heute in einem geriatrischen Promi-Format so zur Schau stellen?! Nein, sie hätte es auch als Spiegel-Covergirl niemals getan. Auch nicht nachdem ihr im Life-Magazin vier Seiten gewidmet wurden. Und als ihr Nippelgate Deutschlands Moralhüter erzürnte schon gleich gar nicht. Sie wusste, was sie kann. Sie brauchte keine gekünstelte Publicity.

Kurz nach Weihnachten dieses Jahres (2025) würde sie ihren Hundertsten feiern können. Sie – der erste große Star des daniederliegenden Deutschlands, das so viel Schuld auf sich geladen hatte. „Die Mörder sind unter uns“ war nicht einfach nur ein Kassenschlager – es war eine Abrechnung. Auch von Regisseur Wolfgang Staudte, der schon in braunen Zeiten sich ausmalte wie es denn sein wird, wenn er nach der Dunkelheit den Widersachern noch einmal begegnen wird. Und mittendrin die Knef. Damals noch ohne Artikel. Aber schon mit der Absicht Karriere zu machen. Durchbeißen konnte sie sich. Musste sie auch. Als die Mutter wieder zurück in Hildegards Geburtstadt Ulm ging und Hildegard nicht mit wollte. Berlin – das war ihr Ziel … vorerst. Doch schon im Januar 1948, bei der Premiere von „Film ohne Titel“, den die Knef so sehr liebte, war damit Schluss. Sie fehlte bei der Premiere – entschuldigt. Der Flieger nach Amerika hob nicht ohne sie ab.

Broadway und die große Leinwand waren alsbald ihre Bretter, die die Welt bedeuten. Der Weg nach Oben schien endlos. Vergessen die Kinderkrankheiten, die ihr Leben bis dato erschwerten. Und singen konnte sie auch noch. Was will man mehr?! Gesundheit, würde sie wohl heute sagen. Das Leben der Knef war ein dauerndes Auf und Ab. Ging es bergab, dann bis zum Tiefpunkt. Ging es bergauf, dann bis auf die höchsten Spitzen.

Und heute? Es gibt eine ganze Generation, die noch nie von Hildegard Knef gehört hat. Eine Generation, die gänzlich ohne echte Stars aufwachsen muss. Nur Pseudo-In-Die-Kamera-Rülpser, deren Worte niemals aufgeschrieben werden sollten. Ach wat wär det schön, wenn die Knef ihren Senf dazu abgeben könnte! Alle spitzzüngigen Giftspritzen würden eingeschüchtert in ihr Nest zurückkehren und ihre Berufswahl noch einmal überdenken. Für die, die mit der Schmach der Unkenntnis über die Knef nicht leben können, ist Christian Schröders Buch ein Erweckungserlebnis. Und führt wohl auch dazu das eigene Anspruchsdenken, was einen Star ausmacht, zu überdenken. Kunst ohne die Knef ist in Deutschland undenkbar. Man muss es suchen, doch man wird fündig. In Theatern, auf großen und kleinen Bühnen, in Nischen, auf der Straße, in Dokus, in Mediatheken. Man muss sich nur trauen. Hildegard Knef wird niemals so ganz gehen – gut so!