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Wien Schmäh Hauptstadt capitol

Wien abseits der Pfade, Band 1

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Wien liegt seinen Besuchern zu Füßen. Wie ein offenes Buch zeigt es, was es hat. Wien erkunden ist ein Leichtes. Doch das wahre Wien zu entdecken, bedarf einiger Kniffe. Einer dieser Kniffe ist Wolfgang Salomon gelungen. „Wien abseits der Pfade“ klingt auf den ersten Blick wie eines der abgedroschenen Bücher, die mit viel Tamtam Großes ankündigen und dann doch nur das Offensichtliche halten. Dieses Buch bildet die rühmliche Ausnahme!

Der viel zitierte Wiener Schmäh und die Todessehnsucht bekommt man als Tourist nur mit, wenn man Augen und Ohren offenhält. Sehr weit offen! Für viele ist der Zentralfriedhof deswegen der zentrale Ausgangsort für Erkundungen. Stundenlang kann auf ihm herumschlendern. Wolfgang Salomon überlässt dieses touristische Highlight den Touristen und trifft auf dem Friedhof des Kahlenbergerdorfes Monika Pluhar. Von hier hat man den schönsten Blick auf die Donau. Die in Deutschland vor allem als Schauspielerin bekannte Wienerin sinniert mit ihm über Marisa Mell. Ihr abwechslungsreiches Leben (sie drehte mit Mastroianni, verarmte und starb mit knapp über fünfzig an Krebs) machen diesen Ausflug zu einem bemerkenswerten Seelentrip ins Herz Wiens. Das am Rande gelegene Gebiet wird dadurch ins Zentrum gerückt.

Filmisch hat Wien so einiges zu bieten. „Der dritte Mann“ wurde hier gedreht. Eine Führung auf den Spuren des dritten Mannes lohnt sich vor allem für Cineasten. Doch auch hier gilt wieder: In Wien wurde nicht nur einmal für Höhepunkte gesorgt. Das Volxkino sorgt seit über zwei Jahrzehnt für Leinwandhöhepunkte. Nicht als Produzent, sondern als fahrendes Kino. Märkte, öffentliche Plätze und Parkanlagen werden zu Kinosesseln für blockbustermüde Augen und Ohren.

Der Fiaker-Willi ist selbst für einen erfahrenen Wiener wie den Autor ein Füllhorn an Geschichten. Schon vor dem Einsteigen wird einem klar, dass das nun Folgende einzigartig sein wird…

Wiens ausgetretene Touri-Pfade zu verlassen, kommt einer Pilgerfahrt gleich. Wolfgang Salomon sorgt mit seiner beschwingten Schreibweise für Kurzweil. Das Klappern der Hufe während der Fiakerfahrt, das Rascheln der Bäume, die ihre Geschichten erzählen oder das Schwelgen in transdanubischer Lebenslust, wenn er durch Floridsdorf schlendert, machen dem Leser den Mund wässrig. Als Zusatz zu einem Reiseband ist dieses Buch ein wahres Kleinod. Leider viel zu schnell zu Ende. Doch es gibt Hoffnung! Noch 2015 soll der zweite Band erscheinen.

Lesereise Wien

Lesereise Wien

Ein Spaziergang durch Wien hinterlässt Spuren. Spuren, denen man folgen kann. Im Falle von Christoph Braendle sogar folgen muss. Er scheint wie ein Geist durch die Straßen und Gassen der Donau-Metropole zu schweben, weiß von allerlei Klatsch und Tratsch zu berichten, kennt ihre verborgensten Geheimnisse. Die Protagonisten sind skurril, belesen, schrill, geschäftstüchtig … kurz: Anders. So wie Wien.

Doch dieses Buch ist auch gefährlich. Denn es lässt den Leser nicht mehr los. Er will Wien genauso erleben wie in diesem Buch beschrieben. Also Nase in Buch und auf geht’s! Doch dann verpasst man doch die Schönheiten der Stadt, möchte man einwenden. Ja, mag sein! Aber der besondere Reiz von Schönbrunn, St. Stephan und Co. wird von Christoph Braendle erstklassig eingefangen. Fast muss man schon gar nicht mehr nach Wien fahren.

Wie paradox! Ein Buch, das Appetit macht, aber das Mahl vergessen lässt. „Wiener Sonaten“ lautet der Untertitel. Eine Sonate ist ein Musikstück, das in mehrere eigenständige Teile gegliedert ist. Jeder Satz kann für sich allein stehen, aber erst als Gesamtwerk erschließt sich dem Empfänger die wahre Pracht.

Die einzelnen Kapitel, man kann sie auch als Spaziergänge sehen, sind jeder für ich genommen wahre Kleinode. Literarisch gesehen, was der Besucher daraus macht, bleibt ihm überlassen. Wer dieses Buch als Leitfaden für eine Wien-Stippvisite heranzieht, kommt dem Kern der Stadt schon verdammt nah. Die Stadtführerinformationen werden hier nicht nur als Fakten aufgezählt. Die kleinen, versauten, dunklen, Aufsehen erregenden Anekdoten will der Leser (und der Wiener erst recht!) hören und lesen. Und die bekommt er! Hundertzweiunddreißigfach. Auf den einhundertzweiunddreißig Seiten dieses Buches erfährt man mehr über Wien als in so manchem Reiseband.

Gute Reise, einen schönen Tod und unschlagbare Erfahrungen sind die Resultate einer Wien-Reise, die mit diesem Buch im Handgepäck geplant und durchgeführt wird. Schauen Sie links und rechts des Weges, schauen auf die Fassaden. Was dahinter steckt, erzählt Christoph Braendle.

Sehnsucht nach dem Alten Wien

Sehnsucht nach dem alten Wien

Sehnsucht kann man nach Vielem haben. Nach den Kochkünsten der Oma, nach Geborgenheit, nach fernen Ländern. Oder auch vergangenen Zeiten. Den Orten, die man als Kind auskundschaftete. Orten, die man nie gesehen hat, und so wohl auch nie mehr erleben kann. Den Wienern sagt man einen ausgeprägten Hang zur Sehnsucht nach. Todessehnsucht – dieses Wort wird häufig benutzt. Aber eben auch nach dem alten Wien. Sehnsucht nach k. und k., nach Geschichte und Geschichten. Helga Maria Wolf gießt mit ihrem Buch noch Öl ins Feuer der Leidenschaften. Denn Wien ist und bleibt eine Stadt, die man gesehen haben muss. Sie beeindruckt durch ihre Präsenz, die weit in der Weltgeschichte zurückreicht. Kaum auszumalen, wie sich die Stadt präsentieren würde, könnte man sie wie vor hundert oder zweihundert Jahren erkunden.

Mit jedem (Fort-)Schritt wurde die Sehnsucht nach dem Alten, den Traditionen größer – das liegt wohl in der Natur des Menschen. Im ersten Teil führt die Autorin den Leser wohlformuliert in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Barocke Pracht und Perspektiven nennt sie eines der ersten Kapitel – da ist jedem klar, dass Wien von jeher Sehnsucht verhieß und sich dem Fortschritt nicht verschloss. Wie eine gefräßige Raupe arbeitet sich der Leser durch die Lektüre. Historische Abbildungen zeigen ein exaktes Bild der Donaumetropole.

Nach dem ersten Viertel werden die ganz großen Geschütze aufgefahren: Eindrucksvolle Bilder mit knappen Texten zeichnen die Entwicklung der mondänen Siedlung am Fluss zu einer modernen Metropole nach. Daumenkino für die ganz großen Momente. Immer wieder weiß Helga Maria Wolf Anekdoten zu erzählen. So Geschichte kann schon mal langweilig werden. Nicht in diesem Buch!

Im Gegenteil: Das Buch beiseitelegen, fällt schwer. Denn mit jeder Seite wächst die Sehnsucht sich zu einer ausgewachsenen Sehsucht aus. Sehsucht nach dem aktuellen Wien. Und sicherlich wächst dann auch die Sehnsucht nach dem alten Wien…

Wien

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Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen? Sicherlich ein Hingucker. Aber erst bei Tag! Annette Krus-Bonazza beweist auf 276 Seiten, dass Wien bei Nacht sehr reizvoll ist, bei Tagesanbruch sich in eine florierende Metropole im Herzen Europas verwandelt und im Laufe des Tages mit einer geballten Ladung Historie, Kunst, Kultur und unzähligen Wows aufwarten kann, um bei untergehender Sonne nichts davon verschwinden lässt.

Neun Touren hat sie durch die Stadt erstellt und keine davon sollte man auslassen. Klingt anstrengend. Ja, aber anstrengend schön. Und das Buch würde nicht beim Michael-Müller-Verlag erscheinen, hätte die Autorin nicht ausreichend Tipps für Leib und Magen im Buch verewigt.

Die Standards wie Stephansdom, Prater und Josefstadt werden auf eine andere Art erkundet. Sie stehen nicht im Mittelpunkt der Touren, sie sind vielmehr gleichberechtigter Bestandteil der gesamten Tour. Das erlaubt dem Besucher sich schon von vornherein als kleiner Wienkenner zu erkennen zu geben. Man stolpert nicht mit weit aufgerissenen Augen durch die Stadt, man ist erfahrener Kenner, der ohne Zögern die Schönheiten der Stadt realisiert und einzuordnen vermag.

Der Menschenschlag in der österreichischen Hauptstadt ist bekannt als ein bisschen besonders. Todessehnsüchtig sollen sie sein die Wiener. Ihr Schmäh ist weltbekannt. Die erstklassig erhaltenen Bauten vermitteln weltläufiges Flair. Prachtbauten, die vom einstigen Ruhm der Monarchie künden. Und das alles sieht man in Wien. Doch vieles übersieht man auch im Taumel der Gefühle.

Gut, wenn man einen erfahrenen Reisebegleiter hat. An dieser Stelle auf jede einzelne Tour einzugehen, würde den Rahmen sprengen. Und ein bisschen Spannung sollte man sich für das Lesen und die Stadtspaziergänge aufheben.

Annette Krus-Bonazza treibt den Leser an Wien zu erobern. Sie hält den Leser zurück, wenn er auszubüchsen versucht. Ihre Touren sind abwechslungsreich in jeder Hinsicht. Museen und Cafébesuche bilden genauso eine Einheit wie Nackenstarre (vom vielen Nach-Oben-Schauen) und erholsame Stunden auf einer Parkbank. Ihre Passion für die Donaumetropole ist auf jeder Seite spürbar. Das macht diesen Reiseband zu etwas ganz Besonderem.

Gärten der Kraft

Gärten der Kraft

Wien ist eine der Städte, der Hauptstädte der Welt, die man erlaufen muss. Die Geschichte bzw. ihre buchstäblichen Erbauer lassen den Besucher flanieren, staunen, atmen. In Wien sind vierzig Prozent der Grünflächen öffentliche Anlagen. Immerhin achttausend Hektar Grün. Und die wollen erobert werden. Allen voran Schönbrunn und der Prater. Ein bisschen außerhalb Laxenburg und Schloss Hof.

Und schon ist man mittendrin im Grün von Wien (mit ein bisschen Dialekt reimt es sich sogar). Eine Millionenstadt wie Wien braucht eine grüne Lunge, weil sich die Hektik des Alltags nur im Grün der Natur vertreiben lässt. Und deswegen haben die Wiener gleich mehrere davon. Sie zu finden ist nicht schwer. Sie zu erlaufen, zu erleben, in sich aufzusaugen, dafür bedarf es schon eines besonderen Reisebandes. Und so einer ist „Gärten der Kraft“ von Gabriele Lukacs.

Die Wienexpertin beginnt ihre erholsamen Rundgänge natürlich in den kaiserlichen Gärten. Die ausladenden Wege sind jedes Jahr Anziehungspunkt für Millionen Besucher aus aller Welt. Der Schlosspark von Schönbrunn besitzt sogar ein kleines Geheimnis. Obwohl: So klein ist es gar nicht. Es ist das Pentagramm, dass Gloriette, Tiergarten, Wagenburg, Orangerie und Obelisk verbindet. Verbindet man die Eckepunkte ergibt sich ein weiteres Fünfeck. Diese Linien sind nicht zufällig gewählt. Krafttanken in barocker Umgebung – so kommt man dem Geheimnis des Pentagramms auf die Spur.

Auch außerhalb der Donaumetropole können Besucher so manches Kleinod als Tankstation für Körper und Geist entdecken. So zum Beispiel in Baden. Nur ein Katzensprung vor den Toren der Stadt haben Gärten hier seit Eh und Je ihre Tradition. Kaiser haben sich hier verewigt. Wohl auch deswegen gehört der Kurpark zu den Größten Europas. Kaiser haben es eben gern ein bisschen größer. Das kommt dem Besucher von heute zugute. Wer nun immer noch nicht glaubt, dass auch hier ein Platz zum Krafttanken ist, der soll sich vor Augen halten, dass Beethoven hier oft flanierte und seine Neunte hier entstand.

Abgelegen im Wienerwald liegt ein Kartäuserkloster, das seit einigen Jahren aus seinem Dornröschenschlaf langsam wieder erwacht wird. In Mauerbach wurde vor sieben Jahrhunderten der erste Stein für das Kloster gelegt. Türkenbelagerung und das Erdbeben von 1590 fügten ihm erheblichen Schaden zu. So nach und nach verfiel das Kloster und mit ihm sein Garten. Seit drei Jahrzehnten dient es als Ausbildungsstätte für Baudenkmalpflege und wird liebevoll restauriert. Die Zellengärten sucht man vergebens – sie gibt es nicht mehr. Den Kaisergarten hingegen kann man wieder besichtigen.

Wien einmal anders. Kraftvoll. Erholsam. Unaufgeregt. Wer Wien schon kennt, wird in diesem Buch viel Neues erleben, sein Reisefieber wieder entfachen für die abwechslungsreiche Stadt. Gabriele Lukacs ist bei den neuerlichen Erkundungen eine beruhigende Reiseleiterin.

Auf den Spuren des Dritten Mannes in Wien

Auf den Spuren des Dritten Mannes in Wien

Wenn es wieder einmal eine neue Liste mit den besten Filmen aller Zeiten gibt, taucht immer wieder ein Film ganz oben auf: „Der Dritte Mann“. Im Wien der Nachkriegszeit sucht ein erfolgloser Autor seinen Freund Harry Lime, der ihn nach Wien eingeladen hat. Doch aus dem Treffen wird nichts. Harry Lime ist tot, bestattet, unter der Erde. Nach und nach fügt sich ein Bild ins Andere – Harry lebt. Und das nicht schlecht. Aber er ist ein verwegener, skrupelloser Nachkriegsgewinnler geworden. Der Schmuggel mit Penizillin ist in dieser Zeit ein lohnenswertes Geschäft. Gerade wenn man es streckt. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Der Star des Films ist nicht Orson Welles. Es ist auch nicht die Riege später hochgefeierter Schauspieler. Der Star ist die Stadt, in der der Film spielt: Wien. Aufgeteilt unter den Siegermächten, vergilbt der Glanz einstiger Zeiten. Im Hotel Sacher standen damals (in echt!) die Pferde der russischen Besatzer.

Wer heute durch Wien schlendert, muss schon ganz genau hinsehen, wenn er Drehorte erkennen will. Das „Dritte Mann Museum“ in der Preßgasse sollte für Cineasten erster Anlaufpunkt sein. Dieses Buch ersetzt zwar keine Führung „Auf den Spuren des Dritten Mannes“ aber es zeigt eindrücklich wie sehr der Film in der Donaumetropole noch präsent ist, wenn man die Augen nicht verschließt. Besonders verheißungsvoll sind die Führungen unter Wiens, in der Kanalisation. Vor Drehbeginn waren die Macher dermaßen von dem unterirdischen Kanalsystem beeindruckt, dass sie gleich Drehorte vermerkten.

Das Buch ist eine Hommage an eine geschichtsträchtige Stadt, einen hervorragenden Film, an erstklassige Schauspieler. Denn nicht nur die Dreh- und Handlungsorte sind in diesem Buch aufgeführt, die Schauspieler, Autor, Produzent, Regisseur werden ins rechte Licht gerückt. Besonders bemerkenswert ist die Liste der Filmfehler, mit Zeitangabe. „Der Dritte Mann“ wird von nun an mit ganz anderen Augen gesehen. Und noch ein Star wird in diesem Buch gewürdigt. Anton Karas und seine weltberühmte Zithermelodie. Noch heute glauben viele, dass diese Melodie ein altes Volkslied ist. Dabei wurde es eigens für diesen Film komponiert. Anton Karas wurde ein berühmter Mann, sah viel von der Welt, konnte seinen Erfolg jedoch nicht dauerhaft nutzen.

Wer Wien schon kennt, der wird in diesem Buch neue Erkundungstouren entdecken. Wer Wien noch nicht kennt, wird sich auf Anhieb (nicht nur wegen dieses Buches, aber auch deswegen) in Wien verlieben. Schaurig schönes Wien – vom Zelluloid aufs Papier.

Vom Hinterhof in den Himmel

Vom Hinterhof in den Himmel. 15 Spaziergänge durch das unbekannte Wien

Eine Stadt wie Wien, die besucht man nicht einmal so im Vorübergehen. Dafür ist die Fülle an Attraktionen einfach zu groß. Was aber, wenn man nur ein paar Tage Zeit hat die Donaumetropole zu erkunden? Dann braucht man schon einen erfahrenen Experten, um Wien zu erfahren.

Christina Rademacher ist so eine Expertin. Sie zeigt in ihrem Buch Wege durch Wien, zu berühmten Persönlichkeiten und weist auf die oft versteckten Höhepunkte der Stadt hin. Und das alles zu Fuß. Kein langes Warten auf Tram und Bus. Kein Taxigeld-Kalkulieren. Alles ganz entspannt und frei einteilbar.

Wer Wien schon kennt, oder meint es zu kennen, wird überrascht sein, wie viel man noch nicht gesehen hat und vor allem wie viel es noch zu entdecken gibt. Alle Spaziergänge sind so konzipiert, dass man durchaus einen kompletten Tag für einen Spaziergang einplanen kann. Für ganz Neugierige, die aber wirklich gut zu Fuß sein müssen, ist der letzte der 15 vorgestellten Spaziergänge eine echte Herausforderung: Sage und schreibe 20 Kilometer durch alle Bezirke Wiens. Aber auch ein genüsslicher Abschluss, mit Schnitzel.

Christina Rademacher ist immer dabei, wenn man durch die Häuserschluchten der Stadt streift. Hektik kommt hier niemals auf. Gelassen berichtet sie von den kleinen Histörchen am Rande des Spaziergangs. Fast kommt man sich wie der tick-belastete Privatdetektiv Monk aus der gleichnamigen TV-Serie vor: Er muss alles anfassen, der Spaziergänger muss alles sehen. Ruheoasen laden zur Rast ein. Selbst Restauranttipps gibt die Autorin. Die sind aber kein Muss, nur liebevolle Stubser, um bei allem Reiz der Stadt nicht den knurrenden Magen zu übersehen.

Jeder Trip steht unter einem bestimmten Motto – so kann sich jeder nach seinem Gusto sein Wien erlaufen. Ob „Kommunisten im Villenviertel“ (Untertitel: Von Brigittenau über Japan nach Persien) oder „Siedler im Westen“ (Hermeswiese, Friedensstadt und Werkbundsiedlung), alle Spaziergänge ergreifen den Besucher ab dem Zeitpunkt, an dem man die Füße vor die Tür setzt. Am Ende eines jeden Kapitels wird noch einmal zusammengefasst, da kann man noch einmal kontrollieren, ob man nicht doch was übersehen hat. Denn wer schaut bei einer so prunkvollen Stadt wie Wien permanent ins Buch. Für Wien braucht man Zeit, das beweist Christina Rademacher mit jeder einzelnen Zeile. Alle Spaziergänge bei einem Besuch „abzuarbeiten“ – bitte schön. Aber da Wien immer eine Reise wert ist, kann man sich Zeit lassen. Das unbekannte Wien zu erschließen, dauert. Um genau zu sein dauert es zweihundert Seiten. Sofern es nicht einen zweiten Band geben wird …

Sacher – Das Kochbuch

Sacher - das Kochbuch

Wien besuchen, ohne auch nur einmal im Sacher gewesen zu sein – das ist wie Paris zu erkunden ohne den Eiffelturm zu erklimmen. Oder den Italienurlaub ohne leckeres Gelato zu genießen. Oder in Amsterdam … naja lassen wir das! Nun ist es so, dass das Sacher als Touristenattraktion auch gern mal überfüllt ist, und man einfach keinen Platz ergattern kann. Und in absehbarer Zeit muss die Rückreise angetreten werden oder man hat noch ein hartes Erkundungsprogramm vor sich. Wien bietet ja so viel!

So muss man sich das Sacher eben nach Hause holen. Aber wie? In den Koffer stecken, geht nicht! Da bietet sich dieses – so lapidar als Kochbuch angepriesene – Buch an. „Die feine österreichische Küche“. Das klingt nach mehr. Mehr lecker, mehr Genuss am Gaumen.

Auf vierhundert Seiten hat Herausgeberin Alexandra Winkler das Beste aus dem schier unendlichen Küchenfundus des Hotels Sacher in der Philharmonikerstraße 4 in 1010 Wien zusammengetragen. Und warum? Weil sie es kann! Denn sie ist seit 2004 die Geschäftsführerin des Hotels. Und wie sie es kann. Sie hat wohl den schönsten Job in der Donau-Metropole. Denn sie darf, wann immer sie will in die Töpfe schauen, kosten und genießen. Sie muss sich maximal ankündigen. Dem Leser erlaubt sie mit diesem Buch einen fast so gehaltvollen Blick hinter die Kulissen des Betriebes. Der einzige Unterschied besteht darin, dass der Leser nun selber kochen … muss, nein darf!

Zum Beispiel eine gelbe Paprikaschaumsuppe. Mit einer gehörigen Portion Schlagobers. Oder Stürzerdäpfel. Kartoffeln kochen und über Nacht stehen lassen. Dann reiben und in Schmalz oder Öl braten. Zum Martinigansl passen am besten Maroni, Quittenrotkraut und Erdäpfelknödeln. Schon diese kleine Auswahl aus diesem Prachtband verrät, was da auf den passionierten Koch und Leser zukommt: Eine geballte Ladung Lebenslust und Kochkunst, die man aber zu Hause leicht nachvollziehen kann. Über die Desserts legen wir am besten den Mantel des Schweigens, sonst sabbert man noch auf das so liebevoll gestaltete Buch. Denn Germgugelhupf, Kaiserschmarren und Holunderblütenparfait sind nicht dazu geeignet, dass man einfach nur die Rezepte liest. Die muss man sofort nachkochen bzw. nachbacken. Und dann verpasst man vielleicht ein weiteres Rezept. Und dann noch eines und noch eines. Wer zu Weihnachten gern ein Kochbuch an einen geliebten Menschen verschenkt, der dieses Geschenk auch zu schätzen weiß, wird sich mit diesem Buch im Herzen des Beschenkten für immer einen Platz reservieren.