Da steht man in Paris vor dem Palais Royal, Rue de Beaujolais 9. Ein imposantes Gebäude. Und? Fertig! Ein weiterer Punkt auf der Liste der zu besichtigenden Dinge abgehakt. Kann man machen, muss man aber nicht. Wer da wohl drin wohnt? Wer da wohl mal drin gewohnt hat? Was war da los? Ging hier die Post ab oder fand einer der Bewohner hier sogar seinen Frieden – und das in mehrfacher Hinsicht? Dann zückt man dieses kleine rosa Büchlein. Und blättert noch einmal darin. Ah, hier hat Colette gewohnt, die letzten sechzehn Jahre ihres Lebens verbracht. Hier schrieb sie mit einer eigens für sie angefertigten Schreibunterlage. Sie war am Ende ihres Lebens ans Bett gefesselt. Nur körperlich. Und dann liest man, dass dies hier ihre letzte Wohnung ihres rastlosen Pariser Lebens war. Station Elf.
Ihre erste Wohnung in Paris war vom Sommer 1893 bis zum Herbst 1896 in der Rue Jacob 28. Auf geht’s zur ersten Adresse. Mit dem Auto dauert es 16 min, zu Fuß nur unbedeutend länger. Und dann steht man in einer engen Straße, in der parkende Autos jedes Weiterkommen verhindern. Links und rechts Geschäfte. Man schaut nach oben … diesen Ausblick hat Colette nicht gehabt. Ist ja auch mehr als hundert Jahre her seitdem die berühmte Autorin hier lebte. Aber man versteht warum sie hier leben wollte. Mitten im Leben. Ein wenig Grün fehlt. Das hat Colette – vielleicht nicht hier, doch an anderer Stelle immer selbst in die Hand genommen. Balkone und Hauseingänge waren vor ihrem Gründrang nicht sicher.
Der Anhang dieses Büchleins ist für reisende Leser wie lesende Reisende eine Fundgrube. Manche Adresse sieht heute komplett anders aus – die ursprünglichen Häuser gibt es nicht mehr. Als ausgemachter Colette-Fan wird dieser Tag in Paris unvergessen bleiben.
Elf Wohnungen in der Stadt der Liebe. Elf Tapetenwechsel. Und wenn es mal nicht für den Umzug reichte, dann wurden Möbel gerückt. Umzug Null Punkt Fünf. Die kleinen Geschichten in den vier oder mehr Wänden – je erfolgreicher sie wurde desto größer die Appartements, die Anzahl der Räume und somit auch die der Wände – füllen jede Sehnsucht nach Paris mit noch mehr Sehnsucht. Durch die Detailgetreue sind ihre Stationen auch heute noch nachvollziehbar. Wer jedoch erwartet im Quartier des Ternes, dass sich an den Arc de Triomphe anschließt, Austern für neun Sous zu bekommen, wird herb enttäuscht werden. Und das nicht nur, weil es den Sous nicht mehr gibt…
Die Geschichten vom Zwang Neues zu erleben, sich von Liebgewonnen zu trennen, sich immer wieder ins Abenteuer zu stürzen, sind bis heute ein Leseschmaus. Wohl auch deswegen lesen sie sich bis heute (fast hundert Jahr später) immer noch flüssig und nachvollziehbar. Nicht nur für Paris- und Collete-Fans.