Schöne Bescherung auf Compton Bobbin

Klingt erstmal wie ein Rock ’n Roll Hit aus den 50ern: Compton Bobbin. Und ein Stein wird auch ins Rollen gebracht. Und eigentlich rockt dieses Buch ganz gehörig. Also doch schnörkelloser Rock ’n Roll im feinen Tweed? Ein bisschen.

Lady Bobbin besitzt ein Anwesen in den Cotswolds – edle Gegend. Ruhig, abgelegen, idyllisch. Eine Art Visitenkarte, Eintrittskarte ins flegelhafte „Ich bin reich – ich darf das!“-Getue. Lady Bobbin beliebt eine Weihnachtsgesellschaft zu geben. Nur das, was da vor dem Tore steht, was noch angefahren kommen wird, wer mit wem im Gepäck und mit welchen Absichten, das konnte die Gute nun beim besten Wissen nicht erahnen.

Der Schriftsteller Paul Fotheringay hat es endlich geschafft: Sein erster Roman ist erschienen. Und er wird geliebt und gelobt. Man hält sich den Bauch vor Lachen und findet, dass dies das richtige Buch zur richtigen Zeit sei. Zu dumm nur, dass Paul Fotheringay meinte ein sehr ernstes Buch geschrieben zu haben.

Philadelphia Bobbin, die Tochter des (guten) Hauses ist der Prototyp des gelangweilten Teenagers. Die Etikette und das ganze Drumherum gehen ihr gehörig auf die Nerven.

Amabelle Fortescue ist dem Namen nach eine ebenso feine Dame der Gesellschaft wie Lady Bobbin. Amabelle feiert Weihnachten in der Nähe in einem Cottage, das sie eigens zu diesem Zweck angemietet hat. Der Name lässt es nicht vermuten – Amabelle Fortescue gehört nicht zum alten Adel. Ihr finanzielles Polster, auf dem sie ihren edlen Körper bettet, wurde durch finanzielle Beigaben ihrer zahlreichen – zahlungsfreudigen – Männerbekanntschaften gepolstert. Sie heiratete geschickt, der Gatte verblich nicht weniger für sie geschickt nach angemessener Zeit. Oder anders gesagt: Wer in den gehobenen Kreisen nach Entspannung jedweder Art suchte, kannte Amabelle Fortescue.

Gleich zu Beginn des Buches gibt Nancy Mitford die Stoßrichtung vor: Sie stellt die handelnden sechzehn Personen der Reihe nach vor. Allesamt mit reichlich Dreck am Stecken, doch nahezu unantastbar. Dass das Weihnachtsfest für keinen der Anwesenden zu hundert Prozent perfekt verlaufen wird, steht ziemlich schnell fest. Doch was passieren wird, muss man sich erarbeiten. Was heißt hier erarbeiten?! Nein, Nancy Mitford hat einen diebischen Spaß die ganze Gesellschaft an der Nase durch die Arena des bitterbösen Humors zu ziehen. Selbst der Friedfertigste bekommt sein Fett weg. Die Parallelen zu ihrer eigenen Familiengeschichte sind durchaus sichtbar. Nancy Mitford war das schwarze Schaf der Familie, die sich mit den Faschisten Großbritanniens gemein machte. Alle bewunderten Hitler und seine Ideen. Nancy Mitford war das alles zu abstoßend, weswegen sie auch im Namen der Krone gegen ihr eigenes Blut spionierte.

„Schöne Bescherung auf Compton Bobbin“ ist ein schonungsloser Einblick ins Leben und Denken der scheinbar besseren Gesellschaft. Show and shine inmitten der landschaftlichen Idylle der Cotswolds. Menschliche Perfidität und rücksichtsloses Handeln sind der Treibstoff, der Mitfords zweiten Roman im rasanten Tempo von einer gefährlichen Kreuzung zur nächsten treibt. Da kommt man schon mal ins Schlingern und holt sich die eine oder andere Beule. Es ist halt Weihnachten. Vorsicht, Glatteisgefahr!