Harriet Tubman

Ann Petry ist erst seit Kurzem (wieder) einem breiten Publikum in den Fokus gerückt worden. Mit „The Street“ und „Country Place“ rückte sie den bedrückenden Alltag der Schwarzen in den USA in den Vordergrund.

Mit „Harriet Tubman“ gibt sie einer realen Figur die Bühne, die ihr zusteht. Harriet Tubman, die als Araminta geboren wurde, war kein rosiges Leben vorbestimmt. Papa, Mama und ihre Geschwister lebten – wenn man das so nennen kann – als Sklaven auf der Farm von Edward Brodas in Dorchester County, Maryland. Verkäufe der Arbeitskräfte waren an der Tagesordnung. Schläge und Willkür der Aufseher ebenso. Wenn im Herbst die Maisernte eingefahren wurde, lockerte sich die angespannte Lage. Es wurde gesungen. Doch wann immer sich die Möglichkeit bot, floh einer der Sklaven von der Farm.

So eine Farm war eine richtige kleine Stadt. Mit Herrenhaus, Feldern, Unterkünften für die Sklaven, Geschäften etc. Ein Besuch der Ostküste wird mit solch einer Information sicherlich zu anderen Eindrücken führen… Die kleine Minta, erlebt schon früh, was es heißt Freiheit herbeizusehnen, auch wenn sie gar nicht so recht weiß, was es bedeutet. Sie hat sie nie kennengelernt. Ohne allzu sehr ins Detail gehen zu wollen, sei erwähnt, dass Ann Petry es exzellent versteht, emotionale Nähe zuzulassen ohne dabei Klischees die Oberhand gewinnen zu lassen. Klar, jeder Leser fühlt mit dem jungen Mädchen, der jungen Frau, der engagierten Kämpferin. Die historische Einordnung am Ende jedes Kapitels hilft Zusammenhänge zu erkennen und die Zeichen der damaligen Zeit (immerhin ist es über zweihundert Jahre her, dass Minta geboren wurde) einzuordnen. Und dass sie das Sklavensystem anprangert versteht sich von selbst.

Harriet Tubman ist real. Es gab sie wirklich. In Kindertagen musste sie mit ansehen wie ihre Mutter schwer verletzt wurde. Ein Aufseher wollte einen fliehenden Sklaven mit einem Gewicht, das man bei Abwiegen benutzt, aufhalten, verfehlte ihn, traf stattdessen die Mutter von Harriet am Kopf. Als erwachsene Frau hatte sie Kontakt zu einer Untergrundorganisation, die Sklaven bei der Flucht in die Freiheit half, der Underground railroad. Und sie wurde ein reges Mitglied dieser Organisation.

„Harriet Tubman“ war eine mutige Frau, die in der Beengtheit ihres Lebens die Mauern, die sie einschränkten Stück für Stück beiseite schob. Um schlussendlich frei sein zu können. Es ist keine Erfindung der Gegenwart, wenn sich Frauen aus ihren Zwängen befreien. Sklavengeschichte(n) kennen wir schon von „Tom Sawyer“ und „Onkel Toms Hütte“. Von Fluchtgeschichten hören und sehen wir fast täglich in Dokumentationen und Spielfilmen, wenn deutsch-deutsche Geschichte erzählt wird. Dieses Buch ist so klar in seiner Aussage, dass es einen erschreckt wie wenig wir bisher über Sklaverei, Flucht und Freiheit wussten im freiesten Land der Welt wussten.

Der Billabongkönig

Drei kurze Fragen, die sogar Kinder um Handumdrehen beantworten können: 1. Wie nennt man den Chef in einem Reich? 2. Darf der alles bestimmen? 3. Kann man dagegen etwas unternehmen? Die Antworten lauten König, nö und ja. Bleibt nur noch die Frage, was ein Billabong ist. Das sind – in Australien – Seitenarme von Flüssen, meistens gibt es da noch Wasser, wenn ringsum alles ausgedörrt in der Gluthitze stöhnt. Und hier herrscht der König. Und da es in Australien keine Löwen gibt, den König der Tiere, übernimmt hier das Krokodil diesen Job. Im Falle dieses Buches heißt er Ben. Und Ben hat ein Problem. Seit dem letzten Raub- bzw. Fischzug steckt ihm eine Gräte quer rechts unten im Gebiss. Zwischen siebter und achter Stelle, wie er leicht gereizt dem Erzähler auf die Sprünge hilft. Und selbst ein König muss mal zum Zahndoktor. Auch hier gilt wieder: Das kennt jeder! Hier im Outback erledigt diese verantwortungsvolle Arbeit aber kein Weißkittel, sondern Kaukasius Grätenzieher II. Ihro Exzellenz von Stolzhausen-Stammberg. Ein Krokodilwächter, ein Vögel. Geschickt pickt er das zwischen den unzähligen Zähnen der Krokodile heraus, was da nicht hingehört. Und im Falle von Kaukasius hat Ben den Besten der Besten für sein Wehwehchen ausgesucht. Aber auch den Arrogantesten! Er weiß um seinen Ruf, und schwatzt Ben ein echt nachhaltiges Versprechen ab… Doch wenn das Maul schmerzt, wird selbst ein Krokodil weich.

Ben hat also eine Art Blankoscheck unterschrieben. Kaukasius hat einen Wunsch frei. Die Zeit vergeht. Ben regiert, wie es sich für einen König gehört. Nach und nach fällt ihm auf, dass die Krokodilwächter immer weniger werden. Sie verschwinden langsam aus dem Reich des Billabongs. Das ist ungewöhnlich. Denn sie müssen keine Angst vor den Krokodilen haben. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass Krokodilswächter nicht gefressen werden dürfen. Warum das an dieser Stelle noch einmal so explizit erwähnt wird, erschließt sich aus dem Wunsch Kaukasius’. Denn eines Tages fordert der die Erfüllung des unterschriebenen Vertrages „Ein Wunsch frei!“ von Ben ein. Ein paar tausend Kilometer entfernt ist ein weiterer Krokodilswächter. Und der stört Kaukasius. Ben soll ihn fressen! Was? Das geht doch gar nicht! Aber Wunschschulden sind Ehrenschulden – schon allein wegen solcher Gedankengänge und Formulierungen lohnt es sich dieses Buch zu lesen. Mehr sei an dieser Stelle zur Geschichte nicht verraten…

Während des so genannten Lockdowns haben sich viele Autoren und Künstler in Selbstmitleid aufgelöst. Manche fühlten sich berufen das erste Lockdownbuch zu schreiben – was aber auch zu keinem nennenswerten Ergebnis führte – und andere wiederum griffen die Chance beim Schopfe und machten das, was sie am besten können: Schreiben. Für Kinder. Für die eigenen, für alle anderen. Zwischen Hängemattenabmatten und Badewannenwonnen schuf Matthias Kröner das Kinderbuch, das die kommende Saison mit strahlenden Kinderaugen erhellen wird. Weit weg von zuhause, wo ein Möwenschiss die einzige Gefahr darstellt, siedelt er seine Geschichte an. Auch im Dschungel die Regeln für das Leben aufgestellt und deren Einhaltung überwacht. Dass das nicht immer ganz einfach ist, erleben wir tagein tagaus in den Nachrichten. Im Tierreich ist man da noch ein wenig unkonventioneller. Aber bei Weitem nicht uneffektiver.

Matthias Kröner verzichtet auf überbewusste Kindersprache und gibt den jungen Lesern (oder Zuhörern, die sich noch vorlesen lassen) genug Raum, um die Geschichte in eigenen Kosmos umsetzen zu können. Was bedeuten Freundschaft, Macht und Gemeinsinn? So manche Abhandlung von Pseudophilosophen (neben dem Berufsbild Fernsehkoch gibt es immer mehr Fernsehphilosophen) kann dagegen nicht ankommen. Man möchte schon nach einer Fortsetzung schreien…

Latium mit Rom

Wenn man schon mal im Latium ist, muss man Rom sehen. Das Kolosseum, Petersplatz, die zahlreichen Tempel und Paläste, antike Städten im Allgemeinen. Und was ist mit der Region drumherum? Es wäre ein Fehler die Ewige Stadt dem Latium generell vorzuziehen. Wie sonnst sollte man die fast vierhundert Seiten dieses Reisebandes von Florian Fritz erklären?!

Im Ernst: Das Latium ist mindestens genauso erholsam und ereignisreich wie Rom selbst. Die Wege sind etwas weiter. Aber was ist schon Zeit, wenn man beispielsweise wie in Terracina zu Füßen des Jupitertempels auf einem Felsen im Meer baden kann? Im Sommer finden im Tempel Konzerte statt. Das Zentrum ist mehr als zweitausend Jahre alt. Je näher man dem Strand kommt, desto moderner wirkt die Stadt.

Fast schon göttlich fühlt man sich am Albaner See. Castel Gandolfo ist die Sommerresidenz der Päpste. Formvollendete Aussichten, akkurat gestaltete Landschaften erfreuen die Sinne.

Wen es in die Berge zieht, der wird im Süden auf seine Kosten kommen. Veroli ist ein malerischer Ort, der an allen Ecken und Enden Geschichte verströmt. Und den größten Olivenbaum der Welt gibt es in Fara in Sabina, wenn man den Einheimischen glauben darf.

Einmal kurz durchs Buch blättern und schon hat man über die gesamte Bandbreite der Erholung gelesen. So muss sich ein Reiseband anfühlen. Ist der Appetit erstmal geweckt, kommt die Sehnsucht von ganz allein. In den farbig abgesetzten Kästen findet man allerlei Wissenswertes und Anekdoten, die man in den meisten Reisebänden vermisst. Ist man dann endlich vor Ort, kann man mit dem Hintergrundwissen entweder angeben oder sich daran erfreuen, dass man Dinge sofort erkennt, die den meisten verborgen bleiben.

Von den Pontinischen Inseln über die kleine Stadt Anagni, die sich rühmt vier Päpste hervorgebracht zu haben bis hin zu Orten, die sich bescheiden im Hintergrund halten, weil sie ihre Pracht nicht jedem preisgeben wollen. Schaut man auf die beiliegende Karte ergeben sich weitere Ziele.

Zahlreiche Abbildungen lassen den Lesefluss umgehend ins Stocken geraten. Die Ruinen von Ninfa muss man einfach mit offenem Mund bestaunen. Gibt es eine romantische Szenerie, dann hat sie hier ihren Ursprung. Und ganz wichtig: Wer Italien sagt, meint auch kulinarische Exkursionen. Sowohl die Abbildungen als auch die Texte lassen den Leser und Urlauber das Wasser im munde zusammenlaufen.

Das Latium ist mehr als nur das Beiwerk zum überirdischen Rom. Wer sich nur ein bisschen mit diesem Buch beschäftigt, taucht in eine Welt ein, die so abwechslungsreich ist wie kaum eine andere Region Italiens. Klar, hier liegt die Wiege dessen, was als Italiensehnsucht in unseren Breiten bekannt ist.

Spreewald

Man kann in die Wüste fahren und sich dort aus dem trockenen Boden gestampfte Museen anschauen. Inklusive Vergnügungspark und Rennstrecke. Da staunt man nicht schlecht. Doch das ist dann eher die Verbeugung vor dem Mut und der Ingenieurskunst. Hier hat sich der Mensch tatsächlich die Natur zum Untertan gemacht.

Wenn Mutter Natur dagegen dem Menschen nur eine begrenzte Chancenvielfalt gewährt, der Mensch dann aber immer noch mit offenem Mund sich ergeben verneigt, dann ist das eine Leistung, die viele Mütter und Väter hat. Wenn man es so sieht, dann ist ein Ausflug in den Spreewald fast schon mit einer Pilgerfahrt gleichzusetzen.

Wenn sich die Spree von der Weltstadt Berlin trennt und sich gemütlich ihrer Quelle entgegenwindet, passiert sie ein Stück Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes. Sumpfig ist es hier, die Spree teilt sich in unzählige Nebenarme, ein dichter Urwald verdeckt die Weitsicht – kurzum: Wir sind im Spreewald.

Wer dabei nur an ausgelassene Kahnfahrten mit strahlenden Gesichtern denkt, liegt niemals falsch. Aber der Spreewald ist mehr als sich durch diesen Urwald schippern zu lassen. Dass es hier mehr zu erleben gibt, beweist Peggy Leiverkus mit ihrem Reiseband über den Spreewald. Schon allein das Ankommen will sorgsam geplant sein. Hier fährt man nicht einfach mal ran und hüpft vergnügt in den Wald wie man es vielleicht sonst in der Pilzsaison macht. Nach Lübbenau mit dem Zug ist der sicherste Weg, das macht die Autorin auch gern so. Und da man Michael-Müller-Autoren fast schon blind vertrauen kann, ist dieser Rat Gold wert. Und schon ist man mittendrin im Geschehen. Als Erstes fällt auf: Alle Orts- und Hinweisschilder sind zweisprachig. Deutsch und Sorbisch, genauer gesagt Niedersorbisch. Und dass die erste Suche einer Kahntour gilt, ist selbstredend. Mit dem Auto komm man schließlich nicht weit! Wer den Spreewald auf eigene Faust, im eigenen Boot erleben will, kann dies auch tun. Die Verkehrsregeln sollte man aber tunlichst einhalten. Zu erleben gibt es in dieser gut besuchten, und dennoch wenig in den Medien stattfindenden Region massenhaft. Wie zum Beispiel die Byttna-Eichen. Die Wiesenlandschaft Byttna südöstlich von Staupitz lässt keine andere Möglichkeit zu als sich Erholung zu gönnen. Immer wieder säumen Eichen den Wanderweg, die seit ihrer Geburt so ziemlich alles erlebt haben, was möglich ist. Doch vom eigentlichen Weltgeschehen verschont blieben. Und das seit Jahrhunderten!

Immer mal wieder den Kahn verlassen und links und rechts Schauen, Staunen, Stirnrunzeln. Der Spreewald ist trotz zahlreicher Besucher immer noch ein kleiner Geheimtipp. Seine umliegenden Landschaften wie Fläming, der mit Tropical Island, einer umgebauten Zeppelinhalle und der Stadt Cottbus, die immer noch stiefmütterlich behandelt wird, bietet sich dem Besucher eine Region an, deren Vielfalt verblüffen wird. Um nichts zu verpassen, ist es ratsam sich diesen Reiseband schon vorher als Appetitanreger und unerlässliches Hilfsmittel eingehend einzuverleiben. Nicht zuletzt wegen der unzähligen und überaus nützlichen Tipps (Anfahrt, Ticketreservierung – besonders im Sommer zu empfehlen) und der in den farbigen Kästen unterhaltsamen Informationen abseits der gängigen Klischees erweist sich dieses Buch ein ums andere Mal als unerlässlich.

Ifni – Spaniens letztes koloniale Abenteuer

Die Wahrheit ist das erste Opfer des Krieges. So steht es geschrieben, so ist es auch. Und es gibt unzählige Opfer, die diesem Opfer, zum Opfer gefallen sind.

Es ist Sommer 1921. Spanien führt wieder einmal Krieg, um seine koloniale Expansionspolitik unter Beweise zu stellen. In Marokko kommt es in Annual zu einer verheerenden Niederlage. König Alfonso XIII. dankte zwei Jahre später ab. Jahre später – die Diktatur von Primo de Rivera ist vorbei, Francos Diktatur steckt in den Startlöchern – wird heftig über die Gefangenen der „Katastrophe von Annual“, dem „Desaster“ diskutiert. Ein gefundenes Fressen für diejenigen, die die Macht in Spanien an sich reißen wollen und deren Anhänger. Aber auch für die Presse. Viele lassen sich vom Wahn der erforderlichen Befreiung mitreißen. Doch überall, wo einem starke Worte um die Ohren fliegen, gibt es mindestens einen, der versucht der Wahrheit – und es gibt immer eine Wahrheit! – ans Tageslicht zu befördern. Manuel Chaves Nogales, stellvertretender Direktor der Tageszeitung Ahora war vor Ort, in Marokko. Von den 300 spanischen Gefangenen hat er … keinen einzigen gesehen. Nicht einmal von ihnen gehört. Es gab ein paar Spanier, die hier lebten. Achtzig Jahre später hätten sie vielleicht in der spanischen Ausgabe von „Good bye España“ eine tragende Rolle gespielt. Aber als Gefangene eines missglückten Krieges taugen sie niemals.

Vielmehr ist Spaniens kolonialer Gegenspieler in der Region Frankreich als Gefängniswärter anzusehen. Doch wo keine Gefangenen, kein Wärter. Dann gibt es noch die Glücksritter, die sich die Farce zu Nutze machen wollen. Wenn es in den Medien diese Gefangenen gibt, die spanische Regierung deren Herausgabe fordert (sogar eine militärische Intervention in Betracht zieht), dann kann man die Situation ausnutzen und selbst ein paar Taler daran verdienen. Doch keiner hat mit Manuel Chaves Nogales gerechnet. Er kabelt in die Madrider Redaktion: „Es gibt keine Gefangenen!“. Nicht „es werden keine Gefangenen gemacht“, was eher einer Kriegsreportage gut stehen würde. Nein, es gibt schlichtweg keine Gefangenen!

Dieser Nogales war kein Hallodri, der sich blind und mutig in ein Abenteuer stürzte. Er war ein Intellektueller, der um die Macht der Worte wusste. Und er wusste diese Macht einzusetzen. Die Unnachgiebigkeit und die nüchterne Wiedergabe der Fakten machen seine Reportagen zu einem Pageturner, dem man gern nachgibt. Die so genannte vierte Gewalt, die Medien, relativieren im Fall des „Annual“, des Desasters, die perfiden Machtspiele einer künftigen Diktatur.

Erst jetzt entdeckt man Manuel Chaves Nogales in seinem Heimatland wieder. Gleichzeitig auch im deutschen Sprachraum. Francos Schergen hatten ganze Arbeit geleistet. Der Name Nogales war fast für immer aus dem journalistischen wie literarischen Gedächtnis Spaniens gelöscht. Zum Glück nur fast! Diese Stimme darf niemals versummen. Der Kupido-Verlag plant weitere Veröffentlichungen aus dem umfangreichen und abwechslungsreichen Werk des Spaniers.

Beinahe Alaska

Es gibt Reisen, die die ganz im Zeichen allgemein gültiger Sinnsprüche stehen. Der Weg ist das Ziel, ist so ein Spruch. Oft als Mutmacher, weil etwas nicht geklappt hat, missbraucht. Doch nicht nur einmal bewahrheitete sich der tiefere Sinn, und schiebt so manche Trübsal beiseite. So wie in „Beinahe Alaska“. Eine Fotografin und Autorin, Mitte 40, hat sich ihren Trip ins Eis Alaskas anders vorgestellt. Von Grönland kommend malt sie im Kopf schon die Bilder und für sich und die Ewigkeit. Es sind imposante Bilder. Sie werden beeindrucken. Sie, die Betrachter, den Auftraggeber.

Gibt es ein Buch, das sachlich, neutral die Freuden einer Kreuzfahrt ohne Beigeschmack erzählen kann? Nein! Denn eine Kreuzfahrt hat immer das schlechte Gewissen an Bord. Giftige Gase, die in den Himmel und die Nase steigen, sorgen dafür, dass ausgerechnet diese Kreuzfahrt ins Eis der Arktis zu einer der letzten Fahrten ins ewige Eis werden kann. Und dann die Passagiere. Oft meint man, dass es an jedem Ort der Welt immer Einen gibt, mit dem man selbst niemals ein Wort wechseln würde. Nervenaufreibend ist da noch die liebevollste Umschreibung für dessen Charakter. Und dann der durchgetaktete Ablauf an Bord, der zweifelsfrei notwendig ist, doch mit freier Entfaltung im Urlaub so gar nichts zu tun haben kann.

Die Ich-Erzählerin saugt alles in sich auf. Schließlich ist sie nicht zum Vergnügen hier. Diese Reise ist für sie Arbeit. Auftraggeber pochen auf die Deadline, die einzuhalten ist. Ihr eigener Anspruch steht bald schon im Gegensatz dazu. Landgänge sollen eine Abwechslung zur Routine an Bord sein. Doch auch mit festem Boden unter den Füßen sind die Mitfahrer nicht zum Umdenken und Anderssein zu bewegen. So bleibt ihr nur die Hoffnung, dass Alaska die Wende bringen wird. Das Ziel muss das Ziel bleiben. Doch es kommt anders. Das Eis, das seit Jahren zum Rückzug geschrieben und erzählt wird, schlägt dem Funktionsjackengeschwader die geballte Kraft seiner Ausmaße um den Bug. Schluss. Bis hierhin, und keine Buglänge weiter. Alaska? Weit weg. Hier setzt nun der Verstand ein. Die Erzählerin, Arezu Weitholz hat so eine Reise unternommen, und ist mit guten Gewissen als Zwillingsschwester der Erzählerin zu bezeichnen, hadert mit ihrer Mission, zweifelt an sich und ergibt sich nicht kampflos…

Alaska wird ein Traum bleiben, zumindest im Buch. Was der Autorin bleibt, sind die Erlebnisse auf dem Weg. Und die sind der Treibstoff, die den Leser zum Umblättern ein ums andere Mal antreiben. Steht anfangs noch die Aussicht auf das Ziel im Vordergrund, rücken die Begleiter steig in den selbigen. Ein köstlicher Bericht, eine Reise, die anders geplant war, ein Reiseziel, das nie erreicht wird. Und genau deswegen ist „Beinahe Alaska“ das vollkommene Reisebuch.

100 Highlights Wildes Deutschland – Die schönsten Naturparadiese und Nationalparks

Wild ist sicher nicht das erste Wort, das einem einfällt, wenn man von Deutschland spricht. Dennoch gehört das wilde Leben dazu wie die typische Korrektheit und Pünktlichkeit. Und das reicht von Kap Arkona bis ins Höllental, vom Naturpark Schwalm-Nette bis ins Zittauer Gebirge.

An einhundert solcher wilder Orte kann man sich in diesem prachtvollen Bildband ergötzen, und zwar von Nord nach Süd. Als Erstes schlägt man willkürlich eine Seite auf. Land der tausend Seen – Müritz-Nationalpark. Ein stimmungsvoller Sonnenuntergang und ein Urwald, in dem die Stämme in einem derart saftigen Grün zu versinken drohen, dass man es für eine Setaufnahme aus einem mystischen Thriller halten könnte. Doch es ist alles real. Im richtigen Moment den Auslöser der Kamera gedrückt, und voilà: Auch das ist Deutschland. Wild, frei, fernab von Tabellen und Zahlenkolonnen. Der dazugehörige Text brilliert durch Fakten, die nicht wegzureden sind und macht Appetit genau diesen Ort, zu genau der Zeit der Aufnahme einmal selbst zu besuchen.

Nur wenige dutzend Seiten weiter wird’s fast schon historisch, ein wenig politisch sogar. Deutsche Politiker und wild? Keine Angst, so schlimm wird’s nicht. Doch die Schorfheide – bis dahin hat man sich nun vorgeblättert in diesem Buch – ist eng mit den Lenkern Deutschlands verbunden. Wo einst Nazis wie Kommunisten auf der Jagd waren, nördlich von Berlin, ist heute der sanfte Tourismus zu Hause. Hier kann man stundenlang unterwegs sein, ohne dabei tatsächlich eine Menschenseele zu anzutreffen. Kloster Chorin, ein Zisterzienserkloster in Backsteingotik, gehört den berühmtesten Orten der Gegend.

Bereits kurz nach der Wende wurde dem Gebiet in der Uckermark un dem Barnim der Status eine UNESCO-Biosphärenreservats verliehen. Einhundertdreißigtausend Hektar – zur Verdeutlichung: Ein Fußballfeld misst nicht einmal einen Hektar – 240 Seen, Tausende Moore, Wiesen, Äcker und Wälder. Das sind die blanken Zahlen. Was die Natur hier auf die Landkarte gezaubert hat, spottet jedoch jedem Kategorisierungswahn. Jeder Ast darf so wachsen wie er es für richtig erachtet. Jeder Grashalm darf sich nach der Sonne recken wie es ihm beliebt. Und jeder Besucher erfreut sich genau an dem, was so wild mitten in Deutschland zu entdecken ist.

Dieses Buch macht Lust darauf die wilde Seite Deutschlands zu erkunden. Sanft auf dem Rad mit einem Lächeln im Gesicht. Mit forschender Miene. Alle Sinne geschärft. Vom Rothaargebirge bis an die Saale (die mit dem schönen Strand, wie es schon im Volkslied heißt), vom Stettiner Haff bis in den märchenhaften Habichtswald – Wer es bisher nicht wusste, wird in diesem exzellent gestalteten Bildband zum Naturfan, zum Wildheitsforscher, zum Naturparadies- und Nationalparkfan ersten Grades.

Schlei

Bleiben wir realistisch: Wer weiß wo der, die, das Schlei liegt? Südlich des Harzes nimmt das Wissensniveau sicher deutlich ab. Zwischen Kappeln und dem Ort Schleswig schlängelt sich ein Fjord durch die Landschaft, und der heißt Schlei. Weiter im Norden ist Flensburg, südöstlich liegt Kiel. Nun wissen wir, wo wir sind. Der Grund, warum man hier urlauben sollte, ist immer noch verschleiert. Franz-Josef Krücker, Jutta Lietsch und Andreas Lorenz geben dem Leser nicht viel Zeit, um sich weiter zu wundern. Ab der ersten Seite – und eigentlich beginnt die reisende Lesung oder die erlesene Reise schon mit dem Einband – steigt die Vorfreude auf die nächste Seite und die Ferienzeit.

Wenn andernorts von Dorfidylle die Rede ist, sind Abenteuerlustige schon aus dem Rennen. Hier Oben im Norden, wo das Auge tatsächlich bis zum Horizont schauen kann – weiter geht physikalisch einfach nicht – sucht man nicht Ruhe, Abgeschiedenheit und Orte zum Tiefeinatmen. Man findet sie. Beim Radfahren, beim Spaziergang, beim Entspannen.

Wie wär’s mit einem Abstecher in die kleinste Stadt Deutschlands? Noch kleiner als der Vatikan. Arnis. Kein Schreibfehler, Arnis hat 300 Einwohner, und wenn man sich die Abbildungen anschaut, kann man das nicht glauben. Hier kann man mehr Zeit verbringen als es die puren Zahlen vermuten lassen. Vollendete Fachwerkhäuser machen einen Spaziergang zu einem Augenschmaus.

Wer ein bisschen mehr Nervenkitzel verträgt kann sich über den Brudermord auf der Schlei informieren. Nur so viel: Die Geschichte hat biblische Ausmaße und liegt mehr als 750 Jahre zurück.

Das Wikingerdorf Haithabu ist sicher der bekannteste Ort an der Schlei. Geschichte zum Anfassen und sehr gut erhaltene und restaurierte Hinterlassenschaften lassen die wilden gesellen von einst einmal mehr auferstehen.

So schleierhaft es erscheinen mag, das der Begriff Schlei nicht bekannter ist, so wichtiger ist es ihn endlich einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen. Am besten tut man das mit diesem Buch. Unermüdlich hat das Autorentrio alles, wirklich alles zusammengetragen, was wissens- und sehenswert ist. Hier steht jeder Satz an der richtigen Stelle, jedes Bild verspricht das, was man erleben kann, und die Karten erlauben es, dass man Navi und Smartphone beiseite legen kann.

Die Schlei muss sich nicht verstecken hinter großen Namen. Ihr Pfund ist die Exklusivität, die nur ein verborgener Schatz haben kann.

Die Zauberflöte

In fast jeder Firma gibt es Einen, der sich seinen Posten mit Mitteln erschlichen hat, die Anderen Grund zur Spekulation geben. Unvermögen und Duckmäusertum, gepaart mit Angst – eine gefährliche Mischung.

Dieuseul Lapénuri ist so einer. Aber Angst muss man vor ihm nicht haben. Er ist der Prügelknabe für seinen alten Herren. Seine Frau Anodine verachtet ihn, den Schlappschwanz. Und dennoch hat er es geschafft, dass ihn der Präsident von Haïti zum Minister für moralische und staatsbürgerliche Werte ernennt. Ja, die Familie seiner Frau verkehrt in den höchsten Kreisen. Den Präsidenten halten sie für unfähig, umschmeicheln ihn und seine Entourage jedoch kräftig. Auch, dass die Gemeinde samt Pfarrer ordentlich die Werbetrommel rührte, damit er den Ministerposten bekommt, spielt sicher eine gewisse Rolle. Nur Dieuseul, der Name bedeutet Gott allein, weiß welches Geheimnis hinter seiner Ernennung steckt. Wenn er doch nur gerissener wäre, könnte er die Situation noch viel mehr ausnutzen. Als er noch ein kleiner Beamter im Finanzministerium war – auch hier hatte er nicht viel dazu beitragen müssen, den Job zu erhalten – hatte er gelegentliche amouröse Abenteuer mit den weiblichen Büroangestellten.

Nur bei Rita biss er regelmäßig auf Granit. Sie machte ihm unmissverständlich klar, dass ihr Frauen lieber sind als Männer. Wohl auch deswegen versteht er sich bis heute mit ihr besser als mit den anderen.

Nun ist er Minister, soll die Korruption mit den Werten des Landes bekämpfen, was nach der Ansicht eines jeden, der das Land kennt, ein Widerspruch in sich ist. Rita wünscht ihm Kraft, insgeheim weiß sie, dass er nur scheitern kann. Sein Vater weiß ganz genau, dass sein Junge scheitern wird. So stürzt Dieuseul Lapénuri in das größte Abenteuer seines Lebens.

Und das hält auch gleich einen ganz dicken Brocken für den Frischling parat. Der Innenminister reicht ihm ein Dosier weiter, in dem es um das Festi Masi geht. Eine Kampagne der schwul-lesbischen Vereinigung Haïtis. Ein heikles Thema in einem Land, in dem Religion eine derart große Rolle spielt. Unterstützung bekommt er dennoch von oberster Stelle. Denn der Präsident scheint ein persönliches Interesse an dem Thema zu haben. Und Dieuseul Lapénuri weiß auch warum… Dass andere das auch wissen, weiß er allerdings nicht!

Gary Victor zaubert einmal mehr eine Gesellschaftsskizze aufs Papier, die dem Leser zum Einen das unbekannte Haïti zeigt, zum Anderen einen unbändigen Lesespaß bereitet. Ich weiß was, was Du nicht weißt. Dafür weiß ich nicht, was Du alles weißt. Das Wechselspiel zwischen Wissen und Macht wird durch Gary Victor auf ein höheres Niveau gehoben.

Sarajevo

Wenn man nicht permanent mit dem Finger über die Landkarte Europas streicht, hat man seine Probleme Hauptstädte den richtigen Ländern zuzuordnen. Ja, Sarajevo – die Stadt kennt man – ist eine Hauptstadt. Und zwar die von Bosnien-Herzegowina. Sie liegt, ähnlich wie Madrid in Spanien, so ziemlich in der Mitte. Manche erinnern sich noch an Vučko, das Wölfchen, das Maskottchen der Olympischen Spiele von 1984. Sein „Sarajevoooo“ schallt bis heute nach. Leider gibt es auch die Bilder einer Stadt, die wie kaum eine andere im Krieg belagert wurde. Wo einst Sportler im fairen Wettkampf um Medaillen stritten, erinnern Einschüsse an das Widerlichste, was Menschen hervorbringen können.

Eine Stadt – zwei Gesichter. Eine Stadt – zwei Welten. Das ist Sarajevo, die Unbekannte. Autor Marko Plešnik ändert mit jedem Umblättern dieses einzigartigen Reisebuches das Bild der Stadt in den Köpfen der Leser.

Etwas mehr als 300.000 Einwohner hat Sarajevo. Nur zwölf Hauptstädte haben weniger Einwohner, darunter aber „Zwerge“ wie der Vatikan und Monaco. Eine übersichtliche Stadt. Und eine Stadt, die so unfassbar viele unentdeckte Straßen, Gassen, Aussichtspunkte, Erholungsorte hat wie nur wenige Kapitale der Welt. Oft bemüht man gern die strapazierte Redewendung vom Schmelztiegel an der Grenze der Kulturen. Oft ist es aber nicht mehr als ein Klischee. In Sarajevo kann man es aber tatsächlich rund um die Uhr erleben. Zwischen Glockenläuten und den Ruf des Muezzins, locken die Düfte aus den Küchen den Besucher aus der Reserviertheit des Neugierigen.

Viele Herrscher hinterließen ihre Spuren in der Olympia-Stadt. Während nach dem Balkankrieg an den Boulevards glas- und metallglänzende Büro- und Konsumtempel aus dem Boden gestampft wurden (dafür ist immer Geld da), hat man sich in den Seitenstraßen Sarajevos unzählige Traditionsorte erhalten und wiederaufgebaut, die das Landestypische nicht nur als Standarte vor sich hertragen. Köstliche Leckereien und Gassen, deren Name die Handwerkskunst im Namen tragen. Kunstvoll gestaltete Architektur. Das alles zieht den Besucher in seinen Bann. Bereits beim Lesen des Reisebuches taucht man derart tief in die Stadt ein, dass man sich nach wenigen Seiten als Experten bezeichnen möchte. Ohne Aufforderung nimmt der Autor den Leser an die Hand und führt ihn allwissend durch eine Stadt, die ihre Geheimnisse gern zeigt, ihre Seele aber nur dem geneigten Sinnessucher darlegt. Auch wenn vielerorts – fotogen – so genannte Grenzen sichtbar gemacht sind, so spürt man in der Stadt diese  kaum. Als Tourist fühlt man sich sicher mit diesem Buch in der Hand. Attraktive Rundgänge mit so manchen Aha-Effekt, angereichert mit landestypischen Anekdoten machen jeden Schritt durch diese unbekannte Balkanmetropole der kleineren Art zu einem Erlebnis, das noch lange große Spuren hinterlassen wird, vor allem wegen der allgegenwärtigen Geschichte.

Wem das alles noch nicht reicht, der wird in den anschließenden Kapiteln in eine Landschaft geführt, die durch ihre Unberührtheit ein Alleinstellungsmerkmal erhalten hat. Die Thermalquellen von Ilidža oder die Ausgrabungsstätten von Butmir sorgen mit ihrer Vielfalt dafür, dass kein Gast der Langeweile anheimfallen kann. 6 Komma Null, 6 Komma Null … um noch einmal die Olympischen Spiele 1984 zu bemühen als Jayne Torvill und Christopher Dean mit ihrer unvergessen Eistanz-Kür zum Bolero von Maurice Ravel eine unerreichte Bestmarke aufstellten.