Die Oxford-Tragödie

Da sitzen sie nun, alles schlaue Köpfe und reden sich den College-Frust, der sie umgibt von der Seele. Ein Dutzend Professoren und eine Anwalt und Hobby-Detektiv aus Wien, Ernst Brendel. Der Erzähler der Geschichte ist Francis Wheatley Winn, Vizepräsident und Seniortutor am St.-Thomas-College in Oxford. Die Rauchschwaden wabern durch die Luft, so mnach einer genießt den Likör, ein Dessert oder einen Kaffee. Winn hat sich mittlerweile eine diebische Freude an diesen Tagesausklängen angewöhnt. Doch heute ist alles anders. Hargreaves, der Dekan stürzt ins Zimmer. Shirley ist tot. Erschossen. In Hargreaves’ Zimmer. Es ist nur ein kleines Loch an der rechten Schläfe. Doch ausreichend, um ihn ins Jenseits zu befördern. Aus kurzer Entfernung.

Und schon stehen die Polizisten auf der Matte. Auch Scotland Yard. Doch so recht wollen die Ermittlungen nicht in Gang kommen. Brendel und Winn sind anscheinend die Einzigen, die für diesen Fall brennen. Zumal Brendel schon erwähnt hat, dass ihn echte Verbrechen brennend interessieren.

Ein Krimi am College – am besten noch im ehrwürdigen Oxford – alles schon mal gehört, gelesen. Doch hier liegt der Fall anders. Denn hier, in diesem Fall, in „Die Oxford-Tragödie“ nahm alles seinen Lauf…

Brendel und Winn sind kein eingespieltes Team, das sich die blindlings zuschießt und die Sätze des Anderen beendet. Hier ermittelt ein Duo, das sich nur zu einem Zweck zusammengetan hat: Den Mord an einem Kollegen aufzuklären. Shirley war ein Wissenschaftler, der sich gern in sein Labor zurückzog. An diesem Abend wollte er mit dem Dekan den Bibliotheksplan noch einmal besprechen. Langweiliger geht’s wohl kaum, möchte man meinen. Doch Langeweile ist in diesem Krimi nicht zu entdecken.

Vielmehr sind die verschlungenen Hallen der nicht minder ehrwürdigen Gebäude ein Synonym für die verschlungenen Gedanken und Machenschaften hinter den dicken Mauern. Und gemauert wird weiterhin. Kein Wunder, dass Scotland Yard hier nicht weiterkommen kann. Nur wer sich hier bestens auskennt, findet den rechten Pfad. Und genau dafür braucht man auch Hilfe, am besten von außerhalb. Ergo sind Winn und Brendel das ideale Paar, um derart schwierige Fälle zu lösen.

Fast neunzig Jahre ist es her, dass der Roman veröffentlicht wurde. Nun auch auf Deutsch. Eine zu lange Wartezeit, das steht fest, sobald man sich in ihn vertieft hat. Was nur ein paar Seiten braucht. Wortspitzen, ausgeklügelte Denkschemata und eine wohlwollende Liebe zu den Akteuren machen „Die Oxford-Tragödie“ zu einem Fest!