Alle unsere Leben

Das liest sich doch wie … also, Er und Sie verlieben sich … trennen sich … sehen sich im Laufe der Jahre immer mal wieder … bis sie dann zum Ende … na, das ist doch wie bei Harry und Sally. Die Orgasmusszene im Restaurant fehlt. Auch ist „Alle unsere Leben“ keine 80er-Jahre-Paar-Comedy für Popcorn-Abende.

„Alle unsere Leben“ ist weitaus mehr. Viel mehr. Christine Dwyer Hickey schickt ihre Protagonisten durch Jahrzehnte, durch London. Milly zieht es aus der irischen Piefigkeit und strengem katholischen Zwangsverhalten über die See ins vibrierende London. Das ist 1979. Die Stadt ist wenig einladend. Die Thatcher-Regierung hat ihre Arbeit aufgenommen und meint das Land mit rigiden Reformen wieder in die Spur zu bringen. Für Milly ist der Job in einem Pub die erste und lange Zeit die einzige Möglichkeit Geld zu verdienen.

Pip ist Boxer. Er liest, wenn er allein im Pub ist. Kein typischer Einzelgänger, aber einer, der allein auch ganz gut zurechtkommt. Bis er Milly kennenlernt. Liebe auf den ersten Blick ist zwar etwas anders, dennoch fühlt es sich so an als ob Sie und Er, Milly und Pip füreinander bestimmt sind. Doch die Zeiten fordern ihren Tribut.

Über die Jahre hinweg kreuzen sich die Wege der beiden immer wieder. Mit mehr oder weniger Erfolg, für die beiden. Es wird lange dauern bis sie wieder Sie und Er, Milly UND Pip werden. Die lange Zeit hat ihre Narben hinterlassen, Lebenserfahrungen nennt man das. Das hat Vorteile für jeden einzelnen. Aber eben auch Nachteile für sie als Paar. Es wird der wichtigste, der härteste Kampf für die beiden. Ein Unentschieden ist nicht akzeptabel…

Christine Dwyer Hickey schafft einen Rauschraum, aus dem man nicht ausbrechen möchte. Auch nicht ausbrechen kann. Man gönnt Milly und Pip ihr Glück ohne Umschweife. Doch die beiden schaffen es nicht fernab ihrer irischen Heimat sich ein Heim zu bauen. Tradition und Aufbruch gehen nur schrittweise Hand in Hand mit persönlichen Träumen und Rückschlägen.

Milly hört ab und zu, wenn Pip wieder in London ist. Manchmal sehen sie sich, manchmal aber auch nicht. Doch jedes Mal pocht ihr Herz. Und jedes Mal fragt sie sich warum dies so ist. Pips Karriere als Boxer ist irgendwann einmal zu Ende. Dann muss er neue Pfade beschreiten. Allein oder in Gemeinschaft? Mit Wem? Mit Milly? Allein der Gedanke lässt ihn zittern. Mal vor freudiger Aufregung, mal aus Angst.

Ein dickes Buch, ein liebevolles Buch, ein Buch, das so unaufgeregt anders ist als die Mehrzahl der Liebesgeschichten.