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Aleppo – Ein Krieg zerstört Weltkulturerbe

Aleppo

Ist man ein glücklicher Mensch, wenn man die Schrecken des Krieges nicht kennt? Nein, man kann sich nur als glücklicherer Mensch betrachten. Wie ein Hohn muss das in den Ohren der Bewohner Aleppos klingen. Seit zwei Jahren vergeht kein Tag ohne Angst, ohne das irre Pfeifen der Granaten. Kein Tag, an dem nicht ein Kulturerbe im Namen der Freiheit willkürlich beschädigt oder gar zerstört wird. Vorbei das quirlige Leben in den Souks, vorbei die Pracht der Umayyaden Moschee, vorbei das süße Leben in einer der ältesten Städte der Welt.

Aleppo erlangte erst durch den grausigen Bürgerkrieg des Assad-Regimes gegen die – wahrscheinlich nicht viel besser agierenden – Rebellen traurige weltweite Berühmtheit. Schon das allein ist eine Schande. Muss denn immer erst was passieren, damit man Notiz nimmt? Aleppo hatte die Voraussetzungen Metropolen wie Damaskus, Paris und New York den Rang streitig zu machen oder zumindest in ihre Bedeutungsnähe zu gelangen. Und nun? Einschüsse so weit das Auge reicht. Verängstigte Menschen aller Altersklassen. Zerstörte Kulturgüter, die die Eroberungszüge Alexander des Großen, die marodierenden Horden der Mongolen und französische Besatzungszeit überstanden haben.

Mamoun Fansa setzt dieser Perle des Orients mit diesem Buch zumindest ein literarisches und bildstarkes Denkmal, das kein Verblendeter zerstören kann. Kein Kriegstreiber wird den Siegeszug dieses Buches aufhalten. Kein Hetzer wird das Andenken an Aleppo jemals komplett auslöschen. Deswegen sind die Beiträge der Autoren so wichtig und in ihrer Vielschichtigkeit so bedeutend.

Als erstes fallen die beeindruckenden Bilder dem Leser auf. Geschickt werden Einst und Jetzt gegenübergestellt. Wow und Oje befeuern das Wechselbad der Gefühle beim Durchblättern. Widerwarten und Abscheu gegen die Zerstörer kommen auf, wenn man sorgsam die Texte liest. Doch es zeigt auch – wie es der Untertitel ankündigt – auch Perspektiven auf, Hoffnung keimt auf. Und schon ertappt man sich dabei, dass man sich das Ende des Krieges wünscht, auch um endlich diese einzigartige Stadt kennenzulernen. Und vielleicht gibt es bald auch Berichte über die Stadt, die nicht auf den Zeitungsseiten unter Aktuelles erscheinen, sondern im Sonderteil bei den Reiseseiten. Es wäre zu allererst den Bewohnern Aleppos zu wünschen.

Kennedy sagte: „Ich bin ein Berliner“, Reagan: „Mr. Gorbatschow, tear down this wall!“. Jetzt ist es am Leser zu sagen: „Mister Obama (oder Towarisch Putin, Frau Merkel, Monsieur Hollande) read this book!“

Persepolis – Die altpersische Residenzstadt

Persepolis

Schon mal geritten? Schon mal eine Treppe hinauf oder hinunter geritten? Und dann womöglich noch nicht vor, sondern in historischer Kulisse? Das würde doch passen. Zum Beispiel in Persepolis. Doch Autor Alireza Shapur Shahbazi wird das berittene Volk gleich rügen. Denn die gigantische Treppe wurde nicht für Reiter errichtet, sondern damit noch mehr Huldiger dem Schah ihre Ehre erweisen und ihre Geschenke abgeben können.

Vor reichlich zweieinhalb Jahrtausenden wurde diese sagenumwobene Stadt erbaut. Dareios I. gab sie in Auftrag. Heute sind „nur noch“ die Reste des königlichen Palastes zu erkunden. Doch das reicht vollkommen aus, um tief in die Geschichte des Persischen Reiches einzutauchen. Um beim Sprachbild zu bleiben: Der Autor schwimmt vornweg. In seinen Analysen zu Bedeutung und Herkunft der einzelnen Denkmäler schwimmt er allerdings nicht. Vielmehr ist er der Experte für diese Epoche und somit auch für diese Stätte einer Weltkultur.

Im Oktober 1971 feierten der amtierende Schah Mohammad Reza Pahlavi und sein Vater Reza Schah Pahlavi das 2500jährige Bestehen ihrer Monarchie mit exorbitantem Pomp in Persepolis. Das rückte die Stadt wieder in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Das Ende ist bekannt. Islamische Revolution. Die Ayatollahs übernahmen die Macht.

Heute kann man Persepolis wieder besichtigen. Und wie mit vielen Weltkulturerben sehen sie auf den ersten Blick alle nett aus, aber so richtig kann niemand etwas damit anfangen. Niemand? Eine kleine Gruppe von Gelehrten unter Führung des Autors widersetzt sich dem Dogma des Widerstandes gegen das Wissen.

Mit stoischer Ruhe und enormen Fachwissen gewappnet zieht Alireza Shapur Shabazi durch die Stätten der königlichen Vorfahren. Wie beim Opa auf dem Schoß lesen wir von Gesandten, die kostbare Geschmeide mitbrachten. Von Inschriften in geheimen, längst vergessenen Sprachen. Von Ritualen, die die Geschichte wieder auferstehen lassen. Von Zweck der einzelnen Bauten, die uns erst durch den Autor ihre Geschichte erzählen. „Persepolis – die altpersische Residenzstadt“ ist das Vermächtnis eines unermüdlichen Forschers, das es uns erlaubt die Hinterlassenschaften es einst so großen Reiches richtig einzuordnen.

Das Halsband der Tauben

Das Halsband der Tauben

Mekka, Vielkopfgasse, Gegenwart. Der Name der Straße, der Gasse ist Programm. Einst wurden hier die losen Häupter von vier Männer gefunden: Einem Juden, einem Christen, einem Pseudopropheten und einem Feueranbeter. Schon diese Tatsachen allein genügten sie der Götzendienerei anzuklagen, was dann mit dem Abschlagen des Kopfes endete.

Wie ein Omen künden die ersten Seiten dieses ungewöhnlichen Krimis von dem, was da noch kommen wird. Und siehe da: Schon liegt eine Frauenleiche in der Gasse. Ob es eine „schöne Leich“ ist, kann man nicht sagen. Denn der verdrehte Körper ist außerdem extrem entstellt. Nun beginnt das Rätselraten, wer denn da im Staub der Vielkopfgasse liegt. Antwort kann nur der Erzähler geben. Und der ist … die Gasse selbst. Ja, die Vielkopfgasse erzählt vom Unheil, das auf ihrem Grund und Boden passiert ist. Doch dann wäre ja die Arbeit von Inspektor Nassir vergebens. So lässt uns Leser die Gasse im Dunklen tappen. Gerüchte machen die Runde. Vermutungen und Mutmaßungen übertreffen sich gegenseitig. Und der Täter? Da hat Nassir schon eine Ahnung. Doch die Spürnase arbeitet gewissenhaft. In dieser Gasse wurde schon einmal – vor Jahrhunderten – vorschnell gehandelt. Nicht noch einmal. Nicht durch ihn.

Immer wieder Andeutungen, Gleichnisse, Geheimniskrämerei – der Leser wird – auf angenehme Art und Weise – bis auf Messer gereizt. Die Spannung ist kaum noch zu ertragen. Und immer noch so viele Seiten bis zur Lösung des Falles.

Ein Roman über eine Frauenleiche in Saudi-Arabien, im heiligsten Mekka, geschrieben von einer viel geehrten Frau. Das klingt für unsere westlichen Ohren, für unser von Vorurteilen gegenüber der arabischen Kultur geprägtes Wissen, nach einem unwahrscheinlichen Fall. Raja Alem beweist mit diesem nicht nur dicken, sondern dicht gestricktem Krimi das Gegenteil. Die besondere Erzählweise verführt uns in die Gassen Mekkas, wo gleich um die Ecke die Kaaba, der heilige Ort von Abraham persönlich errichtet wurde, und der jährlich von Millionen Gläubigen (effektvoll vom Fernsehen in Szene gesetzt) umrundet wird. Hier liegt also eine Leiche. Hier beginnen die Ermittlungen, die hier genauso ablaufen wie man sie aus englischen, französischen, italienischen oder amerikanischen Krimis kennt. In „Das Halsband der Tauben“ (wie lyrisch für solch ein abscheuliches Verbrechen) treffen westliche Lesegewohnheiten auf arabische Traditionen, gepaart mit einem Schuss Spannung und Verwirrung.

Zugegeben, man muss sich auf diesen Roman einlassen können. Doch mit jeder gelesenen Seite füllt sich das Herz mit Befriedigung sich diesem fremdartigen Stoff gestellt zu haben.

Die Geheimnisse des Roten Meeres

Die Geheimnisse des Roten Meeres

Wer heute Geschichten vom Roten Meer erzählt, kommt an gigantischen Einkaufstempeln, an wohl riechenden Souks und einem lautstarken Stimmengebrabbel nicht vorbei. Ende des 19. Jahrhunderts wurde Henry de Monfreid geboren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts machte er sich auf den Weg ans Rote Meer, um sein Glück als Waffen- und Drogenschmuggler zu probieren. Mit Erfolg: Nach seinem größten Deal konnte er sich ein eigenes Elektrizitätswerk leisten. Ein Krimineller? Jein. Ein Glücksritter? Ja! Ein gewiefter Geschäftsmann? Und wie! Und ein erstklassiger Autor, der ab der ersten Seite den Leser fesselt (wieder oder immer noch Krimineller?!).

1931 brachte der Abenteurer seinen ersten Roman heraus. „Die Geheimnisse des Roten Meeres“ schlug ein wie – es sich für einen Kriminellen gehört – eine Bombe. Seine Erlebnisse im arabischen Raum sind überschattet von geschicktem Verhandlungsgeschick, eine ordentlichen Portion Chuzpe den Behörden und ihrer ausführenden Organe die Stirn zu bieten, und sie werden in einem Gewürztiegel zu einem schmackhaften Lesegenuss zusammengemischt.

Bei de Monfreid treffen Autobiografisches und feinste Formulierungskunst aufeinander. Man merkt sofort, dass hier ein echter Kenner und Meister am Werk ist. Total zufrieden mit sich und der Welt, ein entspannter Mensch, der hier berichtet.

Ein Glücksfall für den Leser: Denn Arabien, fernab vom Konsumüberfluss, aber schon damals mit dem Geruch der weiten Welt im Ambiente der stets lauernden Gefahr: Henry de Monfreid war ein Gauner wie er im Buche steht – nicht nur sinnbildlich. Die künstlerische Ader bekam er in die Wiege gelegt. Paul Gaugin ging in seinem Elternhaus aus und ein. Und wie Künstler nun mal so sind, müssen sie tagein, tagaus ums Überleben kämpfen. Eine harte, und für den kleine Henry auch prägende Zeit.

Auf 300 Seiten wird der Leser eine Welt voller Bakschisch und roher Gesellen versetzt. Ein Abenteuerroman für Jugendliche, die Tom Sawyer schon kennen und Jules Verne schon verinnerlicht haben. Henry de Meonfreid gehört ohne Zweifel in die Reihe großer Abenteurer, wie es sie seit Ernest Hemingway nicht mehr gab. Nur mit dem Unterschied, dass der Franzose sich nicht in Gefahr begab, um darüber schreiben zu können. Er schrieb, weil er in Gefahr geriet und ein Freund ihn zum Schreiben überredete.

Den Zauber Arabiens heute ganz und gar zu verstehen, das geht nur mit der Vorbildung eines Henry de Monfreid.

Nilufar

Nilufar

Es gibt Bücher über die man kein Wort verlieren darf – im positiven Sinne. Man muss sie einfach lesen und andere animieren es einem gleichzutun. Nilufar“ ist so eines.

Jeder, der „Nilufar“ liest, wird eine andere Deutung der Geschichte haben. Für die einen ist es ein Thriller, in dem ein Mann einen anderen Mann verfolgt, um ihm auf die Schliche zu kommen.

Andere hingegen sehen darin eine vollkommene Liebeserklärung an eine Frau, Nilufar. Das ist persisch und bedeutet Seerose. Fernab von „Schatzi“-, „Mausi“- und „Bärchen“-Getue überschüttet der Held Gheiss seine Angebetete mit Aufmerksamkeit – ihr gefällt’s.

Eine dritte Leserschaft sieht in „Nilufar“ ein philosophisches Meisterwerk: Auf der Suche nach sich selbst, dem Sinn des Lebens, der Vergangenheit, dem eigenen Ich.

Wie auch immer der Leser dieses Werk von Mahmud Doulatabadi wahrnimmt, er wird es lieben. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, hat Doulatabadi einige Job in seinem Leben angenommen, vom Kartenkontrolleur im Kino bis zum Souffleur am Theater, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Unter dem Regime von Reza Schah Pahlavi spielte er Theater – im März 1975 wurde er mitten in einer Aufführung von Maxim Gorki von der Bühne geholt und verhaftet. Zwei Jahre verbrachte er im Gefängnis. Heute ist er einer der renommiertesten Autoren des Landes.

„Nilufar“ ist ein poetisches Werk, das man nicht einfach mal so liest. Dank der eindrucksvollen Übersetzung von Bahman Nirumand, selbst aus dem Iran nach Berlin emigriert, liest sich dieser Roman wie ein Fluss. Unaufhörlich treibt der Held die Geschichte voran. Wortgewaltig und facettenreich wird Gheiss zu einer Art iranischer Leopold Bloom. Immer auf der Suche nach Antworten.

Ein Schatz in jedem Bücherschrank!

Abu Dhabi und Dubai – Willkommen in der Zukunft

Abu Dhabi und Dubai

Ein guter Ratgeber für den Urlaub ist das örtliche Reisebüro. Ein besserer Ratgeber ist ein ausgewählter Reiseband. Der beste Ratgeber für eine geplante Reise in ein unbekanntes Land ist derjenige, der schon mal da war und seine Erfahrungen niedergeschrieben hat. Rüdiger Neukäter gehört eindeutig in die letzte Kategorie. Bisher nur als Transitflughafen bekannt, entschließen er und seine Frau sich doch in die Wüste der Vereinigten Arabischen Emirate zu fliegen. Im Kopf Klischees und angelesenes Wissen, im Herzen die Jugend und den Tatendrang eines Forschungsreisenden geht es in die teilweise klimatisierte Hitze der arabischen Halbinsel.

Wenn Plastik für eine moderne Welt steht, die die Realität zu kopieren versucht, so sind Abu Dhabi und Dubai der vitale Beweis, dass Plastik durchaus seinen Reiz hat. Gigantische Einkaufszentren mit unvorstellbarem Erlebniswert – in der Mall of the Emirates in Dubai gibt es sogar eine Skihalle, in der Abfahrtalauf möglich ist – versüßen den Aufenthalt auf eine bisher unbekanntes Art und Weise. Doch Rüdiger Neukäter wäre nicht er selbst, würde er als anerkannter Weltenbummler nicht auch hinterfragen. Eine Shopping-Mall mit hunderttausenden Quadratmetern Verkaufsfläche mag auf den ersten Blick verlockend erscheinen, doch was wäre, wenn sie nicht da wäre? Würde der „normale“ Tourist etwas vermissen?

Das Land per pedes erfahren, ist das Ziel des Ehepaares. Auch wenn Taxifahren in den Emiraten wegen der unerschöpflichen Ölvorkommen mit einem Trinkgeld abgetan werden kann, so sind es die Ausflüge in teilweise sandstaubiger Luft, die den beiden in Erinnerung bleiben werden.

Der Untertitel „Willkommen in der Zukunft“ ist Ausdruck der Verzweiflung und schieren Staunens. Die Einheimischen haben das Geld und fröhnen meist dem Müßiggang. Der Service wird von Gastarbeitern vorrangig aus Asien bestritten. Zeitlich begrenzt und ohne Möglichkeit die Familien nachzuholen. Die arbeitende Mittelschicht besteht aus sehr guten ausgebildetem Personal aus Europa und Amerika. Eine Drei-Klassen-Gesellschaft, die aber funktioniert. Touristen fällt vor allem der ungewohnte nicht aufdringliche Service auf. Von allen Seiten wird man bemuttert, die Inneneinrichtungen sehen nicht nur in Katalogen so überschwänglich aus – sie sind tatsächlich so verschwenderisch.

Rüdiger Neukäter hat vor allem als Reisender durch Asien einen Ruf erschrieben. Indonesien und Sri Lanka waren bisher seine bevorzugten Destinationen. Nun richtet er sein Augenmerk auf ein weiteres aufstrebendes Land. Seine Verwunderung kommt ebenso zum Tragen wie die Bewunderung für die arabische Sichtweise auf den Tourismus der Zukunft. Er gibt Informationen aus erster Hand an zahlreiche Urlauber weiter.

Kleine Geschichte Istanbuls

Kleine Geschichte Istanbuls

Eine Stadt in Worte zu fassen, ihrem Lebenslauf darzulegen, ist eine schwierige Angelegenheit. Besonders, wenn sie seit über 2.000 Jahren existiert und ein so wechselvolle Geschichte wie Istanbul vorzuweisen hat. Brigitte Moser und Michael W. Weithmann haben sich der Mammutaufgabe gestellt und haben einen idealen Begleitband einer jeden Istanbulreise erschaffen.

Jeder kennt die Wahrzeichen der Stadt am Bosporus: Hagia Sophia, Blaue Moschee, die Bosporus-Brücke. Doch die Geschichten, die dahinterstehen, kommen oft zu kurz. Dabei sind sie erzählenswert. Auf den reichlich 180 Seiten erfährt der Leser schon vor der Abfahrt mehr über Istanbul als wenn er pauschal die Stadt erkunden will. Ein Flug nach Istanbul dauert mit Check-In und allem Drumherum ca. vier bis fünf Stunden. Stunden, in denen die Neugier auf den Zusammenprall von Orient und Okzident kaum noch auszuhalten ist. Hier eine Kontrolle, da eine Passage. Die Zeit sinnvoll zu nutzen, fällt wegen der Anspannung schwer. Mit diesem Buch im Handgepäck – Bücher sind allen Restriktionen nach 9-11 zum Trotz immer noch erlaubt – wird die unerträgliche Wartezeit zum Ausflug in eine andere Welt. Vor Ort kommt dem Reisenden der erweiterte Wissensschatz ab dem Flughafen zugute.

Selbst wer Istanbul nach eigenem Bekunden schon in- und auswendig kennt, wird hier noch die eine oder andere Anekdote herausfiltern können. Auf einzelne Geschehnisse einzugehen, würde an dieser Stelle zu weit führen. Zum umfangreiche ist das dargebotene Wissen.

Eine Stadt, die sich Zeit ihres Lebens Angriffen erwehren musste, und dies öfter als andere auch erfolgreich tat, lebt vom Mythos ihrer Unbezwingbarkeit und ihrem reichen kulturellen Erbe. Istanbul ist somit eine der reichsten Städte der Welt. Vierzehn Millionen Einwohner erleben jeden Tag, was es heißt in einer so genannten Megacity zu wohnen. Noch einmal knapp 50 Prozent davon kommen jährlich als Touristen hinzu. Sie sind es, die den Ruhm Istanbuls in die Welt hinaustragen. Sie künden von erhabenen Bauten und lebhaften Plätzen, von einzigartigen Touren durch eine der faszinierendsten Städte weltweit und von den Hinterlassenschaften von knapp drei Jahrtausenden. Und ab sofort kennen sie außerdem noch die Hintergründe, dank dieses Buches haben sie das Wissen Geschichte einzuordnen und weiterzugeben.

Suche auf See

Suche auf See

Der Franzose Leo Lang ist verschwunden. Verschwunden auf hoher See. Nur sein Boot, die „Vent de sable“, ist von ihm übrig. Ruhig und verlassen treibt sie im Mittelmeer vor sich hin. Fischer haben das Boot aufgetan. Doch von Leo Lang keine Spur. Anzeichen eines Kampfes gibt es sehr wohl. Das ganze Boo wurde gründlich auf den Kopf gestellt. Aber keinerlei Anzeichen von Gewalt gegenüber Leo.

Das nennt man gute und schlechte Nachrichten. Shamsa, Leos Ehefrau, obliegt es nun den Ehemann zu suchen. Seine Eltern, vermögend und bescheiden, schließen zum ersten Mal die leidende Ehefrau in die Arme. Von ihrer Schwiegermutter wird sie in dieser Zeit zum ersten Mal „Tochter“ genannt. Harte Zeiten schweißen zusammen. Die Suche beginnt. Zu Land und auf dem Wasser. Shamsa schnappt sich die „Vent de sable“ und segelt den Weg ihres Gatten ab. Dank Logbuch kann sie die Route leicht nachvollziehen.

Auf See beginnt sie über ihr Leben nachzudenken. Als Waise, vor den religiösen Fanatikern beschützt, in der algerischen Wüste ausgesetzt, wurde sie von Nonnen großgezogen. Sie ermöglichten ihr eine erstklassige Ausbildung und eine zufriedene Kindheit. Aus deswegen kann Shamsa heute in Frankreich beruhigt ihrem Beruf als Journalistin und Übersetzerin nachgehen. Es gutes Leben. Ein erfülltes Leben. Leo, der Mann an ihrer Seite, ist es wirklich: Der Mann, der sie beschützt, aber nicht einengt. Er gibt ihr die Freiheit, die so vielen ihrer Landsfrauen für immer verwehrt bleiben wird.

Auf ihrer Suche auf See findet sie nur Gutes über ihren Leo zu berichten. Nur seine Geschäftspartner sind ihr nicht geheuer. An Land gehen die Ermittlungen weiter. Auch die Polizei ist von Leos Geschäftspartnern gar nicht so angetan.

„Suche auf See“ vereint mehrere Genres auf 180 Seiten. Zum einen Spannung bis zur letzten Seite. Zum zweiten: Algerien im Fokus der Autorin. Was wissen wir schon über das größte Land Afrikas? Nichts. Der arabische Frühling ging so schnell wie er kam. Seitdem? Nichts, Algerien findet in der täglichen Berichterstattung kaum noch statt. Shamsa berichtet wie Algerien war und welch teilweise zerstörerische Kräfte hier am Wirken sind. Zum dritten: Eine Reisebeschreibung von Griechenland über das Tyrrhenische Meer über Sizilien und die Liparischen Inseln bis hin nach Korsika und Sardinien, um schlussendlich in Südfrankreich zu landen.

Schon während des Lesens wird einem klar, dass es vollkommen unerheblich ist wie das Buch ausgeht. Ein Happyend ist immer etwas Schönes. Aber die einfachen, einfühlsamen, verheißungsvollen Worte von Malika Mokeddem lassen in einem den Wunsch aufkeimen, dass dieses Buch nie zuende gehen möchte. Leider tut es das aber, das ist der einzige Makel des Buches.