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Iran – Weltreich des Geistes

Iran - Weltreich des Geistes

Weltreich des Geistes – wenn man die Nachrichten verfolgt, bekommt man ein anderes Bild gezeigt von diesem so spannenden Land. Micheal Axworthy rückt die Realität ins rechte Licht.

Das persische Reich ist vielen ein Begriff. Dank auch der zahlreichen überlieferten Schriften über Alexander des Großen, der vor über zweieinhalb Jahrtausenden in Persien einfiel und seine bis heute sichtbaren Spuren hinterließ. Das Projekt Iran ist vielschichtig und umfangreich, so dass es einem schwer fällt an das Buch zu glauben. Doch Micheal Axworthy schafft es mit Eloquenz und Faktenwissen den Leser ans dieses Thema heranzuführen. Ein Rundumschlag in Weltgeschichte.

Zoroaster, den man heutzutage auch als Zarathustra kennt, über die Achämeniden, Parther und Sassaniden bis hin zu den ersten Arabern, die den Islam im heutigen Iran verwurzelten und den Herrschern der jüngsten Vergangenheit – der Autor lässt kein Detail aus. Um auszuruhen (bei so viel Geschichte auf einmal braucht man auch mal eine Verschnaufpause) flechtet er das ein, was die Menschen des Iran auszeichnet. So kann ein erstaunlich hoher Anteil der Bevölkerung ganze Gedichte der Nationaldichter auswendig. Das ist Nationalstolz. Man frage doch mal die PEGIDA-Demonstranten, ob sie den „Osterspaziergang“ oder gar „Die Glocke“ aufsagen können. So viel zum Nationalstolz.

Die Geschichte Irans – das Land hieß schon immer so, seit dem letzten Schah ist es auch „offiziell“ – ist geprägt vom Hin und Her der Herrschenden. Aber auch von wissenschaftlichen Forschungen, die uns auch noch zugutekommen. Erst in den vergangenen Jahrhunderten wurde der Iran teils zum Spielball der Großmächte.

Die einstigen Machthaber wie Ayatollah Khomeini und Mahmud Ahmadinedschad trieben es auf die Spitze und die Strategen in den Ministerien der USA, Großbritanniens und andere Länder in den Wahnsinn. Geradlinigkeit im Iran gehört nicht zu den Sachen, auf die man sich verlassen kann. Nichtsdestotrotz erfährt der Tourismus in den Iran seit ein paar Jahren einen nie dagewesenen Höhenflug. Städte wie Isfahan, Yazd, Shiraz und Teheran werden von immer mehr Touristen besucht. Stätten wie Persepolis laden auf ihre Art zum Verlaufen ein.

Nicht nur deswegen ist es wichtig sich mit dem Iran vor einer Reise mehr als nur aus einem Reiseband zu informieren. Das Land ist eine Reise wert. Dieses Buch allemal.

Syrien – Sechs Weltkulturerbestätten in den Wirren des Bürgerkrieges

Syrien

Drei Jahre Krieg zerstören tausende (!) Jahre Kultur! Es ist zum Heulen, wenn man die Nachrichten sieht und im Anschluss dieses Buch liest. Zugegeben, über Syrien ist wenig bekannt. Wer tiefer in die Materie eingetaucht ist, tat dies aus persönlichen oder beruflichen Gründen. Touristisch war Syrien nie der große Magnet im Nahen Osten. Besucher des östlichen Mittelmeeres und des (heute) arabischen Kulturraums blieben zum Großteil in Antalya oder Hurghada hängen.

Zur Zeit ist Syrien auch nicht gerade ein Sehnsuchtsziel von Touristen. Das syrische Regime und die zersplitterten Gegner des selbigen liefern sich erbitterte Kämpfe. Dabei bleiben nicht nur unzählige Menschen auf der Strecke, sondern auch unwiederbringliche Kulturgüter. Die Plünderungen in den Museen sind beispiellos. Sechs Stätten in Syrien stehen unter dem symbolischen Schutz der UNESCO. Doch auch die Weltorganisation kann nichts gegen die blinde Zerstörungswut tun. Hinzu kommen die zahlreichen Plünderer, die schnell über die Grenze huschen, nicht min der schnell zuschlagen und wieder verschwinden. Auf diese Weise sind schon Tonnen von wertvollen Relikten wahrscheinlich auf Nimmer wiedersehen verschwunden.

Mamoun Fansa hat eine Reihe Experten gebeten die Geschichte der UNESCO-Welterbestätten Syriens in diesem Buch zu beschreiben, ihre Bedeutung hervorzuheben und ein eindrucksvolles Buch zu gestalten. Die Altstädte von Aleppo, Bosra und Damaskus, die Ruinen von Palmyra, die antiken Dörfer in Nordsyrien und die Festungen Krak des Chevaliers und Qal’at Salah ad-Din wurden schon teils vor Jahrzehnten in die Liste der erhaltenswerten Kulturgüter der Menschheit aufgenommen. Im Falle von Aleppo kann der Zuschauer fast täglich zusehen wie ein Gebäude nach dem anderen dem Erdboden gleichgemacht wird. Oft (schon einmal ist einmal zu viel) unter dem Deckmantel der Religion.

Die Autoren führen durch unberührte – unzerstörte – Tempelanlagen, durch geschäftige Gassen und prächtige Basare. Doch sie führen auch durch Gesteinswüsten, die der Menschen geschaffen hat. Granateinschläge, Dauerbeschuss und Raketenangriffe haben tiefe Einschnitte in den Stadtbildern eines ganzen Landes hinterlassen. Umso erfreulicher ist es, dass es noch Aufnahmen gibt, die belegen, dass hier mehrere Wiegen unserer Zivilisation stehen.

Dieses Buch ist eine Mahnschrift. Wider das Vergessen, gegen blinden Zerstörungshass, und eine Mahnschrift, dass auch außerhalb unserer ach so zivilisierten Welt Grundlagen geschaffen wurden, die uns heute wie selbstverständlich erschienen. Beispielsweise wurde im heutigen Syrien das erste Alphabet auf der Grundlage von 26 Buchstaben erschaffen. Was wären wir heute ohne diese Leistung? Eine Kultur ohne Bücher. Ohne Bücher wie dieses!

Zarathustras Feuer

Zarathustras Feuer

Es gibt Bücher, über die spricht man nicht. Man liest sie! Dazu gehört auch „Zarathustras Feuer“. Begriffe wie Arier, Zarathustra und Zoroastrismus sind ab sofort nicht mehr nur Fremdworte und falsch verwendete Begriffe (die Arier haben so viel mit Deutschland und „nordischer Kultur“ zu tun wie die FIFA mit Antikorruptionsbemühungen). Bijan Gheiby ist, wenn es um Persien und Iran geht, der erste Ansprechpartner. Sein nie enden wollendes Wissen um die Kultur des persischen Raumes, ist ein wahrer Schatz, den er dem Leser in seiner ganzen Sprachgewalt zur Verfügung stellt.

Also sprach Bijan Gheiby, dass ca. 900 Jahre vor der Zeitenwende die Iraner sich dort niederließen, wo sie auch heute noch leben. Zirka dreihundert Jahre später wurde Zarathustra geboren. Ja, genau der, der von Friedrich Nietzsche in den germanischen Sprachraum gebrüllt wurde und in so manchem Film als Zitategeber herhalten muss. Wer beispielsweise aus „Kap der Angst“ Robert De Niros genialen Monolog kennt, dem ist die Thematik des Buches ansatzweise geläufig. Doch mit dem „er steht nicht über mir und ich nicht unter ihm“ ist lediglich ein klitzekleiner Grundstein zum Zugang des Buches gelegt. Besser als gar keiner!

Die Vermischung von Mystik und Realität machen es Forschern wie Bijan Gheiby (das gh wird übrigens wie ein r in richtig gesprochen, allerdings nicht so sehr gerollt) einfach und schwer zugleich ihre Forschungen ins rechte Licht zu rücken. An dieser Stelle sei das „Apropos: rechtes Licht“ verkniffen – dafür gibt es die erstklassiges Dokumentation „Die Arier“ von Mo Asumang, die derzeit für Furore sorgt.

Bijan Gheiby beweist mit diesem Buch einmal mehr, dass er ein hervorragender Kenner seiner eigenen iranischen und persischen Kultur ist. Ein spannendes Buch, das Kulturgeschichte zweifelsfrei dem Leser beibringt. Zahlreiche Abbildungen und Grafiken erleichtern das Verständnis eines schwierigen Stoffes, der, wenn man ihn dank Bijan Gheiby verstanden hat, die Augen für das Große und Ganze öffnet.

Zwölf Tage in Persien

Zwölf Tage in Persien

Zwölf Tage Persien – auch heute noch ein Abenteuer. In der 20er Jahren des 20. Jahrhunderts umso mehr. Vita Sackville-West bricht zusammen mit ihrem Ehemann, dem Diplomaten Sir Harold Nicolson und drei weiteren Gentleman auf den Süden des Iran zu erkunden. Ihre Reise soll über die Bakhtiari-Berge führen. Die Bakhtiari sind ein Nomadenvolk, über dessen Herkunft und Kultur es keinerlei Aufzeichnungen gibt. Eine Reise ins Ungewisse?

Eine exakte Reiseroute gibt es nicht. Nur vage Andeutungen wo und wann man sich einer Karawane anschließen könne. Wenn dies nicht klappt, weil die Karawane durchaus besseres zu tun hat als auf verwöhnte Reisegruppen aus dem entfernten, meist unbekannten- England zu warten, oder eine andere Route einfacher war, dann ist das Geschrei groß. So groß die Enttäuschungen der Reisenden auch sein mögen Vita Sackville-West beschreibt die Schönheit des Landes mit blumigen Worten. So schroff das Land, besonders das Gebirge, so nuancenreich die Sprach der Autorin.

Ihr allein ist es zu verdanken, dass die Reise zu eindrucksvoll nachzuvollziehen ist. Voller Inbrunst betrachtet sie die Flora Persiens. Sie ergötzt sich daran wie vielfältig der Blütenzauber wirken kann. Am liebsten möchte sie alle Pflanzen gleich einpacken und zuhause im Garten anpflanzen. Der Neid ihrer Besucher würde ihr sicher sein, und sie würde sich auch daran ergötzen. Ach ja, zu Hause. Dort ist es gemütlich, warm, behaglich. Persien kalt, unwirtlich und so gar nicht heimatlich. Als ein Sturm aufzieht, kann sich die Gruppe gerade rechtezeitig ins Zelt zurückziehen. Mit unbändiger Kraft zerrt der Wind an der Unterkunft, die Fünf müssen einiges aufbringen, das Zelt aufrecht zu halten. Sie klammern sich an die Stützen, hören das Knallen des Hagels auf die Plane, erhaschen einen Blick auf das blitzerfüllte Tal. Am nächsten Morgen erwachen sie im Schnee. Wahrlich kein Sommerurlaub.

Trotz aller Strapazen gewinnt Vita Sackville-West der Reise Gutes ab. Ihr Mann wird an die Teheraner Botschaft abberufen. Sie wollte nie ein Leben an der Seite eines Mannes führen, der so weit weg von zu Hause ist. Aber ihn Hin und Wieder besuchen – das bereitete ihr besonderes Vergnügen. Ihre Reiseschilderungen ermöglichen uns heute noch ein detailliertes Bild der Vergangenheit. So beschrieb sie auch die ersten Ölbohrungen in Persien. Ihre romantische Vorstellung, dass Persien ein Paradies sei, das von einem weisen intellektuellen Diktator am besten regiert werden müsste, amüsiert heute eher. Die Folgen des weisen Ayatollah Khomeini und des diktatorischen Ahmadinedschads sind bis heute spürbar. Und unter deren Regentschaft wäre eine Reise wie sie sie unternahm ins Reich der Fabeln verbannt worden.

Die Krinoline bleibt in Kairo

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Mary Shelley tat es. Lady Stanhope tat es. Frances Calderón de la Barca tat es. Sie reisten. An und für sich nichts Ungewöhnliches. Doch im 17., 18.  und 19. Jahrhundert und dazu noch allein – naja, also ohne männliches Leittier trifft es wohl besser – eine Sensation. Sie taten es, weil sie Lust darauf hatten. Sie sind die Heldinnen dieses Buches. Barbara Hodgson zeichnet ihre Wege nach, legte die Besonderheiten ihrer Reisen dar und würdigt ihr mutiges Tun.

Sie gliedert ihr Buch nicht nach den ReisendInnen. Die Biografien stehen nicht im Zentrum der Ausführungen. Vielmehr sind die Reisen und die Bericht darüber Bestandteil des Buches. So kann man heute kaum noch reisen. Auf einem Kamel quer durch die Wüste. Bei Ankunft wildes Geschrei. Erhabenes Staunen als eine Frau als Reiseanführerin zu erkennen ist. Heute ist das normal. So haben die Frauen in diesem Buch echte Pionierarbeit geleistet. Sie ließen sich nicht verbiegen. Sie setzten oft gegen viele Widerstände ihren Kopf durch.

Zurückgeblieben sind ihre Erinnerungen. Niedergeschrieben in Magazinen wie Quarterly Review. Wieder entdeckt von Barbara Hodgson. Stilsicher, mit Anekdoten verziert, durch zahlreiche Abbildungen beeindruckend – dieses Buch bestätigt, dass Fernweh eine heilbare Krankheit ist.

Der Titel „Die Krinoline bleibt in Kairo“ bezieht sich – nicht wie man vermuten mag auf eine Frau namens Krinoline, die sich gefälligst in der Obhut ihrer Familie aufhalten sollte, sondern – auf den in dieser Zeit verbreiteten Reifrock. Ein äußerst unpraktisches Utensil, das beim Reiten störte, in dem sich der Wüstensand verfing, und überhaupt so gar nicht ins Bild der reisenden Frau von Damals passte.

Alle in diesem Buch erwähnten Frauen verdienen Respekt, weil sie sich Konventionen widersetzten. Denn in ihren Heimatländern, und auch denen der Länder, die sie erkundeten. Viele Männer hatten zuvor noch nie eine unverhüllte Frau in der Öffentlichkeit gesehen. Und wieder die Parallelen zur Gegenwart. Es hat sich Vieles verändert seit Lady Elizabeth Craven reiste. Doch bei Weitem nicht alles.

Frauen hatten es nie leicht sich in so genannten Männerdomänen durchzusetzen. Das ist auch heute noch oft so. Wer es aber einmal schafft, der kann sich der Anerkennung aller sicher sein.

Woanders

Woanders

Eine Weltreise – das wär’s. Edith Werner schafft Fakten. Kein Konjunktiv mehr. Jetzt wird gereist. Doch einfach so. Nicht einfach mal All-inclusive drei Wochen Türkische Riviera. Dann zwei Wochen City-Trip Tokio. Und als Abschluss Safari in der Serengeti. Edith Werners Reisen sind immer mit langen Aufenthalten verbunden. Wenn schon, denn schon.

Ihr Reisefieber treibt sie nach Singapur, Südafrika, Argentinien, Uruguay, Ägypten, Guatemala, Mayotte, Peru, Abu Dhabi, Kolumbien, um nur wenige Länder zu erwähnen.

Auch die einzelnen Abenteuer und Geschichten hier aufzuzählen käme einem Frevel gleich. Denn man müsste immer das eine oder andere Detail weglassen. Das wäre unfair. Edith Werner reist für ihr Leben gern. Arbeiten, wo andere Urlaub machen – das ist ihr Elixier, das jungbleiben lässt. Sehnsuchtsvolle Orte wie etwas Sansibar lässt sie in einem riesigen Gewürzbasar anwachsen.

Alphabetisch hat sie ihre Reisen in diesem Buch geordnet. Selbst für das Q hat sie eine Reise gemacht. Fast scheint es, dass ihre Reisen nur für dieses Buch gemacht wurden. So liebevolle und detailliert schildert sie ihre Erfahrungen und macht dem Leser Appetit auf mehr. Mehr Abenteuer. Mehr Fremde. Mehr Reisefiber. Anfangs ist man noch neidisch auf die gemachten Reisen. So viel Zeit und so viel zu entdecken. So viel Zeit haben nicht viele.

Edith Werner ruht sich nicht auf dem Luxus Zeit aus. Ein paar Tage bei Freunden in Montevideo – gern. Doch dann geht es schon wieder weiter. Kaffee-Kultur in Buenos Aires. Chinesisch lernen. Den Sambesi bezwingen.

Schon vom Lesen schwirrt einem der Kopf. Doch die Autorin prahlt nicht mit dem Erlebten. Sie lässt den Leser teilhaben. Und zwar so eindringlich, dass man sich gern von ihr an die Hand nehmen lässt. Das grüne Feuer in Bogotá kommt von den Smaragden. Es leuchtet auch ohne einen der Edelsteine in der Hand zu halten. Selbst kleiner Missgeschicke wie ein gebrochener Knöchel in Burma / Myanmar verarbeitet die wissbegierige Weltenbummlerin zu einer herzhaften Geschichte. International wird es am Amazonas, wenn sie auf Fitzcarraldos Spuren wandelt. Hier drehte Anfang der 80er Jahre Werner Herzog mit Klaus Kinski sein wohl bildstärkstes Werk. Sagenumrankt schuf er Unglaubliches. Edith Werner tut es ihm nicht nach, dennoch wandelt sie eindrucksvoll auf seinen Spuren.

Wer die Welt bereisen will, sollte vorbereitet sein. Keine Scheu zeigen. Sprachen lernen. Und „Woanders“ von Edith Werner lesen.

Die Gärten von Marrakesch

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Eine Stadt als Garten. So war Marrakesch einst geplant. Sanft plätschern Brunnen. Erfreuen Groß und Klein. Das kühle Nasse verheißt aber auch Reichtum mitten in der Öde der Wüste. Angelica Gray zog in jungen Jahren mit ihren Eltern nach Marrakesch. Sie liebt die Gärten und hat sich schon früh für deren Geschichte interessiert. In diesem Prachtband teilt sie ihre Erfahrungen du Eindrücke mit dem interessierten Leser. Alessio Meis Bilder lassen den Leser – und somit süchtigen Marrakesch-Reisenden – in eine andere, fremde Gegend und Zeit reisen.

Exotische Details, farbenfrohe Gedankenspiele und saftige Flora ziehen den Leser in den Bann Marrakeschs. Ruhepausen in den Olivenhainen der Ménara-Gärten, alles überragende Palmbäume in der Medina, das Hämmern der Handwerker, die gerade ihren Kunstwerken den letzten Schliff verpassen – Marrakesch steckt voller Faszination.

Der Bahia-Palast scheint vor Überfluss fast aus den Mauern zu platzen. Saftiges Grün von oben, von unten, von rechts, von links. Strahlkraft im Überfluss. Man möchte tanzen, sich an herunterhängenden Blättern von Wand zu Wand schwingen. Symbolhafte Zypressen (sie stehen für die Sterblichkeit) spenden Schatten in drückender Mittagshitze.

Die Muster der Kacheln rund um die Portale verzücken den Besucher und sagen „Tritt ein, erober mich!“

Die Mamounia-Gärten bestechen durch ihre Weitläufigkeit. Gekonnt illuminiert, und wieder mächtige Olivenbäume, wie an der Schnur gezogene Palmen ragen in den blauen Himmel. Hier lässt’s sich aushalten.

Als Erstes stechen dem Betrachter die beeindruckenden Bilder ins Auge. Ein erstes Raunen erfüllt die Bibliothek. Die Texte rücken die Abbildungen in den richtigen Kontext. Denn die Gärten sind nicht einfach nur schön anzuschauen. Sie haben eine Funktion zu erfüllen. Angelica Gray macht den Unterricht zur Modenschau. Auf dem Laufsteg tummeln sich die Schönheiten des Orients. Ein letztes Stöhnen zum Abschied. Doch man kommt wieder, immer wieder in die Gärten Marrakeschs.

Wenn Du den Regen suchst, der kommt von oben

Wenn Du den Regen suchst, der kommt von oben

Vor, während und auch nach dem so genannten Arabischen Frühling fristete und fristet Algerien ein Mauerblümchendasein. In den 80er und 90er Jahren rückten die Erfolge einzelner Sportler und der Fußballnationalmannschaft in den Fokus der Öffentlichkeit (man denke nur das legendäre Hackentricktor von Madjer 1987 gegen die Bayern), aber ansonsten blieb es still um das mittlerweile größte Land Afrikas. Man kennt es kaum. Algier und Oran sind gerade mal zwei Städte, die man aufzählen kann. In Oran ist Albert Camus‘ „Pest“ verankert. Und Algier kennt man wahrscheinlich nur deshalb, weil es so ähnlich wieder der Landesname klingt.

Yahia Belaskri zeichnet ein wahres, oft düsteres Bild seines Heimatlandes. Da ist zum Beispiel Déhia. Sie ist Professorin für Sprachen. Mit Hingabe versucht sie ihren Schützlingen etwas einzuschärfen, was sie sonst nie wahrnehmen würden: Die Ehrfurcht vor der stärksten Waffe des Menschen. Blinder Religionswahn, ja schon fast Fanatismus, Engstirnigkeit und Korruption erschweren es ihr, sich an ihrem Beruf zu erfreuen. Unter ihren Studenten ist auch einer, der sich auf seinen Papa verlassen kann. Der ist Minister und bietet ein kleines Vermögen für eine von Déhia geschriebene Diplomarbeit seines Sohnes. Déhia zögert keinen Augenblick … und lehnt ab. Déhias Kapitel (Buchkapitel) wird mit einer Katastrophe geschlossen.

Genau wie das ihres Gatten Adel. Das Einzige, was ihm noch bleibt ist Déhia. Seine Liebe zu ihr lässt die beiden die Hoffnung auf Besserung nicht gänzlich ersticken.

Badil, Adels Bruder, ist das dritte Kapitel gewidmet. Er schafft das, was sich so viele Eltern für ihre Kinder wünschen. Er ging ins Ausland. Doch die Gründe dafür sind niederschmetternd. Genauso wie das Wiedersehen mit seinem älteren Bruder Adel und dessen Frau Déhia.

Yahia Belaskri verbindet die blumige Sprache Arabiens mit den unumstößlichen Fakten der Gegenwart. Er verzaubert den Leser und erschrickt ihn zugleich mit seiner schonungslosen Abrechnung mit Algerien. Seine Protagonisten hassen ihr Land, hassen Andersdenkende. Doch lieben sie. Sich untereinander, die Eltern, die eigene Geschichte. Algerien ist ein Land, das noch immer voller Geheimnisse steckt und daraus seinen Reiz bezieht. Dieses Buch gibt einen Einblick in das wahre Algerien, das Besucher ohne dieses Buch so wohl nie erleben könnten.

Reportage Iran

Reportage Iran

Vorurteile abbauen – nichts ist dafür besser geeignet als ein Buch. Carola Hoffmeister reiste in den Iran und fand heraus, dass der Iran mit den Meldungen in den Nachrichten nur am Rande in Verbindung steht. Sie traf auf Menschen, nicht auf Meldungen. Menschen, die ihren Alltag genauso meistern müssen wie die Leser dieses einmaligen Buches.

Das Erste, was man im Iran lernt, ist Taroof. Das ist der unermüdliche Austausch von Höflichkeiten. Keine Höflichkeitsfloskeln. Echte, wahre Höflichkeiten. Und als Europäer kann man hier nur verlieren. Carola Hoffmeister passiert es, dass sie ihren Rucksack im langsam schon wieder davon tuckernden Bus vergisst. Atemlos rennt sie dem Bus nach. Sofort springt ihr ein Einheimischer zur Seite und bringt den Bus zum Stehen. Und genauso schnell hat sie einen Reisebegleiter und einen neuen Freund gefunden. Kommt gar nicht in die Tüte, dass sie in einem Hotel wohnt. Privatunterkunft. Anfangs noch etwas mulmig, verfliegt das Gefühl der Befremdung.

Auch als später ein Iraner, der als Deutschlehrer arbeitet ihr den Basar von Isfahan zeigt, sind die wehen Gedanken an Lockvogeltaktiken, um Teppiche an den Mann bzw. in ihrem Fall an die Frau zu bringen schnell vergessen. Anders als Istanbul oder anderen Destinationen wird hier ein Nein akzeptiert. Und eine Einladung zum Tee gibt’s gratis obendrauf.

Der Iran ist so fremd, so freundlich so nah. Angst vor der Fremde, vor der Terrorgefahr, vor grimmigen Extremisten? Nein, niemals.

Sie reist weiter, immer im Gepäck ihre Neugier und der Drang alles aufzuschreiben. Zum Glück für den Leser.

Der Trubel in der Hauptstadt Teheran, die Khaju-Brücke in Isfahan – sie nimmt „alles mit, was es zu sehen gibt“. Doch die Begegnungen mit den Menschen bringen dem Leser den echten, wahren Iran näher.

Sie besucht einen Magier, der einst den Schah und seine Gäste mit Kunststücken verzauberte.

Alkohol ist im Iran offiziell verboten. Offiziell. Trotzdem gibt es ihn auf jeder Party in Hülle und Fülle. Sündhafte teure Markenklamotten gehören zum Status der Mittel- und Oberschicht genauso dazu wie Schönheitsoperationen. Aber alles hinter der Fassade der züchtigen Kleidung des Islam und seiner Wächter.

Der Iran ist ein Land der Gegensätze. Tradition wird mindestens genauso groß geschrieben wie westliche Dekadenz. Der Iran, die iranische Gesellschaft existiert zweimal. Nach außen und nach innen. Wer sich treiben lässt, erlebt beide Seiten. Carola Hoffmeister ist das Bindeglied zwischen Sehnsucht und Neugier. Ihr Buch vermittelt eine Innenansicht Irans, wie man sie sich nicht vorzustellen gewagt hat.

Als die Götter Menschen waren

Als die Götter Mensch waren

Es ist immer das gleiche Spiel: Vertragen sich zwei Menschen nicht, gibt’s Saures. Einen Kompromiss zu finden, ist in der Literatur das entscheidende Merkmal. Doch erst seit ein paar Jahrhunderten.

Im Altertum, im alten Mesopotamien zum Beispiel, sind die Götter die Ursache und die Lösung in einer Person. Klappt’s mit dem Nachbaren (in diesem Fall einem anderen Gott) nicht, gibt’s wie bei den Menschen eines auf die Mütze. Rachegeschichten sind seit Jahrtausenden das Elixier der Schreiber.

Dieses Buch bietet einen ungefähren Einblick ins Leben zwischen Euphrat und Tigris vor viertausend Jahren. Denn so alt die ältesten in diesem Band vorgestellten Geschichten. Leider sind sie nicht alle komplett erhalten. Also viel Platz für den Leser sich Zwischenstücke und das Ende selbst zusammenzureimen. Sabina Franke hat diese Märchen, die Mythen und Epen gesammelt und mit erfahrenen Forschern sie niedergeschrieben. Auf jede einzelne Geschichte hier einzugehen, würde den Reiz und die Neugier schmälern. Nur so viel sei verraten: Biblische Geschichten haben ihren Ursprungsanspruch verloren. Vieles kennt der Leser aus der Bibel oder anderen Büchern des Altertums und der Antike. Wieder einmal wurde bewiesen, dass Reisen bildet. Die Reisen der Babylonier, Sumerer und anderer Völker des heute arabischen Raumes brachten nicht nur neue Waren in andere Regionen, sondern auch ihre Geschichten. Im Laufe der Jahrhunderte wurden diese angenommen und adaptiert. Götternamen wie Ishtar oder Gilgamesh gehen dem Leser in Fleisch und Blut über. Ihr Schicksal stillt noch heute unsere Sehnsucht nach fernen Kulturen.

Wenn wir unsere Welt erstmals durch Märchen der Gebrüder Grimm geprägt bekommen haben, so schärfen die hier vorgestellten Geschichten unseren Blick über den Tellerrand des Abendlandes hinaus.