Afrika links oben, in der Mitte Germania und unten rechts Tartatria. Es ist das Jahr 1592 und so sieht die Landkarte Europas aus. Moment hier stimmt doch was nicht! Könnte man meinen. Aber dann würde das Bild (und das nimmt man dieses Mal wirklich wortwörtlich!) nicht stimmig sein. Denn da steht ein offensichtlich adeliger Regent mit Reichsapfel (Sicilia) und Zepter, am dessen oberen Ende ein Fähnchen mit der Aufschrift „Scotia“ und „Anglia“ weht. Ja, ja, die künstlerische Freiheit.
Es gab eine Zeit, in der Landkarten eine Kunst für sich selbst darstellten. Nicht irgendwelche Regierenden gaben den Auftrag Grenzen willkürlich zu eigenen Gunsten zu verschieben, sondern um ihr Abbild und damit ihr Macht ins richtige Licht zu rücken.
Der belgische Löwe als Untergrund für die Grenzen des niederländischen Reiches – das kann doch kein Zufall sein! Das würde ja bedeuten, dass der Regent ein bestimmtes Territorium überfallen wollte / musste, nur damit die Umrisse auf der Karte mit der Realität übereinstimmen. Oder war man doch so prestigeverliebt?! Zu sehen ist dieses besondere Exemplar in der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden. Oder im März 2026 auf diesem Kalender. Über vierhundert Jahre ist es alt und zeigt die Kunstfertigkeit des Meisters. Farbenprächtig und sehr phantasievoll prangt (oder prankt?) da der Löwe des Königreiches an unserer westlichen Grenze. Die Welt als Kleeblatt, mystische Wesen, freudvolle Szenen oder floraler Blütenglanz – die Welt der Landkarten war nicht langweilig und dröge.
Karten zu erstellen war eine Kunst! Die Auftraggeber wollten zufrieden gestellt sein. Die böhmische Rose ist zwar nicht in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen. Wer sich jedoch den Juli 2026 anschaut, reibt sich verwundert die Augen, wie aktuell die Karte stellenweise noch ist. Klar, Prag kennt man. Aber dieses fein gestaltete Kunstwerk mit einer vielleicht sogar noch digitalen Karte zu vergleichen, um Gemeinsamkeiten herauszufinden, ist ein Vergnügen, das man nicht allzu oft erleben kann.
Die Welt ist stets im Wandel. Eine Weisheit, die jedem einleuchten sollte. Gerade und besonders beim Betrachten dieser außergewöhnlichen Landkarten, die seit Jahrhunderten durch ihre Kunstfertigkeit Museumsbesucher verharren lässt. Und das ganz ohne Photoshop oder andere Bildbearbeitungs-Apps. Einfach so mit der Macht der Phantasie und dem Geschick geschulter Hände.
