Die Geschichte des Körpers

Auf dieses Buch kann man sich einlassen. Auf dieses Buch muss man sich einlassen. Dreißig kurze Stücke, die in ihrer Einzigartigkeit den Leser an den Rand des Fassbaren bringen werden. Monster bekommen hier den gleichen Raum wie Demenzkranke. Jeder ist das Produkt aus Erinnerungen und Sprache. Und Thomas Stangls Sprache ist weitreichend, laut und leise zugleich, durchdringend, aufwühlend…

Die Deutsche Schillerstiftung kam 2019 nicht herum ihm den Schillerpreis zu verleihen. Ebenso die Jury des Wortmeldungen-Preises. Der 23. Mai 2019 ist für Thomas Stangl ein doppelter Glückstag: Zum Einen erscheint sein neuestes Buch, dieses hier und zum Anderen bekommt er dafür auch gleich noch einen Preis. Besser geht’s nicht!

Das dürfte wohl auch so manchem Leser in den Sinn kommen, wenn er den sinnigen Texten folgt. Thomas Stangl gibt dem Leser den Freiraum Gedanken über und um die Heroen der Texte mit Leben zu füllen. Nicht, dass Thomas Stangl nicht schon getan hätte, nein, aber hier und da lässt er einen Krumen liegen, den der Leser aufpicken darf, um sich zu laben.

Jede Geschichte hat ihren eigenen Stil, ihren eigenen Reiz, ihre ganz eigene Wirkung. Mal verspielt wie ein Kleinkind, mal irrwitzig übermütig, in dem er die Erzähler im wilden Reigen sich abwechseln lässt.

Es macht Spaß Thomas Stangl zu folgen. Nicht immer man sofort bei den Gestalten, die auf den ersten Blick etwas völlig Normales, Alltägliches tun. Erst im Laufe der Zeilen kommt man ihrem Tun auf die Schliche. Auf den Leim geht man ihnen hingegen niemals.

Auf den ersten Blick wirkt „Die Geschichte des Körpers“ wir eine Sammlung kurzer Geschichten, die in keinem direkten Zusammenhang stehen. Erst am Ende des Buches – die reichlich einhundertzwanzig Seiten liest man trotz allem nicht „einfach mal schnell durch“ – wird das Ganze ersichtlich. Der Mensch sammelt in einem, seinem Körper sich und sein Wesen. Der Körper umschließt dies mit seiner Hülle. Thomas Stangl bricht diese Hülle auf, er kratzt an der Oberfläche bis das Innere hervorbricht ohne Wunden zu hinterlassen. Nur Erinnerungen bleiben zurück.