101 Wien

Wien mit Reiseband – ist das wirklich notwendig? An jeder Ecke ist doch irgendwas zu sehen, was sehenswert ist. Zur Not folgt man unauffällig irgendeiner Gruppe und man gelangt garantiert zur nächsten Attraktion. Mag sein. Aber dann sieht man nur irgendetwas und weiß nicht was und warum es so bedeutsam ist. Die Antwort auf die Frage lautet also: Ja!

Einer Autorin wie Sabine Becht kann man vertrauen. Zusammen mit Sven Talaron steigt sich nicht nur in die Tiefen der Stadt hinab, sie holt auch das ans Tageslicht, was man beim Hinterhertraben in der geführten Masse nur als sehenswertes Etwas wahrnimmt. Wien birgt die Gefahr in sich, dass man nach ein paar Tagen der Attraktionen müde wird. Es ist einfach zu viel. Bekommt man allerdings Hintergrundinfos an die bzw. in die Hand wird Wien wieder zum Sehnsuchtsort, den man sich erhofft hat.

Und wenn man die ersten Highlights der Stadt (Stephansdom, Kunsthistorisches oder Naturhistorisches Museum, Stadtpark, Bellevue …) als durchaus sehenswert, aber teilweise derart überlaufen, abgearbeitet hat, kann man sich der Wiener Küche zuwenden. Auch hier gilt es wieder Akzente zu setzen. Der Gaumen soll doch nach dem Urlaub nicht der einzige sein, der abgefrühstückt wurde, oder?! Ja, Figlmüller und seine Schnitzel sind weltberühmt, doch wer in der Hauptfiliale speisen möchte, muss erstmal anstehen. Und das nicht nur ein paar Minuten. Ebenso im Griechenbeisl, um die Ecke, dem ältesten Schnitzelrestaurant der Stadt. Ankommen, hinsetzen, genießen, zahlen und weiter geht’s – illusorisch, wenn man zu einer zivilen Zeit dem Magen was Gutes gönnen will. Die Autoren haben Alternativen zur Auswahl, die sich schon zu den etablierten Einkehrmöglichkeiten zählen dürfen.

Wer an Wien denkt, kommt an der zentralen Sammelstelle für Touristen nicht vorbei. Schloss Schönbrunn. Wer meint, dass die Wartezeit vor dem Figlmüller schon unmenschlich ist, der war noch nie in Schönbrunn. Ein riesiges Kassenhäuschen mit zahllosen Warteschlangen. Und ist man endlich im Schloss, geht’s im Gänsemarch durch die Gemächer derer von Habsburg. Schön ist anders! Aber die Anlagen um das Schloss sind sehenswert und wirkliche Erholung. Wer dem Ganzen aber noch die Krone aufsetzen will, fährt ein paar Haltestellen mit U-Bahn stadtauswärts in den Stadtteil Hietzing. Hier lebte Hans Moser, heute die Botschaft Aserbaidschans. Hier lebten Beethoven, Strauss, starb Liszt, und hier wirkte einer der größten Künstler Wiens, Österreichs, Europas, wenn nicht gar der Welt: Gustav Klimt. In einer kleinen Straße (nicht ganz so leicht zu finden, da nicht überall Hinweisschilder hängen) lebte und arbeitete er. Die kleine Villa beherbergt immer noch das Atelier des Künstlers, so als ob er vor seiner Siesta hier noch den einen oder anderen Pinselstrich getan hat.

Allen, die meinen, dass Wien mehr als nur einhundertundeinen Tipp zu bieten hat, sei versichert, dass sie recht haben und die im Buch angepriesenen einhundertundein Tipps Ausgangspunkte für weitaus mehr als hundert Tipps mehr sind. Auch wenn man nicht gezielt nach Höhepunkten der Donaumetropole sucht, empfiehlt es sich dieses Buch auf alle Fälle dabei zu haben. Wie soll man sonst das eine oder andere Highlight erkennen? Die Mischung macht’s: Das, was jeder sieht (was man schon zu kennen glaubt), gepaart mit dem, was man nur sieht, wenn man nicht nur vorwärts schaut, sondern auch links und rechts nach oben und unten schaut, in Verbindung mit naiver Neugier – die Autoren lassen jedem Wienbesucher den Freiraum Wien auf eigene Faust zu erkunden, stupsen ihn aber wieder an innezuhalten und sich umzuschauen. Der Lohn: Wien mit ganz anderen Augen sehen zu können!