Neapel sehen und … immer wieder zurückkommen, sich neu verlieben, das Kribbeln spüren. Maike Albath macht noch viel mehr. Sie saugt die Stadt auf, sie läuft sich von ihr aufsaugen. Sie trifft die, die schon lange nicht mehr da sind und die, die niemals von hier weggehen werden. Sie sieht Angst, aber auch die Hoffnung. Hoffnung worauf? Dass das Image der Stadt einmal ein anderes sein wird? Niemals! Der Charme der Stadt – ein von Teufeln bewohntes Paradies, wie Benedetto Croce sagte – baut auf den Anachronismus von Gut und Böse, von rau und sanft, von Verkommenheit und unendlicher Schönheit.
Wer einmal im Dezember-Nieselregen durch dunkle, enge Straßen ging, erlebt eine rohe Schönheit. Funktionalität stellen die Napoletaner selbst her. Und wenn man dann am Abend auf dem Bett liegt und den Tag Revue passieren lässt, wird einem bewusst, dass das Image der gefährlichen Stadt eben zu einem großen Teil ein Image ist. Ein Postkartenmotiv mit shabby chic. Und mit einer Seele, die keine Ruhe kennt.
Im Quartieri spagnoli ist der Fußball zuhause. Alle paar Ecken werden die Reviere mit Graffiti markiert. Jede Fanvereinigung (und es sind mehr als nu Fans vom SSC Napoli) schaut in seinem Abschnitt nach dem Rechten. Neuankömmlinge werden beobacht, gemustert und eingeschätzt. Nach ein paar Sichtungen weiß man hier aber auch Bescheid, wer wo und vielleicht auch wie lange in der Stadt weilen wird. Unangenehm ist es nur für denjenigen, der vor allem Fremden Angst hat. Alle Anderen werden willkommen geheißen.
Maike Albath schreitet über schwülstige Treppenaufgänge aber auch auf dem unebenen Pflaster der Stadt. Stimmengewirr versiegt nur bei Fußballspielen. Während der WM 2022 war es selbst am Markt an der Muro Maradona – einem Freiluftgelände, auf dem nur mit Devotionalien von Diego Armando Maradona gehandelt wird – muxmäuschenstill. Doch sofort nach Abpfiff kehrte das gewohnte Leben wieder zurück. Binnen Sekunden heulten Mopedmotoren, sprachen alle durcheinander, wurde jeder Spielzug noch einmal durchexerziert, war Napoli wieder Napoli. Der scudetto, die italienische Meisterschaft vom SSC wurde tagelang gefeiert. Kleinere und größere Betriebe waren tagelang geschlossen.
Mit Maike Albath eine italienische Stadt zu erkunden (sie war schon Reisebegleiterin in Rom, Turin und Palermo – ist eine Offenbarung. Durch Gassen, über Plätze, in Bars, auf offener Straße spricht sie mit Menschen, die Napoli ein Gesicht geben. Teuflisch gut – himmlisch verführerisch.