Archiv der Kategorie: Literally Britain

Es gibt keine Wiederkehr

Ein amerikanischer Pass, ein nicht ganz unbeträchtliches Bündel Ein-Pfund-Noten, Lippenstift – was „die Frau von Welt“ so bei sich hat. Desmond Thane staunt nicht schlecht, was er bei Anna in den Sachen findet. Ein amerikanischer Pass? War sie nicht Engländerin, wie er? Und dann noch einige Papiere in fremder Sprache. Und das ganze Geld. Sie wird es nicht mehr brauchen. Sie ist tot. Durch Desmonds eigene Hände Arbeit. Die bringen sonst nur wohlklingende Sätze auf Zeitungspapier. Jetzt hat er einen Menschen – einen geliebten Menschen? – umgebracht. Jetzt muss er Ruhe bewahren. Jetzt beginnt ein komplett neues Leben!

Das beginnt damit, dass er sich der Pistole entledigen muss, die Anna am Abend zuvor auf ihn richtete und die er an sich nahm. Das wäre geschafft.

An einem anderen Ort treffen sich Tags darauf die Herren A, B, C … bis G. Sie nehmen mit ernster Miene und besorgter Stirnfalte den Tod von Anna ins Sitzungsprotokoll auf. Mr. Foster trägt seinen Ermittlungsbericht vor. Er fand ein Telegramm in Anna Aschekasten. Sie wolle sich mit einem D.T. treffen. Foster weiß auch schon, das die Initialen zu einem Journalisten Desmond Thane gehören. Und er weiß erschreckend viel über diesen Thane – mehr als der Leser zu diesem Zeitpunkt. Verheiratet, geht viel in Nachtclubs – solches Zeug halt. Man beschließt Thane zu einer Befragung „einzuladen“, um sich gegebenenfalls später von ihm zu verabsch…, nein, das trifft es nicht ganz, sich seiner zu entledigen. Ja, so hat man es vor. Dem Vorschlag wird von den Herren B bis G zugestimmt.

Was wird hier eigentlich gespielt? Es ist Krieg. Die Nazis überziehen den Kontinent nicht nur mit Bombenteppichen, sondern sorgen für ein Klima des Misstrauens. An jeder Ecke Europas lauern Gefahren, Spione und Doppelagenten leben wir die Made im Speck. Thane hat sich mit Anna eingelassen. Sie ist attraktiv und weiß wie man einen Mann für sich einnimmt. Doch sie hat ein Geheimnis. Sie gehört zu einer Organisation, die im Hinter- vor allem aber im Untergrund agiert. Wofür, wogegen – das ist nicht ganz klar. Ist ja eine Geheimorganisation! Und Thane muss nun zusehen, dass er einerseits brav seine Arbeit verrichtet – die Miete zahlt sich nicht von allein. Und andererseits hat er ja nun ein neues Leben. Eines, in dem er sich permanent umsehen muss. Denn wer ihm folgt, verfolgt ein Ziel. Und das kann tödlich sein…

John Mair gelang mit seinem Erstling das Paradebeispiel für einen Politthriller. Der Erste überhaupt. Desmond Thane ist kein typischer Held, der in der einen Hand einen Cocktail hält, mit der anderen die Welt von den Schurken befreit und immer noch eine Hand freihat, um die holde Maid in eine strahlende Zukunft zu begleiten. Desmond Thane hängt in den Seilen. Er hat gut zu tun, ist aber bei Weitem kein journalistisches Trüffelschein, das einen Scoop nach dem anderen abliefert. Aber er hat Instinkte. Die helfen ihm die Situation – wenn auch reichlich spät – einschätzen zu können. Leider gab es nie eine Fortsetzung, John Mair überlebte einen Absturz seines Trainingsfluges nicht.

Am Rande der Glückseligkeit

Am Strand zu sein, bedeutet den ersten Schritt in die Unendlichkeit zu sehen. Ihn zu tun, ist eine andere Sache. Sich im warmen Weich des Sandes der Karibik die Alltagssorgen aus den Poren zu rubbeln, ist eine sehr nüchterne Sichtweise auf die Unverstellbarkeit der Gedanken.

Bettina Baltschev sieht den Strand als Ruheort, als Sehnsuchtsort, als Ort, an dem Dichter wie Arbeiter fliehen, um ganz und gar bei sich sein zu dürfen. Acht ausgewählte Strände fügt die Autorin zu einem Gesamtbild zusammen und verblüfft, was alles unter dem Begriff Strand an Gütern angespült wird.

Der Strand bildet immer den Übergang vom festen Boden unter den Füßen in eine wacklige, schwerer zu kontrollierende Position. Seien es die Betonburgen an der belgischen Nordseeküste, die den Blick automatisch gen Meer richten lassen, weil es in der entgegengesetzten Richtung nur Grau zu sehen gibt. Oder sei es der geschichtsträchtige Utah-Beach in der Normandie, der eine weitere Wende im Schicksal der Welt einleitete. Oder sei es der Strand von Lesbos, an dem immer so lange Geschichte geschrieben wird bis die erste Welt der dritten Welt die Würde zurückgibt. Zwischendrin verbuddelt Bettina Baltschev die wortintensiven Glücksmomente von Truman Capote bei seinem Ischia-Besuch. Zu einer Zeit als Deutsch als zweite Amtssprache auf der Insel durchaus eine Berechtigung hatte.

Wer bei dem Untertitel „Über den Strand“ leutselige, kitschverkrustete Geschichten von Lagerfeuer unter Palmen, bis zum Anschlag romantische Ausflüge im untergehenden Sonnenlicht erwartet, wird sich im Handumdrehen vom literarischen Ausflugsangebot der Texte eines Besseren belehren lassen. Englands Vorzeige Badeparadies Brighton wird als logische Schlussfolgerung des Dranges nach dem Meer, der Ferne und des Strandes in seiner Entwicklung so dargestellt, dass selbst hoffnungslose Romantiker gestehen müssen, dass auch dies eine Art Sehnsucht ist, die man mit Brighton ruhigen Gewissens verbinden kann.

Dass Hiddensee unbestritten nur auf eine Art zu sehen ist – als Künstlerkolonie, die schon sehr früh als erhaltenswert anerkannt wurde – wird in keiner Zeile des Kapitels über die Ostseeinsel angezweifelt. Wer den Strand sucht, findet unweigerlich den „Rand der Glückseligkeit“ – ob „in echt“ oder in diesem Buch sei dahingestellt. Beide führen zum Ziel.

Location Tour – Die schönsten Drehorte Europas

Das sieht ja aus wie im Film! Hat jeder schon mal erlebt. Ein Gebäude, einen Park, eine Szene. Hier muss es gewesen sein. Man lässt im Kopf einen Film ablaufen und sucht nach den Orten, wo der Hauptdarsteller diese eine entscheidende Szene zum Besten gab. Man will wissen, wo die Kamera stand. Viele Orte aus Filmen, die den Zuschauer in ihren Bann zogen sind verschwunden. Wie das zerstörte Wien aus „Der dritte Mann“ – zum Glück. Denn die Trümmer sind einer grandiosen Kulisse gewichen, die bis heute als Filmlocation dienen. Und wer genau hinsieht, erkennt die Tricks der Filmbranche. Denn die Stiftsgasse aus dem Film befindet sich gegenüber der Österreichischen Nationalbibliothek. Und das Haus in der Stiftsgasse ist einem Parkhaus gewichen.

Oft werden Locations, also Drehorte mehrmals benutzt. Das Schloss aus „Highlander“, Schloss Eilaen Donan Castle, diente später als MI-6-Hauptsitz und schon Jahre zuvor in „Der Freibeuter“ als Kulisse.

Schloss Moritzburg erlebt besonders als verschneite Winterlandschaft als Traumziel für alle, die von „Aschenbrödel“ nicht genug bekommen können. Und wer kann schon Schloss Sanssouci in Potsdam besuchen, ohne sich nicht umzusehen, wo Romy Schneider ihren (echten) Tränen freien Lauf ließ?

Wer Rom besucht und sich im Fontana-di-Trevi-Trubel durchaus wohl fühlt, sieht Anita Ekberg im Brunnen herumtollen. Auf der Spanischen Treppe – nur zehn Minuten zu Fuß entfernt – ein Eis essen ist in etwa so unterhaltsam wie „Ein Herz und eine Krone“ mit der unvergessenen Audrey Hepburn, die hier der Welt entrückt genüsslich ihr gelato schleckte. Sie kommt im Buch ein weiteres Mal vor, an ihrem Wohnort am Genfer See erinnert eine Büste an eine der zahlreichen Prominenten, die sich hier niederließen, Chaplin’s World ist nicht minder sehenswert.

Dieser ungewöhnliche Reiseband begeistert, da er zwar Bekanntes zeigt, durch die Fülle jedoch immer neue Reiseideen kreiert. Man kann in dem Buch nach Filmen suchen und die Drehorte finden. Oder man plant für die bereits gebuchte Reise einzelne Ausflüge an Orte, die man von der Leinwand oder aus dem Fernsehen kennt. Es sind Reisebände wie dieser, die eine Reise zu einem echten Erlebnis machen können. Einmal in diesem Buch geblättert und schon lodert die Flamme der Neugier. Von Malta bis Spanien, von Irland bis Kreta erlebt man so manches filmische Highlight noch einmal.

Die schönsten Landschaften unserer Erde

Um es gleich vorwegzunehmen: Bei so mancher Abbildung kommt man ins Zweifeln. Ist das echt? Gibt es das wirklich? Das kann doch nicht wahr sein, oder? Und die Antwort lautet stets: Ja, doch es ist so. Alles echt!

Wenn man aus dem Fenster schaut und das Grau des Alltags sieht, und dann ein wenig in diesem Prachtband herumblättert, kehrt im Handumdrehen die Hoffnung zurück. Mitten in der Namib-Wüste steht ein Kameldornbaum. Auf den ersten Blick denkt man an die letzten Stunden dieses Baumes. Die Wurzeln treten aus dem kargen Boden hervor, so als ob der Baum jeden Moment abzuheben droht. Keine Chance auf Wasser. Über ihm der sternenklare Himmel. Das, was wir so sorglos Zivilisation nennen, ist Lichtjahre entfernt. Und dennoch verströmt diese Ödnis eine Schönheit, die den Betrachter gefangen nimmt.

Wenn das Laub im Indian Summer das Auge vor die Herausforderung stellt, die Farben einzuordnen, sind kleine Details oft von Belang. Vor den Stämmen eines durch und durch grauen Waldes scheinen die roten Blätter eines Laubbaumes wie eine Verhöhnung der Tristesse.

Eine Luftaufnahme aus dem Muddus National Park in Schweden führt erst einmal in die Irre. Wolken, Wald, karges Gebirge. Bei genauerem Hinsehen realisiert man, dass der Berg vom Wasser umgeben ist, auf dessen glatter Oberfläche sich die Wolken am Himmel spiegeln.

Nur drei Beispiele für die Vielfalt der ausgewählten Bilder in diesem Buch. Jedes Bild, jede Seite, oft Doppelseite, ist eine Reise in die Schönheit der Natur. Nicht oft, sondern immer wird man daran erinnert, was es damit auf sich hat, wenn von der Schönheit von Mutter Natur die Rede ist. Und warum wir sie beschützen müssen.

Die Fotografen, die ihre best shots für dieses National Geographic Buch zur Verfügung gestellt haben, tragen immer noch ein Lächeln im Gesicht. Sie haben etwas gesehen, das viele nur aus diesem Buch kennen werden. Es sind nicht einfach nur Momente, die zum richtigen Zeitpunkt festgehalten wurden. Es sind Abbildungen vom oberen Ende der Einzigartigkeit in der Natur. Man fühlt sich privilegiert sich in diese Bilder hineinziehen zu lassen. Einmal um den Erdball und dabei nur das Beste vor die Augen zu bekommen. Oscar Wilde wäre es gerade gut genug gewesen. Man möchte nicht aufhören in diesem Buch zu blättern!

In 80 Pflanzen um die Welt

Da muss man erstmal drüber nachdenken, was man von so einem Buch erwarten soll. Länderspezifische Pflanzen. Was gibt es da alles? Einen Spaghettibaum in Italien? Das war mal ein Erster-April-Scherz im britischen Fernsehen. Auf die Artischocke kommt man erst bei sehr langem Nachdenken.

Die Mistel und Frankreich in Verbindung zu bringen, gelingt vor allem Asterix-Fans. Miraculix kraxelt in die Wipfeln der Bäume mit seiner kleinen Sichel, um die Zutaten für seinen Zaubertrank zu besorgen. Ist man erstmal im Nachdenkerausch, ist es auch nicht mehr so weit bis zum Kaffeestrauch in Äthiopien. So einen Strauch haben dann doch aber im Verhältnis zu den Kaffeegenießern Wenige gesehen. Und noch weniger weiß man, dass seine Blätter den Schatten bevorzugen. Die Früchte sind eine Delikatesse für Affen und Vögel. Heute kaum vorstellbar ist die Tatsache, dass vor rund vierhundert Jahren – inzwischen wusste man wie man aus der Frucht ein köstliches Getränk bereitet – Kaffee von der katholischen Kirche als Teufelsdroge verschrien war. Papst Clemens VIII. „opferte sich“ und probierte … und siehe da: Es war gut! Nix mehr Verteufelung!

Schon mal versucht eine üppig wachsende Agave von A nach B zu transportieren ohne sich dabei die Haut vielschichtig aufzureißen? Mexikaner können sicher darüber nur lachen. Denn dort ist diese Kakteenart heimisch. Und sicher weiß man auch wie man damit umgeht. Wahrscheinlich lässt man sie an Ort und Stelle und freut sich an ihrem Wachstum und dem überwältigenden Formenspiel.

Jonathan Dori lädt die Botanikfreunde ein sich mit ihm auf eine vergnügliche Reise durch die Flora der Welt zu machen. Ein Hauch Muskat in Indonesien. Vielleicht sogar an Fuchsschwanzblättern? Dazu müsste man aber über den Pazifik gen Osten reisen. Bis nach Peru. Denn dort gedeiht diese widerstandsfähige Prachtpflanze. Nicht nur hübsch anzusehen – mittlerweile auch in unseren Gefilden, Fuchsschwanz ist halt widerstands- und anpassungsfähig – sondern auch als Nutzpflanze einsetzbar.

Dieses Buch macht Appetit und schärft den Blick für die Pflanzen links rechts, über die man sonst eher im besten Fall den Blick nur streifen lässt. Die Abbildungen, diese wunderbar poetischen Zeichnungen von Lucille Clerc sind ein andauernder Frühlingskick, der niemals vergeht.

Der lebende Berg

Schon Hannibal Lector wusste, dass wir das am meisten begehren, was wir täglich sehen. So muss es auch Nan Shepherd ergangen sein. Sie sah Zeit ihres Lebens die Cairngorms vor sich. Diese Erhebungen im Nordosten Schottlands faszinierten sie. Sie reiste viel, von Norwegen bis Südafrika. Doch zu rück in der Heimat wusste sie, dass nur diese Berge ihr Glück bedeuten können.

In der Mitte der Vierzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts begann sie ihre Erlebnisse am, im und rund um die Cairngorms aufzuschreiben. Behielt sie aber drei Jahrzehnte in der Schublade. Nun sind sie in einer wunderbar gestalteten Neuauflage nachzulesen, zu bewundern und machen Lust auf Wandern. Auch diejenigen, denen das Auf und Ab nicht unbedingte Zuneigung abfordern, werden eingestehen, dass Nan Shepherds Worte Spuren hinterlassen.

Ihr Drang sich diesem Berg zu nähern, ihm seine Geheimnisse zu entlocken, ist atemberaubend. Kein Souvenirladen an den Hängen wird, kein Reiseguide wird mehr über diese Landschaft erzählen als die Englisch-Dozentin vom Aberdeen College of Education. Ob wolkenverhangene Gipfel, das glasklare Wasser, das duftende Moos, die gespenstischen Skelette der Bäume, die einzigartigen Aussichten … Nan Shepherd zieht mit ihren klaren Worten den Leser sofort in ihren Bann.

Man muss wirklich kein Wandervogel sein, um beim Blättern und Lesen ins Schwärmen zu geraten. So eindringlich wurde selten zuvor eine Landschaft beschrieben. Man will umgehend sich Wanderschuhe zulegen, die Koffer packen und auf ihren Spuren wandeln. Flora und Fauna kennt man ja bereits aus den zwölf Kapiteln. Und dennoch wird man sicher das eine oder andere entdecken, dass Nan Shepherd vors Auge kam. Denn die Region hat sich verändert.

Als sie zum ersten Mal das Gebirge erkundete, war sie fast allein. Als sie sich entschloss ihre Gedanken zu veröffentlichen, gab es Straßen, Hütten, zarte Anfänge einer Tourismuslogistik. Wie oft Nan Shepherd hier oben war, lässt sich nicht einwandfrei nachvollziehen. Es müssen Hunderte, wenn nicht Tausende Wanderungen gewesen sein. Wo andere ihren Namen ins Gehölz schnitzen, um Nachkommenden ihre Anwesenheit aufzudrängen, schweigt die Autorin. Sie wird das hinterlassen, was wirklich wichtig ist: Den Berg in all seinen Facetten. Sie isst, was ihren Weg kreuzt. Sie trinkt das frische Wasser, dass kaum ein paar Meter zuvor dem Berg entsprungen ist. Sie wandert trittsicher, wo andere ins Stocken kommen. Und sie berichtet so treffsicher wie Robin Hoods Pfeil im Ziel steckt. Ein Klassiker, der niemals seine Kraft verlieren wird!

Verteidigung des Unsinns, der Demut, des Schundromans und anderer mißachteter Dinge

Jede Medaille hat zwei Seiten. Das ist bekannt und wird allgemeinhin auch so hingenommen und akzeptiert. Gilbert Keith Chesterton, der mit Pater Brown eine der bekanntesten und zahlreich verfilmten Hobbyermittler schuf, hat seine eigene Sichtweise auf die Dinge, die so unermüdlich unser Leben beeinflussen. Und die wir oft genug gedankenlos hinnehmen.

Sechzehn Mal plädiert er unter anderem für Schundromane, Gerippe und Patriotismus. Eine gewagte Mischung! Doch es bleibt nicht einfach nur beim Versuch. Es gelingt ihm durch seine gewitzte Art und die Fähigkeit diese auch in Worte zu kleiden den Leser in seine Welt zu ent- und durch sie zu führen.

Bleiben wir beim Schundroman. Auf den ersten Blick hat der Begriff Schund keinen netten Hintergrund. Pulp fiction, ja, da springen alle auf, applaudieren für das, was sich auf der Leinwand abspielt. Doch der Schundroman ist pure Unterhaltung. Nichts Hochtrabendes, das einer Elite vorbehalten ist. Erst der Schundroman, das Profane, das ganz normale Leben, machen Literatur dem breiten Publikum zugängig. Und wer sagt denn, dass die breite Masse kein Recht auf Unterhaltung hat?

Ganz anders sieht es mit der Demut aus. Von Oben diktiert, ist sie durchaus diskutabel. Als freie Willensentscheidung und –bekundung ist sie Ausdruck von Individualität. Sie hat wie alles im Leben zwei Seiten. Oder ein Messer. Hat auch oft zwei Seiten, aber darum geht es nicht. Zum Einen kann ein Messer wortwörtlich und sinnbildlich Schaden anrichten. Dient es jedoch einen weitaus größeren Schmerz zu bekämpfen – Chesterton führt hier den Zahnschmerz an, den wirklich JEDER nachvollziehen kann – ist es durchaus ein brauchbares Werkzeug.

In Zeiten, in denen die Freiheit zur Dogmatisierung häufiger genutzt wird als je zuvor, ist ein Buch wie dieses eine echte Fundgrube. Ein hilfreiches Argumentationshelferlein und amüsantes Kompendium in Einem. Der nachgewiesene britische Humor, das umfassende Wissen inklusive der Fähigkeit dieses auch anzuwenden und der unvergleichliche Schreibstil von Gilbert Keith Chesterton erschweren dieses kleine Büchlein und machen es zu einem echten Schwergewicht unter den Mit-Auf-Den-Weg-Geben-Büchern.

Die Illustrationen von Egbert Herfurth adeln das Buch und adeln das ohnehin schon wertvolle Buch. Sechzehn Mal verteidigt der Autor die unterschiedlichsten Vorstellungen vom Dingen und Einstellungen. Dieses Buch muss man nicht verteidigen, man nimmt es auch nicht einfach nur hin. Man nimmt es aus dem Regal, liest, stellt es wieder zurück, nimmt es aus dem Regal, liest und so weiter.

Schwere Körperverletzung

Englands Norden ist nicht der Platz, in dem man sich niederlässt, um den Lebensabend in Saus und Braus zu verbringen. Aber als Versteck eignet sich dieser Platz zweifelsfrei. Besonders im England der 70er Jahre. Die Schornsteine rauchen noch ohne Ende und hüllen die nicht ohne Reiz durchaus ansehnliche Landschaft in dichten Qualm. Eine Metapher, die dem Roman, diesem Prototyp des brit noir, ausgezeichnet zu Gesicht steht.

Hierhin hat sich George Fowler zurückgezogen. Bis zum Lebensabend ist noch ein Stück zu gehen. Und außerdem läuft der Laden doch. Sein Geschäft ist das Filmgeschäft. Keine Screwball-Comedy á la „Carry on“, schon gar nicht ein Horror-Streifen aus den Hammer-Studios oder ein James-Bond-Streifen. Nein, er ist der Chef eines lukrativen Nischengewerbes. Die Filmchen seiner Firma sind, gelinde gesagt, delikat bis hin zu eindeutig anregend. Und das Geschäft ist einträglich. Bückware, Schmuddelgut – wie auch immer man es bezeichnet. Es ist verboten, deswegen ist es begehrt. Und vor allem ist der Erlös netto. Kaum Ausgaben. Dennoch schmerzt jedes Pfund, das man unfreiwillig abgibt. Und hier wird es interessant.

George Fowler weiß, dass seine Kassierer die eine oder andere Pfundnote ins eigene Wallet stecken. Das kann er nicht zulassen! Es ist sein business. Er trägt das Risiko. Wo kommen wir denn hin, wenn sich jeder einfach so bedient! Wenn er wüsste, dass bald schon die Eiserne Lady genau das legitimieren wird…

Die Daumenschrauben anzusetzen, ist kein Problem. Und der Chef selbst, also Fowler himself, dreht gern mal an der Stellschraube. Nicht bis kurz bevor Blut fließt. Nein, selbst, wenn der Lebenssaft aus dem Delinquenten herausschießt, sieht er immer noch eine Möglichkeit noch eine Runde zu drehen. Eine Runde an der Stellschraube, versteht sich. Momentan ist er also in der misslichen Lage sich entspannen zu dürfen. Besser ist es, denn die Schlinge ist schon um seinen Hals gelegt. Und bevor jemand ihm dem Hocker unter den Füßen wegtritt, macht er sich aus dem Staub. Bis die Wogen sich geglättet haben.

Doch die Ruhe dauert nur kurz. Selbst so ein gewissenloser Typ wie George Fowler hat ein Hirn, das in ihm arbeitet. Und so lichtet sich der Rauch der Vergangenheit vor der Kulisse der See. Er erinnert sich, wie es einmal war. Mit Jean, seiner Frau. Und dem treuen Mickey. Und er findet im winterlichen Seebad einen neuen Freund: Den Alkohol. Der hilft ihm so manches Mal auf die Sprünge, wirft ihn aus der Bahn und rettet ihn doch immer wieder. So sieht es zumindest George Fowler.

Ted Lewis treibt den Leser in die graue Halbwelt England in den 70ern. Die Lunte am Fass des Punk glimmt schon ein wenig, Maggie Thatcher wartet nur noch auf das Go, um der Gier den Weg zu pflastern. Seite um Seite steigt man hinab, trifft zwielichtige Gestalten, die Schweigen nicht als Image ansehen, sondern als Lebenseinstellung begreifen. Sein Held ist kein Held. Er ist roh und brutal, und doch will man ihm nicht beim Scheitern zusehen müssen. Doch als Gewinner will man ihn auch nicht sehen. Bleibt nur eine Lösung: Der Gewinner ist der Leser! Ja, gibt’s denn was Besseres?!

Highlights Schottland

Da, wo man sich wohlfühlt, lass Dich nieder. Böse Menschen haben keine schönen Bilder. Und wer diesen Bildband auch nur oberflächlich betrachtet – was man eh nicht tut, weil er zum Eintauchen einlädt – wird niemals mehr kariert aus der Wäsche schauen!

Schottland und Sehnsucht – diese Mixtur treibt viele an dieses Land einmal zu besuchen. Ein schier endloser Horizont, der auf dem Weg die gesamte Farbpalette präsentiert. Historische Bauten, die vor lauter Geschichte zu beben scheinen. Und ein einzigartiges Licht, das nur hier seine Wirkung entfalten kann.

Fünfzig Ziele sollen es sein, die in diesem Buch dem Leser ein inneres Beben der Sehnsucht hervorrufen werden. Die Ortsnamen sind gewöhnungsbedürftig. Glen Shiel – wo die Spanier untergingen (wenn man der Überschrift des Kapitels glaubt) – klingt da noch verhältnismäßig eingängig. Auch mit Mull of Kintyre kann man sich anfreunden, besonders wenn man ein Beatles-Fan ist und bei Paul McCartney immer noch ins Verzücken gerät. Und Whisky, ohne e vor dem Ypsilon – das wird den Amerikanern überlassen – gehört zu Schottland wie die Frage, was die Männer unterm Rock, pardon, Kilt, tragen. Um es vorweg zu nehmen, sie tragen … nein, auch in diesem Buch wird diese Frage nicht abschließend beantwortet. Es ist schließlich ein Bildband!

Und der hat es in sich. Schon auf den ersten Seiten, genauer gesagt auf Seite Elf schlägt die Stunde der Wahrheit. Denn Schottland ist nicht nur Glasgow, Edinburgh und ein paar Seen mit Bergen. Die ganze Karte ist übersät mit Highlights, die man gesehen haben muss. Und die natürlich in diesem Band vorgestellt werden.

Jedes einzelne Kapitel schottisiert den Leser mit jeder Zeile. Doch das Highlight sind die erstklassigen Abbildungen! Exakt gegärtnerte Landschaftsoasen, feierliche Zeremonien mit blankgeputzten Uniformen, perfekt ins rechte Licht gesetzte Burgen und Schlösser, aussagekräftige Detailaufnahmen … ach, man müsste jetzt in Schottland sein. Denkt man sich bei jedem Umblättern. In der Umgebung von Edinburgh, der Hauptstadt Schottlands, liegt Lothian. Hier beginnt für die meisten der Kampf mit der Sprache. Setzt man sich – fast schon typisch schottisch – darüber hinweg, wird man mit rauer Natur belohnt.

Weiter im Westen, in den westlichen Highlands und auf den Hybriden, kann das sogar noch getoppt werden. Alles ein bisschen noch rauer, wilder, ungestümer, sehnsuchtsvoller.

Petra Woebke und Peter Sahla wecken nicht nur die Reiselust auf Schottland, sie haben auch gleich das fiebersenkende Mittelchen parat. Jetzt liegt es an einem selbst. Den Kopf voller Bilder, Ideen en masse für den nächsten Urlaub. Fehlt nur noch die Reise…

Der Altar der Toten

Es gibt viele Möglichkeiten den Partner fürs Leben zu finden. Bei der Arbeit, in Bars und Clubs, ja sogar im Netz ist es gar nicht mehr so unmöglich das passende Gegenstück in sein Leben zu ziehen. Doch das, was Henry James beschreibt, ist selbst heute noch etwas Außergewöhnliches.

George Stransom kann man getrost als treue Seele bezeichnen. Noch immer huldigt er seiner großen Liebe Mary Antrim. Sie wurde ihm entrissen, bevor er sie festhalten konnte. Er hängt ihr nicht nach. Doch die Zuneigung ist im Laufe der (vielen, vielen) Jahre nicht geringer geworden. Sie war – wenn man es einmal nüchtern betrachten will – der Startschuss für eine als ungewöhnlich zu bezeichnende Leidenschaft. Er zählt die Toten seines Lebens. Nicht falsch verstehen: George Stransom ist kein Mörder! Nur hat sich im Laufe der Zeit eine beträchtliche Zahl von Dahingeschiedenen in seinem Herzen breitgemacht. Er verehrt sie alle. Keiner wird bevorzugt, keiner benachteiligt. Als er aus der Zeitung vom Tod seines langjährigen Freundes Acton Hague erfährt, gerät seine Welt wieder ins Wanken. Doch dieses Mal ist er nicht allein.

Denn auch eine Unbekannte scheint den Erinnerungen an Acton Hague nachzuhängen. Wer sie ist? Diese Frage drängt sich dem Trauernden Stransom gar nicht auf. Er ist fasziniert einen Seelenverwandten zu treffen. Jemanden, der sich genauso tief in Freundschaften versteifen kann wie er. Unversehens haben sich da zwei getroffen, die man auf den ersten Blick in ihrer Trauer lieber allein lassen möchte. Fast schon einem Kult gleich werden ihre Treffen zu einem Leichenschmaus, der nicht den Magen füllt, vielmehr ein delikates Mahl für die Sinne ist.

Das Festhalten an Altem, ohne der Zukunft im Weg zu stehen, verwebt Henry James zu einem zarten Vorhang aus durchlässiger Seide. Durchlässig für wahre Gefühle, schützend vor Wunden. Hier klagen zwei Menschen sich gegenseitig ihr Leid ohne dabei sich selbst aufzugeben. Vielmehr ist ihr Totenkult, den sie hegen und pflegen die Kraftquelle die sie weiterleben lässt. Todessehnsucht verspüren sie nicht. Schon gar nicht nachdem sie sich getroffen haben. Ihr Zusammensein bestärkt sie in dem, was sie tun, was sie ausmacht.

Mit umwerfender Empathie steigert sich Henry James in seine Charaktere hinein. Stransom und die Unbekannte kommen zusammen ohne sich wirklich näher zu kommen. Die Distanziertheit ist ihr Kitt, der sie zusammenhält.