Archiv der Kategorie: Links und rechts der Adria

Lesereise Venedig

Und da soll noch einmal jemand behaupten alles über Venedig zu wissen! Wer die Reportagen von Susanne Schaber liest, wird die Stadt am und im Wasser besser kennen als so mancher, der großmäulig daherkommt und einem erzählen will, dass Venedig nichts mehr zu erzählen hat.

Die Autorin sucht nicht krampfhaft nach ihren Geschichten, sie sind einfach da. Auch wenn es anfänglich wie ein Klischee klingt – Venedig und Gondeln – findet sie dennoch etwas, das man so noch nicht kennt. Wie die Geschichte von Piero Dri, die dieses Buch nicht nur eröffnet, sondern für den Leser ein Tor in eine andere Welt weit aufstößt. Piero Dri fertigt Gabeln für die Gondeln an. Er ist einer von nicht einmal einer Handvoll Handwerkern, der diese Kunst – und das ist es ohne Zweifel – noch beherrscht. Sein Großvater hat es ihm beigebracht. Eigentlich hat er in Padua Astronomie studiert. Doch die Sehnsucht nach seiner Stadt und der Drang seiner Stadt etwas zu bewahren, dass fast schon verloren zu sein schien, ließ ihn einen andere Weg einschlagen.

Nicht minder klischeebehaftet ist die Insel Murano. Glasbläserkunst – da ist sie wieder, die Kunst – auf höchstem Niveau. Zwei Schwestern sind die Perlenköniginnen von Murano. Auch wenn die asiatische Plagiatsindustrie ihnen immer zu schnell einen nur kleinen Schritt hinterher ist, geben die beiden nicht auf.

Das sind nur zwei Geschichten von dreizehn, die auf unverkennbare Art und Weise die Lesereise-Reihe so unverwechselbar machen. Im schmalen Format lassen sie keine Ausrede zu nicht doch einen Blick ins Buch zu werfen. Hat man es einmal in der Hand, kann man es nicht mehr aus selbiger geben. Es muss nicht das Cafè Florian an der Piazza San Marco sein, um sich als Bestandteil Venedigs zu fühlen. Auch Harry’s Bar – die Entstehungsgeschichte wird übrigens auch sehr anschaulich beschrieben – muss nicht zwingend auf dem Reiseplan stehen. Dieses Buch liest man mehrmals. Als Appetitanreger noch zuhause. Vor Ort, um in die Serenissima einzutauchen. Und immer wieder, wenn man zurück in den heimischen vier Wänden ist.

Albanien

Wer sich vorgenommen hat Albanien zu besuchen, reist per se schon mal gern auf eigene Faust. Und hat schon vorher ein wenig recherchiert. Das Baskenland beispielsweise ist genau so weit von Deutschland entfernt, aber allein schon Bilbao hat sicher mehr deutsche Besucher als das Land Albanien. Das ist kein Makel! Vielmehr ist es eine Chance ein Land zu besuchen, über das – bleiben wir doch gleich im Baskenland – vergleichsweise wenig bis gar nichts bekannt ist. Ein Abenteuerspielplatz gigantischen Ausmaßes!

Ralph-Raymond Braun macht Schluss mit der Planlosigkeit und zeigt in seinem fast fünfhundert Seiten starken Reiseband ein Land, das einmal als das Armenhaus Europas bezeichnet wurde. Portugal ging es einmal ähnlich, und heute gehört es zu den Top-Destinationen rund ums Mittelmeer. Wer also Albanien noch ursprünglich erleben will, muss sich sputen. Denn der so genannte Fortschritt macht schon lange nicht mehr Halt vor dem kleinen Balkanstaat.

Bereits vor über dreißig Jahren reiste Autor Ralph-Raymond Braun nach Albanien. Alles geführt, jede noch so kleine zufällige Begegnung folgte einem Plan. Jetzt kann jeder nach Albanien reisen. Jede Zufallsbekanntschaft ist auch eine solche. Und die ursprüngliche Natur ist ursprünglich, weil sie es eben ist. Das sollte man bedenken, wenn man es gewohnt ist jeden Tag ein frisches Stück Seife im Hotel vorzufinden. Albanien hat viel zu bieten – Abenteuer inkl.

Dieser Reiseband liest sich wie ein spannender Roman. Egal, ob man erfahrener Individualtourist mit Hang ausgeprägtem Entdeckergen oder Über-Stock-Und-Stein-Frischling. Mit selten dagewesener Energie und angenehmer Neugier schreibt Braun von unberührten Naturschutzgebieten, in denen man fast zu jeder Tages- und Nachtzeit Flora und Fauna bei der Erledigung ihrer alltäglichen Aufgaben beobachten kann. Er führt durch erhabene Gänge in abgeschiedenen Klostern und erzählt von Legenden, die bis heute von Mund zu Mund weitergegeben werden. Wer sich nicht allzu touristisch gibt, kommt in den Genuss einer unerschöpflichen Gastfreundschaft, die zu Tisch noch lange nicht zu Ende sein muss.

Entgegen anderen Destinationen ist in Albanien nicht die Hauptstadt Tirana der einzig sehenswerte Ort, den man gesehen haben muss, um das Land zu begreifen. Das alte Lissos, heute Lezha, liegt nur eine knappe Fahrstunde von Tirana entfernt. Wie überall im Land überkommt einem schnell das Gefühl, dass ein Eimer Farbe so mancher Fassade gut bekommen würde. Doch dann wäre alles wie immer. Sauber, rein, herausgeputzt, um einladend zu wirken. Der Charme des Landes liegt in der oberflächlichen Ungenügsamkeit. Das ist keineswegs negativ gemeint. Im Gegenteil. Wer Albanien besucht, sucht keine klinisch reinen Ecken. Charme entsteht erst durch Leben. Und Leben hinterlässt Spuren. Genau wie dieses Buch. Selbst wem nie in den Sinn gekommen wäre Albanien einen Besuch abzustatten, wird schon beim Durchblättern feststellen, dass Albanien – ob nur als Tagestourist (beispielsweise von der griechischen Insel Korfu aus) oder für länger mit Rucksack oder Hotelgast im gediegenen Ambiente oder Adventure-Junkie in wilden Gewässern oder oder oder – mehr als nur eine bloße Erwähnung in geselliger Runde nach dem Urlaub ist. Man sollte nur nicht den Fehler begehen, und dieses Buch nicht zu lesen.

Unterwegs in meinem Apulien

Es gibt viele Sehnsuchtsorte über die es sich lohnt zu berichten. Und zwar genauso viele wie es Touristen gibt. Ingeborg Gleichaufs Sehnsuchtsort heißt Apulien. Gleich mehrere Jahre hintereinander verbrachte sie vor über zwanzig Jahren jeweils gleich mehrere Wochen im Süden Italiens. Familienurlaub und somit noch um einiges wertvoller als andere Urlaubsarten. Vor einiger Zeit gab sie dann endlich ihrer Sehnsucht nach und bereiste Apulien noch einmal.

Was wird sich wohl verändert haben? Auf alle Fälle nicht die Art der Vorbereitung. Die wichtigsten Eckpunkte standen schon vor Reiseantritt fest. Doch nicht allzu sehr in die Tiefe gehend. Denn dann würde ihr nicht mehr viel Raum für Neues bleiben.

Wohlwollend nimmt der Leser zur Kenntnis, dass er hier keinen weiteren reiseband in den Händen hält. Ingeborg Gleichauf gibt zwar hin und wieder Tipps, wo man sich gern niederlassen könnte, um der köstlichen apulischen Küche zu frönen, doch nur mit diesem Buch im Gepäck Apulien zu erobern, wäre zutiefst frevelhaft.

Als Einstimmung nimmt die Autorin den Leser mit auf das Castel del Monte. Das achteckige Bollwerk, das dem Kopf Kaiser Friedrichs II. entsprang ist das gegensätzlichste Monument der Region. Ein Ort der Ruhe wegen der extrem dicken Mauern und zugleich ein Ort voller Lebendigkeit. Denn Kinder und Burgen – das kann nicht leise vonstattengehen. Zudem befindet man sich innerhalb eines echten Nationalmonumentes. Wer schon mal ein italienisches Ein-Cent-Stück in den Händen hielt, erkennt das Gemäuer sofort.

In einem Reiseband hat Ingeborg Gleichauf gelesen, dass Apulier nicht gerade offen auf Fremde zugehen. Zurückhaltung liegt ihnen näher als Offenherzigkeit. Pah, da kann sie nur drüber lachen (so auch über so manchen engstirnigen Deutschen, der dialektbeseelt am Morgen seine Brötchen kaufen will, köstlich). Vincenzo ist der lebende Beweis, dass das Vorurteil komplett falsch ist und wahrscheinlich einer einzigen, nicht repräsentativen Begebenheit zugrunde liegt. Kaum angekommen, fühlt sich Familie Gleichauf als Familienmitglied einer apulischen Gemeinschaft.

„Unterwegs in meinem Apulien“ hält, was es verspricht. Über einhundert Seiten höchstpersönlicher Eindrücke, die Essenz mehrerer Reisen in den Süden Italiens, dort, wo die Sonne erbarmungslos brennt, das Meer in kitschigem Blau erstrahlt und die Mahlzeiten auf den Tellern an Frische kaum zu überbieten sind. Als Reiselektüre immer wieder anregend und ein Erinnerungsstück nicht nur für die Autorin.

La cucina veneziana

Denkt man sich die Touristenmassen, den Schifffahrtswahnsinn und die zahlreichen Besucherfallen in der Lagunenstadt weg, bleibt die Essenz der Serenissima übrig. Und die wird am Mittagstisch oder beim Dinner deutlich: Vielfältig, delikat, schmackhaft und ein bisschen anders als in Mailand, Rom und Neapel. Schon früh erkannten die Stadtväter, insbesondere der Doge, dass die kulturelle Vielfalt einen Mehrwert in jeglicher Hinsicht darstellte. Deswegen erließen sie ein Gesetz, dass jeder zugeriesten Kultur es erlaubte eine Besonderheit ihrer angestammten Provenienz beizubehalten. Wie weitsichtig, bis in die heutige Zeit – nachahmenswert. Und so kommt es, dass auf venezianischen Tellern eben nicht nur Erzeugnisse aus der Region die Sinne erfreuen, sondern auch Exotisches in der Lagunenstadt als „Eigengewächs“ die Phantasie anregt. Gerd Wolfgang Sievers hat sich davon anstecken lassen. Er ist für die Lesedauer des Buches der wissende Connaisseur für den Leser, den Feinschmecker, den Besucher der Stadt.

„La cucina veneziana“ ist bei seinen Recherchen aber keineswegs ein reines Kochbuch geworden. Dieses Buch ist der kulturelle Rundumschlag zu Tische! Den Brückenschlag zwischen den Welten der Erde haben die Venezianer selbst gelegt. Als Großmacht des Mittelalters befuhren zahllose Schiffe die Meere und brachten aus aller Herren Ländern Gewürze, Pflanzen und Kräuter mit in Lagunenstadt. Der Autor hat die (mittlerweile wieder neu erworbenen) Erkenntnisse in diesem Buch zusammengefasst. Und so darf man von der Couch aus, vom Küchentisch aus, an Schneidebrett und Küchenmaschine Venedig aus der Ferne schon einmal vorentdecken. Denn eines steht fest: Wer nach dem Genuss dieses Buches und auch nur eines der darin beschriebenen Gerichte nicht sofort ans nördliche Ende der Adria will, darf sich nie wieder Genießer nennen!

Mit einem (oder gleich mehreren) Ciccheti beginnt die kulinarische Reise in die Stadt von Commissario Brunetti. Geröstete Scheiben Brot, die reich belegt den Mundraum mit Aromen erfüllen. Oder wie wäre es mit einem Insalata die Dogi? Mit Spargel, Garnelen und feinstem Olivenöl? Bevor Gerd Wolfgang Sievers das Rezept zum Besten gibt, verweist er den Leser auf die Schulbank. Doch kein erhobener Zeigefinger trübt die Aussicht auf ein leckeres Mahl, vielmehr ist es ein spannungsgeladener Ausflug in die Geschichte. Ein Appetitanreger, der primo piatti und secondi piatti sehnsüchtig herbeiruft. Die kommen in Gestalt von frittata di San Marco, Bigoli con salsa und natürlich risotto daher. Risotto alla sbirraglia, risotto de gò, risotto co le sécole etc. Und wenn man so richtig eingestiegen ist in die Kulinarik Venedigs verzaubern Bodoletti all muranese, Seppie col nero oder Tettine alla venexiana den immer noch appetitheischenden Gast. Auf dem heimweg schwärmt man immer noch von Fave die morti, Sprumiglie oder Baicoli.  Ein hartes Los, wenn man nur davon liest. Ein wenig abgemildert durch die ausführlichen Einleitungen des Autors zur Herkunft dieser Speisen. Heilung verspricht da nur eine Reise an die Kochtöpfe Venedigs. Adressen hat Gerd Wolfgang Sievers wohlwissend gleich beigefügt.

Es sind Bücher wie diese, die die Sehnsucht nach dem Süden schüren und sie zugleich zu bändigen wissen. Detailreich und mit jeder Silbe nachvollziehbar, bereichert der Autor die Faszination für eine Stadt, die jährliche das Zigfache ihrer Einwohnerzahl als Touristen ertragen muss. Nur wer sucht, wird das Venedig aus diesem Buch finden. Allerdings hat jeder Besucher nun dank dieses Buches die Möglichkeit dazu.

Grado abseits der Pfade

Städtetouren haben immer das Image, dass es bei oberflächlicher Betrachtung hektisch werden könnte. Straßenlärm, geschäftiges Markttreiben, eine lautstarke Glocke von Stimmenwirrwarr deckt die Passanten ein. Da wünscht man sich einen Ort ganz in der Nähe herbei, der ein wenig Kontrast, ein wenig Abwechslung bietet. Nun ist beispielsweise Triest sicher keine Stadt, in der man im Wust der Masse unterzugehen droht. Dennoch hat sie ein Kleinod „vor den Toren“, dass sich das Prädikat „besonders erholsam mit allen Sinnen“ redlich verdient. Die Rede ist von Grado.

Michael Dangl kennt die Sonneninsel, die auch gern die Goldinsel genannt wird, am äußersten Rand des Golfs von Venedig wie seine Westentasche. Und so plaudert er ein wenig über seine Sehnsucht. Keine zehntausend Einwohner, dafür voller Geschichten und reich an Hinguckern links und rechts der Pfade.

Eine Insel im Meer, eine Insel nah am Festland, eine Insel zum Verlieben. Wenn die Fischer ihren Fang anpreisen, wird die Straße der Fischer, die Via Dandolo, aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt. In der Bar Manzoni genießt man die Tramezzini wie sie traditioneller nicht sein könnten. Und das alles in Ruhe, ohne Straßenlärm. Denn Straßen gibt es hier nicht. Nur ein wenig weiter haben die Fischer des Ortes ihre Bar gefunden und plaudern bei dem einen oder anderen cubi, was anderswo als Weinschorle bekannt ist.

Klingt schon sehr nach Erholung und Ruhe. Im Buch ist es gerade mal das erste Kapitel, das man geschafft hat. Und es schafft neue Sehnsuchtsräume, die gefüllt werden wollen.

Es ist wahrhaft ein außergewöhnliche Reiseziel, diese Insel Grado.. Und Michael Dangl ist der passende Reiseleiter. Auch wenn seine Tipps auf den ersten Blick ungewöhnlich wirken mögen. Zum Beispiel empfiehlt er einen Nachmittagsspaziergang auf der Friedhofsinsel La cove bei großer Nachmittagshitze zu beginnen. Über die Brücke der Maulbeerbäume schlendert man über einen beruhigten und beruhigenden Ort. In der Nase mal schwächer, mal stärker der Duft von Oleander. Was wie ein Filmtitel klingt, begleitet einen den ganzen Tag.

Selten zuvor wurden Reiseimpressionen und Reiseband so eindrucksvoll wie hier zusammengeführt. Michael Dangl wandert nicht durch eine Stadt, die ihre Schätze offendarlegt, sondern legt die Juwelen einer Stadt frei, die erobert werden will. Kein leichtes Unterfangen, wenn man nicht weiß, wo anfangen und wo lang schreiten. Michael Dangls Buch schmeichelt allen Sinnen und führte jeden, der dieses Buch intensiv liest an Orte, die er ohne das Buch nie gefunden hätte.

Triest abseits der Pfade

Was erwartet man von einem perfekten Urlaub? Landschaft, die einem vom ersten Blick an fasziniert. Lukullische Grenzüberschreitungen. Kultur in ihrer gesamten Vielfalt. Geschichte zum Anfassen. Das findet man an so einigen Stellen auf dieser Erde.

Doch in Triest und Umgebung treten diese Wünsche besonders kraftvoll zu Tage. Das findet auch Wolfgang Salomon. Im Klappentext des Buches steht, dass er von Beruf Stimmungsvermittler ist. Und das beweist er mit diesem außergewöhnlichen Reiseband aufs Eindrücklichste.

Triest ist keine Megametropole, in der sich Millionen Vergnügungssüchtiger rund um die Uhr den ultimativen Nervenkitzel geben. Es ist eine ruhige Stadt. James Joyce wählte sie zu seinem Exil. Und wer genau aufpasst, sprich das Buch genau liest, findet auch Hinweise, die man sonst übersieht, auch weil sie in keinem anderen Reiseband erwähnt werden.

Ein Pfad ist laut Definition ein Fußweg ohne viele Abzweigungen. Klare Kanten gibt es nicht. Das Grün ist niedergetrampelt. Oder anders: Hier sind schon viele entlang und darüber gelaufen. Viele Besucher, viele Eindrücke, aber alle haben nun mal das Gleiche gesehen. Deckt sich das mit den Vorstellungen eines besonderen, einzigartigen Urlaubs? Wohl kaum, oder nur teilweise. Links und rechts ein bisschen schauen, das macht jeder. Doch abbiegen, weiterlaufen, schnuppern, schmecken, tasten, hören, sehen, fühlen – das ist nicht der Pfad der Tugend, es ist der Pfad abseits der Pfade.

Wolfgang Salomon macht gleich auf den ersten Seiten klar, dass es in seinem Buch nicht um die Befriedigung der Shoppoholics oder Adrenalinjunkies geht. Das Adrenalin schießt ganz automatisch in den Körper, wenn man auch nur ein wenig in diesem Buch herumblättert – so zwei, drei Wochen vor der Abreise die erwünschte Portion Sehnsucht mitten in die Venen gespült. Leckerer Schinken, bei alle Zutaten um die Ecke gedeihen. Und dann Ruhe. Viel Ruhe, um zu reifen. Jede Zeile ein Hochgenuss, den man bald selbst schon erleben darf. Inklusive Anfahrtsbeschreibung, die man zweispältig betrachtet. Auf der einen Seite möchte man so viele daran teilhaben lassen wie möglich. Auf der anderen Seite könnten die dann aber auch zusammen mit einem das alles erleben, was man doch so gern für sich allein beanspruchen möchte. Womöglich trinken die einem sogar noch den Prosecco mit sizilianischem Orangenzesten-Extrakt weg!

Bei aller Vorfreude auf die kommende Urlaubszeit darf man nicht vergessen, dass ein Urlaub erst dann richtig erholsam wird, wenn man den Alltag wirklich vergessen kann. Ganz im Gegenteil zu diesem Buch. Wer es vergisst (und vorher nicht alles auswendig gelernt hat), wird es bitter bereuen. Bei all der Fülle an Geheimtipps ist es schwer vorstellbar, dass das Tourismusbüro in Triest diese Fülle ebenso bieten kann. Karstgestein, das Flüsse verschluckt und wieder ausspuckt, ein gigantischer Steg in die Unendlichkeit und k.u.k.-Architektur ziehen jeden Besucher in ihren Bann. Sie sind überall und jederzeit verfügbar. Doch grenzenlose Gastfreundschaft, bereitwilliges In-Die-Töpfe-Schauen bietet nur ein Buch: Triest abseits der Pfade. Lesen und Nachmachen! Da macht die Urlaubsplanung mindestens genauso viel Spaß wie das Reisen.

Slowenien

Klein, kompakt, alles drin! Klingt wie eine Werbung für ein Auto. Ist aber die sehr komprimierte Zusammenfassung dieses Buches und des Landes Slowenien. Es ist doch immer wieder erstaunlich wie wenig man über das Bescheid weiß, was quasi vor der eigenen Haustür liegt. Gerade mal eine Stunde benötigt man günstigstenfalls, um in Slowenien anzukommen. Doch erst richtig in Slowenien angekommen ist man erst, wenn man Lore Marr-Biegers Reiseband über dieses überraschende Land gelesen hat.

Ja, dieser Reiseband ist ein Lesebuch. Eines, das Lust macht Slowenien auf Herz und Nieren zu prüfen. Kann man hier wirklich mit der ganzen Familie komplette Bedürfnispakete stillen?

Ohne Klischees zu bedienen verführt die Autorin den Leser in eine Welt, die gar nicht mal so weit weg ist. Ein bisschen Sport gefällig? Dann bleiben Sie zuhause. Slowenien bietet nicht einfach nur ein bisschen Sport. Alpines Skiwedeln, Kajakfahren, Radwandern und Mountainbiking, Schwimmen, Wandern … über Berg und Tal bewegt man sich von einer grandiosen Aussicht zur nächsten. Ohne dieses Buch wird’s allerdings schwierig die wirklich beeindruckenden Orte zu finden. Lore Marr-Bieger scheint Slowenien mit dem Auge und dem Herzen vermessen zu haben. Jeder Tipp ein Volltreffer.

Oder wie wäre es mit einem kulinarischen Ausflug. Sloweniens Küche ist reichhaltig. Frisch und deftig, gesund und leicht – wer einkehrt, wird übermannt von der Vielfalt des Angebotes. Und auch hier gilt wieder: Gut essen kann man fast überall. Aber wo man wirklich gut essen kann, weiß nur die Autorin.

Wer nur einen flüchtigen Blick auf die Landkarte wirft, vermisst vielleicht den Badeurlaub in Slowenien. Doch das nördlichste Land des ehemaligen Jugoslawiens besitzt tatsächlich einen Meereszugang. Nur ein paar Kilometer Strand, der gerade mal die klassische Marathonstrecke zulässt (die 42,195 km sind erst in der Neuzeit entstanden, klassisch waren es exakt 40 km), gilt es zu entdecken.

Und gleich dahinter wohl eines der interessantesten Gebirge der Welt. Selbst Jules Verne ließ hier schon einen seiner Helden (Mathias Sandorf) ein einzigartiges Abenteuer beginnen. Denn im Karstgebirge verschwindet schon mal ein Fluss, nur um dann Kilometer später wieder aufzutauchen.

Ein Land, eine Autorin, ein Reiseband – und der Urlaub kann beginnen. Siebzehn Wandertouren deuten nicht nur an, dass Slowenien förmlich auf seine Besucher wartet. Ein kleines Land mitten in Europa, das erkundet werden will. Mit enormen Rechercheaufwand und bildhafter Sprache wird dieser Reiseband zum unverzichtbaren Reisebegleiter, der zu jeder Tageszeit parat gehalten werden muss. Die gelb unterlegten Infokästen machen den Leser zum Experten Sloweniens. Geschichtliche Anekdoten, ausgeklügelte Tipps, detaillierte Karten und Wanderungen und Einkehrtipps sind das Salz in der Suppe, damit ein Slowenien-Urlaub noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Der Flügelschlag einer Möwe

Der Titel klingt auf den ersten Blick wie eine Liebesschnulze. Eine Möwenfeder fällt herab – auf Sie – in dem Moment als er ihr seine Liebe gestehen will – zärtlich fährt er durch ihr Haar… Nee, Patricia Brooks hat einen knallharten Krimi geschrieben. Das Verbrechen ist klar. Jemand wird ermordet. Jahrzehnte später wird bei Bauarbeiten ein Skelett gefunden. Und eine Clique aus Gymnasiumszeiten gerät ins Visier des Lesers.

Cold case nennt der Fachmann sowas. Ein Fall, der eigentlich schon zu den Akten gelegt wurde. Oft ungelöst. Irgendein Auslöser bringt die Behörden, einen Ermittler wieder dazu die Akten hervorzukramen und noch einmal von vorn zu beginnen.

Die Ermittlerin ist in diesem Fall Patricia Brooks. 1980 machen sich ein paar junge Leute nach der Matura auf den Weg nach Triest. Es soll ein letztes Mal sein, dass sie unbeschwert das Leben genießen. Denn schon bald beginnt der harte Arbeitsalltag oder das Studium. Eines Abends treffen sich alle in einer Disco. Tati geht an diesem Abend nicht gut. Sie beschließt die Partynacht abzubrechen und sich ins Bett zu legen. Auf dem Weg dorthin wird sie unfreiwillig Zeuge eines Mordes an einer Tankstelle. Der Mörder entdeckt sie und ergreift erschrocken die Flucht. Kurze Zeit später treffen Georg und Willi, die ebenfalls nicht mit in die Disco gegangen sind, an einer Tankstelle (!) ein, um zu tanken. Niemand da, nur ein Mann, der am Boden liegt. Regungslos! Und ein Päckchen. Willi schaut rein und entdeckt einen Batzen Geld. Heimlich versteckt er es unter seiner Jacke. Sagt Georg kein Sterbenswörtchen.

Jahre später – jedes Kapitel wird mit Ort und Jahreszahl eingeleitet – liest man von Rosanna. Sie durchlebt ein widerwärtiges Martyrium. Als Junkie ist sie ihrem Dealer gnadenlos verfallen und hilflos ausgeliefert. Er schlägt sie, vergewaltigt sie und quält sie unentwegt. Das hört erst auf, als er eines Tages nicht mehr nach Hause kommt. Denn er hatte noch einen Nebenjob. Als Erpresser, Geldbote und Mörder. Da lief wohl was schief, an diesem Abend an der Tankstelle. Rosannas Weg kennt von nun an nur noch eine Richtung: Vorwärts nach oben. In einem Sozialisierungsprogramm gibt man ihr eine Chance. Als ihr doch einmal der Kragen platzt, scheint alles vorbei zu sein, doch eine der Schwestern, die das kirchliche Projekt unterstützt, vermittelt sie nach Wien. Und hier scheinen wieder alle Fäden der besagten Nacht zusammenzulaufen…

Der so genannte Butterfly-Effekt besagt, dass es theoretisch möglich ist, dass unter bestimmten Umständen, kleine Veränderungen zu Beginn eines Ereignisses enorme Auswirkungen in der Zukunft haben können. Wir alle kennen das von Zeitreisen! Wäre Tati damals nur länger in der Disco geblieben, oder gar nicht erst mitgegangen, könnte sie heute ruhig schlafen. Und Willi wäre wahrscheinlich noch so erfolgreich mit seiner Firma. Er hätte allerdings auch nicht Rosanna kennengelernt. Erstes Newtonsches Gesetz: Aktion=Reaktion. Doch so weitreichend, spannend und nachvollziehbar wird es nur von Patricia Brooks beschrieben.

Triest – Entdeckung einer Stadt

Urlaub in bella Italia – einst der Traum der großen weiten Welt. Heute ein echtes Dilemma, wenn Rom schon mehrmals na mehr als einem Tag erobert wurde. Wenn Mailands Grazie schnödem Shoppingwahn gewichen ist. Wenn Venedigs Kanäle schon längst keine Geheimnisse bergen. Wenn Neapel selbst Angsthasen keine Angst mehr einjagt. Wenn Florenz‘ Kultur als gegeben hingenommen wird. Es muss aber unbedingt wieder Italien sein! Nun, wohin? Wie wäre es mit einer Stadt, deren Name, wenn man ihn falsch ausspricht, so gar nicht ins Bild passt? Triest .. ist überhaupt nicht trist!

Ulrike Rauh liebt Italien. Sie liebt die Städte und ihre Umgebung. Und sie kennt sie wie kaum eine andere. Rom, Venedig, Neapel, Mailand, Verona hat sie beschrieben, fast schon besungen. Nun ist Triest nicht mehr vor ihr sicher. Und auch nicht vor ihrer Neugier. Als Leser lacht man sich ins Fäustchen. „Endlich neues Italofutter für die Seele!“. Ja, so ist es. Auf über einhundert Seiten heißt es nicht „Bonjour tristesse“, sondern „Boungiorno bella Triest“.

Hand in Hand mit James Joyce, Italo Svevo oder auch Rainer Maria Rilke bleibt der Autorin aber auch gar nichts verborgen. Ein Mehrwert für alle, die sich sofort in dieses Buch samt Stadt verlieben werden, ist jeder einzelne detaillierte Spaziergang inklusive der exakten Bezeichnung. Jede Straße, jedes Gebäude wirkt genau benannt und markiert, so dass man eigentlich schon gar nicht mehr nach Triest fahren müsste. Oder genau deswegen unbedingt besuchen muss. Letzteres trifft natürlich zu.

Es ist eine Wohltat mit Ulrike Rauh und ihrer unbändigen Affinität zu Fakten und ihrer leisen Erzählweise diese Stadt im Veneto zu erkunden. Auch wenn es hier Bestrebungen eines eigenen Staates gibt, kann hier der Multi-Kulti-Gedanke nicht vom Tisch gefegt werden. Slowenien in Spuckweite. Das Meer vor der eigenen Haustür. Kroatien zum Greifen nah. Italien auf der Zunge. Und Österreich im Herzen. Denn noch vor einem Jahrhundert waren Kaffeehäuser verbreiteter als Osterien, Triest ein fester royaler Bestandteil der Habsburger Monarchie, den man bis heute sieht und besichtigen kann.

Ulrike Rauh vermeidet es wohltuend explizite Tipps zu geben (das ganze Buch ist ein einziger (Geheim-) Tipp). Vielmehr schlendert sie wachen Auges und offenen Ohres durch eine Stadt, die man nicht sofort mit Italien-Urlaubs-Idylle in Verbindung bringt. Das Vorurteil „wenn wir schon mal hier sind, dann nur Venedig“ widerlegt sie mit einem Handstreich ohne dabei die Lagunenstadt in den Schlamm zu ziehen. Die Serenissima hat ihre Reize, Triest aber auch.

Als willkommene Zugabe zu einem aussagekräftigen Reiseband über Triest oder Friaul-Julisch Venetien ist „Triest – Entdeckung einer Stadt“ mehr als nur das Kopfnicken, weil Titel und Inhalt zu hundert Prozent übereinstimmen. Es ist der Aperitif, primo und secondo piatto und eine ordentliche Portion dolce… vita. Ja, lebendig ist die Stadt an der Adria, die sich auch hervorragend eignet, um Europa kennenzulernen. Nicht nur kulinarisch…

Atlas der Antike

Atlas der Antike

Ein Atlas ist ein Kartenwerk. Und Karten weisen den Weg. Beziehungsweise, sie wiesen den Weg. Heute benutzt ja kaum noch jemand (aus-)gedruckte Karten. Doch der Name Karte oder der Begriff Atlas sind noch gängige Begriffe. Und so ist der Titel „Atlas der Antike“ nicht zufällig gewählt. Zweieinhalbtausend Jahre Geschichte auf einhundertsechzig Seiten – da kommt schon einiges zusammen. Schon bei der Einordnung, was Antike eigentlich ist, welchen Zeitraum sie einnimmt, kommt so mancher, der im Geschichtsunterricht lieber den Fußboden betrachtete als dem Tafelbild zu folgen, ins Schwitzen. Ist halt verdammt lang her!

Holger Sonnabend ist allerdings ein Lehrer, schließlich ist er Prof. Dr., den man folgen sollte. Und dem man vor allem folgen kann. Zum Beispiel die Etrusker. Hat man schon mal gehört, Etrusker. Die wohnten doch in … ja, genau, Italien. Dort, wo heute die Toskana-Fraktion die schönste Zeit des Jahres verbringt. Die Etrusker sind so geheimnisvoll, dass ihre Erbe bis heute ungelöste Rätsel aufgibt. Sie hatten eine Schrift, die der Griechischen ähnelte. Aber entziffern kann man sie bis heute nicht vollständig. Sie waren ein hochentwickeltes und kulturell bedeutendes Volk. Sie schmiedeten Allianzen und wurden wieder aus diesen hinausgekämpft. Sie waren die Vorgänger der Römer. Und auf deren Prinzipien beruht heute das Zusammenleben der Welt.

Die Reise geht weiter über die Beziehungen der Griechen und Perser. Wenn man sich die heutige Welt betrachtet, ist der Kampf immer noch im Gange. Wenn auch mit einer anderen Sichtweise – Persien / Iran gilt als einer der einträglichsten Märkte weltweit und Griechenland … naja, wer dort investiert, ist verdammt risikoreich. Alexander der Große, die Römer, Monarchien und Sklavenhaltergesellschaft – die Reise geht quer durch die Geschichte. Immer mit Rückfahrticket.

Anschauliche Übersichtskarten geben dem Leser einen eindrucksvollen Einblick in den Aufbau von Ländern und Städten. Zahlreiche Abbildungen von Gemälden, Stichen und Reliefs veranschaulichen exakt die Beschreibungen der Zeit.

Was dieses Buch so einzigartig, so benutzenswert macht, ist, dass es nicht wie ein Lexikon immer brav der Zeitlinie folgt, sondern, dass einzelne Wissenschaftsgebiete einzeln beleuchtet werden. Fachgebiete wie Politik, Kultur und Medizin ergeben für den Leser ein Komplettbild dessen, was uns in der Schule oft zu langweilen begann. Der Autor schafft es mit einfachen Worten die Begeisterung, die einst unsere Lehrer dazu bewegten Geschichte zu lehren im Leser zu wecken. Wichtige Ereignisse werden in farbigen Kästen hervorgehoben, ohne dabei die Haupttexte in den Hintergrund zu rücken. Ein echter Wegweiser durch die Jahrtausende!