Archiv der Kategorie: Bildgewaltig

Landlust Kalender 2022

Nun sind wir alle durch die Pandemie zu einem anderen – neuen – Lebensstil bzw. –ablauf gezwungen worden. Viele lernten sich einmal mit sich selbst zu beschäftigen und auseinanderzusetzen. Andere suchten und fanden neue Hobbies. Ein nicht geringer Teil nutzte die gewonnene Zeit sich auf die eigenen Wurzeln zurückzubesinnen, das Einfache schätzen zu lernen. Der optische Reiz, den man täglich kaum noch wahrnahm, verstärkte sich erst wieder als der Aktionsradius sich langsam wieder ausdehnte.

Das Jahr 2022 wird hoffentlich das Jahr, in dem der Aktionsradius wieder Ausmaße annehmen wird, die uns allen als „normal“ erscheinen. Als kleiner Appetitanreger kann man sich jetzt schon auf den 1. Januar 2022 freuen. Die Völlerei liegt hinter uns, das aufregende Jahr noch genauso lange vor uns. Dann darf man wieder tief einatmen und vor allem stark auspusten. Das entspannt. Und man darf sich auf das freuen, was es (wieder) zu entdecken gibt. Die ersten zarten Triebe an Bäumen und Sträuchern. Eisgebilde an Ästen und Zweigen. Zerbrechliche Blüten an zierlichen Pflanzen. Es wird zeit sich die Natur zurückzuerobern, sie sich in die eigenen vier Wände zu holen. Und in freier Wildbahn der Fauna fröhlich zuzuwinken. Wenn im späten Frühjahr, im frühen Sommer die Blüten überbordend ihren Farbspeicher leeren und knallbunt die Sinne erfreuen, ist es bald schon soweit, dass der Herbst mit der Kraft der letzten Sonnenstrahlen sich gegen die einbrechende Kühle mit Vielfalt entgegenstemmt. Das Winterfell wird rausgekramt. Mutter Natur hüllt sich ein ums andere Mal in wohlige Formen. Sieht so das Jahr 2022 aus?

Ja! Und dieser Kalender beweist jeden Monat aufs Neue.

Das großformatige Wandgemälde in zwölf Variationen lässt keinen Zweifel offen, dass Großes bevorsteht. Im Wechsel der Jahreszeiten verschönert der Kalender den Raum, beflügelt die Phantasie, erfreut das Auge, macht Lust auf Land und Leute. Egal wo. Egal wann. Hauptsache endlich wieder Lust!

Lost & Dark Places Berlin

Eine Brotfabrik, ein Funkhaus und ein legendärer Flughafen – komm, lass uns Urlaub machen! Die in diesem Buch vorgestellten Ausflugsziele stehen nicht auf allzu vielen Wunschzetteln für einen erholsamen Urlaub. Was aber auf alle Fälle feststeht, ist, dass diese Expeditionen jedem Hobbyforscher einen Denkzettel verpassen. Corinna Urbach und Christine Volpert haben dreiunddreißig Orte in und um Berlin gefunden, die ihr Leben gelebt haben, die mittlerweile nicht nur sprichwörtlich ihr Dasein im Schatten fristen. Lost places, dark places nennt man solche verlassenen Orte, die ihre Pracht, ihren Sinn im Laufe der Jahre verloren haben. Hier gilt es Vorsicht walten zu lassen. Hier benimmt man sich wie es sich gehört: Achtsamkeit und Ehrfurcht vor der Geschichte stehen an oberster Stelle. Dafür wird man aber auch außergewöhnlich belohnt.

Der Zahn der Zeit, das Vergessen, der Unwillen zur Erhaltung oder ungeklärte Besitzverhältnisse haben so manchem Ort ein Schicksal in den eigenen Mauern beschieden. Oft sind diese Orte abgesperrt, weil die Holzböden morsch sind, die Statik nicht mehr überprüft wird und somit akute Einsturzgefahr besteht.

Auf der anderen Seite gibt es Orte, die eine dunkle Vergangenheit haben und nun als Mahnmal, niemals zu vergessender Ort der Nachwelt ihre Geschichte erzählen. So wie das Geheimobjekt 05/206. Klingt erstmal nicht besonders spektakulär. Doch der nichtssagende Name in Märkisch Oderland ist nicht mehr und nicht weniger als der Atombunker, der im Ernstfall einmal als Organisations- und Rechenzentrum für die Nationale Volksarmee hätte dienen sollen. Von außen eher unscheinbar, so sollte es ja auch sein, von innen immer noch in erstaunlich gutem Zustand. So dass heutzutage eineinhalbstündige Führungen stattfinden.

Die NS-Zeit ist zum Glück vorüber, die Folgen sind bis heute sichtbar. Aber nicht alles ist noch zu besichtigen. Dank dieses Buches und den darin enthaltenen Abbildungen kann man allerdings einen Blick darauf werfen. So wie in die Siedlung der SS-Leitung des KZ Ravensbrück. Nach dem Krieg eroberten die Sowjets das Gebiet und machten sich bis zu ihrem Abzug Anfang der 90er Jahre sich hier breit. Seit rund einem Jahrzehnt kann man in einzelnen Gebäuden wieder Ausstellungen zur besonderen Geschichte besichtigen.

Auf eigene Faust in abbruchreife Häuser einsteigen, ist ein wahrlich gruseliges Abenteuer. Sollte man unterlassen, da man sich mindestens des Landfriedensbruchs strafbar machen kann. Wer sich dabei die Taschen füllt, ist ein Dieb. Ganz davon abgesehen, dass man sich selbst in Gefahr bringt. Die beiden Autorinnen stellen Orte vor, die Geschichte machten, die man besichtigen darf, aber auch Orte, die der Öffentlichkeit verschlossen bleiben. Nichts desto trotz machen diese Orte Lust auf erlebbare Geschichte. Und dort, wo man nicht rein darf, ist dieses Buch mehr als ein Trostpflaster. Was immer noch besser ist als ein echtes Pflaster auf blutigem Körper…

100 Highlights Jakobswege in Spanien und Portugal

Die Berichte über den Jakobsweg haben sich in den vergangenen Jahren erheblich verändert. War anfangs „nur“ von dem Jakobsweg die Rede, hat man sich mittlerweile eines Besseren belehrt und spricht – was der Wahrheit entspricht von den Jakobswegen. Wobei keineswegs ein Nachmittagsbummel durch die Gemeinde mit einem Abstecher in den Jakobsweg gemeint ist.

Dieses Buch verdient im Berg der Bücher über den Weg der Wege eine besondere Erwähnung. Zum Einen geht es um den einen Weg nach Santiago de Compostela und wie man über die klassische Route von Frankreich aus kommend in Spanien, die Traumroute am Meer, den ältesten Weg oder die Pfade in Portugal wandert. Zum Anderen besticht dieses Buch durch die eindrücklichen Bilder und verführt durch die appetitanregenden Zeilen von Grit Schwarzenburg und Stefanie Bisping. Stefanie Bisping ist Reiseberichtlesern wohl bekannt. Bei der Wahl zur Reisejournalistin des Jahres landet sie regelmäßig in den Top Ten, 2020 als Gewinnerin, im Jahr darauf auf dem zweiten Platz. Von der Antarktis bis Rio, von den Virgin Islands bis Australien, von Russland bis Bali ist ihr keine Destination fremd. Sie macht ihr Reiseziele und –routen zur ihrer Sache.

Einhundert Mal machen die beiden Halt. Einhundert Mal machen die beiden ihrem Erstaunen mit unvergleichlicher Empathie Luft und dem Leser Lust. Einhundert Mal Rührung, Staunen, (Be-) Wundern, Innehalten, Schwelgen, sich lukullischen Genüssen hingeben. Jedem einzelnen der beschriebenen einhundert Orte entlocken sie seinen eigenen ganz besonderen Reiz. Es wird nicht langweilig beim Durchblättern und Lesen in diesem Prachtband.

Ob nun das einst arg gebeutelte Guernica, eine Flasche asturischer Apfelmost in Sidreria, das niemals alternde Salamanca oder Federvieh wohin man schaut, wenn man sich in Barcelos umschaut (kein Schreibfehler, es ist nicht Barcelona gemeint).

Wer hier wandert, weil es andere vor einem ja auch geschafft haben, und weil es momentan irgendwie trendy ist hier zu wandern, kommt Seite für Seite zu der Erkenntnis, dass man sehr wohl hier wandern kann, weil es andere auch tun. Gleichermaßen muss man sich eingestehen, dass der Antrieb dies zu tun ein Irrweg ist. Hier wandert man, um mit allen Sinnen zu genießen. Und so erlebt man auch dieses Buch. Mit unstillbarer Vorfreude blättert man hoffnungsvoll durch die Seiten und man weiß, dass da schon das nächste Abenteuer wartet.

Kalender 2022 Wildwuchs

Das schönste Unkraut ist das, was man nicht als solches erkennt. Wo Gärtner sich die Haare raufen, erkennt der Genießer die Schönheit der Natur. Disteln gehören nicht zu den Freunden im eigenen Planquadrat des Wochenendglücks, doch wenn man sie – aus sicherer Entfernung – in all ihrer Pracht betrachten kann, kann man sich ihnen nicht entziehen.

Wildwuchs das ganze Jahr über. Von Lauch über Schlüsselblumen bis zu Ochsenzungen (ja, das ist ein Pflanze und keine unerwartete Liebesbezeugung eines Tieres, dem man zu nahe gekommen ist) begleiten den naturliebenden Betrachter durch gesamte Jahr. Jeder Monat hält ein üppiges Füllhorn an Simsenlilien, Herbstzeitlosen und Pfeifenwurzgewächsen parat. Schon beim Lesen der Namen kommen Erinnerungen hoch an das, was die Oma noch wusste. Die Natur ist ihr bester Repräsentant. Sie braucht keinen überflüssigen Schnickschnack, um den Betrachter zu gefallen. Sie ist sich selbst genug.

Die nostalgischen Abbildungen auf dem Graspapier unterstreichen den gemütlichen Charakter, den dieser Kalender Monat für Monat verströmt. Und man lernt sogar noch was dabei. Nicht nur, dass sie allesamt im Mai abgebildet sind, sie gehören zu einer Familie: Vielblütiger Weißwurz, Quirlblättriger Weißwurz, Maiglöckchen (ah jetzt klingelt’s) und Echtes Salomonssiegel. Jeder Pinselstrich ist gewollt und lädt zur Schnitzeljagd auf das nächste Detail ein.

Diese Illustrationen verschönern jede Wand, an der sie zum Verweilen einladen. Die Größe der Abbildungen verstärkt die Wirkung der Pflanzen, die man sonst mühevoll suchen muss. Von Gewürzen wie Thymian und Oregano (wer hat das schon mal in „freier Wildbahn gesehen“? – die wachsen nicht im Glas mit Dosierhilfe!) über Sanddorn bis hin zu den giftigen Pflanzen wie Tollkirsche und Stechapfel bietet die botanischen Illustrationen ein Potpourri, das man sich gern und lange anschaut. Ein echter Appetitanreger!

Kalender 2022 Kulinarische Plakate GenussKunst

Wie oft benutzt die euphemistischen, übertriebenen, oft auch falschen Aussagen aus der Werbung?! Wenn man ein „Ich tu doch schon mein bestes“ zu hören bekommt, kontert man mit einem „Mühe allein genügt nicht“. Oder wenn von einem selbst drei Sachen auf einmal verlangt werden, fühlt man sich wie ein Überraschungsei. Und wer will schon „gleich in die Luft gehen“? Erkannt, um welche Spots es sich handelt?

Werbung war schon immer ein probates Mittel eigene Produkte in einem besonders schimmernden Licht erscheinen lassen zu können. Es gab eine Zeit, in der die Macher der gedruckten Werbung – weit vor Radio und Fernsehen, und noch viel eher als das Internet uns permanent mit schlecht gestalteten Slogans penetrierten – echte Künstler waren. Lyonel Feininger zum Beispiel begann seien beeindruckende Karriere als Werbegrafiker.

Der Kalender „GenussKunst“ macht dem im Jahr 2022 ein Ende. Stilvolle Werbung, deren künstlerische Gestaltung vielleicht nicht zum Kauf des einen oder anderen Produktes animiert, dem Betrachter jedoch die „gute alte Zeit“ zurückholen wird.

Das Jahr beginnt süß. Pudding ist die Belohnung für harte Arbeit oder braves Benehmen. Je nach Alter des zu Beglückenden. Man fühlt sich wie ein König, genießt man die Desserts von La Favorite. Die Firma gibt es so nicht mehr, deswegen kann hier beruhigt der Name genannt werden. Die Werbung hingegen bringt es gekonnt auf den Punkt. Ein Pudding von dieser Firma und dem Tag wird die Krone aufgesetzt.

Und so verstreicht kein Monat, in dem einen nicht der Mund wässrig gemacht wird. Von Zitronenlimonade aus England über Yoghurt (mit Y!) aus der Schweiz bis hin zu Olivenöl aus dem Süden Frankreichs. Man kann nicht anders als hinzusehen. Je näher man den Abbildungen kommt, desto mehr Details erkennt man. Die provenzalische Tracht der wenig marktschreierischen Anpreiserin, die harte Arbeit der Weinbauern, die sich in ihrer Körperhaltung widerspiegelt oder die unbändige Lust, die einen überkommt beim Genuss eines Tellers Spaghetti. Skurrile Gestalten lassen einen den strengen Geruch des Dargebotenen vergessen. Und wenn Schwein und Stöhr ein Glas umarmen, muss man schon genauer hinsehen, um die Hintergründe zu erforschen. Gar nicht so einfach, denn die kyrillischen Buchstaben sind nicht jedem geläufig.

Dass Werbung nicht nur störend sein kann, sondern durchaus die Sinne anregt, zeigt dieser Kalender ein Dutzend Mal. Sich die Zeit nehmen und die Tafeln sich aus der Distanz, dann wieder von Nahem anzusehen, lohnt sich wirklich. Man muss ja nicht gleich losrennen und Käse, Kakao und Würzmischungen kaufen…

Vogel Kalender 2022

Die Vögel sind schon da – dass wusste schon die Oma in Kindertagen so nachdrücklich darzubringen. Und nun ist es auch der nostalgische Kalender aus dem Jan Thorbecke Verlag. Schon seit Jahren beeindrucken diese Kalender durch ihre stilsichere Erscheinung ein ganzes Jahr lang. Woche für Woche taucht ein neues Bild an der Wand auf, das den Blick auf die Wochentage vergessen lässt.

Das beginnt schon kurz nach Weihnachten. Drei Merline sitzen auf einem Baum. Sie verzaubern – das Wortspiel musste sein – durch feine Pinselstriche, die das Federkleid so lebensecht aussehen lassen, dass man die Greifer fast schon füttern möchte. Im kurzen Text neben der Abbildung erfährt man, dass die kleinen Verwandten des Falken in Skandinavien zuhause sind und im Winter oft bis ans Mittelmeer fliegen. Ihre Beute ergreifen sie in der Luft, meist kleinere Vögel.

Im Laufe des Jahres lernt man auf diese äußerst beschauliche Weise Sperber, Tannenhäher, Schafstelze und Wiesenpieper kennen. Alle in ihrer natürlichen Umgebung, alle aus historischen Zeichnungen entlehnt. Groß, klein, bunt, unscheinbares Gefieder, mit und ohne Beute im Schnabel, mal scheinbar posierend, mal im natürlichen Habitat – ein abwechslungsreicher Fortgang des Jahres, der den Genießer erfreut und Kunstfreunde verwöhnt.

Jede Woche pfeift man vor Erstaunen wie vielseitig und kunstvoll Mutter Natur ihr Werk vollbringt.

Die kleine Elster Elsa – Viktor in Not!

Wo geht eine Elster planschen? Natürlich im Schatzsee! Nachdem es tagelang wie aus Kübeln geschüttet hat, sind die Wissen feucht und der See übervoll. Und vor allem ist es glatt! Das muss man doch ausnutzen und herrlich auf den Blättern den Hügel hinuntersausen … und ab in den See. Was’n Spaß!

Zusammen mit Viktor, Elsas Elsterfreund macht das natürlich noch mehr Spaß. Die anderen Bewohner, der Wiese, die sich hier versammelt haben und dem Treiben mit weit aufgerissenen Augen – so köstlich illustriert von Marion Schickert – folgen, bleibt nur eine Wahl: Mitmachen!

Beim Lesen hört mal förmlich die ausgelassene Stimmung rund um den Schatzsee. Doch, oh weh! Viktor gerät ins Straucheln. Statt im kühlen Nass sanft zu landen, kracht er auf die Wiese. Autsch! Das tut weh! Seinen Flügel kann er erstmal nicht benutzen. Ziemlich blöd, wenn man sich mit Flügeln fortbewegen will und muss. Man müsste ihn schienen. Aber wie? Und wie soll der Stock an dem lahmen Flügel halten? Die Ringelnatter erkennt den Haken an der Hilfsaktion sofort.

Alle Tiere sind natürlich bestürzt. Die kleine Spinne hat die rettende Idee. Denn sie kann was, was die Anderen nicht können. Sie kann den Stock an Viktors Flügel mit einem Spinnennetz befestigen. So ein Spinnennetz klebt nämlich. Gesagt, getan.

Das zweite Abenteuer von Elsa ist dramatisch. Das kennen auch wie Menschen. Ein kleines Aua, ist nicht minder schlimm als ein Großes. Umso größer die Freude, wenn jemand da ist, der Rat weiß.

Hanna Trunk schafft es einmal mehr Kindern mit ihren Geschichten Mut zu machen. Der berühmte Beinbruch kommt als Flügelbruch daher. Schlimm für Viktor, aber eine Bewährungsprobe für die Spinne. Sie kann allen zeigen, was sie kann. Es gibt immer einen, der den anderen etwas voraus hat.

Die charakteristischen Zeichnungen von Marion Schickert versüßen die ohnehin eindringliche Geschichte um den Süßungsfaktor Unendlich. Dieses Mal ist es sogar ein Muss das Buch nach dem Einband zu beurteilen. Auf den ersten Blick erkennt man die unbändige Freude, die die Tiere haben, wenn sie vom Hügel hinabschlittern. Selbst die Schnecke, die nun wirklich nicht als Sprinter bekannt ist, befindet sich auf dem Rücken der Elster in einem wahren Geschwindigkeitsrausch.

Das große Fabel-Buch

Fabeln begleiten uns durch das gesamte Leben. Als Kinder kichern wir beglückt über sprechende Tiere und verblüffen die Großen, wenn wir die Moral von der Geschicht’ auf Anhieb verstehen. Im weiteren Verlauf treffen wir hier und da auf eben diese Gestalten und erfreuen uns daran, wenn sich (die) Geschichte wiederholt. Gegen Ende möchten wir dann doch lieber mit den Tieren zu tun haben, denn zum Beispiel aufgeblähte Frösche haben dann doch eben eine begrenzte und vor allem vorhersehbare Lebensdauer…

Jean de la Fontaine hat mit seinen Fabeln die wohl größte Werkschau geschaffen, die immer noch zum Lesen, Nachdenken, Rätseln und Amüsieren einlädt. Immerhin wird im Jahr 2021 sein 400. Geburtstag gefeiert. Schon Voltaire – ob er wohl den hundertsten Geburtstag des Fabeldichters gefeiert hat? – sah in den Werken eine unendliche Geschichte.

Wie feiert man einen runden Geburtstag, wenn der Grund der Party aus verständlichen Gründen nicht anwesend sein kann? Mit einem ausgelassenen Dinner? Nach „Die Taube und die Ameise“ wird wohl kein Täubchen kredenzt. Denn die hat Helfer aus alter Verbundenheit, die sich todesmutig einem potenziellen Angreifer in den Weg schmeißen. Und ein Hühnchen zu bewegen, höchstselbst in den Kochtopf zu hüpfen, gelingt weder im richtigen Leben, noch in der Fabel „Der Hahn und der Fuchs“. Da kann man noch so sehr schmeicheln.

Man kann – man wird – den Geburtstag mit diesem Buch auf dem Schoß feiern. Laut lachend, sinnierend, nachdenklich ergötzt man sich an der Universalität der Worte. Und jeder, der den Versen lauscht, bleibt still, geht in sich und macht sich noch lange nicht auf die Fersen, um das Weite zu suchen. Denn das Gute liegt ja bekanntlich so nah. Es ist ein besonderer Genuss bekannte und unbekannte Fabeln (noch einmal) zu lesen. Man schwelgt in Erinnerungen, findet auf Anhieb Parallelen zum eigenen Leben und ist sich das eine oder andere Mal pikiert, wenn man sich selbst in den Reimen wieder findet.

Diese elegante Ausgabe im edlen Pappschuber setzt dem Wortgenuss von Jean de la Fontaine den Augenschmaus von Jan Peter Tripp an die Seite. Er flankiert ganz im Sinne des Autors den Band mit eindrucksvollen Bildern. Rätselhafte gestalten, bei denen man nicht weiß, ob sie menschliche Tiere oder tierische Menschen abbilden. Hier verschwimmen die Grenzen spielerisch. Wie in einem Stummfilm, untermalen hier zwei Kunstarten die jeweils andere.

Die schönsten Landschaften unserer Erde

Um es gleich vorwegzunehmen: Bei so mancher Abbildung kommt man ins Zweifeln. Ist das echt? Gibt es das wirklich? Das kann doch nicht wahr sein, oder? Und die Antwort lautet stets: Ja, doch es ist so. Alles echt!

Wenn man aus dem Fenster schaut und das Grau des Alltags sieht, und dann ein wenig in diesem Prachtband herumblättert, kehrt im Handumdrehen die Hoffnung zurück. Mitten in der Namib-Wüste steht ein Kameldornbaum. Auf den ersten Blick denkt man an die letzten Stunden dieses Baumes. Die Wurzeln treten aus dem kargen Boden hervor, so als ob der Baum jeden Moment abzuheben droht. Keine Chance auf Wasser. Über ihm der sternenklare Himmel. Das, was wir so sorglos Zivilisation nennen, ist Lichtjahre entfernt. Und dennoch verströmt diese Ödnis eine Schönheit, die den Betrachter gefangen nimmt.

Wenn das Laub im Indian Summer das Auge vor die Herausforderung stellt, die Farben einzuordnen, sind kleine Details oft von Belang. Vor den Stämmen eines durch und durch grauen Waldes scheinen die roten Blätter eines Laubbaumes wie eine Verhöhnung der Tristesse.

Eine Luftaufnahme aus dem Muddus National Park in Schweden führt erst einmal in die Irre. Wolken, Wald, karges Gebirge. Bei genauerem Hinsehen realisiert man, dass der Berg vom Wasser umgeben ist, auf dessen glatter Oberfläche sich die Wolken am Himmel spiegeln.

Nur drei Beispiele für die Vielfalt der ausgewählten Bilder in diesem Buch. Jedes Bild, jede Seite, oft Doppelseite, ist eine Reise in die Schönheit der Natur. Nicht oft, sondern immer wird man daran erinnert, was es damit auf sich hat, wenn von der Schönheit von Mutter Natur die Rede ist. Und warum wir sie beschützen müssen.

Die Fotografen, die ihre best shots für dieses National Geographic Buch zur Verfügung gestellt haben, tragen immer noch ein Lächeln im Gesicht. Sie haben etwas gesehen, das viele nur aus diesem Buch kennen werden. Es sind nicht einfach nur Momente, die zum richtigen Zeitpunkt festgehalten wurden. Es sind Abbildungen vom oberen Ende der Einzigartigkeit in der Natur. Man fühlt sich privilegiert sich in diese Bilder hineinziehen zu lassen. Einmal um den Erdball und dabei nur das Beste vor die Augen zu bekommen. Oscar Wilde wäre es gerade gut genug gewesen. Man möchte nicht aufhören in diesem Buch zu blättern!

Venexia

Venedig und Klischees – gehört irgendwie zusammen. Hoffnungslos überlaufene cale und Brücken, Überschwemmungen und der Karneval. Aber auch Romantik, zauberhafte Aussichten und ein Füllhorn an einzigartigen Eindrücken. Doch all das ist ein Stück harte Arbeit. Mit dieser Einsicht kommt man diesem Prachtband schon ein gewaltiges Stück näher. Denn Venedig ist eben nicht nur Romantik in bella italia und ein Espresso zu exorbitanten Preisen. Hier leben Menschen, echte Venezianer, die die Stadt zu dem machen, was sie ist.

Stefan Hilden hat immer die Kamera im Anschlag. Was so martialisch klingt, war es anfangs auch. Er war auf Bilderjagd. Doch er merkt schon bald, dass er so nicht sehr weit kommt. Denn als Venezianer will man nicht auf Schritt und Tritt für die Ewigkeit eingefangen werden. So kam er ins Gespräch mit den Einwohnern der Serenissima. Und bald schon kamen diese einzigartigen Bilder zustande. Hochglanz, ja. Prospektmaterial, bedingt. Denn Venedig öffnet sich nur dem Aufgeschlossenen.

So darf Stefan Hilden den Palazzo Mora besuchen. Nicht einfach nur mal reinschauen, so wie viele andere auch. Nein, er durfte Türen öffnen, die sonst verschlossen bleiben. Immer schön am Rand bleiben, wurde ihm gesagt. Da weiß man schon, dass das Knarzen im Boden nicht einfach nur Nostalgie ist, sondern eine echte Warnung. Und ab jetzt verschlägt es dem Leser den Atem! Man riecht förmlich den Verfall, atmet Geschichte, sieht, was die Zeit mit dem Gebäude gemacht hat. Aber vor allem, was immer noch zu sehen ist! Lichtpunkte, die durch die brüchigen Fensterläden ihren Weg finden. Patina an kunstvoll geschmiedeten Geländern und Beschlägen. Aussichten, die so selten sind, dass man vor Neid erblassen könnte.

Manche Gebäude werden heutzutage als Ateliers genutzt. Mal expressionistisch wie im Cabinett des Dr. Caligari, mal verwunschen wie in einem Märchenschloss. Immer voller Leben, das sich auf den Straßen abspielt.

Aber auch Orte der Ruhe findet Stefan Hilden bei seinen Fotostreifzügen, die keine Jagd mehr sind. Keine auf Hochglanz polierte Gondeln findet den Weg vor die Linse, sondern genutzte Wasserfahrzeuge, die ihre Pflicht vor langer Zeit getan haben. Pures Mauerwerk kündet von dem, was mal war. Und immer mit im Bild: Die Sehnsucht, die Grandezza der Stadt, die einmal die Meere beherrschte. Deren Ruhm seit Jahrhunderten an- und die Besucher in Atem hält.

„Venexia – Hinter den Kulissen von Venedig“ spiegelt dem Betrachter nichts vor, wie es so manch Unerfahrenen in der Lagunenstadt ergeht. Die Stadt ziert sich etwas ihre nicht ganz so prächtigen Seiten zu offenbaren. Stefan Hilden leistet exzellente Überzeugungsarbeit und lässt sie bei aller fehlender oberflächlicher Eleganz erstrahlen. Venedig mal anders – dieser zu oft missbrauchte Satz trifft bei diesem Buch auf jeder der 180 Seiten zu.