Morris Duckworth – Italien

1 Der ehrgeizige Mr. Duckworth

Morris Duckworth will heiraten. Die Betonung liegt auf WILL. Doch eigentlich will er gar nicht heiraten. Was er wirklich will, ist ein sorgenfreies Leben. Und das haben nur die Reichen. Denn sie haben Geld. Und dadurch Einfluss. Und eben weniger Sorgen. Und so müht er sich. Er, der Sohn aus geordneten Arbeiterverhältnissen. Er gehört zu den besten Schülern, in jeder Schule. Leider ist er auch ein aufmüpfiger Charakter. Wow, was für eine Mischung: Schlau und aufsässig.

Als Englischlehrer in Verona – für verwöhnte, reiche (!) Kinder – schlägt er sich mehr schlecht als recht durch. Dem Ziel sorgenfrei zu leben, kommt er keinen Schritt näher. Einzig allein sein britischer Charme öffnet ihm ab und zu einen Spalt breit hier und da die Tür. Doch dann tritt Massimina Trevisan in sein Leben. Sie ist das genaue Gegenteil von ihm. Schlichter Verstand und reich. Man sagt, dass sich Gegensätze anziehen. Nun ja, die Anziehung zwischen Morris Duckworth, dem ehrgeizigen Mr. Duckworth, und Massimina Trevisan steht nur ihre Familie im Weg. Sie findet die Beziehung, die zaghaft geknüpften Bande nicht in Ordnung. Sind die Ziele Morris‘ wirklich so offensichtlich?

Als Gangster taugt er nicht viel. Im Zug klaut er einem Mitreisenden den Gucci-Koffer. Doch auch der Koffer sorgt keineswegs für ein sorgenfreies Leben. Im Koffer allerdings befindet sich ein Kalender. Oh, dieser Schwerenöter, verzeichnet die Musestunden mit seinen Mätressen, denkt sich Morris. Doch weit gefehlt. Ein motivierter wie schlecht recherchierter Erpressungsversuch bringt Morris lediglich zweitausend Lire ein.

Massimina Trevisan ist von Morris ebenso angetan wie er von der Aussicht auf ein sorgenfreies Leben, mit ihr. Sie scheint der Schlüssel zu seiner Zukunft zu sein. Beide büchsen aus. Sie, kaum achtzehn Jahre alt, naiv und total verknallt, in der Hoffnung den goldenen Käfig verlassen zu können – er gewiefter Gauner, mit der Absicht sich in jungen Jahren das Dolce Vita schmecken zu lassen.

Seine Antriebsfeder ist der Neid. Sein Werkzeug sein Verstand. So tingeln sie durch Italien. Er immer auf der Hut, dass sie bloß nichts mitbekommt von der Suche nach ihr. Denn eine Tochter aus gutem (reichen) Haus wird natürlich gesucht, wenn sie so Mirnichtsdirnichts verschwindet. Sie hingegen ist das sorglose junge Ding, freundet ich schnell an, versucht ihm alles recht zu machen. Morris Duckworth hat sich das alles ganz anders vorgestellt.

Tim Parks beschreibt mit diebischer Freude den Roadtrip eines Glücksritters durch das Land seiner Träume. Dolce Vita, den lieben Gott einen guten Mann sein lassen – ach, das Leben könnte so schön sein. Wären da nicht die (selbst auferlegten) Lasten des Alltags. Morris Duckworth muss sich was einfallen lassen…

 

2 Mr. Duckworth wird verfolgtMorris Duckworth ist verheiratet. Doch nicht Mimi hat ihm den Ring übergestreift, sondern ihre Schwester Paola. Dabei hing Morris doch so sehr an Mimi. Und doch musste er sich ihrer entledigen. So lebt er endlich das Leben, was er immer leben wollte: Frei von finanziellen Sorgen. Lieblos, das sehr wohl. Aber dafür auf einem sehr weichen Polster…

Doch eine Erbse verdirbt ihm allmählich die Laune. Bobo, sein Schwager ist ihm suspekt. Das beruht auf Gegenseitigkeit. Denn auch Bobo hegt einen gewissen Groll gegen den eingeheirateten Emporkömmling Morris Duckworth. Morris nennt seinen Schwager spöttisch Pollo Bobo, weil der aus einer Hühnerfarm-Dynastie stammt. Wie ordinär! Wein, das ist ein echtes Luxusprodukt. Aber Hühner? Die stinken.

Pollo Bobo hat einen Freund, Stan. Bei dem Namen läuft Morris Duckworth ein kalter Schauer über den Rücken. Denn der hätte damals fast Duckworths Aufstiegspläne zerschmettert. Hat er nicht, doch die Erinnerung an damals ist nicht verloschen.

Paola hingegen ist die hingebungsvolle Frau. Er – Morris – drängt sie endlich ihre Prüfung abzulegen. Doch sie genießt das süße Leben. Eigentlich genau nach Morris’ Geschmack – la dolce vita. Er und Bobo leiten ein Bauprojekt. Mit viel unternehmerischen Geschick soll es realisiert werden. Bis Bobo einfach mal so alle Angestellten – Schwarzarbeiter – feuert. Sexy unter Männer ist einfach inakzeptabel. Morris tobt. Gleichzeitig erreicht ihn die Nachricht, dass seine Schwiegermutter das Zeitliche gesegnet hat. Paola fällt die undankbare Aufgabe zu ihm dies mitzuteilen. Er solle sich blitzschnell auf den Weg machen und das Testament der Mutter sichern. Bevor es Bobo in die Hände fällt. Doch zu spät. Das Testament liegt schon lange in Bobos Safe. Und dann besitzt Bobo auch noch die Dreistigkeit ihn, den liebenswerten Morris Duckworth, mit dem Verschwinden und Mord an Mimi in Verbindung zu bringen. Jetzt reicht’s!

Morris Duckworth muss sich einmal mehr gegen eine Beteiligung an einem Verbrechen wehren. Grübelnd und analysierend wie immer windet er sich wie eine Würgeschlange um ihr Opfer. Es wäre einfacher für ihn, wenn nicht immer wieder Mimi seine Gedanken kreuzen würde. Sie war die große Liebe, aber eben auch gefährlich. Die Schlinge scheint sich zum ersten Mal ernsthaft um seine Hals zu legen. Er landet hinter Gittern, allerdings nicht lange. Wieder auf freiem Fuß bastelt er an einer glaubwürdigen Geschichte. Gar nicht so einfach, wenn man dabei eventuell Freunde oder zumindest Nahestehende opfern müsste…

Die Covergestaltung des ersten Bandes ließ eine junge unschuldige Catherine Deneuve vermuten. Nun nimmt eine maßnehmende Silvana Mangano Besitz vom Leser. So viel sei schon verraten: Anfang September begrüßt eine verführerische Sophia Loren. Schließlich sind wir in Italien. Und wie wird Tim Parks den liebenswerten Morris … ja, weiter leiden lassen, enden lassen, morden lassen?

 

3 Mr. Duckworth sammelt den Tod

Die Schlinge zieht sich weiter zu. Aufgeregt, schwitzend sitzt Morris Duckworth in dem stattlichen Gebäude und lauscht. Lauscht dem Sermon des Bürgermeisters der Stadt Verona. Unerträglich, was dieser Bonze von der Lega Nord von sich gibt. Hat erstmal nicht viel mit ihm, dem ehrenwerten „Dackwört“ zu tun. Mehr mit Hellas Verona, die es wieder mal nicht geschafft haben ein Unentschieden bis in die Katakomben zu retten.

Morris Duckworth ist mittlerweile fünfundfünfzig Jahre alt, verheiratet mit Nummer Drei der Trevisans, Antonella, hat zwei bezaubernde Kinder, Massimina und Mauro, Letzterer kann nicht an der Zeremonie teilnehmen, Fußball – Niederlage – Frust – Frustabbau – Knast, und eine beträchtliche Kunstsammlung. Bei so viel Ehre, die ihm die Stadt macht, er bekommt den Schlüssel zur Stadt, lässt er sich dazu hinreißen zu verkünden, dass er aus Dankbarkeit eine Ausstellung zum Thema Tod gedenkt zu organisieren. Und wer wüsste mehr über Mord und Totschlag als Morris Duckworth?

Seine Freundin Samira bestimmt nicht. Die glaubt immer noch an das Gute in Morris, hilft ihm bei der Ausstellung, stellt aber auch leise Forderungen nach einer gemeinsamen Zukunft.

Als Ehrenbürger der Stadt von Romeo und Julia bekommt Morris Duckworth nun endlich auch offiziell den Ruhm der ihm seiner Meinung nach zusteht. Die Geschichte mit Mauro, der von der Polizei nach einem Fußballspiel in Gewahrsam genommen wurde, passt da so gar nicht ins Bild des rechtschaffenden Bürgers. Duckworth nimmt die Sache in die Hand und reist nach Brescia, wo Mauro immer noch einsitzt. Sein Filius schiebt die ganze Schuld auf die Polizei. Die hätten angefangen. Was sonst?!

Aber das ist nicht sein einziges Problem. Keiner will Moris‘ Ausstellung durchführen. Dabei ist es doch so einfach. Er selbst besitzt die Bilder. Naja, nicht immer die Originale. Da ist schon die eine oder andere Kopie dabei. Aber das ist ja auch Sinn und Zweck der Sache: Kopie ist Mord! Und „Der gemalte Tod“ ist das Thema der geplanten Ausstellung. Muss Morris Duckworth wieder in alte Muster zurückfallen?

Eine Trilogie hat das unausweichliche Ende nach dem dritten Teil. Daran kann auch ein Morris Duckworth nichts ändern. Mehrere Jahre liegen zwischen den einzelnen Teilen. Tim Parks hat sich viel Zeit gelassen, um seinen Helden Duckworth in Würde planen, morden und altern zu lassen. Jetzt ist er auf dem Höhepunkt seines Weges. Niemand kann ihn mehr aufhalten. Kein Stan, der ohne es zu wissen alles weiß. Keine Mimi, die ihm als Geist immer noch erscheint. Kein Gewissen, das ihm Schmerzen bereiten kann. Akribisch bastelt Duckworth an seiner Unvergänglichkeit. Dabei kann ihm nur einer helfen: Tim Parks. Der übrigens auch im Buch eine Rolle spielt…