Guido Brunetti – Venedig

Jedes Frühjahr bringt keine Überraschung auf dem Büchermarkt. Denn jedes Jahr um diese Zeit schießt ein Commissario regelmäßig auf Platz Eines der meistgelesenen Bücher: Guido Brunetti. Und ebenso sicher ist es, dass seit Jahren strömen Millionen von Touristen, unter ihnen sicher ein ordentlicher Prozentsatz an Lesern des sympathischen Ermittlers, durch die Lagunenstadt.

Sie, also die Krimifans, sind auf der Suche nach dem einen oder anderen Ort, an dem Brunetti einen Fall aufklärte, mit Vianello einen caffe trinkt, mit Paola flaniert, Elettras Helfern einen Besuch abstattet. Nicht ganz so einfach, da Brunetti in Venedig geboren ist und die Touristenfallen geschickt zu umgehen weiß. Im Café Florian wird man ihn bestimmt nicht antreffen.

Toni Sepeda hat jeden einzelnen der sechsundzwanzig Romane unter die geographische Lupe gelegt und dreizehn Rundgänge zusammengestellt, die es dem Leser erlauben folgerichtig den Spuren nachzugehen und eigene Ermittlungsergebnisse zu sammeln. Die Krimireihe beginnt mit einem „Venezianischen Finale“, die Rundgänge sind eben dieses.

Dreizehn Rundgänge durch eine der faszinierendsten Städte der Welt, die für die Amerikanerin Donna Leon lange eine zweite Heimat war. Dieses Heimatgefühl gab sie ihrem Guido Brunetti mit auf den Weg ohne dabei Ressentiments gegenüber denen zu hegen, die hier „nur auf Urlaub sind“. Brunetti beklagt hin und wieder den Wegfall von liebgewonnen Bequemlichkeiten, die dem Touristenstrom weichen mussten. Mit diesem Buch in der Hand kann man sich in dieses Wehklagen einreihen. Denn so manches aus den ersten Romanen ist wohl ebenfalls nicht mehr am angestammten Platz.

Trägt dieses Buch nun zum weiteren Verfall der Stadt bei? Ist es Teil der Gentrifizierung Venedigs? Nein! Denn wer Brunetti liebt, liebt auch Venedig. Und was man liebt, zerstört man nicht, man hegt es, umsorgt es. Und so wird „Mit Brunetti durch Venedig“ zum Abenteuerroman in einer abenteuerlichen Stadt. Ob bei acqua alta oder Schönem (Sonnen-) Schein, man wandelt auf blutigen Steinen, abends entschläft man sanft, um am nächsten Morgen das reiche Erbe der Stadt endlich mein nennen zu können. Jedes Kapitel, jeder Rundgang wird mit einer detaillierten Karte eingeläutet. Alsdann erobert man die Stadt, stöbert ein wenig im Privatleben der Brunettis herum und landet schlussendlich immer wieder bei der einen Erkenntnis: Ein Venedig von heute ist ebenso unvorstellbar wie es vor Jahrhunderten ohne Shakespeare unvorstellbar erschien. Immer wieder kamen Literaten nicht umhin die Stadt literarisch zu verewigen. Donna Leon hat die Latte sehr hoch gelegt, so dass es eine ganze Weile dauern dürfte bis Venedig eine neue Ära der Rundgänge einläuten kann. Der Dank gebührt Donna Leon, die dem Autor im Vorwort mehr als dankbar ist und natürlich eben diesen Toni Sepeda, der sich nicht scheute sich durch Tausende von Seiten Commissario Brunetti zu lesen, um Plätze, Orte, Straßen, Kanäle, Cafés, Restaurants, Brücken zu notieren, zu katalogisieren und diesen einzigartigen Reiseband zu gestalten. Von nun an braucht man nur noch dieses Buch, eine Kamera und eine große Portion Neugier.

 

17 Das Mädchen seiner Träume

Der siebzehnte Fall von Commissario Guido Brunetti beginnt mit einem traurigen Ereignis. Zusammen mit seiner Familie sowie der seiens bruders Sergio gibt er seiner Mutter das letzte Geleit.

Kurz nach der Zeremonie kommt ein Jugendfreund Sergios, Padre Antonin Scallon, auf Brunetti zu und berichtet ihm von einer Sache, die ihm auf dem Herzen lastet. Als Seelsorger ist der Padre unter anderem im Krankenhaus tätig. Dort erfährt er, dass ein Angehöriger einer Patientin seine Wohnung verkaufen will. In Venedig eine eher ungewöhnliche Sache, zumal der Verkäufer den Erlös einer mehr als dubiosen Sekte bzw. deren Anführer spenden will. Brunetti fühlt sich verpflichtet zu helfen und die betörende wie gewiefte Signorina Elettra reicht ihm hilfreich die Hand. Nur sie findet sich im Aktengewirr der italienischen und vatikanischen Bürokratie zurecht.

Noch während Brunetti versucht seine Gedanken zu ordnen werden er und sein getreuer Kollege und Freund Vianello zum Tatort eines abscheulichen Verbrechens gerufen. Ein kleines Mädchen trieb tot in den Kanälen Venedigs. Die tote ist die Tochter einer Roma-Familie, die in der Nähe der Lagunenstadt campiert. Tagsüber gehen meist die Kinder „auf Arbeit“, soll heißen, sie gehen klauen. Dabei scheint die kleine Ariana überrascht worden zu sein. Als Brunetti erfährt, wer denn da ausgeraubt wurde, muss ihn Vianello unter Nachdruck in die Realität zurückholen. Denn der Freund der Tochter der Bestohlenen ist die potentielle Schwiegertochter des Innenministers. Dessen Sohn hat auch schon so einiges auf dem Kerbholz, wurde jedoch nie so richtig belangt. Entweder änderten Zeugen ihre Aussagen, verschwanden oder ein milde gestimmter Richter fällte das Urteil.

Der Titel des neuen Romans von Donna Leon verrät dieses Mal nicht so viel über den Inhalt des Krimis. Immer wieder, wie in einer Midlife-Crisis – die bei Brunettis Charakter wohl nie ausbrechen wird – fällt dem grübelnden Commissario die Veränderung seiner Tochter Chiara auf. Sie ähnelt ihrer Mutter immer mehr. Nicht ohne Stolz bemerkt Brunetti dies mit Wohlgefallen.

Am Ende des Buches schließt sich der Kreis. Vianello und Brunetti sind die einzigen, die bei der Beerdigung der elfjährigen Ariana Kränze niederlegen. Ihre Eltern sind in einem sehr teuren, deutschen Wagen verschwunden, wie der Commissario von Tanovic, dem Clanchef der Roma-Kolonie, erfährt. Bei aller Sachlichkeit, die die beiden Polizisten und ihre Kollegen an den Tag legen, sind alle vom Tod der Kleinen angewidert. Und dabei merken sie immer wieder wie schnell und tiefgründig sich Vorurteile in ihre Köpfe einschleichen. So geht das Wort „Zigeuner“ immer noch leichter von den Lippen als „Sinti“ oder „Roma“.

„Das Mädchen seiner Träume“ zeichnet wieder einmal ein lebendiges Bild von Venedig und seiner Einwohner. Fast nebenbei erklärt die amerikanische Venezianerin Donna Leon wie Touristen nach Strich und Faden übervorteilt werden. Schon bei der Ankunft werden die Besucher auf Betrüger hingewiesen. Oft verteilen die Veranstalter dann Listen mit Restaurants, in denen man garantiert nicht übers Ohr gehauen wird. Und sogar noch zehn Prozent Rabatt bekommt, wenn man den Schiffausweis vorzeigt. Wieder zurück an Bord wird eine Tombola veranstaltet, bei der man seine Quittungen abgibt. Am nächsten Tag werden die Reiseveranstalter bei dem Restaurant vorstellig und fordern „ihren Rabatt“ ein…

18 Schöner Schein

Brunetti wird erwachsen. In seinem 18. Fall entdeckt der Commissario sein Faible für die Hochkultur. Ist es bisher immer seine reizende Ehefrau Paola gewesen, die ihrem Guido die Genüsse der Opern und der Weltliteratur nahe bringen durfte, so glänzt er bereits auf den ersten Seiten mit seinem Fachwissen über die Reden Ciceros. Er sitzt dabei gegenüber Franca Marinello. Sie ist ebenfalls Gast bei Brunettis Schwiegereltern. Franca Marinello ist eine ausgesprochen attraktive Frau, die noch interessanter wirkt, wenn sie neben ihrem um einiges älteren Ehemann sitzt. Paolas Vater, der Conte, bittet Brunetti am nächsten Tag später Erkundigungen über eben diesen Cataldo einzuholen. Der Conte möchte eventuell mit ihm in China investieren. Er weiß nur nicht, ob er dem Geschäftsmann so sehr vertrauen kann.

Kurze Zeit später hat den Commissario der Alltag schon wieder eingeholt. Maggoir Guarino aus der Lombardei bittet um Amtshilfe. Ein Spediteur, der vom rechten Pfad abgekommen und der Polizei hier und da ein wenig behilflich war, wurde ermordet. Die Zeitungen waren voll davon. Die Ermittlungen führen den Maggior nach Venedig. Das erste Zusammentreffen der beiden gewieften Polizisten verläuft holprig. Guarino weiß nicht, ob er Brunetti vertrauen kann. Brunettis Misstrauen wächst je mehr der Fremde um die Sache herumredet. Erst ein beiden bekannter Journalist klärt die beiden über den jeweils anderen auf. Sofort sind Guido und Filippo Duz-Freunde. Guarino kann und darf nicht so recht mit der Sprache rausrücken, warum er so geheimnisvoll tut. Denn – und das erfährt Brunetti erst sehr (zu?) spät – Filippo Guarino ist bei der NAS, einer Sondereinheit der Carabinieri, die über die Einhaltung der Hygienegesetze und Umweltvorschriften achten soll. Vice-Questore Patta übermittelt Brunetti die traurige Nachricht: Guarino wurde hinterrücks erschossen. Hat die Camorra ihre Hände im Spiel, die sich nach Guarinos Aussagen nun auch im Norden Italiens breit macht?

In Donna Leons „Schöner Schein – Commissario Brunettis 18. Fall” gibt es einige Veränderungen. Noch nie war der Commissario so italienisch. Er genießt deutlicher die Nebenerscheinungen Venedigs, Italiens. Ein Gläschen Vino hier, ein Grappa da. Sein getreuer Freund Vianello spielt zwar noch eine große Rolle im (Berufs)leben Guidos, jedoch nicht mehr so vordergründig wie in den Vorgänger-Romanen. Auch lässt sich Brunetti nicht mehr so oft mit seinen Bildungslücken von seiner Frau Paola aufziehen. Ihre liebevollen Sticheleien tragen erste Früchte. Auch seine Abneigung gegen die „bessere“ Gesellschaft schwindet allmählich. Trotzdem bleibt er sich und seinen Prinzipien treu. Wenn er eine Lüge wittert, geht er ihr auf den Grund. Genauso wenig lässt er sich vom schönen Schein seiner Umgebung blenden. Sein 18. Fall ist wohl der authentischste Fall von Guido Brunetti.

19 Auf Treu und Glauben

Nach 18 Fällen unentwegten Ermittelns hat sich Commissario Guido Brunetti eine Auszeit redlich verdient. Es ist Ferragosto – Mariä Himmelfahrt – also zwei Wochen Ferienzeit. Venedig zählt jetzt besonders viele Touristen, die Einheimischen fliehen vor ihnen und der Hitze, genießen die freie Zeit. Doch für Brunetti, dem hilfsbereiten, manchmal gar nicht so sehr italienischen Commissario, ist der Urlaub schon zu Ende bevor er begonnen hat. Freund und Kollege Vianello bittet ihn um einen Gefallen. Vianellos Tante Anita bereitet dem rührigen Assistenten Sorgen. Denn seit einiger Zeit zieht sie Geld aus ihrer Firma, um sie einem dubiosen Stefano Gorino in den Hals zu werfen. Als unumstößliche Stütze dient einmal mehr Elettra, die Assistentin des Vice Questore. Ihre geheimnisvollen Tippgeber und heimlichen Unterstützer geben dem Gespann Brunetti – Vianello recht, dass hier etwas im Argen liegt. Und dazu noch diese Hitze! Da nimmt auch Brunetti gern mal eine Verspätung in Kauf, weil er mit dem Vaporetto fährt anstatt zu laufen, was schneller gehen würde.

Toni Brusca, der Personalchef der Venediger Verwaltung macht Brunetti auf einige Unregelmäßigkeiten bei der Terminansetzung von Gerichtsverhandlungen aufmerksam. Besonders viele Fälle der Richterin Coltellini werden oft gleich um mehrere Monate verschoben. Zwei Fälle, die eigentlich noch gar keine sind und trotzdem den Ehrgeiz und die Neugier des Commissarios wecken.

Und irgendwie schafft es Brunetti doch den von seiner Familie so sehr erhofften Familienurlaub in Südtirol anzutreten. Vorbei an Rebstöcken, durch das südliche Alpenvorland versinkt Brunetti in Gedanken. Doch die Ruhepause währt nur kurz. Noch im Zug erreicht ihn die Nachricht von einem Mord. Natürlich lässt sich Brunetti nicht lumpen und steigt am nächsten Bahnhof aus, um in die Serenissima zurückzukehren.

Der Tote ist der Gerichtsangestellter Fontana. Als Brunetti ihn (ungewollt) kennenlernte, vermutete er eine Beziehung zu Richterin Coltellini. Erst später soll der Commissario merken wie falsch er mit seiner Vermutung über den überaus korrekten Fontana liegt.

Die einzigen Wolken über Brunetti sind die, die über diesem Fall schweben. Die Sonne am Himmel über Venedig brennt erbarmungslos herab und der Fall wirft nur Schatten, die keine Kühlung versprechen.

Im 19. Fall ihres Commissarios schwelgt Donna Leon in einem wahren Gefühlsrausch. Fast schon einem Reiseführer gleich lässt sie Brunetti die Lagunenstadt aufsaugen. „Auf Treu und Glauben“ ist einmal mehr eine Liebeserklärung an Venedig, gepaart mit einem ruhig dahin fließenden Kriminalfall. Somit ist der neue Brunetti-Band nicht nur eine Fortsetzung für Freunde und Fans des Commissarios, sondern eine Appetitmacher für Neuseinsteiger.

20 Reiches Erbe

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Und wer er dann zurückkommt, geht er meistens zu einem Nachbarn, der sich in der Zwischenzeit um die Blumen gekümmert hat oder die Post für einen verwahrt hat. Und dann kann er erzählen.

Anna Maria Giusti war für fünf Tage nach Palermo verreist. Endlich wieder daheim, will sie sich bei Costanza Alatavilla ihre Post abholen. Sie hat einen Schlüssel. Als die betagte Dame die Tür nicht öffnet und auch nicht ans Telefon geht, öffnet Anna Maria Giusti die Wohnung – den Schlüssel besitzt sie ja, denn auch sie übernimmt die nachbarschaftlichen Pflichten, wenn Costanza Altavilla verreist ist. Doch Anna Maria Giusti sieht mehr als ihr lieb ist: Costanza Altavilla ist tot, liegt leblos in ihrer eigenen Wohnung inmitten einer Blutlache.

Commissario Brunetti speist derweil mit Patta, dem Vice-Questore Venedigs und enervierenden Chef. Da kommt der Anruf aus dem Revier, dass eine Leiche gefunden wurde gerade recht – zumindest für Brunetti. Fast schon ein wenig fassungslos von den Kollegen ob der Beharrlichkeit wird Brunetti den Gedanken nicht, dass es sich hier um ein Verbrechen handelt. Seine Kollegen gehen von Herzstillstand aus – so steht es auch auf dem Totenschein. Nur Signorina Elettra steht auf Brunettis Seite (wer sonst?!). Verschiedene Verletzungen machen auch die umtriebige Assistentin von Patta stutzig. Herzversagen oder Herzattacke: Ja! Aber wie wurde die herbeigeführt? Schließlich wies die Tote ein gewisses Alter auf.

Brunetti bohrt in seiner eigenen, unaufdringlichen Art nach. Und die Beharrlichkeit und Geduld zahlen sich aus: Brunetti kommt Zwischentönen auf die Spur, die nur schwer justiziabel sind…

Donna Leons Kreation Guido Brunetti erinnert in Zügen an James Joyce‘ Leopold Bloom. Der Commissario streift durch die Stadt nach der einen Antwort: Wie wurde die Herzattacke herbeigeführt, die Costanza (er nennt sie liebevoll beim Vornamen, das Leben kostete? Fündig scheint Brunetti bei jedem Interview zu werden. Nur ergeben die Antworten noch kein rechtes, befriedigendes Gesamtbild. Wieter undweiter dringt Brunetti in die Tiefen der menschlichen Seele und der Gier vor. Aber auch in die der Liebe.

Zum zwanzigsten Mal lässt die Wahl-Venezianerin Donna Leon uns am (Berufs-)Leben ihre Commissarios teilhaben. Anders als in den vorangegangenen Romanen tragen Paola, Chiara und Raffi weniger zur Aufklärung bei. Vielmehr scheint es so als ob die fast schon aufgezwungenen Leseexzesse der Vorgänger nun fruchten. Brunetti ist reifer geworden. Ein Heißsporn war er nie. Doch die Gewitztheit und der kluge Kopf seiner Frau Paola führten ihn regelmäßig auf die richtige Spur. Dieses Mal ist Brunetti allein. Eine Erkenntnis: Er kann es auch allein. Doch das wussten die Leser schon seit Anbeginn der Brunetti-Zeitrechnung. All die kleinen Helferlein waren Ablenkung.

21 Tierische Profite

Die Lottozahlen im Spiel „Vier aus Venedig“: 1 – 4 – 21 – 336. Die Nummer-Eins-Autorin, wenn es um Verbrechen in der Lagunenstadt geht, Donna Leon, hat den einundzwanzigsten Falle ihres Commissarios Brunetti fertig und schickt ihr Erfolgsquartett aus Brunetti, Vianello, Elettra, und dem unvermeidlichen Vice-Questore Patta erneut ins Rennen. So was nennt man dann wohl einen Volltreffer!
Das Opfer sieht das natürlich etwas anders. Aufgedunsen wird er aus den Kanälen der Stadt gezogen. Auffallend ist die deutliche Deformierung des Körpers: Ein Hals ist kaum erkennbar. Madelung-Syndrom lautet die Diagnose. Ein Ermittlungsansatz? Brunetti kennt den Toten – nur leider weiß er nicht mehr genau woher. Diese Augen – ja sie sagen dem Commissario etwas. Aber was?
Weiterhin fallen dem aufmerksamen Ermittler die offensichtlich nicht zum Rest der Kleidung passenden Schuhe auf. Die Kleidung ist eher Massenware, nichts Besonderes. Die Schuhe hingegen sind auffällig und von erlesener Qualität.
Brunetti kommt an die Grenzen der Ermittelbaren, oder an die Grenzen seiner Kombinationsgabe. Erste Anzeichen für eine Zäsur im Leben des erfolgreichen Commissarios? Schließlich hat er all seine Fälle bisher gelöst. Leise klingen erste Töne von Aufhören an. Ein Omen?
Der Leser wird in routinierter Weise von Donna Leon durch die Lagunenstadt geführt. Während man so durch die Kanäle schlendert und sich den Verfall der Stadt aus sicherer Entfernung anschauen kann, strengt Brunetti seine grauen Zellen an. Double-Feature. Doppelvorstellung. Zwei Reisen zum Preis von einem. Zum Einen das gemütlich Dahinschippern über die nicht immer so glatten Kanäle, zum anderen die rauhe Gischt des Verbrechens und die Kälte der Profitgier.
Der Leser wird sanft auf die Folter gespannt. Erst nach und nach verschwindet der Schleier des Unwissens. Bruchstückhaft liest man sich in den Fall ein. Ein Löffelchen Wissen hier, ein Häppchen Hintergrund da. Reichlich 300 Seiten voller Erwartung darauf, was noch kommt. Vom Leser wird viel Geduld erwartet. Aber er wird auch belohnt…
Wieder einmal gelingt es der Wahl-Venezianerin Donna Leon zwei Seiten der Venedig-Medaille zu zeigen. Hier die Faszination des Einzigartigen und da die hässliche Fratze des Bösen. Geldmacherei um jeden Preis, gepaart mit Skrupellosigkeit und dem Glanz der Lagunenstadt. Dass Brunetti den Fall lösen wird, ist klar. Dass er ich meiniges abfordern wird ebenso. Leise und analytisch ohne große Denkerpose beeindruckt der Commissario den Leser mit seiner Einsatzbereitschaft und seinem unbedingten Willen Täter zur Strecke zu bringen und Opfern Genugtuung zu verschaffen. Den Traum von Gerechtigkeit hat er fast schon aufgegeben. Die gibt es nur noch im Film.

22 Das goldene Ei

Es ist zu spät, wenn alles vorbei ist. Zu spät, um jemand wirklich kennenzulernen oder sich wenigstens die Zeit zu nehmen ihn kennenlernen zu wollen. Es ist dieses Mal Paola, die ihren Guido auf einen Toten aufmerksam macht. Alle nannten ihn Junge. Doch er war ein Mann, vielleicht fünfunddreißig oder vierzig Jahre. Stumm und taub arbeitete er ganz hinten, wo ihn kaum einer wahrnahm, in der Wäscherei bei den Brunettis um die Ecke. Nun ist es zu spät ihn näher kennenzulernen. Paola dränt ihren Commissario zu tiefer gehenden Ermittlungen. Er – ganz Gentleman – ganz seiner Frau natürlich nichts abschlagen.

Und das obwohl er dieses Mal von Patta, seinem fahrigen Chef, einen Auftrag speciale bekommen hat. Patta ist auch nur Befehlsempfänger, nein … Patta ist der geborene Befehlsempfänger. Der Bürgermeister bat ihn um eine kleine Gefälligkeit. Die zukünftige Schwiegertochter des ersten Mannes der Lagunenstadt steckt in leichten Schwierigkeiten. Wobei das auch nicht ganz richtig ist. Ihr Teilhaber steckt in Schwierigkeiten. Die beiden betrieben einen Laden. Vor dem stehen Tische. Dafür muss man bezahlen. Es sei denn, dass man die Aufsichtsbehörden schmiert – dann bezahlt man zwar auch, aber bei Weitem nicht so viel wie „normal“. Kurzum: Ein typisches Problem in Venedig, wenn man den vorangegangenen einundzwanzig Romanen Donna Leons glauben darf. Hier ein Euro, da ein Euro und schon läuft die Maschinerie in der Touristenhochburg wie sie soll.

Doch der Tod – Selbstmord? – des „Jungen“ beschäftigt Brunetti mehr als die Dienereien seines Chefs. Je weiter Brunetti in die Familiengeschichte von Davide eindringt, desto trauriger erscheint dessen Leben. Irgendwo auf dem Lande in Frankreich zwischen zwei Städten geboren, hatte der taubstumme Junge kein schönes Leben. Nirgendwo ist er registriert. Seine Mutter schämt sich für ihn. In Venedig verdiente er sich in der Wäscherei ein paar Euro. Jeder sah ihn, nahm ihn aber kaum wahr. Bildung wurde ihm verweigert.

Seine Mutter Ana trägt aber ein Geheimnis mit sich. Das wird Brunetti langsam klar. Genauso klar ist, dass er nun nicht mehr die Finger von dem Fall, wenn es denn einer ist, lassen kann. Und das nicht nur, weil Paola das so will…

Der zweiundzwanzigste Fall von Commissario Brunetti ist geprägt von blitzgescheiten Gedankenspielen, rührseliger Detektivarbeit und einem menschlichen Schicksal, das weder den Helden noch den Leser unberührt lässt.

23 Tod zwischen den Zeilen

Rausgerissen aus dem Leben, verstümmelte Reste, Raub und Diebstahl: Brunetti hat es dieses Mal nicht mit einem bestialischen Mord zu tun – anfangs – sondern mit einem Diebstahl. In der Biblioteca Merula wurden wertvolle Bücher gestohlen und zerstört. Brunetti kennt die Bibliothek aus Studientagen, doch scheint sie dem Ermittler inzwischen fremd. Kaum eine Erinnerung kann die Gegenwart erhellen.

Bücher wurden gestohlen, einzelne Seiten wurden aus den wertvollen Niederschriften herausgetrennt. Direktorin Dottoressa Fabbiani ist verzweifelt. Wer tut so was nur? Brunettis erste Spur führt ihn zu Tertulian, einem Priester, der immer wieder in den Werken Tertullians liest und deswegen von den Angestellten so genannt wird. Eigentlich heißt er Aldo Franchini, und er war mal Priester. Beim Gespräch mit der Dottoressa über eben diesen Tertullian fällt Brunetti was auf: Tertullian war nur Besucher, interessiert, aber eben nur ein Besucher. Die Dottoressa kenne ihn gar nicht, doch kann dem Commissario sofort Antworten geben, auf Frage, wie nur jemand, dem Tertullian ziemlich vertraut ist.

Die Bücher sind zu einem Großteil Schenkungen einer der angesehensten Familien der Lagunenstadt, deren Oberhaupt die Contessa Morossini-Albani ist. Brunetti kennt die resolute Dame. Sie ist eine Freundin seiner Schwiegermutter. Aber eigentlich ist Brunetti hier gar nicht zuständig, er ist Mordermittler und nicht Schnüffler für Buchverstümmelung.

Seit einigen Fällen lässt Donna Leon ihrem Commissario Brunetti einen gewissen Hauch von Büchervernarrtheit offen angedeihen. War es zu Beginn der Reihe eher seine Frau Paola, die sich an Büchern und Geschichte nicht genug ergötzen konnte, so kristallisierte sich in den vergangenen Jahren auch immer mehr sein Interesse für das Gewesene heraus. Wohl auch deswegen bleibt Brunetti am Ball.

Der Einfachheit halber recherchiert zur Familie Morossini-Albani. Gianni, der Spross der Familie, die einst vier Dogen stellte, ist ein ganz besonderes Früchtchen. Drogen, Partie mit Minderjährigen Mädchen, Diebstahl – er lässt nichts aus und … kommt ungeschoren immer wieder aus dem Schlamassel raus. Solche Leute liebt Guido Brunetti besonders! Die Contessa hingegen ist von anderem Schrot und Korn. Sie liebt und hasst gleichermaßen leidenschaftlich. Und sie weiß, was sich als ehrenwerte Tochter der Stadt gehört: Sie fördert die Kultur. Sie ist spitzzüngig und generös.

Und dann gibt es für Commissario Guido Brunetti endlich einen Mord! Endlich darf er offiziell ermitteln! Und schlussendlich – so viel darf verraten werden – findet er den Schuldigen Papierraubtiger!

Im dreiundzwanzigsten Fall lässt Donna Leon ihre zweite große Leidenschaft, nach der barocken Musik, Bücher und das darin versammelte Wissen in einen ihrer Krimis einfließen. Verstaubte Gewölbe, verstaubte Bibliothekare sind nicht das Terrain, auf dem Brunetti sich bewegen muss. Vielmehr sind es Lebenslust und die Kunst Venedig trotz der Spuren der Vergangenheit im Glanze erstrahlen zu lassen. Und ein Mörder kümmert sich erfahrungsgemäß nur oberflächlich um die Vergangenheit. Um zu entkommen, muss sein Fokus auf die Zukunft gerichtet sein. Und heißt erst einmal Commissario Brunetti!

Wer Donna Leons gelegten Fährten ihres Commissarios durch Venedig folgt, lernt die Lagunenstadt besser kennen als ein Pauschaltourist, der brav dem hochgehaltenen Regenschirm der Reiseleitung hinterher trabt. Die Dramen hinter den teils maroden Fassaden, die einstigen Bewohner der Paläste links und rechts der Kanäle sind zu engen Vertrauten geworden. Wer noch tiefer in die Stadt eintauchen will, muss entweder nach Venedig reisen oder steckt seine Nase in den prächtigen Bildband „Venedig – City Impressions“ von Bernd Rückert – ebenfalls vorgestellt auf dieser Seite. Stimmungsvolle Bilder stellen eine Parallele zu den Ermittlungen von Commissario Brunetti dar. Langsam lichtet sich der Nebel des Unbekannten, um dann mit voller Wucht vor die Augen des Betrachters zu treten. Ein bildgewaltiger Krimi ohne Opfer, es gibt nur Gewinner. Die Leser.

 

24 Endlich mein

Hinter den Kulissen von Paris ist das Leben noch einmal so süß. Und hinter den Kulissen von La Fenice in Venedig? Mörderisch! Kühl! Und voller Schuld! Flavia Petrelli ist der umjubelte Star der diesjährigen „Tosca“. Das Publikum liegt ihr zu Füßen. Es regnet Blumen, gelbe Rosen. Unzählige Vorhänge darf sie ihr eigen nennen. Nach der Vorstellung platzt die Garderobeaus allen Nähten. Alle wollen zu ihr, der gefeierten Sopranistin. Eine junge Sängerin huldigt ihrem Vorbild. Ein Paar, das Flavia bereits zu kennen scheint plaudert mit ihr. Das Paar lädt sie zum Essen ein. Bei den Eltern der Frau. Der Conte und die Contessa würden sich sicher freuen. Geübte Brunetti-Leser kommen schon auf den ersten Seiten dem ersten Geheimnis auf die Spur: Denn das Paar sind Paola und Guido.

Beim Essen fällt dann auch ein wenig die Fassade der Diva. Sie habe Angst. Jemand verfolge sie. Seit ihren Gastspielen in London und St. Petersburg nehmen die gelben Rosen überhand. Auch fehlen ab und zu ein paar Utensilien. Nichts Weltbewegendes, nichts essentiell Wichtiges. Doch es fehlt und es fällt auf! Guido Brunetti will sich darum kümmern. Größere Fälle liegen eh nicht an und Patta, der Vize-Questore, hat nichts dagegen als er erfährt um welche Berühmtheit sich Brunettis Tatendrang dreht.

Kaum zu Hause findet Flavia Petrelli einen gigantischen Blumenstrauß vor ihrer Tür. Fünf, sechs Dutzend gelbe Rosen! Jeder auf der Welt würde sich darüber freuen. Für Flavia ist es ein Zeichen. Ein Zeichen, dass der Wahnsinn noch nicht vorüber ist. Wer könnte die Blumen dort abgelegt haben? Die Haustür war abgeschlossen – wie also kam der Blumenbote ins Haus? Freddy ist der Einzige, der zur Zeit noch im Haus wohnt. Zusammen mit seiner Frau Silvana. Doch der kann es eigentlich nicht sein! Flavia und der Marchese Federico d’Istria waren einst ein Paar. Doch das ist lange her. Er ist ihr Freund – mehr nicht!

Kurze Zeit später wird Brunetti mit einem neuen Fall betraut. Eine junge Frau wurde an der Ponte delle Scuole zu Boden gestoßen. Jetzt liegt sie mit Gehirnerschütterung und einem gebrochenen Arm im Krankenhaus. Es ist Francesca Santello, die junge Dame aus der Oper, die Flavia anhimmelt. Flavia hatte sie singen hören und war vom Fleck weg begeistert. Sie habe eine große Zukunft vor sich. Auch Freddy stößt etwas zu, er wird niedergestochen. Bei seinen Recherchen stößt Brunetti auf mehrere Verdächtige.

Eifersucht, verschmähte Liebe oder doch alles nur Zufall? Wie sehr muss man (Guido Brunetti) sich Sorgen machen? Doch Er wäre nicht er selbst, hätte er keine Idee. Und die Hilfe von Signora Elletra…

Flavia Petrelli ist Brunetti-Fans ein nicht ganz unbekannter Name. Bereits im „Venezianischen Finale“ spielte sie eine Rolle. Seit dem ist viel passiert. Unter anderem hat Donna Leon zweiundzwanzig weiteren Brunettis das Leben geschenkt. Und bald wird sie ihm ein Jubiläum bescheren. Ende Mai 2016 feiert Guido Brunetti sein Silbernes.

 

25 Ewige Jugend

Zum Silberjubiläum lässt Donna Leon ihren Commissario Brunetti gleich zu Beginn richtig leiden. Schwiegermama hat eingeladen – und er muss hin! Korrektur: Das stimmt nur bedingt. Denn Paola ist an seiner Seite – der Schmerz ist also erträglich. UND: Das Fest veranstaltet die Contessa Lando-Continui. Salopp gesagt, ihre Bude ist abgesoffen. Ein Treppenwitz in Venedig!

Alter Adel, altes Geld, gepflegte Konversation – so schlimm ist der Abend doch nicht für den rührigen Commissario. Denn die „Gastgerberin abroad“ ist eine Dame, mit der es sich aushalten lässt. Und die eine Denkaufgabe für Guido Brunetti bereithält. Ihre Enkelin Manuela ist mittlerweile über dreißig und seit fünfzehn Jahren ein Pflegefall. Damals, als Teenager stürzte sie ins Wasser. Sie wurde gerettet, doch Wasser bereitet ihr seitdem eine höllische Qual. Sobald sie auch nur in die Nähe von Wasser gerät, bekommt sie panische Angst. Auch sonst ist ihre geistige Entwicklung ins Stocken geraten. Sie ist gefangen im Bann der Ewigen Jugend.

Ein besonderer Fall an einem besonderen Jubiläum. Akten? Fehlanzeige. Die geben nicht viel her. Manuela wurde damals, als das Unglück passierte gerettet. Doch der Retter war alkoholisiert. Seine Ausführungen, dass noch jemand im Spiel gewesen sei, sind wegen des Alkoholgehalts seiner Blutbahnen unglaubwürdig. Da müssen Andere helfen.

Elettra ist wie immer eine nie versiegende Quelle an Informationen. Auch Claudia Griffoni, als Commissario ist sie Brunetti in diesem Fall eine besondere Hilfe. So beginnt eine besondere Jagd nach der Wahrheit durch die Lagunenstadt. Griffoni erweist sich als ergiebiger sprudelnder Quell an Informationen. Brunetti ist beeindruckt von der Energie der Mitermittlerin.

Manuelas Mutter hingegen ist keine große Hilfe. Nicht einmal die Krankenakten hat sie geöffnet. Seit anderthalb Jahrzehnten bewahrt sie sie ungeöffnet bei sich auf. Sie wusste, was auf sie zukommt, wusste, was zu tun ist. Da braucht sie keinen Fachjargon! Aus den Unterlagen geht hervor, dass Manuela vergewaltigt wurde!

Pietro Cavanis war es, der das Mädchen damals aus dem Canale zog. Alkoholiker. Und den will Brunetti treffen. Doch kein Cavanis in Sicht. So lässt er sich im Café dessen Wohnungsschlüssel geben und findet Cavanis tot auf dem Boden! Cavanis, der Säufer, der gutmütige Verlierer, der, der sich wie kaum ein anderer – in nüchternem Zustand – so viel merken konnte, der als einziger Mensch auf der ganzen, weiten Welt ein wenig Licht ins Dunkel hätte bringen können, kann nicht mehr befragt werden…

Fast wäre der 25. Fall von Commissario Guido Brunetti ohne Leiche ausgekommen. Doch Donna Leon lässt den Leser nicht verzweifeln und schenkt ihm im letzten Teil des Buches die nötige Zutat. Brunetti muss tief in der Vergangenheit wühlen, um selbige nicht ungesühnt ruhen zu lassen. Eine Neuerung gibt es: Das Warten auf den „neuen Brunetti“ hat sich um ein Jahr verkürzt. Denn die deutsche Übersetzung kommt nun schon einige Monate nach dem Original in den Handel. Ein gutes Jahr für Leser und Autorin!

 

… sind tief. Damit auch schon genug der Klischees und Phrasen.

Es musste ja irgendwann mal so kommen. Das dauernde Verbrecherjagen, die ewigen Intrigen in der Lagunenstadt – Guido Brunetti bist auch nur ein Mensch. Und nun bricht es nicht aus ihm heraus, sondern er zusammen! Alles nur Show, sonst würde der junge Kollege dem jungen Verdächtigen noch an die Wäsche gehen. Letzterer soll einem jungen Mädchen Drogen verabreicht haben, und die ist am Morgen verstorben. Der Verdächtige hat Geld und Einfluss und der junge Kollege sich anscheinend nicht im Griff. Brunetti musste also zu dieser List greifen.

Ja, er musste! Wie so vieles, was er muss. Nun liegt im Krankenhaus und die Testergebnisse lassen nur einen Schluss zu: Weil er so viel in seinem Beruf tun muss, muss er nun Ruhe walten lassen (müssen). Die Werte sind so weit in Ordnung, nur der Blutdruck ist alarmierend hoch. Die resolute Ärztin verordnet Erholung, Ruhe, Ablenkung. Brunetti wollte nur einen Kollegen vor eine Dummheit bewahren, den Fall retten, und nun muss er kürzer treten.

Und die Lösung heißt Sant’ Erasmo. Eine entlegene Villa auf einer fast unbewohnten Insel, die Zia Costanza, einer Verwandten Paolas, gehört. Nur ein paar Wochen Auszeit, um wieder zu Kräften zu kommen bzw. das wallende Blut zu bändigen. Man stelle sich vor, Paola hätte diesen Vorschlag bereits in einem der ersten Romane gemacht. Keine Chance! Doch im sechsundzwanzigsten Fall lässt sich Guido Brunetti gern einen Ratschlag erteilen. Wenn man so will, ist er bereits auf dem richtigen Weg (der Besserung).

Davide passt auf das Haus auf, zusammen mit seiner Tochter. Und Davide kennt Guido Brunetti. Zusammen mit Brunettis Vater hat er vor einem halben Jahrhundert eine Regatta gewonnen. Diese Geschichte verbindet das Raubein Davide und den Ruhe suchenden Guido. Lesen und ein bisschen Sport stand bei der Abreise aus Venedig auf Brunettis Plan. Nun sind es Rudern und … nach Davide suchen. Denn der ist kurz nach Brunettis Ankunft verschwunden. Andeutungen hat der Siebzigjährige gemacht, denen Brunetti aber nicht viel Bedeutung beigemessen hat. Und nun steckt er womöglich in einem neuen Fall. In dem geht es entweder um den Tod der Bienen, die Davide so sehr hegt und pflegte – er nahm Bodenproben und wollte diese untersuchen lassen – oder um einen „Arbeitsunfall“, der zwei Jahrzehnte zurückliegt. Oder war es doch der selbstgewählte Freitod, um seiner geliebten Frau wieder nahezukommen?

Ja, mit der Erholung ist das so eine Sache. Der Wille ist bei Brunetti ja da. Doch wenn jemand, den man kennt und mag verschwindet, sind die eigene Gesundheit und die Erholung obsolet. Als Leser fiebert man mit und bekommt Reisefieber. Denn die Beschreibungen von Brunettis „Kurort“ sind so detailreich, dass man sich sofort in Gang setzen und gen Süden fliehen will. Mit im Gepäck „Stille Wasser“.

 

Wie ein Sinnbild steigt vor Commissario Guido Brunetti eine Nebelwand auf als er auf dem Weg zur Questura ist. Undurchdringlich, wie ein Stoppschild, das keine Ausnahmen zulässt. Alles erliegt dem Nebel, Stillstand allerorten. Nur das, was nicht durchsickern darf, kriecht auf (oder in den?) undurchsichtigen Kanälen nach draußen.

Professoressa Crosera stattet ihm im Büro, das er schlussendlich erreicht, einen Besuch ab. Ihr Sohn Alessandro besucht eine teure Privatschule. Dort gibt es Gerüchte um Drogendealer, die dort ihr Unwesen treiben. Auch ist Sandro seit einiger Zeit unkonzentriert, mufflig, und seine schulischen Leistungen sind seit einiger Zeit weit hinter den Erwartungen und vorherigen Ergebnissen zurückgefallen. Tochter Aurelia, der das mysteriöse Verhalten ihres Bruders nicht verborgen blieb, vertraut sich ihrer Mutter an. Und die nun – als Kollegin von Paola – Guido Brunetti. Doch was soll er machen? Alle Dealer verhaften, damit sie einen Tag später frech grinsend wieder ihrer „Arbeit“ nachgehen können?

Brunetti wäre nicht Brunetti, wenn er nicht doch etwas unternehmen würde. Als dann auch noch der Ehemann der Professoressa bewusstlos am Ponte del Forner gefunden wird, erhält er nicht nur die Legitimation für Ermittlungen, sondern schärft seine Sinne ganz besonders.

In der Questura hingegen geht ein Gespenst um. Das Gespenst der undichten Stelle. Ein Verdächtiger musste aus ermittlungstechnischen Gründen wieder entlassen werden. Doch wer konnte das seinen Mund nicht halten, so dass die Panne publik wurde und der Verdächtige nun wieder unter Venedigs grauem Himmel (wir sind im November) vielleicht sogar frech grinsend den Betrieb am Laufen halten kann? Die Lösung gefällt weder Brunetti noch dem Leser…

Im Fall der Drogen an der Privatschule lichtet sich der Nebel nach und nach. Doktoren, das Krankenkassensystem und die Raffgier einiger Beteiligter, die den Patienten lieber helfen sollten als sich an ihrem Leid zu bereichern, bilden ein Geflecht, das Brunetti nicht allein entwirren kann. Elettra ist wie immer eine besonnene und kreative Hilfe, die ihren Chef mit ihren Computerkenntnissen immer noch und immer wieder in Erstaunen versetzen kann. Warum schickt ein Arzt seine Patienten in eine Apotheke am anderen Ende der Stadt? Und was hat es mit den rätselhaften Coupons auf sich, die ein Arzt ausstellt? Die sind wertlos, wenn man sie einlösen will. Lediglich Kosmetik kann man dafür erhalten.

Donna Leon gewinnt auch dem trüben Monat November in der Lagunenstadt noch etwas ab, das den Leser in Verzücken geraten lässt. Der siebenundzwanzigste Fall ihres Commissarios liest sich anfangs wie eine Verbrecherjagd durch die Kanäle, Gassen, vorbei an Anlegestellen bis in die Tiefen der menschlichen Seele. Brunettis Vertrauen wird auf eine harte Probe gestellt. Alle wissen was, keiner will sagen woher. Und das, obwohl er schon seit Jahren mit den Geheimnisträgern zusammenarbeitet. Die Sticheleien von Kollegen nerven ihn, doch er ist die Ruhe in Person. Vianello ist wie immer ein treuer Gefährte, doch auch er hat mittlerweile geheime Quellen. Und Elettra ist auch nicht mehr so selbstbewusst wie zuvor. Irgendwas geht hier vor!

 

Commissario Guido Brunetti würde es niemals in den Sinn kommen seine Familie oder die seiner Frau Paola als Sippe zu bezeichnen. Gonzalo Rodriguez de Tejeda hingegen – ein Jugendfreund von Orazio Falier, Brunettis Schwiegervater – hat dagegen allen Grund sich seiner Familie gegenüber mit differenziertem Vokabular zu äußern. Er ist das schwarze Schaf der Familie. Kam vor Jahrzehnten aus Spanien, Sohn eines Fabrikanten für Baskenmützen, schwul, und er steht vor einer großen Entscheidung. Soll er Attilio Circetti, Marchese die Torrebardo adoptieren? Und ewig winken die Erben …

Der Conte Falier hat Brunetti zu sich gebeten. Er erzählt ihm – vertraulich – von seinen Sorgen um den Jugendfreund. Vielleicht könnte sich Brunetti ja mal, ganz ohne Aufsehen, versteht sich, umschauen, umhören, wer dieser potentielle Günstling ist. Und ob die Sorgen des Schwiegervaters berechtigt sind. Brunetti kann dem Conte keinen Wunsch abschlagen. Bei einem Dinner bietet sich die Gelegenheit den Freund der Familie, Gonzalo ist der Patenonkel von Paola, wieder zu sehen und den neuen an seiner Seite erstmals zu begutachten. Ein kurzes Vergnügen. Bei der Recherche zu Circetti  ist Elletra wie immer mehr als eine kundige Hilfe. Allerdings nur noch für einen Tag – Elletra macht Urlaub.

Guido Brunetti muss sich nach einer anderen ertragreichen Quelle umschauen. Ein ehemaliger Kommilitone von Paola ist ein Füllhorn an Information. Auch er findet die Adoptionsidee absurd. Gonzalo war ein begnadeter und vor allem erfolgreicher Kunstsammler. Sein Vermögen in Kunstschätzen ist immens. Und dieser Attilo ist ein Windhund. Immer auf der Suche nach dem eigenen Vorteil – und immer auch sehr erfolgreich. Hat der Conte recht? Ist Attilio nur hinter dem Geld des Familienfreundes her? Zurück in der Questura wartet auf Brunetti schon die nächste Überraschung: Gonzalo. Er hat Wind von den Ermittlungen des Conte bekommen. Er überzeugt Brunetti, sofern dieser in diese „Ermittlungen“ involviert ist, diese ruhen zu lassen. Brunetti wisse wem er was vermachen könne. Er, der reiche Kunsthändler, habe keinen, der sein Erbe würdigen könnte, sich über die eine oder andere Kostbarkeit freut ohne den materiellen Wert zu taxieren.

Die Wochen vergehen, Elletra ist zurück aus dem Urlaub, da erreicht Brunetti die traurige Nachricht vom Tod Gonzalos. Er besuchte seine Schwester in Madrid. Zu viel Aufregung für das alte Herz, er ist tot. In Venedig wird daraufhin eine Trauerfeier organisiert. Mit Folgen, die selbst Brunetti nicht vorhersehen kann, ihn aber gehörig auf Trab halten werden…

 

Pecunia non olet – die Kanäle von Venedig schon! Commissario Guido Brunetti und Dottoressa Griffoni stehen beide fasziniert auf einer Brücke und schauen zu wie ein Teil der Wasserstraßen vom Schlamm des Bodens befreit wird. Es ist wie ein Gleichnis, dessen nähere Bedeutung sie in den nächsten Tagen auf den Grund gehen werden (müssen). Sie sind auf dem Weg ins Ospedale Fatebenefratelli. Eine Patientin liegt im Sterben. Benedetta Toso. Mitten in der Blüte ihres Lebens hat sie der Krebs im Würgegriff. Sie wird zwei Töchter zurücklassen müssen. Und erst vor Kurzem hat sie ihren Mann Vittorio bei einem Motorradunfall verloren. Das ist auch der Grund warum sie die beiden Ermittler kommen ließ. Mit stark geschwächter Stimme kann sie noch „schlechtes Geld“ herauspressen.

Durch Elettras Einsatz erfährt Brunetti, dass Bendetta Toso erst in einer Privatklinik lag. Tausende von Euro zahlte ihr Mann monatlich an die Klinik. Doch die finanziellen Reserven waren bald aufgebraucht. Der vermeintliche Motorradunfall von Vittorio erscheint bald schon in einem anderen Licht. Er selbst war für die Wasserqualität in der Lagunenstadt verantwortlich. Die Überwachung der technischen Geräte oblag ihm, ebenso deren Wartung und die Entnahme von Proben. Beim Gespräch mit seiner Vorgesetzten und einem Kollegen tun sich vor Brunetti und Vianello jedoch wahre Abgründe auf. Zum Einen war Vittorio verständlicherweise wegen der Krankheit seiner Frau mehr als angespannt. Gegenüber Kollegen und deren lascher Arbeitseinstellung war er ein erbitterter Gegner. Aber deswegen ihn von der Straße zu drängen und im Graben ertrinken lassen? Diese Theorie hält Brunetti für abwegig. Dennoch weiß er genau, dass der Tod Vittorios weder natürlich war noch dass er die Arbeit Vittorios bei seinen Ermittlungen außeracht lassen darf.

Es liegt ein dunkler Fleck auf Vittorios blütenweiser Weste – als Brunetti den entdeckt, zwicken ihn die Gewissensbisse. Enthüllt er alles, was er weiß, schadet er sich und den beiden Waisenmädchen, die binnen kürzester Zeit Mama und Papa verloren haben. Hält er mit allem hinterm Berg, kann schlussendlich doch noch ein gutes Ende gefunden werden…

So kurz vorm Jubiläum – im Frühjahr 2021 erscheint der dreißigste Brunetti-Fall! – lässt Donna Leon keinen Zweifel daran, warum sie seit Jahrzehnten so erfolgreich ist. Ein aktuelles Thema – Umweltschutz / Umweltverschmutzung – und ein Mord fasst sie einem Juwelier gleich zu einem kunstvollen Schmuckstück zusammen. Es funkelt, es blitzt, doch der Neid der Anderen lässt dunkle Wolken aufziehen bzw. geheime Quellen zutage treten.

 

So sonnenklar der Morgen, den Brunetti fast verschlafen hätte, so dunkel werden die Wolken am Himmel über ihn hereinziehen, wenn er seinen nächsten Fall auf dem Tisch hat. Die Zeitung schreibt über einen brutalen Überfall auf zwei Amerikanerinnen, die schlimm zugerichtet und blutüberströmt am Ospedale civile abgelegt wurden. Zusammen mit Griffoni und Laura Nieddu – und natürlich der unerlässlichen Elettra, die wie immer in den unergründlichen Tiefen der Datenbanken den roten Faden aufnimmt, den niemand sonst findet – sind die beiden Täter schnell ausgemacht. Vio und Duso, Freunde seit Kindertagen, immer am Rande der Legalität wirkend, irgendwann in zwei Richtungen gehend, doch immer noch beste Freunde, geben unumwunden zu wie es sich zu getragen hat. Sie hatten die beiden Frauen kennengelernt und auf eine Spritztour in die Lagune mitgenommen. Es gab einen Unfall. Eine Mischung aus Feigheit und Pflichtbewusstsein veranlasste sie die beiden Frauen am Krankenhaus abzulegen. Das deckt sich – eine der beiden wird sich an nichts mehr erinnern können – mit der Aussage eines der Opfer. Fall gelöst? Bei Weitem nicht!

Denn Vio und Duso sind keine unbeschriebenen Blätter, auch wenn wenig über sie bekannt ist. Zigarettenschmuggel ist da noch die lässliche Sünde unter den Vermutungen. Es sind einige Behörden in der Lagunenstadt, die sich mit den beiden, ihren Familien und ihren Geschäften beschäftigen. Selbst der ehrenwerten Gesellschaft sind die Namen ein Begriff. Dennoch will man sich nicht mit ihnen – ohne doppelte Absicherung, aber wer will das, wer kann das schon garantieren? – abgeben. Brunetti muss verdammt tief graben, unglaubliches Fingerspitzengefühl beweisen und einen klaren Kopf bewahren. Nicht wie am Tage zu vor als er fast den wunderschönen Morgen verschlafen hätte…

Der vielsagende Titel „Flüchtiges Begehren“ ist mittlerweile der dreißigste Fall von Guido Brunetti. Man muss lange zurückschauen, um eine länger dauernde Krimireihe zu entdecken. Im Laufe der Krimireihe hat Donna Leon dem Leser eine Stadt entdecken lassen, in der die Romantik auf gleicher Stufe wie das Elend steht. Eitel Sonnenschein und tiefste Gier, widersprenstige Zeugen und eiskalte Killer gehen Hand in Hand spazieren durch das Gassenwirrwarr einer der ungewöhnlichsten Städte der Welt. Oft totgesagt und noch immer am Leben. Commissario Brunetti ist der Putzerfisch, der den endlosen Kampf gegen jede Art Verschmutzung ein ums andere Mal bereitwillig annimmt.

 

Wenn Commissario Guido Brunetti am Morgen auf dem Weg in die Questura sein Venedig durchläuft, streift sein Blick immer noch an Fassaden entlang, sucht sein Blick das Weite, saugt er seine Stadt immer noch n sich auf. Ob Polizistentick oder uneingeschränkte Hingabe sei dahingestellt. Beruflich hat ihm sein Drang Dingen auf den Grund zu gehen noch nie geschadet. Doch auch vor ihm macht die Pandemie nicht halt. Als er bei der Arbeit ankommt, erwartet ihn schon ein Gast. Wegen der Entfernung und dem Mund-Nasen-Schutz kann er aber nicht eruieren, wer da auf ihn wartet. Eigentlich müsste er sie – es ist eine Dame – sofort erkennen. Elisabetta Foscarini wohnte damals, als beide noch Jugendliche waren, über den Brunettis. Als er Elisabetta endlich erkennt, freut es ihn natürlich. Doch insgeheim ist er mehr darauf erpicht zu erfahren, warum sie ihn in der Questura aufsucht. Nach allerlei Erinnerungen rückt Elisabetta endlich mit der Sprache raus.

Vor Jahren investierte ihr Mann Bruno in eine Stiftung. Als er bemerkte, dass es nicht so einfach ist eine Stiftung zu gründen, bat er Enrico, seinen Schwiegersohn, um Hilfe. Er brachte die Finanzen wieder in Ordnung und zog sich dann aus der Stiftung zurück. Das ist ein paar Jahre her. Vor einiger Zeit wandte sich seine Tochter Flora an Elisabetta. Enrico, ihr Mann habe sich verändert. Verlässt das Zimmer, wenn er telefoniert, reagiert kaum noch auf seine Frau. Kleinigkeiten, doch die Summe daraus besorgt sie. Brunetti hört sich die Sorgen der Jugendfreundin an. Griffoni hatte er schon vorher dazugeholt. Sie notiert sich pflichtbewusst alles Gesagte.

Nun, einen echten Fall hat Brunetti nicht vorliegen. Offiziell kann er wenig tun. Aber einer alten Freundin schlägt man keine Bitte ab. Und so beginnt eine Jagd nach etwas Unbekanntem, das bald schon höhere Wellen schlägt als der Bug der dicksten Kreuzfahrtschiffe in den engen Kanälen der Serenissima.

Brunetti beginnt bei seiner Schwiegermutter. Sie kann ihm dank ihrer Stellung Türen öffnen, die einem kleinen Commissario wie ihm nicht einmal zum „Vor-Der-Nase-Zuschlagen“ geöffnet werden würden. Doch die Recherchen verlaufen im Sande. Signora Ellettra hingegen ist wie immer ein Füllhorn an Informationen. Sie forscht inzwischen nach der Stiftung und ob dort alles mit rechten Dingen zugeht. Eine hat Brunetti noch nicht befragt: Flora. Die Frau, die Angst hat um ihre Familie. Er bekommt schneller Zugang zu ihr als erwartet. In ihre Tierarztpraxis wurde eingebrochen. Das kann mit den Kinderbanden zusammenhängen, die das acqua alta und die pandemiebedingten Einschränkungen nur allzu gern für ihre Raubzüge ausnutzen. Muss es aber nicht…

Auch im mittlerweile einunddreißigsten Fall hat Brunetti nichts von seiner Sogwirkung auf den Leser verloren, der ahnungslos durch die Kanäle treibt und verzweifelt versucht noch vor Brunetti den Täter erkennen zu können.

 

Es ist November in Venedig. Da jagt man keinen Hund, und schon gar keinen Commissario vor die Tür. Brunetti sieht das aus reinem Selbstzweck genauso. Er steht, er hockt vor seinen Büchern und will endlich mal ein bisschen ausmisten. Es muss ein – ob er will oder nicht. Der Platz reicht nicht mehr aus. D’Annunzio kann weg. Seine kruden Ansichten sind Brunetti zuwider. Mazzoni ist ihm zu langweilig.

Weniger langweilig ist dagegen der Tipp, dass ein Palazzo verkauft werden kann. Also doch raus in die Kälte, in die Nässe, ins venezianische Schmuddelwetter. Er war ja eben schon mal draußen, weil ein Kollege verhaftet wurde. Brunetti konnte mit seinem Charme und Geschick Schlimmeres verhindern. Die Sachlage ließ aber auch keinen anderen Schluss zu als Alvise wieder laufen zu lassen. Zurück zum Palazzo.

Ein Blick über die Mauer. Nicht schlecht. Der höfliche Mann, der ihm die Tür öffnet, muss ihm aber mitteilen, dass hier nichts zum Verkauf steht. Schade, aber nicht zu ändern.

Brunetti widmet sich wieder dem Ausmisten. Da schellt das telefonino und Vianello ruft ihn zu einem Tatort. Ein Mann wurde gefunden. Tot. Als Brunetti den Mann sieht, erkennt er den Mann, der ihm vor Tagen die Tür im Palazzo geöffnet hatte und ihn höflich, aber bestimmt hinauskomplimentiert hatte. Ein Srilanker.

Und ohne gültige Papiere, dafür mit tadellosem Ruf. Wie Brunetti allenorts bestätigt wird. Was den Commissario verwirrt, verunsichert, ihn aufmerken lässt, ist der Bücherschrank in Ineshs – so heißt der Mann – Zimmer. Das passt alles nicht so recht zusammen. Flugblätter, agitatorische Schriften und Bücher. Daneben ein kleiner buddhistischer Tempel. Brunettis Spürnase juckt verdammt heftig … und das mitten im trüben November-Venedig.

Ob die Saat aufgeht, bestimmt nur eine: Donna Leon. Sie lässt es im zweiunddreißigsten Band ihrer Brunetti-Reihe gemächlich angehen. Brunetti wird ruhiger, besonnen war er schon immer. Die Rückblenden werden häufiger und klarer. Die Studentenzeit, die Zeit des Suchens und des Findens sind präsenter denn je. Vor allem, wenn alte Freunde wieder auftauchen…