Flint / Cavalli – Zürich

01 Fremde Hände

Regina Flint macht – anfangs ohne es zu wissen – eine schwere Zeit durch. Die Bezirksstaatsanwältin geht in ihrer Arbeit auf, doch privat läuft es eher suboptimal. So würde sie es wohl bezeichnen. Die Beziehung zu Felix, dem Journalisten, steht vor dem Aus. Sie zieht sich immer weiter zurück, er kriecht aus Angst vor der Trennung in seine Höhle. Bruno Cavalli, der zurückgekehrte Ermittler ist da die willkommene Abwechslung. Er war lange Zeit in den USA und Deutschland zur Fortbildung. Zuvor waren er und Regina ein Paar – Doch für Anbandelungen ist keine Zeit. In der Kehrichtverbrennungsanlage in Zürich wurde in einer Autobox eine junge Frau entdeckt. Tot. Während der Ermittlungen von Flint, Cavalli und ihrem Team wird dem Leser die Geschichte von Aurora erzählt. Sie stammt aus Albanien, aus Berat. Eine nicht gerade einladende Gegend. Das Grau der Fabrikgebäude, das Grau der Wohnsilos wird durch das Grün der Berge zu selten abgewertet. Jeder, der die Chance hat ein paar Moneten zu machen, nimmt Reißaus. So auch Aurora. Zuerst zieht sie mit ihrer Familie nach Tirana, der Hauptstadt Albaniens. Keine gute Wahl, denn ihr Leben nimmt eine Wendung, die sie selbst ihrem ärgsten Feind nicht gönnt…

Die Ermittler ziehen die Schlinge immer fester um die Verdächtigen. Erste Reaktionen gibt es auch schon. Regina Flint wird angefahren, ihr Wagen sabotiert. Die skrupellosen Menschenhändler sind auf der Hut. Die Beschreibungen wie die Mädchen in die Schweiz kamen, wie sie erniedrigt zu Frondiensten genötigt wurden, verschlagen dem Leser die Stimme. Petra Ivanov gibt sie den Mädchen zurück. In ihrer Detailgenauigkeit vergisst sie die akribische Detektivarbeit der Kantonspolizei nicht aus den Augen.

Auch Cavalli und ein Kollege werden Opfer eines Anschlages, überleben verletzt. Allerdings waren sie auf dem Weg einen Verdächtigen ins Revier zu bringen. Der wurde mit fünf gezielten Schüssen in den Kopf getötet. Müssen die Ermittler wieder von vorn beginnen? Nein, nur andere Spuren weiterverfolgen.

Der erste Band der Krimireihe über das Ermittlerduo Flint/Cavalli nimmt gleich ab der ersten Seite rasant Fahrt auf. Dem Leser bleibt keine Zeit um Luft zu holen. Schlag auf Schlag treibt Petra Ivanov die Geschichte voran. Dennoch schafft sie es ein behagliches Gefühl der Nähe zu den handelnden Personen aufzubauen. Ganz große Krimikunst!

02 Tote Träume

Eben mischte Bezirksstaatsanwältin Regina Flint noch Zinnoberrot und Kadmiumorange, da erwachen die Farben vor ihren Augen in echt. Das Asylbewerberheim brennt. Die Feuerwehr tut ihr Möglichstes, um der kreischenden Flammen Herr zu werden. Doch für vier Flüchtlinge aus Afrika kommt jede Rettung zu spät. Ein junger Mann, eine junge Frau und zwei kleine Kinder sind in den Flammen umgekommen. Scheußlich! Fast teilnahmslos steht Bruno Cavalli am Ort des Geschehens, regungslos bis … ja bis er Regina Flint entdeckt. Sie sind noch immer kein Paar. Doch die Leidenschaft entfacht jedes Mal aufs Neue, wenn sie sich nach langer Zeit wiedersehen.

Die ersten Erkenntnisse belegen, dass zumindest der tote Mann, Tokh Lado, schon vor dem Brand tot war. Und sie fördern zwei erste Verdächtige zu Tage: Den Pfarrer, der sich um Gemeindezentrum um die Flüchtlinge kümmert, ihnen ein Heim gibt, und Timon Schmocker. Ein Jugendlicher, der ab der Realschule abdriftete. Seine Leistungen sackten rapide ab, er selbst viel immer öfter durch rassistische Bemerkungen auf. Doch er hat ein Alibi. Er war zusammen mit Chris. Christopher. Christopher Cavalli! Nicht genug, dass der Sohn des Kommissars seine Lehre abgebrochen hat, dass er seinen Alltag nur noch zugedröhnt verbringt, jetzt steckt er auch noch in einem hässlichen Mordfall!

Cavalli kommt an seine Grenzen. Als Regina ihm auch noch Vorwürfe wegen seiner Ermittlungsmethoden macht, gerät er ins Wanken. Cavalli will über das Opfer an den Täter kommen, Flint über die Verdächtigen im Pfarrhaus.

Zu allem Überfluss steht auch noch Cavallis Familie auf der Matte. Als Ratgeber, Mahner und Anwalt. Bruno Cavalli hat es wahrlich nicht einfach mit dem Brand im Asylbewerberheim. Und jetzt auch noch der Familienzwang.

Immer wieder streut die Autorin in gewohnter Manier Hinweise über den Täter ein. Der sinniert über seine Tat – der Leser darf eifrig raten, wer es denn nun sei. Im dritten Teil ihrer Flint/Cavalli-Reihe lässt Petra Ivanov ihre Helden durch die Hölle gehen. Cavalli muss seinem Sohn zur Seite stehen, obwohl der alles andere auf der Welt will als seinem Vater zuzuhören. Regina Flint ist immer noch zerrissen von ihren Gefühlen zu Cavalli. Einst waren sie ein Paar, er suchte das Weite, sie eine Beziehung. So richtig zusammenkommen werden sie wohl nie. Aber ein (Arbeits-)leben ohne den Anderen ist auch schwer vorstellbar.

Die Detailversessenheit von Petra Ivanov macht ihre Romane so einzigartig. Fast meint man, dass hier kein „normaler“ Schriftsteller am Werk ist, sondern ein ausgemachter Experte. Aber die Romane sind nun einmal nicht „normal“. Und die Lösung des Falles ist ebenso weit davon entfernt als „normal“ bezeichnet werden zu können. Dabei ist sie so simpel.

03 Kalte Schüsse

Zürich zur Weihnachtszeit: Die Kälte überzieht die Straßen mit einer gefährlichen Haut. Sie lässt die langen Schatten bedrohlich wirken. Bezirksstaatsanwältin Regina Flint wird dank einer Reform zur Staatsanwältin in der angesehenen Abteilung STA IV. Bruno Cavalli ist mal wieder ihr ständiger Begleiter in privater Hinsicht, und als Kollege der wichtigste Trumpf in ihrer Abteilung. Privat knistert das Feuer nicht endgültig, aber genug um die Kälte zu vertreiben.

Das Feuer für ihren Beruf ist noch lange nicht erloschen. Und sie braucht jeden Funken Verstand, um in ihrer neuen Arbeitsstelle zu bestehen. Die junge Kickboxerin Lynn Fasolin wurde mit einem alles zerfetzenden Geschoss aus dem Leben gedrängt. Brutal, unnötig brutal. Ebenso die 72jährige Rentnerin Elsbeth Ingold. Soll es zwischen den beiden Morden einen Zusammenhang gegen? Eine Rentnerin und eine taffe Sportlerin. Ein erster Verdächtiger ist schnell ausgemacht. Lukasch. Die Spuren deuten auf eine Verbindung zu Lynn Fasolin hin. Fasolin und Lukasch kannten sich aus der Kickboxgruppe.

Emotional ist der Fall des Polizisten Marko Simonovic. Der hatte Regina Flint auf dem Weihnachtsmarkt geholfen – ihr wurde ein gerade gekauftes Geschenk von einem Dieb gestohlen. Simonovic konnte zwar den Dieb nicht fassen, aber das Geschenk zurückbringen. Simonovic ist bei der Kantonspolizei bekannt wie ein bunter Hund. Zum Einen ist er der erste serbische Polizist, zum Anderen war er bei allen wegen seines Fleißes beliebt. Und dieser dienstbeflissene Beamte soll sich ein Autorennen geliefert haben, bei dem er lebensgefährlich verletzt wurde? Regina Flint kann die Fakten nicht glauben.

Das Jahr hat gerade begonnen, Regina Flint richtet sich gerade im neuen Büro ein und, schon lassen mehrere Leichen das Blut in den Adern gefrieren: Zu Elsbeth Ingold, Lynn Fasolin gesellen sich zu Flints Bedauern Marko Simonovic und auch Lukasch. Der hat regelmäßig Geld gewaschen. Das ergaben die Ermittlungen. Er hatte keine weiße Weste, doch der Mörder war er nicht. Petra Ivanov zieht im dritten Fall ihres erfolgreichen Ermittlerduos alle Register. Sie taucht tief in die tagtägliche Arbeit der Polizei ein, zeigt Ermittlungstaktiken auf und konstruiert wie niemand anderes geschickt Kriminalfälle. Lesend ermitteln wird zur Denksportaufgabe. Der Leser muss sein Gehirn ständig auf Betriebstemperatur halten, um den kalten Schüssen aus dem Weg zu gehen.

04 Stille Lügen

Urlaubszeit, die schönste Zeit des Jahres. Abschalten, den Kopf frei bekommen. Kraft tanken für das, was noch kommt. Eine Staatsanwältin stellt man sich dann auf einer Liege unter tropischer Sonne vor. Regungslos genießt sie die Unerreichbarkeit. Kriminalkommissare sind aktive Menschen, auch im Urlaub. Sie brauchen die Action, um abschalten zu können. Regina Flint, Staatsanwältin aus Zürich fährt in den Südkaukasus. Bruno Cavalli, Kommissar aus Zürich, fährt mit ihr, um sich von einer Verletzung zu erholen. Ja, bei Petra Ivanov sind Krimis anders. Und das ist gut so!

Die Mutter von Isabelle Jenny bat Regina Flint – wenn sie schon mal da ist – nach dem Rechten zu schauen. Isabelle Jenny arbeitet für Teamwork, eine Hilfsorganisation im Kaukasus. Doch seit ihrem Abflug hat die Mutter nichts mehr von ihrer Tochter gehört. Regina Flint und Isabelle Jenny drückten einst gemeinsam die Schulbank. Aus dem Erholungstrip wird schnell ein Abenteuerurlaub.

Daheim in Zürich haben die Kollegen einen seltsamen Selbstmord zu klären. Philippe Knecht hatte so gar keinen Grund sich das Leben zu nehmen. Kein einziges Indiz deutet darauf hin, dass ein Dritter nachgeholfen hat. Das Familienleben war harmonisch, er arbeitete für eine Firma, die Hilfsorganisationen zertifizierte und Spendensiegel vergab. Und genau aus diesem Grund sind Flint und Cavalli gar nicht so sehr von ihrem Team entfernt. Die Kommunikation zwischen Georgien und Zürich funktioniert einwandfrei – technisch gesehen.

Die Suche nach der Schulfreundin gestaltet sich zusehends schwierig. Die Behörden mauern und die fremde Umgebung – in der sie offensichtlich nicht willkommen sind – behindern die eigenen Recherchen. Cavallis Rekonvaleszenz ist auch nicht gerade von Vorteil.

Alle Fäden scheinen im Hotel National zusammenzulaufen – das steht in Zürich. Isabelle traf sich dort mit Philippe, zur gleichen Zeit war auch der Schweizer Botschafter in Georgien dort abgestiegen. Und eine weitere Ermordete hat dort gearbeitet.

Und Flint / Cavalli können nur schwer ermitteln – sie wurden in Georgien inhaftiert. Pierre-Richard von Arburg hilft ihnen aus der Patsche, sie kommen frei. Doch warum tut er das? Schließlich hängt er doch mittendrin im Fall um Isabelle Jenny, einen Millionenbetrug und das Verschwinden eines weiteren Menschen. Oder doch nicht?

„Stille Lügen“ ist nur der Seitenanzahl nach der dünnste Roman des Ermittlerduos Flint / Cavalli. Inhaltlich der Stärkste! Von den Alpen in den Kaukasus und zurück, Verliebtheit jeglicher Couleur, Betrug, verwandtschaftliche Bande – Petra Ivanovs Roman wurde nicht zu Unrecht mit dem Zürcher Krimipreis 2010 ausgezeichnet.

05 Tiefe Narben

Petra Ivanovs Ermittlerpaar Regina Flint und Bruno Cavalli wird im fünften Fall auf mehr als eine harte Probe gestellt. „Tiefe Narben“ geht beiden ans Gemüt und führt sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Auch die Beziehung.

Eine junge Frau wird ermordet, mit einer Gartenschere zerstückelt und liegt nun auf dem Tisch des Rechtsmediziners. Und es gibt einige Parallelen zu den Taten des Metzgers, der immer noch immer noch seine Strafe im Gefängnis verbüßt. Der besitzt die Dreistigkeit den Mord zu gestehen, obwohl einwandfrei nachweisbar ist, dass er zur Tatzeit schon einsaß.

Immer mehr Zweifel drängen sich den Ermittlern auf. Ist der Metzger überhaupt der Metzger? Oder deckt er nur den wahren Täter? Dann verschwindet Iris Weber. Eine junge Frau, mit der Cavalli ein Verhältnis hat oder hatte. Regina weiß davon, macht Cavalli deswegen aber keine Vorwürfe. Der Freiheitsdrang des Mannes, den sie liebt, von dem sie ein Kind erwartet, kann von ihr nicht gezähmt werden. Der eigentliche Täter weiß Einzelheiten der vorangegangenen Morde, die nur den Behörden bekannt sind. Kommt der Täter aus den eigenen Reihen?

Als Kollegin Bambi entführt wird, wird die Sache brenzlig. Wie nah ist sie dem Täter gekommen? Kennst Sie ihn besser als sie es den Kollegen eingestanden hat? Hat sie alle Vorsicht über Bord geworfen und bezahlt nun für ihre Unvorsichtigkeit?

Petra Ivanov treibt dieses Mal die Spannung auf die Spitze. Ein Polizist als schändlicher Meuchelmörder, der Frauen quält und sie bestialisch ermordet? Oder ist doch der albanischstämmige Insasse der Metzger? Die gnadenlose Hatz auf den Mörder lässt das Team um Flint und Cavalli schier verzweifeln. Besonders Cavalli ist in seinem Element: Er traut niemandem mehr, ist verschlossen und schreckt auch vor offener Konfrontation nicht zurück. Für ihn gibt es nur ein Ziel: Jasmin Meyer, Bambi, aus den Fängen ihres Entführers zu befreien. Denn Iris Weber hat es nicht geschafft. Sie wurde ein weiteres Opfer des Metzgers.

Regina Flint kämpft zusätzlich noch mit ihrer komplizierten Schwangerschaft. Die Gefangenschaft in Georgien aus dem Vorgängerroman „Stille Lügen“ hat ihrem Zustand geschadet. Die abweisende Art Cavallis macht ihr zusehends zu schaffen. Er kann sich einfach nicht zu ihr und ihrem Kind bekennen. Ihr Fels in der Brandung wirft sie immer wieder ab und wirft sie in die Brandung der wogenden Gefühle. Für den Leser ist die Spannung kaum auszuhalten wie es Petra Ivanov schafft Ruhe und Ordnung ins Chaos der Ermittlungen und Gefühle zu bringen. Es wird eine Meisterleistung werden!

06 Leere Gräber

Zwischen Zürich und Buenos Aires liegt eine gewaltige Strecke, die gefüllt werden muss. Gefüllt mit einer Geschichte, einem Kriminalfall, den nur das Ermittler-/Liebes-Duo bestehend aus Staatsanwältin Regina Flint und dem Kriminalpolizisten Bruno Cavalli lösen kann.

Im Zürichsee wird bei Bergungsarbeiten – seit Monaten werden immer wieder Boote in Brand gesteckt – eine Leiche entdeckt. Die muss schon eine Weile im Wasser liegen, denn außer dem Geschlecht lässt sich schwer etwas ermitteln. Mit akribischer Detailversessenheit beschreibt Petra Ivanov die Arbeit der Polizei. Die vielen parallel verlaufenden Fälle, das Warten auf Ergebnisse anderer Abteilungen, und die Animositäten unter den Kollegen. Trotz der Schwierigkeiten bei den Ermittlungen gelingt es dem Team einen Namen zu recherchieren: Ramón Penasso. Journalist aus Buenos Aires, der von Montevideo in Uruguay über Madrid vor einigen Monaten in die Schweiz eingereist ist. Und in Uruguay wird ein Bankier wegen Mordes an Ramón Penasso verhaftet.

Der Leser ist an dieser Stelle schon weiter als die Ermittler. Denn in Montevideo hat sich Ramón mit Elena Alvarez getroffen. Sie waren ehemals ein Paar, hatten jedoch unterschiedliche Vorstellungen vom Leben. Ramón bat Elena ein Päckchen aufzugeben, wenn er sich in den nächsten 30 Tagen bei ihr meldet. Er wolle in die Schweiz. Zu ihrem Schutz wollte er nicht mehr preisgeben…

Staatsanwältin Regina Flint fliegt nach Südamerika. Das Hilfeersuchen hat lang genug gedauert. Jetzt hofft sie auf Antworten. Doch der argentinische Staatsapparat und die Ermittlungsbehörden haben eine weitgehend andere Arbeitsauffassung als Regina Flint es von Zuhause kennt. Hier ist immer Politik und Machterhalt im Spiel. Wem kann sie trauen? Wen muss sie hinterfragen. Das der Bankier der Schuldige ist, steht nur für die argentinischen Behörden fest. Flint zweifelt. Erst recht als sie Elena Alvarez kennenlernt. Sie berichtet ihr von der pedantischen Recherchearbeit Penassos und seiner Loyalität. Und der Suche nach seiner Schwester, die ihn in die Schweiz führte. In den verheerenden Jahren der Diktaturen verschwanden tausend junger Leute. Einige wurden illegal adoptiert. Eine heiße Spur?

Petra Ivanov inszeniert diesen Krimi. Wendungen – privat wie dienstlich – sind Bestandteil ihrer Story, sie dienen dem Verständnis und wirken niemals aufgesetzt. Die Stadt Zürich kann sich glücklich schätzen solch ein Ermittlerduo mit solch einer geistigen Mutter zu haben.

 

Rund ein halbes Dutzend Mal haben Regina Flint und Bruno Cavalli Zürichs Unterwelt das Fürchten gelehrt. Dabei haben wir Leser einiges über Zürich, die dunklen Gestalten, die Verhältnisse der beiden Ermittler und ihre Arbeitsweise erfahren. Doch wie bei jeder guten Party, fragen sich viele: „Wie habt Ihr Euch denn kennengelernt?“. Die Antwort musste bis eben warten. Hier die Antwort.

Noch nicht einmal einander vorgestellt und schon Körperkontakt. Regina Flint wischt das Blut von Bruno Cavallis muskulösen, braungebrannten Oberarm. Dann stellt sie sich vor. Keine Zeit verschwenden nennt man so was. Cavalli will in New York zwei Schweizer festnehmen, die Bankdaten gestohlen und zum Verkauf angeboten haben. Mark Heller ist tot und Sandra Weiß auf der Flucht. Die übereifrigen Cops verdächtigen Cavalli Hellers „letzter Kontakt“ zu sein. Und das FBI, das von Cavalli unterstützt wurde, sieht in ihm keine mehr einen, den man beobachten sollte statt auf seine Hilfe zu hoffen.

Tja, so sind sich Regina Flint und Bruno Cavalli zum ersten Mal begegnet. Kennenlernen sollen sie sich erst noch.

Bei ihren Ermittlungen sind sich Regina Flint und Bruno Cavalli einig, dass hinter der Hatz nach Heller und Weiß jemand stehen muss, der mehr als ein begründetes Interesse an den gestohlenen Daten einer Schweizer Bank hat. Und dieser jemand geht über Leichen. Kurze Zeit später springt eine Frau vor Schreck vor ein Taxi. Sie ist sofort tot. Die Tote ist Sandra Weiß. Auch der Mörder ist schnell ausgemacht. Doch hinter ihm steht jemand, dieser bewusste jemand, der über Leichen geht. An ein Näherkommen ist während der Ermittlungen kaum zu denken. Das duftende Haar von Regina Flint und die rosa Sommersprossen müssen noch ein wenig warten, bevor sie von Bruno Cavalli entdeckt und erobert werden können. Und seine muskulösen Oberarme, der eine mit Narbe – schon sorgsam von Regina Flint verarztet – schwingt noch eine Zeit lang ohne sie umschlungen zu haben allein an dem nicht minder muskulösen Körper Cavas, wie ihn Freunde und auch schon Regina Flint nennen dürfen, herum.

Petra Ivanov hat mit dem Ermittlerduo Flint/Cavalli ein charakterlich so dichtes Gespann geschaffen, dass einem als Leser manchmal die Luft wegbleibt. Beide Seiten des Paares sind voller Überraschungen, man könnte meinen, dass sie die Verbrecher sind. Denn die sind im Krimibereich immer diejenigen, die durch Witz und Fintenreichtum glänzen, zumindest so lang bis sie gefasst werden. Nun endlich ist raus, was bisher nur angedeutet wurde. Flint und Cavalli sind Zündler und Löscher zugleich. Die Gefahr, dass dieses Feuer jemals erlischt, ist so chancenreich wie dass es doch mal einem Gauner gelingt die beiden aufs Kreuz zu legen.

 

Kurzes Update: Bruno Cavalli ist in den USA, um dem FBI sein Wissen anzubieten. Staatsanwältin Regina Flint lebt weiterhin in Zürich. Ihre Tochter Lily geht in den Kindergarten. Ab und zu passen Oma und Stiefbruder Chris, den die Kleine vergöttert auf den Wirbelwind auf. Und die Abteilung Kapitalverbrechen heißt jetzt Dienst Leib/Leben.

Ein bisschen Würze ins Leben bringen, mehr wollte Dorothee Kienast nicht. Die Tochter ist aus dem Haus und ihr Mann energischer denn je, wenn es um Politik geht. Mittlerweile sitzt er im Kantonsrat und ist unangenehmer Streiter für das Wohl der Allgemeinheit. Neuestes Projekt: Die Uferzugängigkeit des Zürichsees. Er vertritt die Meinung, dass es ein Anrecht aller sei ringsum den See wandern zu können. Die Anwohner sehen ihre Privatsphäre verletzt.

Schon seit Längerem plagen Moritz Kienast, Motz-Moritz genannt, juckende Augen und Haut. Eine Allergie, meinte auch sein Arzt. Nichts Wildes. Sellerie ist für Moritz Gift. Sie löst erhebliche allergische Reaktionen aus. Seiner Frau gegenüber erwähnt er nur die Unlust auf Sellerie. Da Sellerie auch als Aphrodisiakum gilt, dachte sie, dass es ja nichts schaden könnte ein wenig Selleriesalz in die Bloody Mary zu geben. Ob der Zusammenhang zwischen Verlangen und den Beschwerden zu halten ist, bleibt erstmal fraglich.

Regina Flint ist auf der Suche nach einem Motiv. Dorothee Kienast per se Tatverdächtige Nummer Eins. Denn seit ein paar Tagen ist Motz-Moritz verschwunden! Seine Frau ist die Letzte, die in lebend gesehen hat. Die Liste der Tatverdächtigen – sofern es denn überhaupt ein Verbrechen gab/gibt – ist lang, wenn man bedenkt mit wem sich der engagierte Politiker angelegt hat. Bis hin zu seinem Bruder, mit dem sich Moritz Kienast eigentlich seit Kindertagen nie recht verstanden hat.

Den Leser versetzt Petra Ivanov in die komfortable Lage mehr zu wissen. Eingepfercht in einen Käfig, angekettet, in totaler Finsternis fristet Moritz Kienast ein unerträgliches Leben. Futter gibt’s im Napf, menschliche Reaktionen muss er selbst erzeugen. Seine „Wärter“ geben keinen Mucks von sich. Folter par excellence.

Der Fall liegt klar auf der Hand: Moritz Kienast hat ein paar heiße Eisen zu viel angefasst. Doch der Titel des Buches hat mehr als nur eine Bedeutung… Und irgendwie wünscht man sich insgeheim, dass Klemens Kienast, Moritz‘ Bruder seine Finger im Spiel hat und dafür gnadenlos bestraft wird. Denn der ist ein echter Kotzbrocken, rücksichtslos und Papas Liebling. Während Moritz immer die Nummer Zwei war und händeringend nach der Anerkennung seines Vaters hechelte. Doch es kommt anders. Eine verkohlte Leiche wird gefunden. Bestialisch zugerichtet. Selbstmord kann man hier wohl ausschließen…

Für den geübten Ivanov-Leser hält die Autorin weitere Hinweise parat. So unterhält sich Regina Flint über ihren verschwundenen Partner Bruno Cavalli – ja, aus Flint / Cavalli wird dieses Mal ein Solo für Flint – mit einer weiteren Züricher Ermittlerin, Nora Tabani. Und in einem kurzen Abschnitt wird Leipzig erwähnt. Alles Hinweise auf eine weitere Züricher Schriftstellerin, die ihrer Liebe zu Krimis tiefschürfend Luft macht: Mitra Devi.

 

Zürich im Sommer. Die Sonne brennt erbarmungslos auf die Züricher und die Besucher der Stadt herab. Ein wenig Abkühlung verspricht der See. Nur Staatsanwältin Regina Flint kann den endorphinausschüttenden Sonnenstrahlen nichts abgewinnen. Sie muss arbeiten. Albert Gradwohl, 71 Jahre alt ist tot. Erschossen. Mit einer Waffe, die mehr als doppelt so alt ist wie das Opfer. Als Waffennarr war Albert Gradewohl nichts bekannt. Im Gegenteil. Immer freundlich, jedem Streit aus dem Weg gehend. Der ideale Nachbar. Zwar hatte er eine Affäre, aber warum moralisieren im Angesicht des Todes?

Die Waffe allerdings bringt Regina Flint auf eine Spur, die sie weder erwartet noch selbst je beschritten hätte. Sie führt sie in die USA. Südstaaten. Und in eine Cherokee-Reservat. Dort ist auch Bruno Cavalli. In einer Nacht-Und-Nebel-Aktion ist er vor Monaten dorthin aufgebrochen. Ohne Gruß, ohne Erklärung. Sie ist einiges von ihm gewöhnt, doch das …

Cavalli sitzteinige Zeit zuvor in einem Diner irgendwo in North Carolina. Emma Longhorn ist bei ihm. Sie soll nach seinen Vermutungen das nächste Opfer des Indian Killers sein. Der hat schon einige Menschen ins Jenseits befördert. Das Treffen im Diner ist kein Zufall. FBI-Agenten sind gut getarnt in der Umgebung. Die nervöse Emma kann das in keiner Weise beruhigen. Dann ein Zischen. Geistesgegenwärtig zieht Cavalli Emma aus dem Schussfeld. Der Giftpfeil verfehlt sein Ziel. Die Falle hat nicht zugeschnappt. Doch Cavalli ist sich nun ganz sicher, dass es einen Maulwurf bei den ermittelnden Behörden geben muss.

In Zürich verdichtet sich im Fall Gradewohl alles auf die USA. Eine Dienstreise ist unumgänglich. Regina Flint reist allein. Auch um Bruno wiederzusehen. Der Vater ihres Kindes kann sich nicht ewig verstecken. Und die Neugier herauszufinden, was Cavalli Tausende von Kilometern entfernt so treibt ist eine gute Triebfeder. Und ihre Spürnase ist immer noch unschlagbar, fast wie die von Cavalli.

Überraschung in den Weiten North Carolinas. Zwei Menschen stehen sich gegenüber, fallen sich in die Arme und alles, was war, ist vergessen. So kitschig wie es sich anhört, ist es nicht. Doch Flint und Cavalli sind wieder ein Ermittlerpaar. Und so verwundert es nicht, dass sich beide zeitgleich dieselbe Frage stellen. Warum wurde Cavalli angefragt in den USA nach dem Indian Killer zu suchen? Welche Verbindung gibt es zwischen ihnen?

Petra Ivanov setzt einen ungewöhnlichen Einstieg in ihre Geschichte. Ein alter Mann wird in Zürich mit einer Bürgerkriegswaffe (Nord gegen Süd) ermordet. In Rückblenden wird die Geschichte der Army No.2 so detailreich erzählt, dass man darüber hinaus fast den eigentlichen Fall vergisst. Ist man wieder drin im Fall, kommen (todes-)engelsgleich immer mehr Hintermänner aus ihrer Deckung. Wer Spannung sucht, ist bei Petra Ivanov in den besten Händen für Schweißausbrüche und zielführende Gedankenspiele. Ihre Recherchen sind nicht nur Mittel zum Zweck, sie sind ein tiefer Einblick wie Polizeiarbeit und Schreibwut im besten Wortsinne Hand in Hand gehen.

 

Dass Bruno Cavalli und Regina Flint getrennte Wege gehen, daran hat sich das Paar (und auch der Leser) mittlerweile gewöhnt. Für den Ermittler Cavalli ist das Dach überm Kopf wie ein Gefängnis, für die Staatsanwältin ist es ein Hort der Sicherheit. Besonders seit Lily ins Leben des ungleichen Paares getreten ist. Drei Jahre ist die gemeinsame Tochter nun alt.

Genauso alt wie Elias Ochsner. Der ist – wie seine Mutter – seit einiger Zeit wie vom Erdboden verschluckt. Werner Ochnser, Mann und Vater, reißt immer wieder der Geduldsfaden, wenn er bei den ermittelnden Behörden nachhakt. Aus den Akten, nicht nur zu diesem, aktuellen Fall, geht hervor, dass sich beide – sowohl Werner als auch Laeticia Ochsner in Sachen ahndfeste Auseinandersetzungen nicht viel schenken.

Der Ermittler Stefan Guth interviewt Werner Ochsner zum Verschwinden seines Sohnes Eilas. Der internationale Sozialdienst konnte die Mutter samt Sohn auch in ihrer Heimat Brasilien nicht ausfindig machen. In der Schweiz tappt die Polizei ebenso im Dunkeln.

Cavalli und Flint finden nach Monaten der Trennung wieder zusammen. Er war in den Staaten, um einen Serienkiller zu jagen. Sie machte in Zürich ihre Arbeit und kümmerte sich um die sich rasch entwickelnde Tochter. Bei der Arbeit gehen sie immer noch getrennte Wege. Bis Regina Flint ein Fall von Kindesentziehung übergeben wird. Eigentlich nicht ihr Job, doch der Personalmangel macht diese Entscheidung nötig. Es ist der Fall des kleinen Elias Ochsner. So alt wie Lily.

Cavalli befragt zur gleichen Zeit eine Polizistin, die einen Kollegen mit einem mehr als zwielichtigen Typen bei einem konspirativen Treffen beobachtet hat. Der wiederum ist eng in einem Fall von illegalem Hundehandel verstrickt. Bei einer Razzia liefen die Ermittler ins Leere. Keine Spuren mehr vorhanden, so als ob die vermeintlichen Täter gewarnt wurden. Und dieser Informant könnte Stefan Guth sein. Der, der auch den Fall des verschwundenen Jungen und seiner Mutter untersucht. Da wäre es doch hilfreich sich über die Erkenntnisse mit dem Anderen austauschen zu können…

Petra Ivanov erlaubt es nicht. Und das steigert die Spannung ins Unermessliche. Ein scheinbar undurchdringliches Dickicht aus Verstrickung, Amtseid, Pflichtbewusstsein, widerwärtiger krimineller Energie, Lug und Trug, ist die Spielwiese für den neuen Fall von Flint und Cavalli. Sie dringt tief in die Arbeitsweise der Behörden ein und erklärt gleichzeitig, warum genauso und nicht anders ermittelt werden muss. Reibereien gehören folglich dazu. Das Netz aus Spuren, Hinweisen und Indizien lässt den Leser im Gegensatz zum Titel des Buches laut schreien, vor Glück, dass es Krimis wie die von Petra Ivanov gibt.