Maria in der Hafenkneipe

Wenn man in einer Stadt wohnt, die von vielen besucht wird, passiert es schon mal, dass man nach dem Weg gefragt wird. Man hilft gern aus, zeigt den Weg, erste rechts, zweite links usw. Sprachbarrieren sollten da keine Rolle spielen. Wozu hat man Hände und Füße?! Die Technik auf den Smartphones macht solche Begegnungen aber immer seltener.

Antwerpen im Jahr 1938 – da hilft keine satellitengesteuerte Navigation. Da muss man fragen, wenn man das Gesuchte nicht sofort verorten kann. Und passiert es, dass einem Mann, Frans Laamans, drei Männer – wie sich später herausstellt aus Afghanistan – ansprechen. Sie sollen zu Maria. Sie kam an Bord ihres Schiffes, um Säcke zu flicken. So hilfsbereit, diese Maria. Man redet ein bisschen miteinander, trank Tee, rauchte. Und verabredete sich für den Abend. Am Boden einer Zigarettenschachtel hat sie ihre Adresse geschrieben.

Nun sind diese Drei auf dem Weg zu Maria. Doch wie hinkommen? Drei Männer, die zu einer Maria wollen? Da war doch was! Das gab’s schon einmal. Laamans hilft gern. Eigentlich wollte er nach Hause, zu Frau und Kindern. Sich hinter der Zeitung verkriechen und den Tag in Ruhe ausklingen lassen. Nun stapft er mit den drei Fremden durch Antwerpen.

Da er selbst den Weg nicht kennt, dennoch ihn Maria mehr als brennend interessiert- die Drei haben ihn mächtig angefixt – fragen sie unterwegs, ob denn nicht jemand diese eine spezielle Maria kennt. Es gibt Ecken in Antwerpen, auch heute noch, da könnte das für Missverständnisse sorgen. Gar nicht weit vom Museum aan de Stroom findet man Damen, die sich gern als Maria vorstellen… Doch dort wird das Quartett ihre Maria nicht finden. Auch wenn Laamans inzwischen den routinemäßigen Kneipenbesuch schon ad acta gelegt zu haben scheint.

Willem Elsschot erzählt eine der ältesten Geschichten neu. Die drei Afghanen haben zu viel Ähnlichkeit mit Caspar, Melchior und Balthasar. Sie folgen keinem Stern, sie folgen Laamans. Doch auch der kennt den Weg nicht, hilft aber, wo er nur kann. Sie kommen sie ins Gespräch. Über Gott und die Welt. Und das nicht nur sprichwörtlich, sondern im wahrsten Sinne des Wortes.

Wenn ein Buch das Attribut „Weihnachtsbuch“ im Jahr 2020 verdient hat dann dieses Buch! Die elegante Aufmachung – wer bei diesem Rot nicht sofort an Weihnachtsplätzchen und Geschenke denkt, ist ein Weihnachtsmuffel – und die zum Nachdenken einladende Kurzgeschichte unterhalten und hinterlassen besinnliche Gedanken. Kann man immer wieder lesen und sich amüsieren.