Ein Irokese am Genfersee

Schaut sich das Gebiet zwischen Huron-, Erie- und Ontariosee an, und zoomt in der Karte, findet man den Hinweis auf das Six Nations Indians reserve, no. 40. Nicht viel zu sehen, doch die Geschichte dieses Reservates hat viel zu bieten. Sie ist verbunden mit Deskaheh, Chief der Cayugas, einem Stamm der Irokesen, ein echter Indianerhäuptling, der 1923 in die Schweiz reiste und für Furore sorgte. Während heute jeder, der nichts zu sagen hat, jedoch auffallen will, sich „‘nen Iro“ stehen lässt, hatte Levi General – Deskaheh – ein ehrliches und zutiefst menschliches Ansinnen. Er wollte sein Volk vor der endgültigen Vertreibung und Des Raubes seiner Kultur bewahren. Dafür sprach er vor fast einhundert Jahren beim Völkerbund, dem Vorläufer der UNO vor.

Im ersten Weltkrieg soll sein Volk an der Seite der Kanadier gegen die Deutschen kämpfen. Deskaheh lehnt es ab. Wer nicht wählen darf, muss auch nicht an der Seite seiner Peiniger kämpfen. Eine logische Schlussfolgerung. Die Repressalien nehmen nicht ab. So beschließt er sich an den Völkerbund zu wenden. Wozu soll der denn sonst gut sein? Als die Regierung davon Wind bekommt, schlottern denen die Knie. Wie wird sich Dekahehs Ansinnen auf die Reputation des zweitgrößten Landes der Erde auswirken? Doch Deskaheh ist fest entschlossen. Wenn schon der englische König – formal der „Chief“ seines Volkes – wenn auch nur auf dem Papier – ihn nicht empfangen will, dann eben gleich zur höchsten Instanz, wenn es um Völkerrechte geht.

Doch niemand will mit ihm reden, geschweige denn ihn empfangen. Er ist kein Vertreter eines Landes, sondern nur einer Volksgruppe. Das reicht nicht, um gehört zu werden. Er wird jedoch gehört. Er darf reden. Nicht mit Politikern. Es sind die Zeitungen, die über den „roten Mann“ schreiben. Er hat Gönner, doch auch die sind in ihrer Macht eingeschränkt. Er hält Vorträge, die Beachtung finden.

Eine Rückkehr zu den Seinen ist ausgeschlossen. Der Pass ist abgelaufen, einen neuen Pass zu bekommen, ist fast aussichtslos. Und dann tritt das Unerwartete ein. Plötzlich stirbt Levi General, Deskaheh…

Ein Krimi? Eine Biographie? Auf alle Fälle eine mehr als spannende Periode im Leben eines vergessenen Kämpfers, das Willi Wottreng so detailreich der unwissenden Mehrheit preisgibt.