Der unschickliche Antrag

„Ich hätte gern einen Telefonanschluss, aber ein bisschen pronto, wenn es geht.“ Den Spruch hat man vor Jahren des Öfteren gehört. In Italien hat das Wörtchen „pronto“ eine weitere Bedeutung. Wenn man sich am Telefon meldet, verwendet man es. Doch wenn man der Erste ist, der ein Telefon samt Anschluss beantragt, in Sizilien, im Jahre 1891, also vierunddreißig Jahre bevor der Autor des Buches ebenda geboren wurde, dann ist das schon eine Geschichte wert. Und die kann von keinem anderen geschrieben werden als vom Großmeister des hintersinnigen Humors selbst: Andrea Camilleri.

Im Fußball nennt man es Rudelbildung, und es wird unnachgiebig mit einer gelben, im Ernstfall auch mit einer roten, Karte geahndet. Im hier vorliegenden Fall müssen sich alle Parteien – dieser Vergleich ist nicht unwillkürlich – irgendwie einigen. Und wenn das nicht klappt, schmiedet man Allianzen, ob die nun als heilig oder unheilig zu bezeichnen sind, obliegt dem Leser höchstselbst.

Der Holzhändler Filippo Genuardi, von allen nur Pippo genannt, will einen Telefonanschluss für den privaten Gebrauch. Die monatlichen Schreiben an den Präfekten von Vigáta sind an Unterwürfigkeit kaum zu überbieten. Man stell sich vor, dass man heute solche Anträge schreiben würde – der Großteil der empfangenden Sachbearbeiter wäre überfordert, zumindest würden sie sich auf den Arm genommen fühlen. Wozu braucht Pippo einen Telefonanschluss? Dazu noch für den privaten Gebrauch. Nicht einmal die Stadtoberen besitzen solch eine Errungenschaft. Pippo kämpft auf verlorenem Posten. Doch er lässt sich nicht unterkriegen. Er wird proaktiv, wie man es heutzutage huldvoll nennen würde. Denn er kennt so manches schmutzige Geheimnis von Leuten, die ihm helfen könnten sein Ziel zu erreichen. Weil die jemanden kennen, der jemanden kennt, … etc. etc. Man kennt das vielleicht aus eigenen Erfahrungen?

Pippo ist schon eine echte Marke. Er ist weit und breit der Einzige, der einen Phonographen besitzt. Vor Kurzem hat er sich sogar einen Vierräder besorgt. Extra für ihn importiert aus dem feinen Paris. Auf Deutsch: Er hat sich ‘ne Karre besorgt. Französisches Fabrikat. Und das mitten in Sizilien. Dort, wo weit und breit nichts als Natur und Landschaft ist. Hier wird gearbeitet, gedarbt, geflucht, und ein bisschen gelebt. Luxus ist für andere da. In Sizilien sieht man zu, dass man mit dem Hinterteil die Wand berührt. Was passiert aber, wenn die eine Hand die Andere wäscht? Werden Träume wahr?

Andrea Camilleri zieht mit der Wortwitzpeitsche über das karge Land. In und zwischen den Zeilen blitzt es an jedem Wortende auf: Das raffinierte Spiel um Macht mit den Werkzeugen der Mittellosen. Was man weiß, muss man nicht preisgeben. Die Andeutung allein reicht, um dem Gegenüber ein mulmiges Gefühl zu geben. Der darf sich nun darum kümmern der Misere den eigenen Stempel aufzudrücken. Als Außenstehender erlebt man ein Schauspiel erster Güte.