Das schwarze Königreich

Alles im Leben von Jakub Shapiro ist Vergangenheit. Der Kampf gegen die Nazis, gegen die Obrigkeit, gegen den Boxer in der anderen Ringecke. Auch sein Leben mit Frau und Kindern. Und das Leben als Unterweltkönig von Warschau. Seit 1939 alles ist anders. Vorbei der Luxus und das aufregende Leben auf der Überholspur. Es herrschen neue Regeln im Warschauer Ghetto. Der gelbe Stern am Ärmel. Straßenbahnfahren verboten. Von Redefreiheit ganz zu schweigen.

In einem Versteck sitzt Ryfka. Neben ihr liegen zwei Männer auf Matratzen, die jeder Beschreibung spotten. Die Ratten tanzen Polka. Den einen Mann pflegt sie aus Höflichkeit, den Anderen aus unerschütterlicher Liebe. Sie kennt ihn schon seit Jahren. Aus einer Zeit, in der sie auch Männer pflegte. Allerdings anders als momentan. Nicht medizinisch. Sie denkt nach, wie es mal war, wie der Andere da auf der Matratze einst Ihr Leben dominierte, ihr Herz höherschlagen ließ. Vor ihr liegt nun ein Häufchen Elend. Sie weiß kaum, ob er lebt oder jemals lebte. Es fällt ihr schwer die Gedanken zu ordnen, die richtige Zeitform zu finden.

Währenddessen ist Ares im Ghetto unterwegs. Er schmuggelt alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Ares, der Kriegsgott. Namen hat er sich selbst gegeben. Legenden ranken sich um ihn. So wie einst um Jakub Shapiro. Für Ares ist das keine Adelung. Er heißt David. Auch Jude, so wie Jakub. Und der ist außerdem sein Vater. Einen Vater, den David nie mehr sehen möchte. Zu rief der Riss zwischen Vater und Sohn. Der Vater, der Kinder und Frau verließ. Der Sohn, der nun das Überleben sichern muss. Der Sohn, der jedem Deutschen am liebsten den Garaus machen möchte.

Drei Menschen, die so eng verbunden sind wie eine Familie. Doch Liebe ist hier fehl am Platz. Ryfka pflegt und trauert schon fast um ihren Jakub. Jakub ist nicht mehr Herr seiner selbst. Und David ist vom Zorn beseelt, immer in dem Wissen, dass selbst bessere Zeiten keine Linderung verschaffen können.

Was Machtverlust, Liebe und Hass, Unterdrückung und Kampf mit Menschen machen können, beschreibt Szczepan Twardoch in unnachahmlicher Weise. Gefühle und Gewalt sind gelichberechtigte Partner auf der Landkarte des Warschauer Ghettos zur Zeit des Aufstandes. Die viel gepriesene Anarchie greift um sich. Und jeder, der nicht schnell genug ist, es nicht mehr sein kann, wird gnadenlos zum Opfer abgestempelt. Die Gefahren lauern hinter jeder Ecke. Jeder kann ein Verräter sein oder sich offen zu erkennender Feind. Für Liebe und Zutrauen ist kein Platz. Ryfka wagt es dennoch. In der Stille und dem Dunkel der Nacht opfert sie sich auf bis sie Ares gegenübersteht…