Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer

Im Laufe eines Lebens sammelt sich in einer Wohnung so allerlei an, dass man einst zusammengetragen hat, um sich einmal deren Herkunft zu noch einmal herbeiführen zu können. Urlaubserinnerungen nennen das die meisten. Das reicht vom Kühlschrankmagneten über kitschige Figuren bis hin zu kleinen Malereien, die nun zeitlebens die Wände schmücken. Achtlos geht man an ihnen vorbei. Doch wären sie nicht da, würde man sie schmerzlich vermissen.

Xavier de Maistre musste Ende des 18. Jahrhunderts nach einem illegalen Duell einmal 42 Tage in Hausarrest verbringen. Für ihn keine Strafe, vielmehr endlich die Möglichkeit sein Habitat zu sichten und im Kopf zu ordnen. Karl-Markus Gauß tut es ihm mehr als zweihundert Jahre später gleich. Er muss nicht das Haus hüten, weder aus gesundheitlichen Gründen noch aus der aus der Mode gekommenen Duell-Bagatelle. Sein Salzburger Domizil ist das, was ihn ausmacht. Oder ist das Domizil ein Spiegelbild seiner selbst? Wie auch immer: Die Reise über die Quadratmeter, durch die Bücherregale, an den Wänden vorbei ist eine Reise durch sein Leben, durch Europa und seine Geschichte.

Karl-Markus Gauß ist Schriftsteller und seine Bibliothek ist enorm. Tausende Bände zieren die Wände und sein Können. Er hat sie nicht alle gelesen, musste sogar aussortieren, weil er sich eingestehen musste, dass es ihm unmöglich sein werde jedes Werk lesen zu können. Verzweiflung? Nicht im Geringsten! Denn die Erinnerungen wie er in ihren Besitz gelangte, reichen vollkommen aus, um selbst Seiten in einem Buch zu füllen.

Dieses Buch ist der Rückblick auf ein Leben, das sich immer noch in einer Aufwärtsbewegung befindet. Den Höhepunkt zwar vor Augen, doch die Entspannung in weiter Ferne. Er berichtet vom familiären Hotel in Meran, von Freunden, die ihm zur Seite standen, von Dingen, die ihm um nichts in  der Welt abzukaufen seien. Und der Leser? Er muss nicht mal anklopfen oder die Klingel betätigen, um im Gauß’schen Wissensschatz kramen zu dürfen. Wie in einem lebendigen Museum schreitet er durch die heiligen Hallen des Wissens und der Vergangenheit, steckt hier und da seine Nase, die ihn eigentlich nichts angehen (der Zimmerherr passt schon auf, dass nichts nach außen dringt, was besser indoor bleibt), blättert in Erinnerungen, die nie so ganz verblassen werden.

So eine Biographie sucht man vergebens auf dem Büchermarkt. Ein einzigartiges Lesevergnügen, dass die Neugier weckt und im Seitentakt befriedigt.