Im Fallen lernt die Feder fliegen

Von einer Reise vom Regen in die Traufe zu sprechen, würde dem Schicksal Aidas nicht gerecht werden. Ihre Eltern flohen vor dem Kriege zwischen Iran und Irak in den feindlichen Iran (wo sie in einem Flüchtlingslager geboren wurde) bis sie ihre Reise schlussendlich in der Schweiz in ruhigere Bahnen gelenkt wurde. Sie wuchs hier mit ihrer älteren Schwester auf. Fast schon war die Schweiz so etwas wie Heimat. Fast, denn das ewige Nachhängen des alten Lebens im Irak, was ihre Eltern, besonders ihren Vater, umtreibt, belastet den Alltag.

Der Vater kann und will sich nicht eingliedern. Zu fremd das gastfreundliche Land, das sie aufnahm, aber nach und nach auch Integrationserfolge sehen will. Die Eltern wollen zurück. Denn der Krieg ist vorüber. Die Diktatur Geschichte. Dass dem nicht so ist, davor verschließen sie gedankentreu die Augen. Was soll Aida machen? Sie ist zu klein, um allein in einem letztendlich doch fremden Land zu bleiben. Und außerdem gehört ein Kind zu seinen Eltern!

Vater bestimmt, Mutter folgt, die Kinder haben keine Wahl. Der Irak soll ihnen eine neue Heimat werden. Doch die neue Heimat ist alles andere. Als ihre Schwester unter die Haube soll, ob sie will oder nicht, kreisen die Gedanken nur noch um Eines: Flucht. Wieder einmal. Wieder einmal in die Schweiz.

Doch auch hier wird Aida nicht so glücklich wie sie es in einer richtigen Heimat wäre. Niemand da, dem sie sich anvertrauen kann. Es sind nicht die materiellen Dinge, die sie eine Heimat vermissen lassen. Gespräche, freie Gedanken sprühen in ihrem Kopf herum- Sie beginnt sie aufzuschreiben.

Usama Al Shahmani zündet ein Feuerwerk der leisen Gefühle. Die Aida, die er schuf, reift zu einer Persönlichkeit heran, die so unnahbar ist wie eine Feder im Wind. Sie selbst ist immerwährend auf der Suche. Nach sich, nach Heimat, nach Verbindungen. Sie findet sie nur, wenn sie ihr Leben niederschreibt. Auch ihr Freund dringt nicht vollends zu ihr durch. Aber er ist die Stütze, die sie braucht. Ein erster Pfeiler in einem heimatlichen Boden. In selbigen gerammt vom Schicksal. Unerschütterlich.

Aidas Leben beginnt sich wieder zu drehen. Doch es geht dieses Mal nicht darum, eine Bewegung anzuhalten oder umzukehren, sondern den Weg beizubehalten und mit Würde und Freude beschreiten zu können. Ein endgültiger Zieleinlauf ist nicht absehbar, doch nach den zahlreichen Kurvenläufen, ist die Zielgrade sichtbar.

Ein wunderbar poetischer Roman, der jegliche Klischees einer Flucht außen vor lässt. Was Flucht mit Menschen macht, wird mit sensiblen Worten und nie gekannter Sprachgewalt dargestellt.