Wo Dein sanfter Flügel weilt

Philip Mason ist ein Glückspilz. Der Musikstudent bekommt ein Stipendium für seine Arbeit über die „Verbindungen der zwischen der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und der Wiener Klassik“, um seine Forschungen an der Donau voranzutreiben. Im heimatlichen Amerika kann er schon erhebliche Erfolge vorweisen, doch in der Geburtsstadt seiner Mutter, wo Beethoven, Schubert, Mahler, Mozart zuhause waren, sind die Archive praller gefüllt als anderswo.

Um sich an die Stadt zu gewöhnen und sich einzuleben, eignet sich ein Konzert in dieser von Musikgeschichte durchtränkten Stadt vorzüglich. Doch das Klangerlebnis wird bald schon zu einer Obsession. Schuberts letzte Sinfonie, die in C-Dur, weist erstaunlich viele Parallelen zu Beethovens Neunter auf. Auch bei „Don Giovanni“ von Mozart scheint sich Franz Schubert bedient zu haben. Auf den ersten Blick – für den ungeübten Leser – ein klarer Fall von Plagiat. Aber wen soll man denn heute noch belangen? Schubert selbst? Der ist 1828 im Wiener Stadtteil Hietzing gestorben.

Als Musiktheoretiker wird in Phil Mason dem Forscherdrang Nahrung gegeben. Ihn wundert’s, dass es so wenig Literatur über das Offensichtliche (zumindest für Wissenschaftler wie ihn) gibt. Eine Arbeit allerdings gibt es schon. Verschlossen. Nur mit Erlaubnis der Autorin zu lesen. Die muss er erstmal finden? Gar nicht so einfach. Zumal auch dieses Dame inzwischen verstorben ist. Hat sich erhangen, wie ihre Mitbewohnerin und Jugendfreundin voller Bedauern auf Phils Drängen hin ihm mitteilt. Wem bis hierhin nicht klar sein sollte, worum es in diesem Buch geht, wird von nun auf der Klaviatur des Bösen eine harte Wendung nach der Anderen entgegen geschmettert.

Das legendäre Moskauer Sonderarchiv – Phil ist mittlerweile derart von der Idee besessen, dass in Schuberts Sinfonie ein Geheimnis lauert, das nur darauf wartet ans Tageslicht gezerrt zu werden – dringt Phil in Dimensionen vor, die er niemals zu erforschen wagte. Bis nach Südamerika treibt es ihn. Ihm wird schlussendlich klar, dass er nicht nur in ein Wespennest gestochen hat, sondern dass die Wespen schon einige Male zu gestochen und ebenso Larven hinterlassen haben…

Wie ein Doctor Jones der Musiktheorie wird aus dem wissbegierigen Musiktheoretiker Phil der sich jeder Gefahr stellende Abenteurer Mason. Man muss kein Schubertianer, Beethoven-Fanatiker oder Mozartienser sein, um sich in den Stoff hineinzudenken. Ein gesundes Maß an Krimispaß und das natürliche Gespür für Klassik reichen aus, um Sebastian Themessls Roman folgen zu können. Die möglichen Wissenslücken füllt er mit Präzision und Detailreichtum auf.