Ein Dilemma

Ein gutes Essen, Likör, Tabak – der Abend ist gut verlaufen. Der Notar Monsieur Le Ponsart und sein Mandant Monsieur Lambois sind zufrieden. Nicht wegen des guten Essens, sondern weil sie eine Lösung für ein kniffliges Problem gefunden haben. So scheint es.

Jules, der Sohn von Lambois ist verstorben. Aufopferungsvoll hat sich Sophie, die dem Vater als Hausmädchen vorgestellt wurde, um den Dahinsiechenden gekümmert. Doch ihre Opferbereitschaft war nicht von Pflichtbewusstsein gegenüber dem Herr des Hauses geschuldet, sondern geschah einzigallein aus Liebe. Denn unter ihrem Herzen trug sie die Frucht ihrer Liebe.

Jules sollte es einmal zu etwas bringen. Inder Politik. Das haben Le Ponsart und Lambois schon vor langer Zeit beschlossen. Die Jahre vergingen und Jules entwickelt sich in die richtige Richtung, zumindest in den Augen der Männer, die nun Probleme sehen, die gar keine sind. Das allerdings wissen sie nicht und preschen voreilig aus ihrer sicheren Deckung hervor.

Sophie hat unvorsichtigerweise um etwas Geld gebeten. Schließlich ist sie schwanger, allein und ohne die Aussicht, dass sich jemand ihrer annehmen wird. Eine junge Frau im Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts, ein Hausmädchen – das bindet sich niemand freiwillig ans Bein.

Le Ponsart und Lambois vermuten hinter der naiven Anfrage ein Komplott, den Anfang einer langanhaltenden Erpressung. Die Beziehung von Jules und Sophie war nicht standesgemäß, und die Karriere, die Lambois und Le Ponsart für Jules vorschwebte, könnte sich nur allzu schnell in Rauch auflösen. Le Ponsart macht Sophie ein Angebot, dass sie nicht ausschlagen kann. Tut sie aber! Also doch ein Problem?!

Auftritt Madame Champagne. Klatschbase, Zeitungshändlerin, Ladenbesitzerin eines Papiergeschäftes, das mehr schlecht als recht zum Überleben taugt. Aber auch eine Frau, die das Herz am rechten Fleck trägt. Ein Engel für gefallene Engel. Engagiert, gewieft und abgezockt. Dass auch sie ein Problem darstellen kann, übersehen Le Ponsart und Lambois in ihrer Engstirnigkeit und Überheblichkeit geflissentlich. Als aber auch Sophie das zeitliche segnet, wird das Spiel der beiden Männer auf eine harte Probe gestellt…

Joris-Karl Huysmans lässt in der vielsagenden Geschichte „Ein Dilemma“ zwei Welten aufeinanderprallen. Zwei eitle Faun, die in ihrem elitären Gehabe so sehr verankert sind, dass ihnen nicht in den Sinn kommt, dass außerhalb ihrer eigenen Welt andere Regeln herrschen. Spät merken sie, dass ihr Spiel von beiden Parteien, manchmal sogar von der dritten, gespielt werden kann.