Niemandsland

Der Erzähler (man kann davon ausgehen, dass es sich um den Autor handelt) und sein Freund Frank wachsen im Berlin der späten 60er / 70er Jahre auf. Ost-Berlin! Sie stromern durch Knallerbsenbüsche, schließen Blutsbrüderschaft, stürzen sich von vergammelten Kähnen in Seen, büchsen aus dem Kindergarten aus … halt alles, was man als fantasiebegabtes Kind im Rahmen der sozialistischen Möglichkeiten so tun kann. Von Indianerspielen – Ulzana aka Gojko Mitic ist ihr großes Leinwandvorbild – bis Fahrkartenautomatenknacken – die Beute wird ihnen allerdings schnell wieder abgenommen – ist alles dabei. Doch das ist alles nur ein Vorspiel für eine Jugend, die von Beklemmungen bestimmt sein wird, denen man nur mit Flucht begegnen kann.

Die liebevolle Mutter, der brutale Vater, die Engstirnigkeit der verblendeten Sittenwächter sind anfangs nur Nadelstiche auf der Suche nach Selbstverwirklichung. Je älter die unzertrennlichen Freunde werden, umso tiefer sitzen die Stachel der Verzweiflung. Was als Dummerjungenstreich beginnt, endet abrupt mit dem Eintritt ins Erwachsenenleben.

Matthias Friedrich Muecke gelingt es nicht nur mit Worten den Leser in eine Zeit zu locken, die vielen so weit weg erscheint wie sie gar nicht ist. Denn die Kindheit ist niemals weit weg. Erinnerungen mögen verblassen und die Eindrücke im Laufe der Jahre in einem andern Licht erscheinen, doch sie sind immer (noch) da.

Die Zeichnungen aus der Feder des Autors sind die eigentlichen Helden des Buches. Detailgenau (etwa das Glas mit den Dritten der Oma auf dem Staßfurt-Fernseher) und pointiert geben sie denjenigen, der eine andere Jugend erleben durfte ein exaktes Bild wider, was in den Texten schrill, skurril, melancholisch, aufmüpfig beschrieben wird. Wer ebenfalls mit Osceola, Muckefuck und Westpakete-Aufreißen aufgewachsen ist, wird aus dem vielsagenden Kichern nicht mehr rauskommen.