Wir waren eine gute Erfindung

Heute Abend kommt wieder die ganze Familie zusammen, um mit dem Sederabend das Pessachfest zu feiern. Salomon freut sich schon darauf. Dieses Jahr ist jedoch allesanders. Sarah ist nicht mehr da. Seine geliebte Sarah. Die mit so viel Hingabe das Essen zubereitete und mit noch mehr Liebe dieses Fest zu einem ganz besonderen Fest machte.

Was nicht immer einfach war, und es wohl auch niemals sein wird. Salomon wird wie immer seine Witze reißen. Witze, die nur er machen darf. Witze, die viele vor den Kopf stoßen. Witze, die sich um Auschwitz handeln. Er kennt die Hölle von Auschwitz. Er überlebte sie. Deswegen ist es sein Recht sich darüber lustig zu machen. Die Erinnerungen daran sind auch Jahrzehnte danach immer noch präsent.

Wie immer liegt er am Morgen noch in seinem Bett. Seine Seite der Schlafstätte zerwühlt, neben ihm alles wie am Abend zuvor. Heute Abend geht es wieder rund. Wenn seine Jüngste Michelle und ihr Gatte Patrick mit ihren Kindern Tania und Samuel auftauchen. Hoffentlich hat Patrick dieses Mal seine Verdauung im Griff! Wahrscheinlich eher nicht. So wie schon bei seiner Bar Mizwa. Salomon ergreifen die Erinnerungen.

Sarah hat immer die Familie über alles gestellt. Sie schaffte es mit Leichtigkeit Streit zu ertragen und niemandem Vorwürfe zu machen. Der Sederabend mit Sarah war immer ein Ereignis. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten wird dieses Fest nur das Fest der Juden sein, das an den Auszug der Israeliten aus Ägypten erinnern soll.

Auch Salomons und Sarah Älteste Denise wird vorbei kommen. Wie immer zu spät. Wie immer mit einer ordentlichen Portion Mut im Gepäck. Mut allem, was ihr nicht passt die Stirn zu bieten. Die Stunden bis die Familie eintrifft, sind für Salomon Stunden der Erinnerung. An Urlaub mit den Kindern, an vergangene Sederabende, an die Fragen der Kinder, die ihren Vater und Opa durchlöcherten mit ihrer unschuldigen Neugier. Und an die Witze, die Salomon riss. An die beiden Goldfische, die er für Michelle und Denise auf dem Jahrmarkt eroberte. Göbbels und Göhring. So nannte er die beiden Fische. Salomons Humor war schon immer ganz speziell.

Joachim Schnerf schildert mit wohltuender Ruhe vom Wechselbad der Gefühle eines Mannes, der seiner Familie mit ganz besonderer Zuneigung entgegentritt. Sarah war es, die Harmonie versprühte, die die Autorität besaß jedwedem Zwist den Garaus zu machen. Leicht wurde es beiden nie gemacht. Streit und Geschrei gehörten zum Sederabend wie Lesen der Texte über die Flucht aus der Sklaverei. Die Bissigkeit des eigenen Schicksals, verbunden mit der Leichtigkeit der Liebe sind die Zutaten für ein gelungenes Fest, das dieses Buch kompromisslos feiert.