Der Teufel, natürlich

Da will man jemandem was Gutes tun … und der Schuss geht voll nach hinten los. Oder man will jemand aus Angst selbst enttarnt zu werden in die Pfanne hauen, und fällt in die Grube, die man selbst ausgehoben hat. Da müssen doch höhere Mächte am Werk sein! Nicht immer. Manche nennen es Schicksal. Manche erkennen in solchen Taten den Teufel. Nüchtern betrachtet ist es ausgleichende Gerechtigkeit.

Für Andrea Camilleri war – ja, leider muss man es nun so sagen: Es war. Andrea Camilleri schloss am 17. Juli 2019 endgültig die letzten Seiten seines Lebensbuches – war es fast schon ein diabolisches Vergnügen dem Menschen einen Spiegel vorzuhalten, ohne dabei den berüchtigten Zeigefinger warnend zu schwenken.

Diese Geschichtensammlung kann man nicht in Auftrag geben. Sie wird einem angeboten. Und das Angebot sollte man annehmen! Schon allein die erste Geschichte der Philosophen Jean-Paul Dassin und Dieter Maltz zeigt Camilleris Fähigkeit Fiktion und Realität in einen einmaligen Einklang zu bringen. Beide Philosophen kannten sich nicht. Die Medien heizten durch Spekulationen, dass Dassin der Literaturnobelpreis zugesprochen werden solle, jedoch die Feindschaft an. Maltz ließ das kalt. Er als sich die Politik einzumischen versucht, nimmt Maltz die Herausforderung an. Die Akademie, die den Preis verleiht, sieht sich gezwungen, Dassin aus dem Kreis der Anwärter zu streichen. Zu viel öffentliches Interesse, könne die Wahl beeinflussen. Maltz schreibt in einer derart überhöht satirisch über Dassins Werk, dass nun niemand mehr umherkam, Dassin den Preis schlussendlich doch zuzusprechen. Die Satire war derart gut zwischen den Lobeshymnen versteckt, dass niemand die spitze Zunge auffiel.

Der Teufel steckt halt immer im Detail. Doch selbst, wenn man ihn erkennt, nimmt man ihn nicht ernst. Doch das Ende der Geschichten ist nicht immer vorhersehbar. Ein Einbrecher entdeckt verräterische Fotos und zwei Briefe der Erpressten. Ihr Verführer hat sie beim heimlichen Liebesspiel fotografiert. Sie solle zahlen, dann bekäme sie die Negative. Doch der Erpresser dachte gar nicht daran die Kuh, die er molk auf die Weide zurückzulassen. Er wollte mehr. Für die Verführte eine delikate Angelegenheit, denn sie war die Ehefrau eines angesehenen Mannes. Der Erpresser lässt in einem Anflug von Edelmut ihr die Fotos zukommen. Sie hatte die Fotos und die Affäre schon fast vergessen, die Zeit heilt alle Wunden. Doch dann beginnt der Todeskreislauf von vorn …

„Der Teufel, natürlich“ ist nur wenige Tage nach seinem Tod auf Deutsch erschienen. Dreiundreißig Geschichten, die nur von ihm geschrieben werden konnten. Den Finger in die Wunde legen und zu behaupten, dass er es doch gleich gesagt hätte, dass es schief geht, war nicht sein täglich Panino. Aber ohne Schadenfreude zu beobachten wie Pläne sich ins Gegenteil verwandeln, den Prozess des Niedergangs zu beschreiben, gelang mit einer Leichtigkeit und Präzision, die jedem Diamantenschleifer die eigene Unzulänglichkeit vor Augen führt.

Für jede Seite, jeden Absatz, jedes Wort sollte man Andrea Camilleri ein Denkmal setzen. Mit Tränen in den Augen fliegt nicht über die Sätze, man taucht in die Geschichten ein. Luftholen unnötig. Camilleri erstickt den Leser mit einem zufriedenen Gefühl, dass man derartigen Schicksalen bisher aus dem Weg gehen konnte. Man ist aber nun auf der Hut!