In der Schweiz

Tom Sawyer und Huckleberry Finn hatten Mark Twain zu einem wohlhabenden Mann gemacht. Das gefüllte Wallet erlaubte dem Reporter Twain über den Tellerrand, sprich Atlantik, zu schauen. Nur um zu schauen, was in der „Alten Welt los ist“. Das geflügelte Wort „Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen“ trifft in seinem Fall nicht ganz zu. Wenn Mark Twain eine Reise tut, so schreibt er ein Buch! „In der Schweiz“ ist nicht einfach nur ein Klassiker des Genres Reisebericht, es ist der Reisebericht, an dem sich seit fast anderthalb Jahrhunderten viele Reiseschriftsteller die Zähne ausbeißen.

1878/79 reiste Twain durch Europa. Italien und Deutschland lagen auf seiner Route. Und natürlich auch die Schweiz. Die Faszination Schweiz von heute ist mit der von damals durchaus zu vergleichen. Und so schippert Twain über den Vierwaldstättersee und der Leser kann – sofern er dieses Büchlein dabei hat und selbst auf dem See beispielsweise von Weggis nach Flüelen unterwegs ist – dieser Faszination nicht nur etwas abgewinnen, sondern immer noch so nachempfinden. Das Publikum ist ein anderes. Aber heute noch wird man so manches Unikat antreffen können.

So wie Twain, der hier als anonymer Erzähler in Erscheinung tritt, jedoch keinen Zweifel daran lässt, dass dessen Name Twain, Mark Twain ist. So trifft er einen äußerst aufgeschlossenen Landsmann. Einer wie er im Buche steht. Small Talk auf unterstem intellektuellen Niveau. Toleranz ja, Akzeptanz – da hört der Spaß mit und in der Fremde auf. Dieser Amerikaner gibt dem Erzähler / Twain Tipps, wo er abzusteigen hat. Er weiß alles, kennt jedes Hotel und kennt so ziemlich jeden Amerikaner, der zur selben Zeit wie er in der Schweiz weilt. Twain macht sich einen Spaß daraus diesen Landsmann zu foppen. Immer wieder lässt er sich beratschlagen, wo er absteigen solle. Natürlich dort, wo die meisten Amerikaner sind. Der Amerikaner verbringt so viel Zeit in Hotelllobbies, dass er alle kennt. Twain reist lieber außerhalb der Hotels und beschaut sich Land und Leute. Und kauft eine Kuckucksuhr…

Einhundert vierzig Jahre ist dieser Reisebericht alt. Und immer noch so frisch wie am ersten Tag. So duftend wie eine Alm. So rein wie ein kehliges Kinderlachen. So unübertroffen auf den Punkt wie Tells Pfeil im Apfel. Kann man sich doch einmal von der Umgebung loseisen, so sollte man sich in dieses Buch vertiefen und den Worten Twains folgen. Ein befreiendes Gefühl zu erleben, dass manches sich eben doch nicht ändern wird.