Albanien

Wer sich vorgenommen hat Albanien zu besuchen, reist per se schon mal gern auf eigene Faust. Und hat schon vorher ein wenig recherchiert. Das Baskenland beispielsweise ist genau so weit von Deutschland entfernt, aber allein schon Bilbao hat sicher mehr deutsche Besucher als das Land Albanien. Das ist kein Makel! Vielmehr ist es eine Chance ein Land zu besuchen, über das – bleiben wir doch gleich im Baskenland – vergleichsweise wenig bis gar nichts bekannt ist. Ein Abenteuerspielplatz gigantischen Ausmaßes!

Ralph-Raymond Braun macht Schluss mit der Planlosigkeit und zeigt in seinem fast fünfhundert Seiten starken Reiseband ein Land, das einmal als das Armenhaus Europas bezeichnet wurde. Portugal ging es einmal ähnlich, und heute gehört es zu den Top-Destinationen rund ums Mittelmeer. Wer also Albanien noch ursprünglich erleben will, muss sich sputen. Denn der so genannte Fortschritt macht schon lange nicht mehr Halt vor dem kleinen Balkanstaat.

Bereits vor über dreißig Jahren reiste Autor Ralph-Raymond Braun nach Albanien. Alles geführt, jede noch so kleine zufällige Begegnung folgte einem Plan. Jetzt kann jeder nach Albanien reisen. Jede Zufallsbekanntschaft ist auch eine solche. Und die ursprüngliche Natur ist ursprünglich, weil sie es eben ist. Das sollte man bedenken, wenn man es gewohnt ist jeden Tag ein frisches Stück Seife im Hotel vorzufinden. Albanien hat viel zu bieten – Abenteuer inkl.

Dieser Reiseband liest sich wie ein spannender Roman. Egal, ob man erfahrener Individualtourist mit Hang ausgeprägtem Entdeckergen oder Über-Stock-Und-Stein-Frischling. Mit selten dagewesener Energie und angenehmer Neugier schreibt Braun von unberührten Naturschutzgebieten, in denen man fast zu jeder Tages- und Nachtzeit Flora und Fauna bei der Erledigung ihrer alltäglichen Aufgaben beobachten kann. Er führt durch erhabene Gänge in abgeschiedenen Klostern und erzählt von Legenden, die bis heute von Mund zu Mund weitergegeben werden. Wer sich nicht allzu touristisch gibt, kommt in den Genuss einer unerschöpflichen Gastfreundschaft, die zu Tisch noch lange nicht zu Ende sein muss.

Entgegen anderen Destinationen ist in Albanien nicht die Hauptstadt Tirana der einzig sehenswerte Ort, den man gesehen haben muss, um das Land zu begreifen. Das alte Lissos, heute Lezha, liegt nur eine knappe Fahrstunde von Tirana entfernt. Wie überall im Land überkommt einem schnell das Gefühl, dass ein Eimer Farbe so mancher Fassade gut bekommen würde. Doch dann wäre alles wie immer. Sauber, rein, herausgeputzt, um einladend zu wirken. Der Charme des Landes liegt in der oberflächlichen Ungenügsamkeit. Das ist keineswegs negativ gemeint. Im Gegenteil. Wer Albanien besucht, sucht keine klinisch reinen Ecken. Charme entsteht erst durch Leben. Und Leben hinterlässt Spuren. Genau wie dieses Buch. Selbst wem nie in den Sinn gekommen wäre Albanien einen Besuch abzustatten, wird schon beim Durchblättern feststellen, dass Albanien – ob nur als Tagestourist (beispielsweise von der griechischen Insel Korfu aus) oder für länger mit Rucksack oder Hotelgast im gediegenen Ambiente oder Adventure-Junkie in wilden Gewässern oder oder oder – mehr als nur eine bloße Erwähnung in geselliger Runde nach dem Urlaub ist. Man sollte nur nicht den Fehler begehen, und dieses Buch nicht zu lesen.